Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W192 2172940-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. RUSO über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zl. 1163552305-170936933, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 09.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seiner Person liegt keine EURODAC-Treffermeldung vor.
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.08.2017 brachte der Beschwerdeführer vor, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden und in Österreich oder einem anderen EU-Mitgliedstaat keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten zu haben. Er habe sich im April 2017 zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat entschlossen und sei auf dem Luftweg über Äthiopien nach Frankreich gelangt, wo er sich von 28.07.2017 bis 06.08.2017 auf Grundlage eines Visums, um welches er offiziell angesucht hätte, legal aufgehalten habe, bevor er über die Schweiz nach Österreich weitergereist wäre. Über Frankreich könne er nichts sagen, da er sich lediglich kurz dort aufgehalten hätte, durch die Schweiz sei er bloß durchgereist. Zum Grund seiner Flucht aus Nigeria führte der Beschwerdeführer aus, von seinem Chef zu einer homosexuellen Handlung genötigt worden zu sein, welche durch eine dritte Person heimlich gefilmt und der Polizei gemeldet worden wäre. Da der Beschwerdeführer nunmehr von der Polizei gesucht werde und ihm eine vierzehnjährige Gefängnisstrafe oder der Tod drohen würde, habe er sich zur sofortigen Flucht aus Nigeria entschlossen.
Im Verwaltungsakt befindet sich ein Abgleichsbericht aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 10.08.2017, wonach der Antragsteller im Besitz eines vom 20.07.2017 bis 19.08.2017 gültigen französischen Schengen-Visums gewesen ist.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 23.08.2017 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich. Begründend wurde auf den Umstand verwiesen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich im Besitz eines von 20.07.2017 bis 19.08.2017 gültigen französischen Visums gewesen sei.
Die französischen Behörden stimmten der Aufnahme des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 31.08.2017 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Am 21.09.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Hierbei gab der Beschwerdeführer an, im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben erstattet zu haben, er leide an keinen Krankheiten und benötige keine Medikamente. Er sei gemeinsam mit seinem Onkel nach Europa gekommen und hätte mit diesem ausgemacht, sich in Österreich zu treffen, nunmehr könne er diesen jedoch telefonisch nicht mehr erreichen und wisse nicht, wo sich der Genannte aufhalte. Der Beschwerdeführer sei legal nach Frankreich gereist, wo er sich für ein paar Tage aufgehalten hätte, ohne dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Informiert über die geplante Vorgehensweise des BFA im Sinne einer Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und Außerlandesbringung nach Frankreich sowie über die vorliegende Zustimmungserklärung der dortigen Behörde, erklärte der Beschwerdeführer, nicht lange in Frankreich gewesen zu sein, doch habe er sich dort sehr unsicher und unwohl gefühlt. Er sei mit seinem Onkel gereist, welcher ihm gesagt hätte, der Beschwerdeführer solle in Österreich einen Freund von ihm treffen, welchen der Beschwerdeführer jedoch bislang telefonisch nicht erreichen habe können. Der Beschwerdeführer habe sich, wie schon erwähnt, in Frankreich - im Gegensatz zu Österreich - nicht sicher gefühlt. Weiters erklärte der Beschwerdeführer, keine Stellungnahme zu den ihm im Vorfeld der Einvernahme ausgefolgten Länderberichten abgeben zu können, zumal diese auf Deutsch abgefasst wären. Abschließend ersuchte er darum, ihm in Österreich Asyl zu gewähren. Nach Rückübersetzung seiner Angaben bestätigte er die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift durch seine Unterschrift.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Frankreich wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
1. Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 11.2015; AIDA 12.2015; USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-dafrance_ anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
2. Dublin-Rückkehrer
Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält.
Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie alle anderen (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
3. Non-Refoulement
Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
4. Versorgung
Im Rahmen der Asylreform 2015 wurden die folgenden Punkte des französischen Asylgesetzes in Hinsicht auf die Versorgung verändert:
Laut der neuen Regelung sollen die materiellen Aufnahmebedingungen an alle Asylwerber (inkl. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren) angeboten werden, mit der einzigen Ausnahme, dass Antragssteller nach dem Dublin-Verfahren keinen Zugang zu Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) haben. Darüber hinaus wurden neue nationale Aufnahmestrukturen eingeführt, für die das Französische Büro für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII) zuständig ist. Der Fokus liegt dabei hauptsächlich auf der Unterbringung. Parallel und in Übereinstimmung mit den nationalen Aufnahmestrukturen werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Weiters wurde eine neue Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, die die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance, AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente, ATA) ersetzt (AIDA 12.2015).
Asylwerber haben nur dann Zugang zum Arbeitsmarkt während des Asylverfahrens, wenn OFPRA den Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht bearbeitet und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-dafrance_ anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
4.1. Medizinische Versorgung
Eine medizinische Erstuntersuchung bei Ankunft im Unterbringungszentrum ist verpflichtend und muss laut der neuen Asylreform innerhalb von 15 Tagen durchgeführt werden (AIDA 12.2015).
