TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/4 2000/10/0101

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.2000
beobachten
merken

Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §9 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der M GmbH in Hamburg, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 28. April 2000, Zl. 332.487/1-IX/B/12/99, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 23. November 1998 hat die beschwerdeführende Partei das Verzehrprodukt "Membrain-Kapseln" mit Lecithin und Vitamin E gemäß § 18 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes (LMG) als Verzehrprodukt angemeldet. Mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 30. März 1999 war die beschwerdeführende Partei vom Ablauf der Untersagungsfrist benachrichtigt worden.

Mit Eingabe vom 12. April 1999 stellte die beschwerdeführende Partei gemäß § 9 Abs. 3 LMG den Antrag, für das Verzehrprodukt "Membrain-Kapseln" die gesundheitsbezogenen Angaben

-

"zur gezielten Versorgung mit pflanzlichem Lecithin und Vitamin E, leistungsfördernde Nährstoffe für Körper und Geist"

-

"Phosphatidylserin (PS) unterstützt die Funktionen des Gehirns"

-

"... und dem leistungsfördernden Vitamin E"

mit Bescheid zuzulassen. Die beantragten gesundheitsbezogenen Angaben seien mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie ein. Darin heißt es, Lecithin zähle zu den Phospholipiden und finde sich in biologischen Membranen. Es werde im Körper selbst nach Bedarf synthetisiert. Die dem Lecithin verschiedentlich zugesprochene stärkende Wirkung sei weder belegt noch bestätigt. Vitamin E sei Bestandteil tierischer Zellenmebrane und werde zu den Antioxidantien gezählt. Eine "leistungsfördernde" Wirkung des Vitamin E sei bislang nicht beschrieben. Phosphatidylserin (PS) gehöre ebenfalls zur Gruppe der in biologischen Membranen befindlichen Phospholipiden. Von einer unterstützenden Wirkung dieser Substanz auf die Funktionen des Gehirns sei bislang in der wissenschaftlichen Literatur nichts berichtet worden. Die beantragten Angaben seien irreführend und zur Täuschung des Verbrauchers geeignet.

In ihrer Stellungnahme zu diesen Ausführungen erklärte die beschwerdeführende Partei, sie lege zum Beweis für die Wirkung von Lipamin (Phosphatidylserin) und damit zum Beweis, dass die beantragten Angaben nicht irreführend seien, die Stellungnahme von Prof. DDr. Schmidt, Tübingen, vom 20. Juni 1999 und eine Studie von Thomas H. Crook über die Wirkung von Phosphatidylserin aus dem Jahr 1998 vor. Was die "leistungsfördernde" Wirkung des Vitamin E betreffe, so werde in einem näher bezeichneten Erlass des Bundeskanzleramtes vom 2. Juni 1999 als Beispiel für allgemein gehaltene wahrheitsgemäße Angaben zu Funktion und Wirkung von Stoffen im menschlichen Organismus folgende Angabe ausdrücklich angeführt: "Vitamin E ist wichtig für die Funktionsfähigkeit von Muskulatur, Nervensystem und Fortpflanzungsorganen." Unter diesen Umständen sei nicht einzusehen, warum der Hinweis auf das "leistungsfördernde Vitamin E" zur Irreführung geeignet sein solle. Es werde daher der Antrag auf Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben wiederholt und ersucht, die beschwerdeführende Partei in jedem Fall vom Ergebnis einer neuerlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie zu benachrichtigen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. April 2000 gab die belangte Behörde unter Berufung auf § 9 Abs. 3 LMG dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben keine Folge.

In der Begründung wird zunächst das Verwaltungsgeschehen bis zur Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei wiedergegeben. Im Anschluss daran heißt es, zu der von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Literatur habe der Sachverständige für Lebensmittelchemie im Wesentlichen Folgendes dargelegt:

Zunächst sei abzuklären, ob es sich bei den von Prof. DDr. K. H. Schmidt erwähnten Lipaminen (insbesondere das Lipamin PS) um das Phosphatidylserin handle. Offenbar sei darunter dasselbe zu verstehen. Entgegen der Meinung von Prof. DDr. K. H. Schmidt handle es sich aber bei den zitierten Lipaminen um keine Nährstoffe; sie besäßen deshalb auch keinerlei "nutritive Bedeutung". Der angepriesene günstige Einfluss der Substanz auf die Gehirnfunktionen sei nach Meinung des Autors durch "eine Reihe doppelblind durchgeführter und in internationalen Journalen publizierter Studien zweifelsfrei" belegt. Diese seien jedoch nicht angeführt.

Laut Studie zur "Behandlung des altersbedingten Nachlassens der kognitiven Fähigkeiten. Die Wirkung von Phosphatidylserin " von Thomas H. Crook werde den Patienten, durchschnittlich 60 Jahre, über mehrere Wochen 300 mg Lipamin-PS täglich verabreicht. Laut Verzehrempfehlung (1 Kapsel täglich) des verfahrensgegenständlichen Produktes werde laut vorliegenden Unterlagen jedoch täglich nur 100 mg der Substanz verabreicht.

Ob vergleichbare Ergebnisse auch mit 100 mg täglich zu erreichen wären, sei an einigen wenigen Patienten untersucht worden, sodass die Verfasser selbst darauf hinwiesen, dass "auf Grund der sehr geringen Probandenzahl die Ergebnisse mit Vorsicht zu bewerten sind". Sie vermuteten, "dass eine optimale Dosierung bei zunächst 300 mg liege und dann nach ein oder zwei Monaten eine Reduzierung auf 100 mg erfolgen sollte".

