Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W192 2143991-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. RUSO über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Tadschikistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2017, Zl. 16-1118932600-160837466, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Tadschikistan, gelangte illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 15.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihrer Person liegen keine EURODAC-Treffermeldungen vor.
Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom selben Tag brachte die Beschwerdeführerin vor, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können, sie leide jedoch an Diabetes sowie an Problemen mit dem Herzen, dem Magen und dem Blutdruck. In Österreich hielten sich ihre beiden volljährigen Söhne auf, welchen der Status von Asylberechtigten zukäme. Zu ihrer Reiseroute führte die Beschwerdeführerin aus, über die Türkei, Russland, Weißrussland und Kirgistan wiederum in die Türkei gelangt zu sein, von dort sei sie nach Litauen weitergereist, wo sie für zwei Monate in einem Schlepperquartier eingesperrt gewesen wäre. Über unbekannte Länder sei sie weiter nach Österreich gereist. Einer Rückkehr in einen der durchreisten Staaten stünde entgegen, dass die Beschwerdeführerin dort ganz alleine wäre. Sie wolle in Österreich bleiben. Zu ihrem Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin aus, ihre ganze Familie habe einer näher genannten politischen Partei in Tadschikistan angehört und sei aus diesem Grund durch die dortige Regierung gefährdet und verfolgt gewesen. Sie hätten ihre Häuser enteignet und auf sie geschossen. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat befürchte die Beschwerdeführerin, lebenslang inhaftiert zu werden. Sie habe Ladungen von der Polizei erhalten und sei dreimal einvernommen worden. Infolgedessen habe sie einen Herzinfarkt erlitten. Nach einem neunzehntägigen stationären Aufenthalt sei sie aus dem Spital geflüchtet.
Im Verwaltungsakt befindet sich eine Auskunft aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 15.06.2016, wonach die Antragstellerin im Besitz eines von 04.04.2016 bis 30.04.2016 gültigen Schengen-Visums der Kategorie C, ausgestellt am 04.04.2016 durch die litauische Vertretungsbehörde in Kasachstan, gewesen sei.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 22.06.2016 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Aufnahmeersuchen an Litauen.
Mit Schreiben vom 04.08.2016 stimmte die litauische Dublin-Behörde der Aufnahme der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Am 29.11.2016 erfolgte nach durchgeführter Rechtsberatung eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters, des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin sowie ihres Sohns als Vertrauensperson. Hierbei gab die Antragstellerin zu Protokoll, bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet zu haben, sie fühle sich allgemein schlecht, sei jedoch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Sie befinde sich in Behandlung wegen psychischer Probleme, außerdem leide sie an Herzproblemen, Atemproblemen und Bluthochdruck. Sie hätte sich einmal für einen Monat im Spital befunden, seit einer Woche sei sie vom Spital zu Hause. Sie habe einen Herzinfarkt erlitten und benötige verschiedene, näher angeführte, Medikamente. In Österreich würden drei Söhne der Beschwerdeführerin leben, zwei davon hätten positive Bescheide. Ihre Söhne hätten jeweils eigene Familien, außerdem würden eine Nichte sowie ein Schwager der Beschwerdeführerin in Österreich leben. Die Beschwerdeführerin lebe alleine, die Familien ihrer Söhne würden ihr jedoch helfen. Sie könne sich alleine nicht einmal waschen. Ihr jüngerer Sohn lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Verwandten bestünde nicht. Die Hilfe, welche sie von ihren Söhnen erhalte, gestalte sich derart, dass diese die Ambulanz anriefen, wenn sie krank wäre und sie zu Arztterminen begleiten würden. Ihr ältester Sohn befinde sich seit dreieinhalb Jahren in Österreich, der zweite seit eineinhalb Jahren, ihr jüngster Sohn sei einen Monat nach ihrer eigenen Einreise nach Österreich gelangt. Die Beschwerdeführerin wurde in weiterer Folge über die beabsichtigte Vorgehensweise im Sinne einer Zurückweisung ihres Antrages sowie über die vorliegende Zustimmungserklärung Litauens informiert, wozu diese angab, nicht nach Litauen zu wollen. Sie habe dort niemanden, außerdem sei sie krank. Auf die im Vorfeld der Einvernahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelten Länderberichte zu Litauen und die Möglichkeit der Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme angesprochen, erklärte die Beschwerdeführerin, nicht gewusst zu haben, dass sie eine Stellungnahme abgeben solle.
