TE OGH 2017/10/11 13Os86/17x

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Veröffentlicht am 11.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Dominik M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 erster und zweiter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Benjamin K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Mai 2017, GZ 154 Hv 126/16b-71, sowie über die Beschwerde des Benjamin K***** gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

         Dem Angeklagten Benjamin K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Benjamin K***** des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 (zu ergänzen) Z 1 StGB (I/B) sowie mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht zum 25. Juli 2016 in W***** im einverständlichen Zusammenwirken mit mehreren Mittätern (§ 12 erster Fall StGB)

(I/B) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Gewahrsamsträgern des Unternehmens AUTO G***** fremde bewegliche Sachen, nämlich im Urteil genannte Pkw, in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch in einen Bürocontainer, Eindringen in die Pkw mit den solcherart widerrechtlich erlangten Schlüsseln und Verbringung der Pkw nach Ungarn weggenommen;

(II) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich im Urteil genannte Kfz-Kennzeichen, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und (richtig) 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Benjamin K***** geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268).

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0117995 [insbesonders T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0116732 und RS0118317).

In Bezug auf alle Fehlerkategorien ist die Beschwerde nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).

Indem sich die Mängelrüge, welche die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Schuldspruchs I/B angreift, auf Z 5 erster, zweiter und vierter Fall stützt, dabei den Urteilskonstatierungen die vom Erstgericht als lebensfremd verworfene Einlassung des Beschwerdeführers (US 10 f) entgegenhält, sich gegen die Überzeugungskraft der diesen belastenden Aussagen der Mitangeklagten (US 10 f) wendet und eigenständige Erwägungen zur Aussagekraft von Verfahrensergebnissen anstellt, zeigt sie keine Begründungsfehler im dargelegten Sinn auf, sondern erschöpft sich in einem im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Das Erstgericht leitete die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite – dem Beschwerdevorbringen zuwider – nicht bloß aus der geständigen, den Beschwerdeführer belastenden, Verantwortung der Mitangeklagten, sondern auch aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 10 f). Die solcherart nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientierte Rüge entzieht sich somit einer inhaltlichen Erwiderung.

Sich mit jedem Detail der Aussagen der Mitangeklagten und der Gutachtenserörterung auseinanderzusetzen war das Erstgericht, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend, unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht gehalten (RIS-Justiz RS0098778 und RS0106642).

Zum weiteren Vorwurf der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) genügt der Hinweis auf die eingehende (US 10 f), den

Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechende Beweiswürdigung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entwickelt die Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Schuldspruch I/B nicht aus den diesbezüglichen – aus Z 5 erfolglos bekämpften – Urteilskonstatierungen (US 9) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Zur Anregung einer Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B-VG genügt der Hinweis, dass der Gesetzgeber mit der seit 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage (BGBl I 2013/114 iVm BGBl I 2014/92) ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte ausdrücklich verneint hat (RIS-Justiz RS0130514, jüngst 13 Os 10/17w; vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 597 und § 285j Rz 4–6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Urteil im Ausspruch über die den Angeklagten Dominik M***** betreffende Konfiskation eines Brecheisens und einer Zange gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster und dritter Fall StPO anhaftet, weil das Erstgericht keine Feststellungen dazu traf, in wessen Eigentum die konfiszierten Gegenstände im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz standen (dazu Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 12), und die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS-Justiz RS0088035 [insbesondere T7]).

Demzufolge war das Konfiskationserkenntnis schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch sowie die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E119722

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00086.17X.1011.000

Im RIS seit

08.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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