Asylwerber im ordentlichen Verfahren haben Anspruch auf die allgemeine Krankenversorgung (Couverture Maladie Universelle - CMU). Wenn der Asylwerber über keine Mittel verfügt, ist dieser Zugang für ihn kostenlos. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren erhalten nunmehr eine Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren und haben damit auch Zugang zur CMU (früher war ihnen nur der Zugang zur staatlichen medizinischen Hilfe (Aide Médicale d'Etat - AME) gestattet). Da die rechtlichen Bestimmungen dazu fehlen, bleibt also abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich auch in die Praxis umgesetzt wird. Zugang zur AME (nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich möglich) ist für AW auch weiterhin möglich, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten. Während der Wartezeit auf den Zugang zu CMU oder AME besteht immer Zugang zu den sogenannten PASS-Diensten (Tages- Gesundheitszentren) der öffentlichen Spitäler. Als größte Schwierigkeiten beim Zugang zu effektiver Gesundheitsversorgung für AW werden administrative Probleme, fehlendes Wissen über die Rechte der AW und die Sprachbarriere genannt (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, AW können aber im Rahmen der CMU oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nichtfrankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris
oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor- Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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OFPRA - Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-dafrance_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
4.2. Unterbringung
Im März 2015 standen 258 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA), 1 spezielles Zentrum für UMA, 2 Transitzentren und weitere Notunterkünfte zur Verfügung. Die Gesamtaufnahmekapazität betrug ca. 48.100 Plätze. Es besteht jedoch ein kontinuierlicher Mangel an Unterkünften für Schutzsuchende. Asylwerber werden nicht immer dort untergebracht, wo sie ihren Asylantrag stellen. Sie müssen deshalb innerhalb von 5 Tagen in dem zugeteilten Unterkunftszentrum erscheinen, ansonsten werden die weiteren Beihilfen für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA)
entzogen.
Die Plätze in den CADA werden vom OFII zugeteilt und bis auf Personen im Dublin- Verfahren werden Asylwerber dort untergebracht. Im Jahr 2014 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im CADA ca. 534 Tage. Lehnt der Antragssteller den Platz ab, enthält er auch keine ADA. Gibt es temporär keinen Platz in einem CADA, kommt der Asylwerber auf eine Warteliste und wird in der Zwischenzeit an eine provisorische Unterbringung vermittelt.
Aufgrund des Platzmangels sind die Betroffenen jedoch oft auf Nachtquartiere angewiesen oder sie werden obdachlos. Die neue Asylreform versucht diesem Phänomen gegenzusteuern. 2015 wurde die Errichtung weiterer 4.200 Plätze geplant (AIDA 12.2015).
Es gibt in Frankreich 2 Transitzentren zur temporären Erstaufnahme von Asylwerbern und ihre Verteilung im nationalen Unterbringungssystem. Das Zentrum in Villeurbanne verfügt über 220, jenes in Ctéteil über 80 Plätze. Unter bestimmten Umständen können hier auch Personen im Dublin-Verfahren oder Schnellverfahren für eine bestimmte Zeit untergebracht werden (AIDA 12.2015).
Aufgrund des Mangels an Aufnahmekapazitäten in CADA können Asylwerber auch in Notfallzentren untergebracht werden. Dabei wird es zwischen den temporären Aufnahmezentren (accueil temporaire - service de l'asile - AT-SA) und Notunterkünften für Asylwerber (hébergement d'urgence dédié aux demandeurs d'asile - HUDA) unterschieden.
AT-SA verfügen über 2.800 Plätze (bis Ende 2015 sollen 4.000 zusätzliche Plätze hinzukommen. HUDA verfügen im Notfall über bis zu
19.600 Plätze (AIDA 12.2015).
In einigen Regionen entstanden in den letzten Jahren illegale Lager, etwa in Städten wie Paris, Bordeaux und Calais. Dort leben illegale Migranten, aber auch Asylwerber oft monatelang unter schlechten Bedingungen. Die meisten Personen wollen in Frankreich keinen Asylantrag stellen, sondern warten auf eine Weiterreise nach Großbritannien.
Demnach haben sie aber auch keinen Zugang zur staatlichen Versorgung in Frankreich. Diese Lager werden von den Behörden immer wieder aufgelöst, aber es gibt bisher noch keine dauerhafte Lösung (AIDA 12.2015).
Mittlerweile gibt es in ganz Frankreich 450 Erstaufnahmezentren, in denen für Neuankommende aus Calais rund 7.500 Plätze zur Verfügung stehen. 85% davon wurden in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern vor allem in bereits vorhandenen, leerstehenden Gebäuden geschaffen. Dort gibt es Unterbringung, Verpflegung und Betreuung. Nach Vorstellung des Innenministers sollen die Migranten nur wenige Monate in den Zentren verbringen, ehe sie ihren Asylantrag stellen. Besonderes Augenmerk liegt auf
der Situation von unbegleiteten Minderjährigen, für die ein eigener Bereich zur Registrierung geschaffen wurde. Bislang wurden über 400 Minderjährige in provisorische Zentren im Umfeld des Lagers gebracht. Gemeinsam mit den dort befindlichen 200 weiteren unbegleiteten Minderjährigen warten sie auf die Prüfung der familiären Anknüpfungspunkte nach Großbritannien. Großbritannien hat sich dazu verpflichtet, unbegleitete Minderjährige mit familiären Verbindungen zu übernehmen und bis Ende Oktober 2016 bereits rund 300 unbegleitete Minderjährige übernommen (ÖB 25.10.2016).
Wenn sich Asylsuchende aufgrund des Grenzverfahrens in den Wartezonen befinden, müssen sie dort untergebracht werden. Am Flughafen Roissy CDG gibt es 160 Plätze. In anderen Wartezonen werden Asylsuchende entweder in den naheliegenden Unterbringungsmöglichkeiten, wie einfache Hotels, oder in den Räumlichkeiten der jeweiligen Polizeistation untergebracht, solange überprüft wird, ob sie in das Land einreisen und einen Asylantrag stellen dürfen (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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ÖB Paris (25.10.2016): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sei zurückzuweisen, weil aufgrund des vorliegenden Visums gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch ausgeprägte private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller nachweislich am 27.09.2017 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.
3. Gegen den dargestellten Bescheid richtet sich die am 06.10.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher der Antragsteller geltend machte, die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, sich in Frankreich nicht sicher gefühlt zu haben; er habe dort keinen Asylantrag gestellt und könnte daher in Haft genommen werden. Außerdem habe er in Frankreich weder Verwandte noch Freunde, in Österreich hoffe er nach wie vor, den Freund seines Onkels zu treffen. Die Behörde habe die nach höchstgerichtlicher Judikatur geforderte Vornahme einer Einzelfallprüfung unterlassen. Hätte das BFA ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte es feststellen können, dass im Falle des Beschwerdeführers infolge einer Überstellung nach Frankreich das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestehen könnte. Zur Lage von Asylwerbern in Frankreich wurde auf einen näher zitierten Nachrichtenbericht verwiesen. Die Behörde berücksichtige überdies ihre eigenen Länderberichte nicht, aus denen hervorginge, dass Antragsteller nach dem Dublin-Verfahren in Frankreich keinen Zugang zu Unterbringungszentren für Asylwerber hätten und auch ein Zugang zum Gesundheitssystem für den Beschwerdeführer fraglich wäre. Hinzuweisen sei überdies auf die Problematik der Obdachlosigkeit. Das BFA hätte eine individuelle Zusicherung bezüglich angemessener Unterbringung und medizinsicher Versorgung des Beschwerdeführers in Frankreich einzuholen gehabt. Die belangte Behörde hätte im Ergebnis von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer reiste von Nigeria über Äthiopien auf dem Luftweg über Frankreich in die Mitgliedstaaten ein, begab sich nach Österreich und suchte am 09.08.2017 um die Gewährung internationalen Schutzes an. Für ihn wurde am 13.07.2017 ein von 20.07.2017 bis 19.08.2017 gültiges Schengen-Visum von der französischen Vertretungsbehörde in Nigeria ausgestellt.
Das BFA richtete am 23.08.2017 ein den Beschwerdeführer betreffendes Aufnahmegesuch an Frankreich. Am 31.08.2017 erklärte sich Frankreich auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich damit einverstanden, den Beschwerdeführer aufzunehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Frankreich an.
Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Der Antragsteller leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des dem Beschwerdeführer erteilten Schengen-Visums ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung im Zusammenhang mit der - im Verwaltungsakt dokumentierten - Auskunft aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 10.08.2017.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der beschwerdeführenden Partei seitens Frankreichs leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der französischen Dublin-Behörde ab.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Frankreich auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
Die Feststellungen des Nichtvorliegens gesundheitlicher Beeinträchtigungen und besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der beschwerdeführenden Partei in Österreich basieren auf ihren eigenen Angaben. So hat der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, gesund zu sein und über keine familiären oder engen sozialen Bindungen in Österreich zu verfügen. Insofern der Beschwerdeführer vorbrachte, nach wie vor zu hoffen, in Österreich den Kontakt zu seinem mit ihm gemeinsam aus Nigeria ausgereisten Onkel (dessen aktueller Aufenthaltsort ihm nicht bekannt wäre) respektive dessen Freund herzustellen, so zeigt er hierdurch keinesfalls eine aktuell im Bundegebiet bestehende schützenswerte familiäre Bindung auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12
Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Art. 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
KAPITEL V
PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATES
Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
3.2. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Frankreichs zur Prüfung des in Rede stehenden Asylantrages in Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Stellung seines ASsylantrags im Besitz eines gültigen französischen Visums war. Zudem stimmte die französische Dublin-Behörde der Aufnahme des Antragstellers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO mit am 31.08.2017 eingelangten Schreiben ausdrücklich zu.
Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit Frankreichs in der Zwischenzeit untergegangen sein könnte, bestehen nicht.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages der beschwerdeführenden Partei.
3.3. Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05;
15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949;
25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre.
3.3.1. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:
Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Be