Durch den anwesenden Rechtsberater wurde zusammenfassend vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres Gesundheitszustandes auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen wäre und beispielsweise bei Arztbesuchen durch ihre Söhne begleitet werde, welche als Dolmetsch fungieren. Da die Söhne und deren Familienangehörige die Pflege der Antragstellerin übernehmen würden, sei deren Verfahren gemäß Art. 16 der Dublin III-VO in Österreich zu führen. Um den gewünschten Behandlungserfolg der in Österreich bereits begonnenen medizinischen Behandlung sicherzustellen, sei ein Selbsteintritt jedenfalls geboten. In eventu werde eine Wiederholung des Konsultationsverfahrens beantragt, da unerwähnt geblieben wäre, dass die Beschwerdeführerin über asylberechtigte Söhne in Österreich verfüge, zumal die litauischen Behörden bei Kenntnis dieser Tatsache einer Aufnahme erwartungsgemäß nicht zugestimmt hätten. Die Beschwerdeführerin habe die gleichen Fluchtgründe wie ihre in Österreich bereits asylberechtigten Söhne, weshalb deren Verfahren in Anlehnung an die Verfahren ihrer Söhne in Österreich schnell zum Abschluss gebracht werden könnte.
Die Beschwerdeführerin bestätigte anschließend, während der Einvernahme keine Verständigungsprobleme gehabt zu haben und brachte ergänzend vor, bei ihren Söhnen in Österreich bleiben zu wollen, da sie von ihren Kindern abhängig und krank sei.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2016, Zl. 16-1118932600-160837466, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Litauen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin hielt die Verwaltungsbehörde insbesondere fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass in ihrem Fall sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen würden. In Österreich verfüge sie über zwei Söhne, welche in Österreich anerkannte Flüchtlinge seien. Ihr Bruder sei ebenfalls anerkannter Flüchtling. Ihre beiden Söhne und ihr Bruder seien mit ihrer Familie in Österreich. Mit den angeführten Verwandten lebe die Beschwerdeführerin nicht im gemeinsamen Haushalt, ein solcher habe auch bisher nicht bestanden. Zu den angeführten Verwandten bestehe kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Mit ihrem jüngsten Sohn lebe sie im gemeinsamen Haushalt, ein solcher habe davor nicht bestanden. Ihr jüngster Sohn befinde sich im Asylverfahren und habe gegen die Entscheidung des Bundesamtes am 05.12.2016 Beschwerde eingebracht. Zu ihrem Sohn bestehe kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei im vorliegen Fall nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.
3. Gegen diesen Bescheid richtete sich eine fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welcher mit hg. Beschluss vom 10.01.2017 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war.
Mit Schreiben vom 12.01.2017 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die litauischen Behörden über die Einbringung eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung im Verfahren der Beschwerdeführerin.
