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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Februar 2000, Zl. 201.565/6-III/07/99, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 12 Asylgesetz (mitbeteiligte Partei: SF in S, geboren am 18. März 1972), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien und am 20. Dezember 1997 in das Bundesgebiet eingereist. Sie stellte am 22. Dezember 1997 einen Asylantrag. Dieser wurde zunächst gemäß § 4 Asylgesetz zurückgewiesen, nachdem sich jedoch die Unmöglichkeit der Rückschiebung nach Ungarn herausgestellt hatte, in meritorische Behandlung genommen. Die Mitbeteiligte wurde deshalb am 2. Juni 1999 hinsichtlich ihrer Fluchtgründe niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab sie unter Beiziehung eines Dolmetsch für die albanische Sprache an:
"A. Ich lebte 2 Jahre mit einem Mann, dieser ist 2 Jahre, also 1995, ich war mit ihm verheiratet, verschwunden.
Ich weiß nicht, was er gemacht hat. Er wurde des öfteren geholt, eingesperrt u.s.w. Deshalb ist er verschwunden.
Ich habe 2 Kinder mit ihm gehabt und diese sind bei den Schwiegereltern.
Die Polizei kam auch nachher noch und ich wurde dann von diesen geschlagen. Das erste Mal nach drei Monaten. Da ich keine Ruhe mehr hatte, ging ich nach Montenegro. Dies war 1996. Ich ging zu meinem Vater nach Montenegro.
Auch dort blieb ich dann ca. 6-7 Monate.
Dann ging ich nach Belgrad, war dort 2 Tage und reiste in der Folge nach Österreich.
F. Welche Probleme hatten Sie in Montenegro?
A. Mir fehlte die ersten 6 Monate nichts, dann wurde ich neuerlich befragt.
F. Wie ist dies möglich? Die montenegr. Polizei untersteht der montenegr. Regierung.
A. Ich wurde auch geschieden.
F. Wie ist dies ohne Ihr Einverständnis möglich bzw. muss auch Ihr Gatte einwilligen.
A. Ich wurde einfach so geschieden und erhielt vom Gericht ein Urteil.
Ich führe aus, dass ich vergewaltigt wurde und nicht weiß, wer der Vater meines behinderten Kindes ist. Dies ist in Montenegro bei meinem Bruder.
Ich habe dieses am 26.2.1995 geboren.
F. Wann ist Ihr Gatte verschwunden?
A. 1995.
F. Wann 1995?
A. Ich bin Analphabetin, ging nicht in die Schule und kann das deshalb nicht genau wissen.
Mein Mann ging weg, ehe ich schwanger geworden bin.
Ich entschuldige mich, da ich immer nicht ganz beieinander bin. Ich weiß nicht genau, was ich sage.
F. Was würde im Falle der Rückkehr geschehen?
A. Ich würde nie wieder zurückkehren. Ich bin hierher gekommen und werde hier auch sterben.
Mehr kann ich nicht angeben."
Die Behörde erster Instanz wies mit Spruchpunkt 1) den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF. BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG - ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 - FrG - fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten in die "BR Jugoslawien - Provinz Kosovo" zulässig sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor:
"Die Niederschrift vom 02.06.1999 ist ein Missverständnis, weil mein damaliger Dolmetscher meine Aussage nicht richtig und vollständig übersetzt hat.
Zur Berichtigung meiner damaligen Aussage:
Ich lebte mit meinem Ehemann statt zwei Jahre, sieben Jahre zusammen. Mit dem Alter von 14 Jahren lernte ich meinen zukünftigen Ehemann kennen. Als ich volljährig wurde, vermählte ich mich mit meinem Lebensgefährten.
Mit meinem Ehemann brachte ich zwei Kinder auf die Welt, die bei meinen Schwiegereltern leben.
Die letzten zwei Jahre vor der Scheidung wurde mein Mann verhaftet, weil er Anführer von Demonstrationen war. Seitdem habe ich meinen Mann bis zum heutigen Tage nicht mehr gesehen.
Zwei bis drei Monate nach seiner Verhaftung wurde ich ca. zwei Mal im Monat von der Polizei brutal befragt, geschlagen, misshandelt und sexuell belästigt bis zur Vergewaltigung.
Da ich keine andere Wahl mehr hatte, bin ich nach ca. einem Jahr nach der Verhaftung meines Mannes zu meinen Eltern nach Montenegro gereist (da war ich bereits wieder schwanger von der Misshandlung der Polizei).
Mit 26.02.1995 brachte ich ein körperbehindertes Kind namens AF zur Welt.
Die montenegrinische Polizei führte nach einiger Zeit dieselben Misshandlungen wie im Kosovo durch. Ich vermute, weil sie auch serbischer Abstammung waren.
Falls Sie meiner Aussage keinen Glauben schenken, weiß ich mir nicht mehr zu helfen. Ich merke, dass etwas bei mir nicht nur körperlich, sondern auch psychisch nicht in Ordnung ist.
Ich habe andauernde Angstzustände und komme durch die Lügen, was ich den Polizisten im Kosovo und in Montenegro erzählt habe, um mich zu schützen, andauernd durcheinander und kann in nervösen Zuständen die Wahrheit von der Lüge meist nicht unterscheiden.
Was meine Scheidung betrifft, war mein Mann nicht persönlich anwesend. Durch eine Vollmacht seines Vaters mit Rechtsbeistand vor Gericht wurde die Scheidung durchgeführt. Zum Beweis legte ich eine Kopie (serbokroatisch) bei.
Was ich bis jetzt mit diesem Schreiben erzählt habe, entspricht der Wahrheit. Ich möchte auf keinen Fall nach Jugoslawien zurück, da auch vor kurzem meine restliche Familie (Mutter, Bruder, Schwägerin, Neffen, Nichten und mein Kind AF) nach Deutschland - Münster geflüchtet ist."
In der Folge führte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser sagte die Mitbeteiligte aus:
"Ich sehe keine Möglichkeit in den Kosovo zurückzukehren, ich habe mein Heimatland wegen meines politischen Engagements meines Mannes, der manchmal mit den Serben und manchmal mit den Albanern zusammengearbeitet hat, verlassen.
1995 hat mein Mann mich verlassen, ich weiß nicht wo er sich aufhält, ich wurde von der Polizei festgenommen, dabei wurde ich nach meinem Mann gefragt, wo er sich aufhält, was seine Tätigkeit ist, dabei wurde ich auch misshandelt und geschlagen. Mein Schwiegervater und meine Schwiegermutter haben meine zwei Kinder weggenommen. Sie haben die Kinder nach Montenegro gebracht. Mein Schwiegervater hat aus eigener Faust die Ehe für nichtig erklärt. Ich wurde von der Familie meines Mannes verfolgt und ich werde noch immer von ihnen verfolgt. Außerdem sucht die montenegrinische Polizei nach mir. Ich werde sowohl im Kosovo als auch in Montenegro gesucht. Ich bin in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Noch einmal, ich sehe keine Möglichkeit nach Jugoslawien zurückzukehren.
VL: Sie sagen, dass Ihr Ehegatte politisch tätig war und einmal für die Serben und einmal für die Albaner gearbeitet habe. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass er seitens der Serben verfolgt worden sein soll, wenn er doch mit diesen zusammengearbeitet hat.
BW: Was meinen Mann betrifft, weiß ich nichts, er hat mich verlassen, dies war im Jahr 1995.
VL: Wann hat dann die Polizei nach Ihnen gesucht?
BW: Gleich nach meiner Scheidung hat die Polizei nach mir gesucht. Ich weiß nicht genau wann ich geschieden worden bin. Ich glaube 1996. Aber wie gesagt, das wurde von meinem Schwiegervater gemacht. Im Jahr 1996 wurde ich vom SUP eingeladen, wo mir mitgeteilt wurde, dass meine Ehe nicht mehr besteht. Ich hatte auch vor diesem Zeitpunkt Probleme mit der Polizei. Als ich nach Montenegro geladen wurde, hat man mir einen Zettel gezeigt, ich wurde aufgefordert zu unterschreiben und man hat mir gesagt, dass meine Ehe nicht mehr besteht.
VL: Wann haben Sie dann das Kind bekommen?
BW: Am 26.2.1995. Meine Tochter lebt aber bei meiner Mutter in Deutschland.
BW legt vor, einen Beschluss des Amtsgerichtes Coesfeld, Zahl 12 F 276/99, betreffend die Obsorge über die minderjährige Tochter. Eine Kopie dieses Beschlusses wird als Beilage A zum Akt genommen.
VL: Sie haben zuvor angegeben, dass Sie sowohl im Kosovo als auch in Montenegro heute bei einer Rückkehr von der Polizei gesucht werden würden. Aus welchen Gründen werden Sie gesucht werden?
BW: In Nikshig, Montenegro, lebt die Familie meines Mannes. Auch im Kosovo werde ich von der Polizei gesucht. Ich bin im Visier der Polizei.
VL: Warum glauben Sie, dass Sie im Kosovo von der Polizei gesucht werden?
BW: In Montenegro sagt man uns, dass wir Roma seien, im Kosovo werden wir nicht akzeptiert, ich bin dunkel und wenn man so einen Menschen sieht, wird man umgebracht. Ein Cousin von mir wurde einfach massakriert, auch von meinem Bruder weiß ich nichts.
VL: Sie haben vor der ersten Instanz angegeben, dass Sie der Volksgruppe der Albaner angehören. Ist das richtig?
BW: Ich habe angegeben, dass ich der Gruppe der Kosovaren angehöre.
VL: Gehören Sie der Volksgruppe der Roma an?
BW: Die Serben sagen, ihr seid Roma.
VL: Die Frage wird wiederholt.
BW: Das weiß ich nicht, aber möglicherweise sind wir Roma. Mein Vater und meine ganze Familie waren seit Jahren im Kosovo ansässig. Dort haben wir ein Grundstück."
Nachdem die anwesende Vertrauensperson ausführte, dass die Familie der Mitbeteiligten der Volksgruppe der Roma angehöre, die Mitbeteiligte die für Roma typische Sprache jedoch nicht beherrsche, sondern albanisch und serbokroatisch spreche, sowie ihre eigene Familie mütterlicherseits der Volksgruppe der Roma angehöre und sie sich nicht in den Kosovo zurückzukehren traue, obwohl sie ein Haus im Kosovo habe, wurde die Einvernahme der Mitbeteiligten fortgesetzt. Sie ergänzte Folgendes:
"VL: Ich muss Ihnen vorhalten, dass Sie seitens der Ordnungskräfte im Kosovo von Polizei und Milizen keine Gefahr zu fürchten haben, da die Hoheitsgewalt ausschließlich von den internationalen Kräften ausgeübt wird.
BW: Ja, ich weiß, aber ich sehe jedenfalls keine Möglichkeit in den Kosovo zurückzukehren.
VL: Was befürchten Sie konkret, wenn Sie zurückkehren?
BW: Ich habe Angst vor den Albanern. Schauen Sie was dort passiert. Mein Onkel wurde umgebracht.
VL: Möchten Sie sonst noch etwas sagen?
BW: Ich weiß nicht was mit meiner Tochter passiert, sie ist behindert, ich bin seit zwei Jahren bei der Familie Bajraj."
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung stattgab und der Mitbeteiligten gemäß § 7 AsylG Asyl gewährte. Sie stellte fest, dass die Asylwerberin der Volksgruppe der Roma im Kosovo angehört. Auf Grund näher bezeichneter Berichte stellte die belangte Behörde zur allgemeinen Situation "der Roma im Kosovo" fest, dass für diese "die Situation unbestritten nach wie vor gefährlich" sei. Es bestehe eine "nicht unbeträchtliche Gefahr, zumeist von Unbekannten bedroht, misshandelt, entführt oder gar ermordet zu werden". Die Roma-Bevölkerung des Kosovo lasse sich grob in zwei Hauptgruppen aufteilen, etwa zur Hälfte in sogenannte "ethnische Roma" und in "Ashkali (sogenannte albanisierte Roma)". Die Ashkali sprächen in der Regel nur albanisch und nicht mehr Romani. Eine erkleckliche Anzahl von Roma/Ashkali sei ermordet worden, mehrere 100 seien vermisst, nach dem Einmarsch der KFOR-Truppen seien ca. drei Viertel der Roma/Ashkali vertrieben worden. Die KFOR-Soldaten seien um einen besonderen Schutz der Roma und anderer Minderheiten bemüht, könnten jedoch keinen 100-prozentigen Schutz leisten. Insgesamt sei "die Bedrohung von Roma durch ethnische Albaner regional unterschiedlich, wobei Roma, die nicht albanisch sprechen, in einer besonders schlechten Situation" seien. Roma seien "außerhalb des Kosovos in Jugoslawien nicht willkommen. Vielerorts wird Roma der Zugang zum öffentlichen Leben erschwert". Seit Mitte September 1999 habe die UN-Verwaltung im Kosovo sogenannte "civil affairs minority officers" eingerichtet, um die Sicherheit in den Regionen zu verbessern und den Minderheiten den Zugang zum öffentlichen Leben zu ermöglichen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, es sei "naheliegend, dass auch die Asylwerberin Angehörige der albanisierten Ashkali" sei.
Rechtlich folge aus dem festgestellten Sachverhalt, "dass die Asylwerberin Flüchtling im Sinne der GFK ist.
Wenngleich der Behörde erster Instanz darin beizupflichten ist, dass die ursprüngliche Verfolgung der Asylwerberin (Massenvertreibung im Kosovo durch serbische Armeeeinheiten) auf Grund der entscheidenden Änderung des Sachverhaltes zeitlich nicht mehr aktuell und somit nicht mehr entscheidungsrelevant ist, so darf im Hinblick auf das Berufungsvorbringen nicht übersehen werden, dass nunmehr Angehörige von Minderheiten im Kosovo einem erhöhten Gefährdungspotential unterliegen können. Da seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen in den Kosovo schätzungsweise 3/4 der im Kosovo vormals befindlichen Roma-Angehörigen bereits vertrieben worden sind oder diese aus Furcht vor Übergriffen den Kosovo freiwillig verlassen haben, ergibt sich im Zusammenhalt mit dem weiteren Umstand, dass mehrere hundert Roma vermisst werden, dass für Angehörige dieser Volksgruppe im Kosovo ein erhöhtes Gefährdungspotential besteht, Opfer von Übergriffen durch insbesondere die albanische Bevölkerung zu werden. Diese Bedrohung ist asylrechtlich relevant, da sie am Merkmal der ethnischen Volksgruppenzugehörigkeit anknüpft.
Der unabhängige Bundesasylsenat verkennt nicht, dass es sich bei der in Rede stehenden Bedrohung um eine solche handelt, die von Privaten ausgeht. Die Gewährung von Asyl wäre somit nicht statthaft, wenn betroffene Asylwerber ausreichenden Schutz durch die internationalen Kräfte im Kosovo erhalten könnten. Nun steht zweifellos fest, dass die internationalen Kräfte im Kosovo willens sind, allen dort ansässigen Ethnien - und Minderheiten im Besonderen, da diese eben in hervorstechender Weise gefährdet sind - Schutz zu gewähren, ebenso sind die internationalen Kräfte auch grundsätzlich in der Lage, vereinzelt stattfindenden Übergriffen Schutz zu gewähren. Die Bedrohung der Roma im Kosovo geht jedoch über vereinzelte Übergriffe an Angehörigen dieser Volksgruppe deutlich hinaus (mehrere hundert vermisste Personen, sowie ca. 3/4 von den Roma/Ashkali vertrieben!), sodass nicht davon gesprochen werden kann, dass die internationalen Kräfte diesem Personenkreis auch nur grundsätzlich effektiven Schutz gewähren konnten bzw. können.
Insgesamt betrachtet ist daher die Furcht der Asylwerberin im Falle einer Rückkehr in den Kosovo als Angehörige der Volksgruppe der Roma erkannt (bzw. bezeichnet) und in der Folge misshandelt, vertrieben oder gar ermordet zu werden, auf Grund der äußeren Umstände objektiv betrachtet nachvollziehbar und somit wohlbegründet, sodass ihre Flüchtlingseigenschaft gegeben ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 38 Abs. 5 AsylG erhobene Amtsbeschwerde, welche inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend macht. In der Beschwerde wird ausgeführt:
"Der angefochtene Bescheid setzt sich - mit Ausnahme zweier Zeilen, auf die noch einzugehen sein wird - lediglich mit der Situation der Minderheit der Roma im Kosovo auseinander. Die belangte Behörde scheint daher rechtswidrigerweise und entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Annahme auszugehen, es sei für die Gewährung von Asyl ausreichend, wenn der Asylwerber in einem Teilgebiet seines Heimatstaates verfolgt wird. Die Asylwerberin ist eben nicht 'Staatsangehörige des Kosovo', sondern Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, wie es der angefochtene Bescheid auch in der Bezeichnung seines Adressaten zum Ausdruck bringt ('StA. der Bundesrepublik Jugoslawien').
Das Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist aber Voraussetzung für das allfällige Bestehen der Flüchtlingseigenschaft einer Person. Bezüglich homogener Staatswesen wird eine solche - grundsätzlich von Amts wegen vorzunehmende - Prüfung des Fehlens einer innerstaatlichen Fluchtalternative sich meist mangels Hinweises auf eine solche erübrigen, bzw. wird wenigstens nicht explizit darauf einzugehen sein. Anders stellt sich die Lage bezüglich der Bundesrepublik Jugoslawien im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dar: Es handelt sich um einen Staat, der im Bezug auf die dort ausgeübte hoheitliche Gewalt völlig geteilt ist. Die serbische Provinz Kosovo steht notorischer Weise unter internationaler Verwaltung und lässt sich daher keinerlei Rückschluss von Ereignissen bzw. Gefahrenlagen daselbst auf den Rest des Staatsgebietes, in welchem die Bundesrepublik Jugoslawien weiterhin ungeschmälert ihre Hoheitsrechte ausübt, ziehen.
Ausgehend von dieser verfehlten Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen über die Verfolgungsgefahr für die Asylwerberin in anderen Teilen ihres Heimatstaates als dem Kosovo, zu treffen. Hätte die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen angestellt, hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass Roma außerhalb des Kosovo in der Bundesrepublik Jugoslawien keiner Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sind.
Sollten sich jedoch die Ermittlungen der belangten Behörde zur Situation der Roma im übrigen Jugoslawien in den beiden Zeilen auf Seite 4, 2. Absatz: 'Roma sind außerhalb des Kosovos in Jugoslawien nicht willkommen. Vielerorts wird Roma der Zugang zum öffentlichen Leben erschwert.' widerspiegeln, so ist der angefochtene Bescheid aus diesem Grunde inhaltlich rechtswidrig.
Ein bloßes 'nicht willkommen sein' oder ein 'erschwerter Zugang zum öffentlichen Leben' erreichen nicht die für eine asylrelevante Gefahr der Verfolgung vorauszusetzende Intensität der Eingriffe, sodass eine darauf gestützte Gewährung von Asyl rechtswidrig ist."
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG ist eine Verwaltungsbehörde verpflichtet, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Diese Ermittlungspflicht wurde mit § 28 AsylG zwar für das Asylverfahren konkretisiert, inhaltlich wurde damit aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht begründet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0222). Daraus folgt einerseits, dass die belangte Behörde alle Tatbestandselemente, welche zur Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und zur Asylgewährung führen können, zu erheben hat, andererseits aber auch, dass Tatbestandselemente, welche vom Asylwerber überhaupt nicht vorgebracht werden, von der belangte Behörde nicht einfach als gegeben erachtet werden können.
Verfolgung eines Asylwerbers kann nur dann angenommen werden, wenn aus objektiver Sicht ein Verbleib in seinem Heimatland unerträglich ist und sich die behaupteten, maßgeblichen Umstände auf das gesamte Gebiet seines Heimatlandes beziehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0359, und vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/01/0162 (auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), dargelegt hat, ist für aus dem Kosovo stammende Asylwerber im Ergebnis (auch) der Kosovo selbst als Bezugsobjekt der zu prüfenden asylrechtlichen Verfolgung anzusehen, daneben ist aber im Hinblick auf die nach wie vor gegebene jugoslawische Staatsbürgerschaft solcher Asylwerber auch die "BR Jugoslawien" (ohne den Kosovo) als "Herkunftsstaat" im Sinne der §§ 7 und 8 (iVm 1 Z. 4) AsylG anzusehen.
Die belangte Behörde hatte daher von sich aus zu prüfen und darzulegen, ob und warum der Mitbeteiligten im Kosovo, aber auch in der "BR Jugoslawien" asylrelevante Verfolgung droht.
In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde, sich näher mit den Umständen im Herkunftsstaat "Bundesrepublik Jugoslawien" auseinander zu setzen. Zwar hat die Mitbeteiligte in vager Form im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass sie nach einem sechs Monate andauernden ereignislosen Aufenthalt bei ihrem Vater in Montenegro im Jahr 1996 dort "neuerlich befragt" worden sei (Einvernahme vom 2. Juni 1999) bzw. dass die montenegrinische Polizei nach einiger Zeit "dieselben Misshandlungen wie im Kosovo" durchgeführt habe (Berufung) bzw. sie von der montenegrinischen Polizei gesucht werde, sie im Zuge der Scheidung nach Montenegro geladen worden sei sowie "Probleme mit der Polizei" gehabt habe (Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2000), doch hat die belangte Behörde diese (an sich ziemlich unbestimmten Aussagen) weder ergänzen lassen noch als Feststellung dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt. Die belangte Behörde hat sich mit der Situation der Mitbeteiligten in Montenegro überhaupt nicht auseinandergesetzt. Mit der Situation im restlichen Teil der "Bundesrepublik Jugoslawien" hat sich die belangte Behörde ebenfalls nicht befasst, obwohl für diesen Teil von der Mitbeteiligten keine Verfolgungsgefahr behauptet wurde.
Die belangte Behörde hat sich praktisch ausschließlich mit der Situation der Mitbeteiligten im Kosovo befasst.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als mit einem sekundären Verfahrensmangel behaftet.
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer auch, dass die beiden - im oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen wörtlich
zitierten - Zeilen im angefochtenen Bescheid auf Seite 4,
2. Absatz, "Roma sind außerhalb ... Zugang zum öffentlich Leben erschwert" keine Begründung im oben aufgezeigten Sinn darstellen und auch inhaltlich nicht aufzeigen können, dass die Mitbeteiligte im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien asylrelevanter Verfolgung unterläge.
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vermeint, dass es "auf Grund der notorischen Ereignisse in der Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999 selbstverständlich" sei, "dass eine Person mit albanischem Namen keine Fluchtalternative außerhalb des Kosovo" habe, so verkennt sie, dass selbst notorische Tatsachen und die daraus gezogenen Schlüsse in den Bescheid aufzunehmen sind und nicht in der Gegenschrift nachgetragen werden können. Darüber hinaus ist es aber keineswegs notorisch, dass alleine das Tragen eines albanischen Namens in allen Gebieten der Bundesrepublik Jugoslawien automatisch zur asylrelevanten Verfolgung führt.
Der angefochtene Bescheid war aufgrund des auf der Verkennung der Rechtslage beruhenden (sekundären) Verfahrensmangels wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die belangte Behörde auch den Kosovo betreffend im Hinblick auf ihre allgemeinen Feststellungen, die Bedrohung der Roma durch ethnische Albaner sei regional unterschiedlich, wobei Ashkali (um eine solche handle es sich bei der Mitbeteiligten) in einer weniger schlechten Situation als Roma seien, die nicht albanisch sprechen, sowie dass es die Einrichtung der "civil affairs minority officers" seit Mitte September 1999 gäbe, sich näher mit dieser regional und ethnisch unterschiedlichen Bedrohungssituation und den Auswirkungen der Einrichtung der "civil affairs minority officers" auseinander zu setzen hat. Auf Grund der genannten allgemeinen Feststellungen lässt sich der von der belangten Behörde gezogene
Schluss der asylrelevanten Verfolgung aller Angehörigen der Volksgruppe der Ashkali im Kosovo ohne nähere Begründung nicht nachvollziehen.
Wien, am 7. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010122.X00Im RIS seit
10.01.2001