Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj W*****, geboren am ***** 2004, vertreten durch das Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (Amt für Jugend und Familie-Rechtsvertretung Bezirk *****), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge des Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Dezember 2016, GZ 43 R 625/16d-28, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 12. Oktober 2016, GZ 1 Pu 47/16x-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, jeweils eine Gleichschrift des Revisionsrekurses des Bundes dem Land Wien als Träger der Kinder- und Jugendhilfe, der Mutter O***** und dem Vater O***** zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen. Nach Erstattung der Revisionsrekursbeantwortungen bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist sind die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hat dem durch den Träger der Kinder- und Jugendhilfe vertretenen Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für die Zeit vom 1. 10. 2016 bis 30. 9. 2021 gewährt.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, nicht Folge und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen erhob der Bund Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 AußStrG verbunden mit einem Revisionsrekurs. Diesen Schriftsatz stellte das Erstgericht mit Verfügung vom 27. 1. 2017 (nur) an den Träger der Kinder- und Jugendhilfe „zur allfälligen Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen“ zu. Der Träger der Kinder- und Jugendhilfe ersuchte mit einem an das Erstgericht gerichteten Schreiben vom 1. 2. 2017, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Mit Beschluss vom 7. 3. 2017 gab das Rekursgericht der Zulassungsvorstellung Folge und sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Verfügt wurde (allein) die Zustellung dieses Beschlusses an alle Verfahrensbeteiligten.
Die Aktenvorlage ist verfrüht, weil über das Rechtsmittel derzeit noch nicht entschieden werden kann.
Rechtliche Beurteilung
Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Wird ein Revisionsrekurs, oder – wie hier – eine Zulassungsvorstellung, mit der ein ordentlicher Revisionsrekurs verbunden ist, gegen einen Beschluss erhoben, mit dem über die Sache entschieden worden ist, und findet das Gericht erster Instanz keinen Grund zur Zurückweisung, so ist jeder anderen aktenkundigen Partei eine Gleichschrift zuzustellen (§ 68 Abs 1 AußStrG). Unter einem Beschluss „über die Sache“ wird jede Entscheidung über den Verfahrensgegenstand verstanden (RIS-Justiz RS0120860 ua). Die anderen Parteien können binnen 14 Tagen eine Beantwortung des Revisionsrekurses mittels Schriftsatzes überreichen; § 65 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 zweiter Halbsatz, Abs 3 Z 3 bis 6 und § 66 AußStrG sind sinngemäß anzuwenden (§ 68 Abs 1 AußStrG).
In diesem Sinn sind (auch) das Kind (vertreten vom Träger der Kinder- und Jugendhilfe, § 9 Abs 2 UVG), die Mutter als Zahlungsempfängerin (10 Ob 1/11m; RIS-Justiz RS0120860 [T12]), und der Vater als Geldunterhaltsschuldner Parteien im Sinn des § 2 Abs 1 AußStrG, denen es frei steht, gemäß § 68 Abs 1 und Abs 3 Z 2 AußStrG eine Beantwortung des Revisionsrekurses einzubringen (10 Ob 16/10s mwN).
Hier hat – aufgrund einer Zulassungsvorstellung, die mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbunden ist – das Rekursgericht den Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt. Diesen Beschluss hatte es (nicht nur) den Parteien zuzustellen, sondern den Revisionsrekursgegnern auch die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen (§ 63 Abs 5 AußStrG). Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beginnt in diesem Fall mit der Mitteilung des Rekursgerichts, dass „den anderen aktenkundigen Parteien“ die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG), und die Revisionsrekursbeantwortung ist beim Rekursgericht einzubringen (§ 68 Abs 4 Z 1 AußStrG; 10 Ob 17/14v).
Da das Rekursgericht diese Zustellung des Revisionsrekurses (ON 26) an die Verfahrensparteien samt (nunmehriger) Freistellung der Rechtsmittelbeantwortung hier zu Unrecht unterlassen hat, wird es jeweils eine Gleichschrift an diese mit dem Beisatz zuzustellen haben, dass ihnen die allfällige Beantwortung des (nachträglich doch zugelassenen) Rechtsmittels freisteht.
Dies gilt im konkreten Fall auch für den Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Die an diesen vom Erstgericht vorgenommene Zustellung konnte keine fristauslösende Wirkung hinsichtlich einer möglichen Revisionsrekursbeantwortung entfalten (10 Ob 17/14v). Eine allfällige Behandlung des Schreibens des Trägers der Kinder- und Jugendhilfe vom 1. 2. 2017 als „verfrühte“ Revisionsrekursbeantwortung kommt im konkreten Fall nicht in Frage, weil es – einer entsprechenden Aufforderung folgend – beim Erstgericht eingebracht wurde.
Es ist daher die aus dem Spruch ersichtliche Rückleitungsanordnung zu treffen (10 Ob 16/10s).
Textnummer
E119705European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00019.17T.0425.000Im RIS seit
07.11.2017Zuletzt aktualisiert am
12.07.2019