4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.05.2017 zu Zl. W240 2143991-1/4E, wurde der Beschwerde in Spruchteil A) gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin wurde zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben. Die Revision wurde in Spruchteil B) für nicht zulässig erklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte insbesondere fest, dass die Beschwerdeführerin laut den aktenkundigen ärztlichen Befunden an zahlreichen, teilweise schwerwiegenden Erkrankungen leiden würde und diverse Medikamente in Österreich verschrieben bekommen hätte. Die Beschwerdeführerin leide insbesondere an einer rezidivierenden depressiven Störung mit reaktiven Zügen und Somatisierung, an Bluthochdruck, an Stenosen (Anmerkung BVwG: Verengungen von Blutgefäßen) und Kopfschmerzen. Laut Ambulanzkarte eines Landesklinikums vom 07.08.2016 sei bei der Genannten "Zn hypertensiver Entgleisung bei bek. Art. HT, Va Belastungsreaktion" diagnostiziert worden. Laut ärztlichem Kurzbericht eines Landesklinikums vom 21.10.2016 sei bei der Beschwerdeführerin "Hämodynamisch relevante segmentale Stenosen am li. A1 Segment interacerebral, Abgangsstenose der li. Vertebralarterie, Paukenentzündung rechts, Sinusitis max. und frontalis sin., Tinitus, Vertigo, Depressio, Uterus myomatosus, Art. Hypertonie, Bradykardie unter B-Blocker, Sinusitis" diagnostiziert worden. Die Beschwerdeführerin sei ab 07.10.2016 bis 28.10.2016 stationär in einem Landesklinikum aufhältig gewesen. In Österreich verfüge sie über einen Bruder (an anderer Stelle als Schwager bezeichnet) und zwei Söhne, jeweils samt Familie, welche in Österreich anerkannte Flüchtlinge wären. Mit den angeführten Verwandten lebe die Beschwerdeführerin nicht im gemeinsamen Haushalt, sie behaupte jedoch Unterstützungshandlungen durch diese Verwandten sowie eine Abhängigkeit aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit. Mit ihrem jüngsten Sohn habe die Beschwerdeführerin in Österreich im gemeinsamen Haushalt gelebt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017 sei die Beschwerde des jüngsten Sohnes der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des BFA vom 21.11.2016 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen worden.
Rechtlich wurde im Wesentlichen gefolgert, dass die belangte Behörde gerade zur Beurteilung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin aufgrund der vorliegenden Erkrankungen eine solch ganz außergewöhnliche Situation gegeben sei, welche zufolge höchstgerichtlicher Rechtsprechung einer Überstellung nach Litauen widersprechen würde, keine Beweiserhebungen zur Feststellungen des Sachverhalts getroffen hätte, sondern die abschließende Beurteilung ihres Gesundheitszustandes unterlassen habe. Somit bedürfe es aktueller Feststellungen zu ihrem psychischen und physischen Gesundheitszustand, um eine Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nach Litauen gegeben wäre und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausschließen zu können. Im Rahmen jener Beurteilung hätten auch die in Österreich bestehenden familiären Bezugspunkte entsprechende Berücksichtigung zu erfahren.
4. Mit Eingabe vom 24.05.2017 langte eine Vollmachtsbekanntgabe verbunden mit einem Antrag auf Zulassung zum Asylverfahren wegen Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III - VO beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Mit Schreiben vom 08.06.2017 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die litauischen Behörden über die am 18.05.2017 ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sowie den Beginn des Laufs der Überstellungsfrist mit diesem Datum.
Aus einer durch das Bundesamt in weiterer Folge in Auftrag gegebenen "Gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren" vom 24.07.2017 ergibt sich zusammenfassend, dass aus aktueller Sicht bei der Beschwerdeführerin keine belastungsabhängige krankheitswerte psychische Störung oder sonstigen psychischen Krankheitssymptome vorliegen würden. Zur Zeit der Befundaufnahme würde die Beschwerdeführerin unter Heimweh sowie dem Umstand, dass ihr Mann sie verlassen hätte und nunmehr eine Zweitfrau habe, leiden, wobei diese Trauer in ihrer Art, Dauer und Intensität noch keinen Krankheitswert erreiche.
Am 02.08.2017 fand eine ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, bei welcher einer ihrer Söhne als Vertrauensperson anwesend war. Zu Beginn beschrieb die Beschwerdeführerin nochmals den durch ihre Söhne in Österreich bestehenden Familienbezug. Einer ihrer Söhne sei ihr Nachbar, ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Söhnen liege nicht vor, diese würden sie jedoch zu Terminen im Krankenhaus begleiten. Mit den im - der Beschwerdeführerin am 27.07.2017 im Rahmen des Parteiengehörs zugestellten -psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten getätigten Ausführungen sei die Beschwerdeführerin einverstanden, sie habe dazu nichts zu sagen. Anschließend wurde sie zu den aktuell benötigten Medikamenten befragt, wobei sie näher genannte Medikamente, welche sie wegen psychischer Probleme, Bluthochdruck, Blutfettwerten, