TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/3 VGW-151/023/8993/2017

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Veröffentlicht am 03.10.2017
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Entscheidungsdatum

03.10.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG §8 Abs1 Z2
NAG §8 Abs1 Z6
NAG §46 Abs1
NAG §47 Abs1
NAG §47 Abs3
AVG §62 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fischer über die Beschwerde des Herrn P. S., geb. 1990, StA: Indien, Wien, L.-weg, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 26.04.2017, Zahl MA35-9/3157532-01, wird der Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 24.02.2017 zur Zahl MA35-9/3157532-01 mit welchem, aufgrund des Antrages vom 31.01.2017 ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Karte Plus" gemäß § 46/1/2 mit Gültigkeit von 24.02.2017 bis 24.02.2018 erteilt wurde, gemäß § 62 Abs. 4 AVG insofern berichtigt wird, als der Spruch wie folgt zu lauten hat: "Aufgrund Ihres Antrages vom 31.01.2017 wird Ihnen eine Niederlassungsbewilligung "Angehöriger von Österreicher" gemäß § 47 Abs. 3 NAG mit einer Gültigkeitsdauer bis 24.02.2018 erteilt.",

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz - B-VG an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. April 2017 wurde zur Zahl MA 35-9/3157532-01 der Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 24. Februar 2017, GZ MA35-9/3157532-01, dahingehend gemäß § 64 Abs. 2 AVG berichtigt, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“ mit einer Gültigkeitsdauer befristet bis 24. Februar 2018 erteilt werde.

Begründend führte die Behörde zusammengefasst sinngemäß aus, der nunmehrige Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 31. Jänner 2017 die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Angehöriger von Österreicher“ beantragt. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens habe die Behörde hierüber positiv entschieden, allerdings sei versehentlich ein falscher Code in das Computersystem eingegeben worden, weswegen dem Einschreiter ein durch diesen nicht beantragter Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ausgestellt und am 6. April 2017 ausgehändigt worden sei. Am selben Tag noch habe die Behörde die richtige Aufenthaltskarte bestellt und den Beschwerdeführer zur Abholung derselben nachweislich aufgefordert, diese sei jedoch nicht behoben und auch die irrtümlich ausgefolgte Karte nicht retourniert worden.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Rechtsmittelwerber auszugsweise Nachstehendes aus:

„Es ist zwar zutreffend, dass vermutlich aufgrund des Versehens der Behörde mir als über achtzehnjährigem Angehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“ ausgestellt wurde, welcher mir den inländischen Arbeitsmarkt eröffnet, weil ich dadurch von den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen bin.

Ich gehe bereits seit geraumer Zeit einer Erwerbstätigkeit nach.

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Bescheide bei Vorliegen von Schreibe- oder Rechenfehlern, diese jederzeit von Amtswegen berichtigen, doch übersieht die Behörde in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG gemäß welcher die Behörde Bescheide von Amtswegen aufheben oder abändern kann, sofern aus diesen niemandem ein Recht erwachsen ist.

Mir ist durch den irrtümlich erlassenen Bescheid jedoch der freie Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet worden und wurde mir dadurch ein Recht erteilt, in das die Behörde nicht mehr berechtigt ist einzugreifen.“

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde weder durch den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer noch durch die belangte Behörde beantragt. Da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollumfänglich der Aktenlage entnehmen lässt und durch den Einschreiter lediglich Fehler in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides gerügt werden, konnte die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.

Nach Durchführung des Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Der am ...1990 geborene Rechtsmittelwerber ist indischer Staatsangehöriger und brachte im Wege der österreichischen Botschaft in Neu Dehli am 29. September 2016 einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ nach § 47 Abs. 3 NAG ein. Dieses Ansuchen wurde dem Landeshauptmann von Wien einlangend am 31. Jänner 2017 übermittelt. Diesem Ansuchen war u.a. eine Haftungserklärung des Herrn Sa. S. – er ist österreichischer Staatsangehöriger - beigelegt.

Mit Schreiben des Amtes der Wiener Landesregierung vom 17. Februar 2017 wurde der Einschreiter zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters aufgefordert, u.a. Lohnzettel des Haftungserklärenden und Zusammenführenden sowie dessen Gattin, die Schwester des Beschwerdefühers, vorzulegen. Auch wurde die Vorlage weiterer Unterlagen zur Ermittlung ausreichenden Vermögens des Haftungserklärenden und seiner Gattin, welche im gemeinsamen Haushalt leben, eingefordert.

Mit Eingabe vom 17. Februar 2017 verwies der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers auf seine im Verfahren auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung durch den Einschreiter ihm erteilte Vollmacht und legte die so einverlangten Unterlagen vor.

Am 22. Februar 2017 wurde durch die belangte Behörde unter der Geschäftszahl MA35-9/3157532-01 die Ausstellung einer Karte „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ für den Beschwerdeführer bestellt, welche am 24. Februar 2017 durch das Bundesministerium für Inneres ausgestellt wurde. Mit Schreiben vom selben Tage wurde der Beschwerdeführer zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zur Abholung seines Aufenthaltstitels aufgefordert, am 5. April 2017 reiste der Einschreiter sodann in den Schengenraum mittels eines Visums D nach Österreich ein und übernahm tags darauf den Aufenthaltstitel persönlich bei der belangten Behörde. Im Zuge dieser Übernahme unterzeichnete er eine Übernahmebestätigung, in welcher ausdrücklich festgehalten ist, dass der Einschreiter die Übernahme des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ bestätige.

Am Tag der Abholung erfolgte die Bestellung einer Karte „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ beim Bundesministerium für Inneres für den Einschreiter und wurde dieser fernmündlich aufgefordert, diese Karte bei der Behörde zu beheben und die ehedem ausgefolgte Karte zu retournieren. Der Beschwerdeführer erschien jedoch innerhalb der gesetzten Frist nicht und erfolgte auch keine weitere Reaktion des Beschwerdeführers.

In weiterer Folge erließ die Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG berechtigt der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG.

Gemäß § 46 Abs. 1 NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,

b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 6 NAG berechtigt der Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt.

Gemäß § 47 Abs. 1 NAG sind Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

Gemäß § 47 Abs. 3 NAG kann Angehörigen von Zusammenführenden auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a)   die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b)   die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c)   bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- oder Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automatisationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Beschieden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Die Behörde stütze den nunmehr angefochtenen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass nach erfolgter Beantragung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ durch den Beschwerdeführer diesem nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens auf Grund einer fehlerhaften Eingabe eines Codes in das Computersystem irrtümlich ein falscher Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei.

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der gegenständlich beantragten Ausstellung eines Aufenthaltstitels nicht um einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides, sondern um einen solchen auf die Ausstellung einer Urkunde handelt, wobei § 8 NAG die Arten und im Wege einer Verordnungsermächtigung auch das Aussehen dieser Urkunden regelt. § 8 NAG stellt sohin eine von den die Form von Bescheiden regelnden Bestimmungen der §§ 58 ff AVG abweichende Vorschrift über die Bescheidausfertigung dar. Gemäß dieser Bestimmung ist kein Bescheid nach den Regeln des AVG zu erlassen, sondern eine besondere Urkunde, deren Erscheinungsbild durch das Bundesministerium für Inneres durch Verordnung festgelegt wird, auszustellen. Der Ausstellung dieser Urkunde kommt die Wirkung der Erlassung eines Bescheides zu (vgl. VwGH, 29. Februar 1996, Zl.94/18/1109, VwGH, 7. August 2011, Zl. 98/18/0330 zur analogen Rechtlage nach dem damals in Kraft stehenden Fremdengesetz, vgl. sinngemäß auch VwGH, 10. September 2003, 2002/18/0152).

Unter Heranziehung dieser Judikatur steht somit fest, dass der Ausfolgung eines Aufenthaltstitels die Wirkung der Erlassung eines Bescheides zukommt und ein derartiger Bescheid sohin grundsätzlich auch einer allfälligen Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG zugänglich sein muss.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die (zunächst zu prüfende) Berichtigungsfähigkeit eines Bescheides zweierlei voraus, nämlich, erstens, (abgesehen von Schreib- und Rechenfehlern) eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit und zweitens deren Offenkundigkeit (vgl. VwGH, 13. Februar 1974, Slg. 8554/A, VwGH, 8. März 1989, Zl. 89/03/0013, 0014, und VwGH, 19. April 1989, Zl. 88/02/0166 u. 0205). Eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit liegt dann vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung den Gedanken, den die Behörde offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergegeben, d. h. also, wenn die zu berichtigende Entscheidung dem Willen der Behörde offenbar so nicht entsprochen hat (vgl. dazu etwa VwGH, 28. Mai 1982, Slg. 10749/A). Offenkundig ist die Unrichtigkeit dann, wenn jene Personen, für die der Bescheid bestimmt ist die Unrichtigkeit erkennen können und die Behörde nach der Aktenlage bei entsprechender Aufmerksamkeit den Fehler bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermeiden können (vgl. VwGH, 20. September 1989, Zl. 89/03/0202).

Eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Sinn des § 62 Abs. 4 AVG liegt dann vor, wenn in der ursprünglichen Entscheidung der Gedanke, den die Behörde offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergegeben wurde, wenn also die zu berichtigende Entscheidung dem Willen der Behörde offenbar so nicht entsprochen hat, sondern sich diese deutlich erkennbar (bloß) im Ausdruck vergriffen hat. Es muss nicht nur klar erkennbar sein, dass der Behörde ein Fehler unterlaufen ist, sondern auch, welchen Inhalt der Bescheid nach ihrem Willen haben sollte. Bei der Klärung der Frage, ob eine Unrichtigkeit klar erkennbar ist, kommt es letztlich auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile sowie auf den Akteninhalt an (21. Februar 2013, Zl. 2011/06/0161).

Ein Versehen ist dann klar erkennbar, wenn zu dessen Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelnden Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist. Unter "Durchschnittsbetrachter" ist bei der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 62 Abs 4 AVG - wie das Abstellen auf die klare Erkennbarkeit für die Partei zeigt - nicht etwa ein durchschnittlicher Rechtsanwender im Bereich der jeweiligen Rechtsmaterie gemeint, sondern vielmehr eine mit ihrem eigenen "Fall" vertraute durchschnittliche Verfahrenspartei. (VwGH, 9. April 2011, Zl. 2010/12/0115).

Diese Judikatur zusammengefasst ist somit festzuhalten, dass die jederzeitige Berichtigung eines Bescheides im hier relevanten Zusammenhang dann zulässig ist, wenn dem Bescheid eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit zu Grunde liegt, welche der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit auffallen hätte müssen und diese Unrichtigkeit offenkundig ist, sohin der durchschnittlichen Verfahrenspartei ohne Weiteres erkennbar sein musste. Diese Offenkundigkeit impliziert auch, dass der wahre Wille der Behörde aus den restlichen Bescheidbestandteilen sowie auch dem Verfahrensakt zweifelsfrei entnehmbar sein muss.

Einleitend ist im gegebenen Zusammenhang festzuhalten, dass auf Grund der besonderen rechtlichen Ausgestaltung der Erteilung von Aufenthaltstiteln in Form der Ausstellung und Übergabe einer Urkunde auf einen „Bescheidinhalt“ oder „Bescheidbestandteile“ bei der Beurteilung des tatsächlichen normativen Willens der Behörde nicht zurückgegriffen werden konnte und daher einzig der Akteninhalt hierzu heranzuziehen ist.

Dem vorliegenden Akteninhalt ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Wege der österreichischen Botschaft in Neu Dehli am 25. September 2016 die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ beantragte, was auch durch die vorgelegten Unterlagen wie etwa eine Haftungserklärung des Gatten des Schwagers des Beschwerdeführers, welcher zudem österreichischer Staatsangehöriger ist, eindeutig untermauert wird. Auch das durch die belangte Behörde in weiterer Folge durchgeführte Ermittlungsverfahren bezieht sich zweifelsohne auf eine Entscheidung über einen Antrag nach § 47 Abs. 3 NAG, werden doch die Vermögensverhältnisse des Zusammenführenden und seiner Gattin ausführlich erhoben, was nur dann als sinnvoll erscheint, wenn die Tragfähigkeit einer Haftungserklärung überprüft werden sollte, was etwa bei einem Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ im gegebenen Zusammenhang als nicht denkbar erscheint, zumal die Vorlage einer Haftungserklärung im Verfahren nach § 46 NAG nicht zulässig ist. § 47 NAG hingegen sieht die Vorlage einer solchen als Erteilungsvoraussetzung vor. Gegen die beabsichtigte Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ im Rahmen einer Familienzusammenführung spricht auch, dass der Beschwerdeführer schon im Antragszeitpunkt das 26. Lebensjahr vollendet hat und er daher kein Familienangehöriger eines Ehepaares im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG mehr sein kann. Auch Anhaltspunkte für andere Möglichkeiten der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ wie etwa nach § 41a NAG sind dem Verfahrensakt nicht ansatzweise zu entnehmen und steht es für das Gericht daher zweifelsfrei fest, dass die Behörde ein Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 3 NAG führte.

Auch daran, dass der Bestellung und in weiterer Folge Erlassung des falschen Aufenthaltstitels durch die Behörde – diese forderte beim Bundesministerium für Inneres einen Aufenthaltstitel nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG an – eine vermeidbare Fehlleistung der Behörde darstellt, besteht keinerlei Zweifel, zumal wie dargelegt das durchgeführte Ermittlungsverfahren auf die Erteilung eines völlig anderen Titels abstellte. Dass das Eingeben eines falschen Codes bei der Kartenbestellung eine Fehlleistung darstellt, welche bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können, versteht sich nach Ansicht des hier erkennenden Mitgliedes des Verwaltungsgerichtes Wien von selbst.

Zur Offenkundigkeit des so erfolgten behördlichen Fehlers ist weiters auszuführen, dass bei der Beurteilung dessen in Anwendung der oben wiedergegebenen Judikatur auf die durchschnittliche Verfahrenspartei abzustellen und zu überprüfen ist, ob die so erfolgte Unrichtigkeit durch diese ohne Weiteres erkennbar war. Hierzu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer wie dargestellt die Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ beantragte und auch hierzu korrespondierende Unterlagen vorlegte. Weiters steht fest, dass der Beschwerdeführer den fälschlich ausgestellten Aufenthaltstitel nach seiner Einreise in das Bundesgebiet übernahm und eine Übernahmebestätigung unterzeichnete, in welcher ausdrücklich die Ausfolgung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nach § 46 Abs. 1 Z 2 NAG bestätigt wird. Auch steht fest, dass die Art des ausgestellten Aufenthaltstitels auch ausdrücklich auf der ausgefolgten Karte ersichtlich ist und es dem Einschreiter, der einen völlig anderen Titel beantragte, sofort hätte auffallen müssen, dass er einen nicht beantragten Titel erhält. Zusätzlich ist auch festzuhalten, dass auf der fälschlich ausgefolgten Karte auch der Vermerk „freier Zugang zum Arbeitsmarkt“ ersichtlich gemacht ist, wobei es dem Einschreiter bewusst sein musste, dass ihm eben mit dem von ihm beantragten Aufenthaltstitel ein solches Recht nicht zukommt. Dass die Unrichtigkeit des Titels somit einerseits für eine durchschnittliche Verfahrenspartei im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur, aber auch auch konkret für den Einschreiter ohne Weiteres erkennbar war, steht aus diesen Erwägungen heraus ebenso fest und erfolgte die Berichtigung des Aufenthaltstitels daher zu Recht.

Soweit der Beschwerdeführer unter sinngemäßer Zuerkennung des der Behörde unterlaufenen Irrtums nunmehr darlegt, die Berichtigung des ausgefolgten Aufenthaltstitels sei deswegen rechtswidrig erfolgt, als dem Beschwerdeführer nunmehr eine Rechtsposition eingeräumt wird, welche ihm bei Unterblieben des unterlaufenen Irrtums nicht zugekommen wäre und wäre es daher nicht zulässig, in dieses Recht quasi nachträglich einzugreifen, ist festzuhalten, dass die Berichtigung eines Bescheides grundsätzlich unabhängig davon erfolgen kann, welche Rechtsfolgen durch die fälschliche Ausfertigung herbeigeführt werden. Zwar judiziert das Höchstgericht in verschiedenen Erkenntnissen, dass durch eine Berichtigung der frühere Bescheid „nicht geändert“ werden darf, allerdings ist dies so zu verstehen, dass eine materielle Änderung des Bescheides etwa wegen einer falschen Begründung oder rechtlichen Beurteilung in diesem Wege nicht zulässig ist, sondern hat sich die Berichtigung auf solche Unrichtigkeiten zu beschränken, die darin bestehen, dass der tatsächliche Inhalt des Bescheides vom erkennbaren Willen der Behörde abweicht und deren Entschluss unrichtig wiedergibt (vgl. VwGH, 21. Dezember 2005, Zl. 2005/08/0205). Konsequent judiziert das Höchstgericht diesbezüglich auch in ständiger Rechtsprechung, dass der Berichtigungsbescheid auch in Rechte eingreifen kann (vgl. bereits VwGH, 6. November 1968, Zl. 1195/68, zuletzt etwa 30. Jänner 2014, Zl. 2011/05/0008).

Somit steht zusammengefasst fest, dass der irrtümlich ausgefolgte Aufenthaltstitel einer Bescheidberichtigung zugänglich ist und die hierfür durch § 64 Abs. 2 AVG normierten Tatbestandsvoraussetzungen zweifelsfrei vorliegen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Berichtigungsbescheid, Berichtigungsfähigkeit, Urkunde, Bescheidausfertigung, Versehen, Offenkundigkeit, Willensbildung, Willensmitteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.023.8993.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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