Im Anschluss an die Wiedergabe dieser Stellungnahme des Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie heißt es im angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen, es sei vor allem darauf hinzuweisen, dass die vorgelegte Untersuchung von Thomas H. Crook mit 300 mg Phosphatidylserin als solchem durchgeführt worden sei. Bei dem im Spruch genannten Produkt handle es sich jedoch laut vorliegender Zutatenliste um ein Lecithinpräparat. Die Studie habe sich somit auf ein anderes Produkt bezogen. Strittig im vorliegenden Verfahren sei die Frage gewesen, ob die dem in Rede stehenden Produkt mit den beantragten gesundheitsbezogenen Angaben beigelegte positive Wirkung dem Verbraucher zukomme. In den zur Beurteilung des Antrages eingeholten Stellungnahmen sei der Sachverständige für Lebensmittelchemie zur Schlussfolgerung gelangt, dass nach den Erkenntnissen der Wissenschaft die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen nicht geeignet gewesen seien, eine Wirkung nachzuweisen, wie sie nach den beantragten Angaben zu erwarten wäre. Diese Sachverständigendarlegungen seien der Entscheidung zu Grunde zu legen gewesen, da sie vollständig und in sich schlüssig gewesen seien bzw. auch kein Zweifel bestanden habe, dass diese den neuesten wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen entsprächen. Eine Zulassung von Angaben, welche dem Produkt eine tatsächlich gar nicht innewohnende Wirkung gemäß der beantragten Gesetzesstelle beilegten, sei jedenfalls mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung unvereinbar.

Zur angepriesenen Wirkung der Zufuhr des in dem Produkt enthaltenen Vitamin E verweise die beschwerdeführende Partei auf einen Erlass, wonach Vitamin E wichtig für die Funktionsfähigkeit von Muskulatur und Nervensystem sei. Bei der angesprochenen Passage handle es sich aber um eine allgemein gehaltene Aussage zu Funktion und Wirkung von Vitamin E im menschlichen Körper, das heißt, dass Vitamin E grundsätzlich für die Funktionsfähigkeit dieser Organsysteme von Bedeutung sei. Sie bedeute jedoch keineswegs, dass zusätzlich zugeführtem Vitamin E eine mess- und feststellbare "Förderung der Leistungsfähigkeit" allgemein oder im Speziellen zukomme.

Wenn die Behörde der Auffassung sei, dass der Sachverhalt ausreichend geklärt sei, so sei sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, von weiteren Ermittlungen Abstand zu nehmen. Nachdem die beschwerdeführende Partei durch die von ihr vorgelegten Unterlagen keine Änderung der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie habe erwirken können, sei von einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme auch im Hinblick auf den Grundsatz der Raschheit des Verfahrens abzusehen und wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei macht geltend, ihr sei die zweite Stellungnahme des Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie, die sich mit den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen auseinander gesetzt habe, nicht zur Kenntnis gebracht und ihr keine Gelegenheit geboten worden, hiezu Stellung zu nehmen und darzulegen, dass die von Thomas H. Crook beschriebenen Wirkungen auch auf das Produkt Membrain-Kapseln mit Lecithin und Vitamin E zutreffen, sowie die vom Amtssachverständigen offenbar vermissten Literaturzitate nachzuliefern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von

Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen

              a)              sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesund erhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;

              b)              auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;

              c)              gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.

Nach § 9 Abs. 3 LMG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Thema des Ermittlungsverfahrens, welches auf Grund des Antrages der beschwerdeführenden Partei auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben durchgeführt wurde, war die Frage, ob die beantragten gesundheitsbezogenen Angaben mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar sind. In diesem Zusammenhang war auch die Frage von entscheidender Bedeutung, ob das Produkt der beschwerdeführenden Partei die durch die gesundheitsbezogenen Angaben angepriesenen Wirkungen tatsächlich entfaltet. Zur Klärung dieser Frage bedurfte es der Einholung von Sachverständigengutachten. Solche hat die belangte Behörde auch eingeholt.

Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde hat zwei Stellungnahmen eines Amtssachverständigen für Lebensmittelchemie eingeholt. Der beschwerdeführenden Partei wurde nur die erste zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Der angefochtene Bescheid stützt sich aber ganz wesentlich auch auf die zweite Stellungnahme, welche der beschwerdeführenden Partei nicht zur Kenntnis gebracht wurde. Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die in der Gegenschrift vertretene Auffassung, das Parteiengehör bezüglich der zweiten Stellungnahme habe unterbleiben können, weil diese keine anderen Ergebnisse gezeitigt habe als die erste Stellungnahme, ist unzutreffend. Die zweite Stellungnahme des Amtssachverständigen war erforderlich, um sich mit den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Unterlagen auf fachlicher Ebene auseinander setzen zu können. Dass der Amtssachverständige bei seiner Auffassung geblieben ist, ändert aber nichts daran, dass diese Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei hätte zur Kenntnis gebracht werden müssen, beinhaltet sie doch im vorangegangenen Verfahren nicht vorgekommene und von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Aussagen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000100101.X00

Im RIS seit

24.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten