Entscheidungsdatum
12.09.2017Index
60/02 ArbeitnehmerschutzNorm
ASchG §3 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Al-Hachich über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B., vertreten durch Rechtsanwälte KG, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 24.01.2017, Zl. MBA ... - S 49497/16, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 35 Abs. 1 ASchG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29.06.2017
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 498,00 auf EUR 260,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 5 Stunden auf 16 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit EUR 26,00 festgesetzt, das sind 10% der verhängten Geldstrafe.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Der Magistrat der Stadt Wien – Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, erließ gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der D. GmbH. mit Sitz in Wien, K.-Str., zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin in ihrer Betriebsstätte in Wien, K.-Str. am 16.09.2016 entgegen § 35 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idgF, wonach Arbeitsmittel nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden dürfen, für die sie geeignet sind und für die nach den Angaben der Hersteller/innen oder Inverkehrbringer/innen vorgesehen sind und bei der Benützung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller/innen oder Inverkehrbringer/innen sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten sind, nicht dafür gesorgt hat, dass der Stapler unter den Bedingungen benutzt wurde, für die er geeignet ist und für die er nach den Angaben der Hersteller/innen vorgesehen ist. Ein Arbeitnehmer wurde auf einer leeren Palette auf der hoch gefahrenen Gabel des elektrischen Hubstaplers mittransportiert, beim Herablassen kam es zu einem schwerwiegenden Unfall. Das Heben von Personen ist laut Herstellerangabe verboten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 35 Abs. 1 ASchG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafen von € 498,00, falls diese uneinbringlich sind,
Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 5 Stunden
gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 49,80 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe
(mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 547,80.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.
Die D. GmbH haftet für die mit diesem Bescheid über den zur Vertretung nach außen Berufenen, Herrn Mag. rer. soc. oec. A. B., verhängte Geldstrafe von € 498,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 49,80 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.“
II. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, es habe sich am 16.09.2016 im Betrieb der D. GmbH. ein Arbeitsunfall deshalb ereignet, da der Arbeitnehmer Herr An. M. entgegen ausdrücklich erlassene und von ihm zur Kenntnis genommene Vorschriften wissentlich und absichtlich verstoßen habe, indem er als stellvertretender Lagerleiter einem Arbeitskollegen angeordnet habe, ihn auf einer Palette mit dem Stapler in die Höhe zu heben. Den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden, da er sämtliche Vorkehrungen getroffen habe, um derartige Unfälle zu verhindern. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass das verwendete Arbeitsmittel nur für solche Arbeitsvorgänge und unter solchen Bedingungen benutzt werden dürfe, für die es geeignet sei und für die es nach den Angaben des Herstellers oder Inverkehrbringers vorgesehen sei. Es sei auch durch zahlreiche Schulungen, Unterweisungen, schriftliche Wiederholungen klar, dass bei der Benützung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten wären. Die Behörde führe nicht aus, was der Beschwerdeführer noch hätte tun können, um diesen Unfall zu vermeiden. Gegenständlich habe ein leitender Angestellter wissentlich und absichtlich gegen ausdrücklich erlassene Vorschriften verstoßen. Der Verstoß habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als der Beschwerdeführer nicht im Tiefkühllager gewesen sei, er habe von dem Unfall erst im Nachhinein erfahren. Zur Gewährleistung der Sicherheit aller Mitarbeiter sei gemeinsam mit der AUVA ein aufwendiges Sicherheitskonzept für das Lager erstellt worden. Bei der Erstellung wären alle Mitarbeiter, somit auch Herr An. M., eingebunden gewesen. Es wären umfangreiche und detaillierte Unterlagen zur Sicherheit im Lager erstellt worden. Im Unternehmen gebe es ein Handbuch über gefahrvolle Tätigkeiten und Anweisungen, wie die Mitarbeiter sich zu verhalten hätten. Entsprechende Schulungen unter Einbeziehung der AUVA fänden alljährlich statt. Hierbei werde darauf geachtet, dass den Mitarbeitern besonders wichtige Themenbereiche noch einmal ausführlich dargelegt würden. Auch die Betriebsanweisung für Handhubwägen gehöre zum jährlichen Unterweisungsprogramm. Herr M. sei bei jeder Unterweisung dabei gewesen und habe mit seiner Unterschrift bestätigt, die Unterweisung verstanden und zur Kenntnis genommen zu haben. Es gebe auch regelmäßige Kontrollen der AUVA sowie eine psychologische Begutachtung der Lagermitarbeiter. Herr Z. Dj., der für das Lager und die Logistik zuständig sei, habe in diesem Lager noch nie gesehen, dass jemand auf einem Stapler oder Handhubwagen transportiert oder hochgehoben worden wäre. Auch der Arbeitsinspektor habe im Verfahren festgestellt, dass nachweislich Unterweisungen durchgeführt worden wären, sowie alle erforderlichen Aufkleber und Verbotsschilder gut sichtbar angebracht gewesen wären. Der Unfall von Herrn M. sei auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen und treffe nur ihn selbst eine Schuld daran. Aufgrund seines Verhaltens sei Herr M. bereits gekündigt worden. Anlässlich des Unfalles hätten die Mitarbeiter eine neuerliche Dienstanweisung unterschreiben müssen, in der nochmals ausdrücklich festgehalten worden wäre, dass das Mit- und Hochfahren von Personen mit dem Elektrostapler ausdrücklich untersagt sei und bei Nichteinhaltung mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen sei.
Weiters wurde als Verfahrensmangel geltend gemacht, dass von der Behörde auf die angebotenen und vorgelegten Beweismittel nicht eingegangen worden wäre, sowie auch die Strafbemessung nicht ausreichend begründet worden wäre.
III. Das Arbeitsinspektorat für den 6. Aufsichtsbezirk brachte in seiner Stellungnahme vom 20.03.2017 dazu vor, es könnten in der Rechtfertigung des Beschwerdeführers keine schuldmildernden Tatsachen erkannt werden. Ein entsprechendes Kontrollsystem der D. GmbH., welches den schweren Unfall (Amputationsverletzung) womöglich hätte verhindern können, könne nicht erkannt werden. Diesbezüglich wurde auf die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur (VwGH 19.10.2001, 2000/02/0228) verwiesen.
IV. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 29.06.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Vertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 6. Aufsichtsbezirk teilnahmen. Seitens der belangten Behörde wurde auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Im Zuge der Verhandlung wurden Herr Z. Dj. und Herr An. M. zeugenschaftlich einvernommen.
Der Beschwerdeführer machte in der Verhandlung folgende Aussage:
„Ich bin handelsrechtlicher und gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma „D. GmbH“. Wir beliefern zB. Betriebe, Schulen oder Kindergärten oder Mahlzeitendienste, Heime und Spitäler mit tiefgekühlten und gekühlten Fertiggerichten. Wir beschäftigen insgesamt 148 Mitarbeiter in Österreich. Der Arbeitsunfall vom 16.9.2016 hat sich in unserem Zentrallager in Wien ... ereignet. Im Lager werden neun Mitarbeiter beschäftigt. Es gibt einen Lagerleiter und ansonsten verschiedene Verantwortungsbereiche. In Summe enthält die Menügruppe Hofmannmenü 19 Tiefkühllager in Österreich und Deutschland. Es ist extrem wichtig, dass die Abläufe in allen Lagern funktionieren. In Summe werden in Österreich ca. 40.000 Essen täglich ausgefahren. In Österreich haben wir ein Zentrallager und zwei „T-Punkte“ dabei handelt es sich um Tiefkühllager ohne Personal. In unserem Zentrallager ist der Lagerleiter für die Einhaltung der Abläufe und für Kontrollen zuständig, ebenso für laufende Verbesserungen. Der Bereich Arbeitnehmerschutzbereich ist sehr umfangreich, er wird laufend kontrolliert. Dies vom Lagerleiter. Vorgesetzter vom Lagerleiter ist der Logistikleiter. Ich selbst halte mich überwiegend im Bereich der Büros oder den dem Tiefkühllager vorgelagerten gekühlten Räumen auf. Im Tiefkühllager bin ich selbst dann, wenn ich z.B. Besuchern etwas zeigen möchte. Wenn mir auffällt, dass etwas nicht in Ordnung ist, das betrifft sowohl Arbeitnehmerschutz als auch z.B. Sauberkeit, rede ich zunächst mit dem Logistikleiter. Wir sind bereits sensibilisiert, da bereits einmal ein Arbeitsunfall passiert ist. Damals ist ein Mitarbeiter einem anderen mit dem Stapler an dem Fuß angefahren, das war ca. im Jahr 2011. Der damals verletzte Arbeitnehmer ist unser Lagerleiter J.. Er ist immer noch bei uns beschäftigt. Wir haben aufgrund dieses Vorfalles alle Arbeitsabläufe noch einmal neu festgelegt. Es war damals ein klares Fehlverhalten eines Mitarbeiters, meines Wissens gab es damals auch keine Strafanzeige. Wir haben auch regelmäßige Besuche der AUVA, es gab auch eine psychologische Befragung der Arbeitnehmer in Bezug auf Belastungen. Aufgrund des Ergebnisses haben wir z.B. das Bekleidungskonzept im Lager geändert. Im Lager sind mehrere elektrische Stapler im Betrieb. Diese dienen dazu, Paletten zu heben. Die Paletten haben ein Gewicht von bis zu mehreren 100 Kilo. Dass die Stapler nicht zur Personenbeförderung dienen, ist absolut sonnenklar. Ich habe vorher noch nie gehört, dass ein Mitarbeiter sich damit transportieren ließ, sonst hätte ich dementsprechend sofort reagiert. Wenn ein Arbeitnehmer wirklich in entsprechender Höhe arbeiten muss, gibt es entsprechende Hilfsmittel zB. Leiter. Das Lager wird einmal jährlich inventiert. Die Kontrolle bezüglich Arbeitnehmerschutzes ist allgemein Aufgabe des Lagerleiters, dies in allen Bereichen z.B. bezüglich der Arbeitszeit. Der Lagerleiter muss entsprechend korrigieren wenn er bemerkt, dass etwas nicht passt. Er hat auch die Zeit dafür. Der Lagerleiter und der Logistikleiter haben teilweise ineinander fließende Aufgaben. Einer der Mitarbeiter im Lager ist auch Sicherheitsbeauftragter.
Bei dem Arbeitsunfall von Herrn M. hat es sich meiner Meinung nach eindeutig um ein Fehlverhalten von ihm gehandelt, ich habe ihn deshalb noch in seinem Krankenstand entlassen. Ich hätte absolut nicht zugelassen, dass sich ein Arbeitnehmer mit einem Stapler hochheben lässt. Ich habe so etwas auch noch nie gehört. Herr M. war Stellvertreter des Lagerleiters, er hat an sich recht gut gearbeitet. Ich weiß jetzt nicht genau wie lange er vorher bei uns beschäftigt war, aber jedenfalls über drei Jahre. Es gibt regelmäßige Schulungen, einmal jährlich wird das Sicherheitskonzept im Lager überprüft. Die Mitarbeiter unterschreiben und bestätigen die Teilnahme an der Schulung und dass sie deren Inhalte verstanden haben, ich verweise dazu auf die Beilagen AS 33 bis 45. Grundsätzlich berichtet der Lagerleiter laufend dem Logistikleiter über alles was passiert. Der Logistikleiter setzt die entsprechenden Maßnahmen und berichtet auch mir, wenn z.B. Abläufe geändert werden. Das betrifft dann Lager und Fuhrpark. Ansonsten gibt es laufende Kontrollen sowohl durch den Lagerleiter als auch durch den Logistikleiter, wobei jeder in seinem Bereich prüft. Wir haben auch ein umfassendes Qualitätsmanagement. Das Lager ist auch Iso-zertifiziert. Es gibt auch unangesagte Kontrollen vom zentralen Qualitätsmanagement der Muttergesellschaft in Deutschland, dies ca. 2 Mal im Jahr durch den Mitarbeiter Herr S.. Es gibt darüber einen Bericht und eine sehr strenge Beurteilung. Auf diese Berichte muss ich dann reagieren. Für mich wäre bezüglich einer falschen Verwendung des Staplers derjenige verantwortlich, der mit dem Stapler hantiert. Es ist für mich auf jeden Fall ein Entlassungsgrund, wenn jemand so handelt. Das wurde im Nachhinein auch in die Belehrung aufgenommen, ich verweise diesbezüglich an die Dienstanweisung vom 16.9.2016 AS 45, die noch am Tag des Unfalls erlassen wurde.
Eine gerichtliche Strafanzeige bzw. ein Strafverfahren aufgrund des Arbeitsunfalles ist mir nicht bekannt.
Zum Zeitpunkt des Unfalles, war gerade Jahresinventur. Unser Geschäftsjahr geht von Oktober bis September. Es muss im Zuge der Inventur ganz genau geprüft werden, ob die ausgewiesene Ware tatsächlich bei uns vorhanden ist. Die Ware wird mindestens zwei Mal gezählt in unterschiedlichen Gruppen. Wenn eine Differenz da ist, muss nochmals gezählt werden. Ich kann nicht ausschließen, dass es eine Rivalität zwischen den zählenden Gruppen gibt.
Wer zum Zeitpunkt des Unfalls im Lager war, weiß ich nicht.“
Der Zeuge Herr An. M. sagte aus:
„Zu dem Arbeitsunfall am 16.9.2016 gebe ich an: es wurde damals die Inventur gemacht. Nach Arbeitsschluss am 16.9.2016 hätte die Inventur beginnen sollen. Ich war damals offiziell zwar Lagerarbeiter, hatte aber die Funktion des stellvertretenden Lagerleiters. Es war notwendig, dass die in Karton verpackten Tiefkühlspeisen in bestimmter Weise geordnet werden, um sie einfacher zählen zu können. Ich und mein Kollege Herr Ma. sollten diese Vorbereitungen durchführen. Die Paletten waren teilweise am Boden und teilweise am Hochstellplatz. Diese waren so gestapelt, dass man mit der Leiter nicht hinkommen konnte. Die Leiter hätte auch nicht ausgereicht um alle Kartons erreichen zu können. Ich habe mich deshalb mit dem Stapler hochheben lassen. Das wurde auch vom Lagerleiter und von der Sicherheitsvertrauensperson so praktiziert, wir haben das einfach nachgemacht. Ich meine, dass das bei der Vorbereitung der Inventur sowie auch generell so praktiziert wurde. Ich selbst habe das öfters beobachtet und auch vorher schon gemacht.
Ich war zum Zeitpunkt des Unfalles mehr als 2 ½ Jahre bei dieser Gesellschaft beschäftigt. In dieser Zeit „musste“ man den Stapler immer wieder sozusagen als Aufstiegshilfe benutzen. Von der Handhabung her wäre es nicht möglich gewesen alle Hochstellplätze mit der Leiter zu erreichen. Man kommt ansonsten nicht an die Kartons die weiter hinten sind. Ich müsste mich sonst auf die Palette drauf legen, um die hinteren Paletten zu erreichen. Vielleicht hat das auch mit meiner Größe etwas zu tun. Es war definitiv so, dass auch der Lagerleiter und die anderen Mitarbeiter im Lager den Stapler zum Hochheben verwendet haben, dies generell. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch der Logistikleiter darüber Bescheid wusste. Wir mussten einmal in sein eigenes Lager gehen, um Regale zu montieren. Diese waren noch wesentlich höher als in unserem Lager. In diesem Lager hat es zu dem Zeitpunkt überhaupt keine Leiter gegeben.
Es ist richtig, dass es laufend Sicherheitsunterweisungen gegeben hat. Es war bezüglich des Hochhebens immer die Rede davon, dass man auf der losen Gabel nicht stehen durfte. Ich habe das aber nicht so wahrgenommen, dass man kein Podest errichten darf.
Es ist richtig, dass ich nach dem Arbeitsunfall entlassen wurde. Ich habe die Entlassung gerichtlich bekämpft. Es kam ein Vergleich zustande. Derzeit habe ich einen anderen Arbeitgeber. Ich habe noch Folgen von dem Unfall, der Faustschluss ist nicht möglich, die Stelle ist gereizt.
Zu dem Unfall ist es gekommen, weil der Kollege, der den Stapler bedient hat, zunächst ruckartig nach hinten gefahren ist, sodass ich mich am Rahmen des Staplers festhalten musste und er dann den Hub betätigt hat, wodurch dieser nach unten fuhr. Meiner Meinung nach war es ein Bedienungsfehler, dass der Kollege den Hub betätigt hat.
Ich habe einen Zuschlag dafür bekommen, dass ich Lagerleiterstellvertreter war. Bei den Schulungen wurde besprochen, dass das Befördern von Personen auf der losen Gabel unzulässig ist, dass man unter der gehobenen Palette nicht stehen darf. Die ganze Schulung war generell auf die Lagerarbeiten und nicht nur auf den Stapler bezogen. Auf Vorhalt des Fotos AS 44: die Vorgangsweise wie in meinem Fall ist vom Lagerleiter, der Sicherheitsvertrauensperson und allen Mitarbeitern so praktiziert worden.
Ich kann nicht genau sagen, wie hoch die Leitern sind, sie sind aber definitiv für die durchgeführte Arbeit zu niedrig und zu schmal, dies nach meiner persönlichen Einschätzung.
Es gibt insgesamt sechs Gänge in welchen die Paletten auf drei Höhen übereinander gelagert sind, aber nicht Palette auf Palette. Wie hoch das Regal ist, kann ich nicht sagen. Beim Lager von Herrn Dj. handelt es sich um ein Lager, das auf seinen Sohn läuft und in welches auch Waren von unserem Lager ausgelagert wurden. In unserem Lager konnte ich mit der Leiter nicht bis ganz nach oben kommen, ich musste auf die letzte Sprosse steigen und habe es auch aus dieser Position heraus nicht die Pakete zu entnehmen. Dafür war die Sicherheitsvertrauensperson da, die das weiter gegeben hat. Die Sicherheitsvertrauensperson hat über diese Missstände definitiv bescheid gewusst. Wenn der Lagerleiter auf Urlaub war, habe ich nicht gemeldet, dass die Leiter zu kurz ist, da ich zu viel anderes zu tun hatte. Ich bin während des Unfalles auf einer leeren Palette gestanden. Für mich ist es richtiger auf eine Palette zu stehen als auf der leeren Gabel. Auf Vorhalt zu den Schulungsunterlagen: Es ist bereits wenige Tage nach der Schulung so wie bei mir praktiziert worden.“
Der Zeuge Herr Z. Dj. sagte aus:
„Ich bin seit 1.2.2015 Mitarbeiter der D. GmbH. Ich bin Prokurist der Firma und für Lager und Logistik zuständig. Ich bin selbst auch gelegentlich im Lager anwesend. Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles war ich selbst nicht in der Firma. Ich habe erst im Nachhinein davon erfahren. Ich bin selbst auch bei den Schulungen der Lagermitarbeiter anwesend. Auf Vorhalt der AS 33 bis 41, ich habe dieses Schulungsprotokoll auch unterschrieben. Bei der Schulung wird es allgemein erzählt, worauf wir aufpassen müssen. Es gibt für jedes Gerät Betriebsanleitung sowie Aufkleber. Für mich ist absolut klar, dass sich Personen nicht mit dem Stapler hochheben lassen dürfen. Auch dann nicht, wenn eine Palette auf dem Stapler liegt. Mir persönlich ist nicht aufgefallen, dass sich jemand einmal mit dem Stapler hochheben hat lassen. Bei dem Tag des Unfalls hat es sich nicht um normalen Betrieb gehandelt, sondern war Inventur. Für die Inventur verwenden wir rutschfeste Leitern. Unsere Lager sind dort wo der Unfall geschehen ist ca. 4 bis 5 Meter hoch. Man kommt mit der Leiter bis ganz nach oben. Zwischen der obersten Palette und der Zimmerdecke muss noch ca. 40 bis 50 cm Luft sein. Es hat mir niemand gesagt, dass die Leitern zu kurz wären, der Lagerleiter sagt nur jeweils wenn die Leitern beschädigt sind und wir neue brauchen. Wir haben deshalb keinen Staplerkorb, weil das Lager dafür zu niedrig ist.
Die Inventur läuft bei uns folgendermaßen ab: Wir sind drei Gruppen zu je zwei Personen. Wenn die Ergebnisse nicht übereinstimmen, wird der entsprechende Artikel noch mal kontrolliert. Wir hatten noch nie einen Unfall mit Stapler, der das Hochheben von Personen betroffen hat. Ich habe die Leiter so gekauft, dass jeder Arbeiter damit arbeiten kann. Die Leitern sind für die zweite Ebene geeignet. Wie lang sie sind, weiß ich nicht. Unsere Stapler sind geeignet, dass jeder Mitarbeiter damit fahren kann. Es ist bei uns nicht üblich, dass Mitarbeiter auf die Regale klettern müssen. Wir haben Prospekte von verschiedenen Firmen bezüglich Leitern. Von welcher Firma wir die Leitern gekauft haben, weiß ich nicht. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass aufgrund des Unfalls eine neuerliche Dienstanweisung erlassen wird. Auf Vorhalt der Aussage des Herrn M.: mir ist nicht bekannt, dass sich vorher schon jemals Mitarbeiter mit dem Stapler hätten hochheben lassen. Es ist meine Aufgabe, dass, wenn ich das sehe, dass ich das stoppe, das hätte ich auch gemacht. Mit dem Lagerleiter unterhalte ich mich darüber, da wir ja auch in der gemeinsamen Schulung sind.
Ich kann jetzt nicht sagen wer von der AUVA die Schulungen durchgeführt hat.
An dem Unfall beteiligt waren zwei Mitarbeiter, die sich sehr gut verstanden haben und die immer als Team gearbeitet haben. Herr Ma., der Bediener des Staplers hat selbst verstanden, dass er falsch gehandelt hat und von sich aus gekündigt.“
In seiner Schlussausführungen brachte der Beschwerdeführer vor, es gebe im Betrieb ein eigenes Sicherheitssystem und ein umfassendes Qualitätsmanagement von der Zielführung der Unternehmensleitung bis zu den untergeordneten Stellen, welches auch den Arbeitnehmerschutz umfasse. Das Qualitätsmanagement erfolge einmal im Konzern (von Deutschland aus) und einmal in Wien. Die AUVA verrichte die normale präventive Tätigkeit.
Der Vertreter des Arbeitsinspektorates verwies in seinen Schlussausführungen auf die Wiedersprüche in den beiden Zeugenaussagen. In der Folge des Unfalles wären sichtlich ausreichende Veranlassungen getroffen worden; zum Unfallzeitpunkt sei dies aber nicht so gewesen.
V. Aufgrund des Akteninhalts und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer ist seit 07.12.2006 handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH.
Am 16.09.2016 kam es im Tiefkühllager dieser Gesellschaft in Wien, K.-Straße im Zuge der Durchführung der jährlichen Inventur zu einem Arbeitsunfall, als sich der damalige Mitarbeiter der Gesellschaft Herr An. M. zum Zählen der in Kartons verpackten Tiefkühlspeisen auf einer auf der Gabel des elektrischen Hubstaplers liegenden leeren Palette stehend hochheben ließ und der Bediener des Staplers die Staplergabel auf Zuruf absenkte, wodurch sich Herr M. den Zeigefinger der rechten Hand so einklemmte, dass die Fingerkuppe abgescherrt wurde.
Herr M. war zum Zeitpunkt des Unfalles seit mehr als 2 1/2 Jahren bei der D. GmbH. beschäftigt und übte zuletzt die Funktion des stellvertretenden Lagerleiters aus. Während der Zeit seiner Beschäftigung wurde der Stapler wiederholt von Mitarbeitern als „Aufstiegshilfe“ zu Hochstellplätzen, welche mit der vorhandenen Leiter nicht erreicht werden konnten, benutzt; dies auch vom Lagerleiter und von der Sicherheitsvertrauensperson.
VI. Die Feststellungen zur Geschäftsführereigenschaft des Beschwerdeführers sowie zum Hergang des Arbeitsunfalles ergeben sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt sowie der Aussagen der im Zuge der mündlichen Verhandlung einvernommenen Personen. Dass der elektrische Hubstapler bereits während der letzten zweieinhalb Jahren vor dem Unfall immer wieder zum Hochheben von Personen verwendet worden war, dies auch vom Lagerleiter und der Sicherheitsvertrauensperson, folgt aus der diesbezüglich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen Herrn M.. Der Zeuge machte einen äußerst glaubwürdigen Eindruck und ist insbesondere auch nicht nachvollziehbar, weshalb er, wenn eine geeignete Leiter zum Vorfallszeitpunkt vorhanden gewesen wäre, diese nicht hätte verwenden sollen. Auch die Aussagen des Beschwerdeführers (der selbst angab, sich nur dann im Tiefkühllager aufzuhalten, wenn der z.B. Besuchern etwas zeigen wolle) sowie des Zeugen Herrn Dj. (der angab, bloß gelegentlich im Lager anwesend gewesen zu sein) führen zu keinem anderen Ergebnis, scheint es doch nicht ausgeschlossen, dass beiden der Mangel, wenn sie anwesend waren, gerade nicht aufgefallen war. In diesem Zusammenhang war jedenfalls – worauf weiter unten noch eingegangen wird – von einem Versagen des im Betrieb grundsätzlich vorhandenen innerbetrieblichen Kontrollsystems auszugehen.
VII. Maßgebliche Rechtsvorschriften:
§ 35 Abs. 1 ASchG samt Überschrift lautet:
Benutzung von Arbeitsmitteln
§ 35. (1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:
1. Arbeitsmittel dürfen nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind.
2. Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln sind die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten.
3. Arbeitsmittel dürfen nur mit den für die verschiedenen Verwendungszwecke vorgesehenen Schutz- und Sicherheitseinrichtungen benutzt werden.
4. Die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen sind bestimmungsgemäß zu verwenden.
5. Arbeitsmittel dürfen nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind.
Gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.
VIII. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 3 Abs. 1 ASchG haben Arbeitgeber u.a. die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlichen Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Gefahren.
Die D. GmbH. ist als Arbeitgeberin demnach verpflichtet, Maßnahmen zur Hintanhaltung von Arbeitsunfällen zu treffen sowie die Umsetzung derartiger Maßnahmen durch ein geeignetes Kontrollsystem sicherzustellen.
Gegenständlich war davon auszugehen, dass seitens der Arbeitgeberin ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Hintanhaltung von Arbeitsunfällen grundsätzlich vorhanden war. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers war die Kontrolle der Arbeitnehmerschutzvorschriften grundsätzlich Aufgabe des Lagerleiters, welcher dem Logistikleiter über alle Vorfälle zu berichten hatte. Des Weiteren wurden auch jährliche Unterweisungen der Mitarbeiter zum Gebrauch der Arbeitsmittel durchgeführt und war der verwendete elektrische Hubstapler mit den erforderlichen Aufklebern (wonach das Hochheben von Personen verboten ist) versehen.
Das vorhandene Kontrollsystem erweist sich jedoch insofern als gravierend mangelhaft, als es über einen Zeitraum von zumindest 2 ½ Jahren hinweg offenbar niemandem auffiel (bzw. niemand diesen Umstand für wichtig genug hielt), dass den Mitarbeitern keine ausreichend langen Leitern zum Erreichen sämtlicher Hochstellplätze zur Verfügung standen, sodass diese (auch der Lagerleiter selbst sowie die Sicherheitsvertrauensperson) wiederholt den Hubstapler als „Aufstiegshilfe“ verwendeten.
Da gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat, kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (u.a.VwGH 23.03.2012, 2010/02/0297 mwN u.a.).
Der Beschwerdeführer ist als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH. für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch diese verantwortlich. Er hat den ihm zur Last gelegten Tatbestand demnach in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht.
Durch die Verletzung der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsvorschriften wurde das auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit gerichtete öffentliche Interesse, dem die Strafdrohung dient, nicht bloß unerheblich gefährdet.
Das Verschulden des Beschwerdeführers kann ebenfalls nicht als geringfügig angesehen werden, weil weder hervorgekommen ist noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der verletzten Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe, oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Es war von fahrlässiger Begehung auszugehen.
Im Rahmen der Strafbemessung war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd zu werten, erschwerend war kein Umstand. Weiters war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften offensichtlich bemüht war, und er auch in der Folge des Unfalles sofort entsprechende Veranlassungen getroffen hat.
Der Beschwerdeführer ist der behördlichen Einschätzung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse als durchschnittlich nicht entgegengetreten. Gesetzliche Sorgepflichten konnten mangels Angaben nicht berücksichtigt werden.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den von 166 Euro bis 8.324 Euro reichenden Strafrahmen (ein Wiederholungsfall lag gegenständlich nicht vor), konnte die verhängte Geldstrafe auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß herabgesetzt werden. Eine weitere Herabsetzung kam wegen des nicht bloß geringen objektiven Unrechtsgehaltes und des Verschuldens des Beschwerdeführers sowie auch aus generalpräventiven Gründen in Betracht.
Im Hinblick auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe war auch letztere herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch angeführten zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitnehmer; Stapler; Palette; Arbeitsunfall; Verletzung; Kontrollsystem; MangelhaftigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.042.063.3165.2017Zuletzt aktualisiert am
06.11.2017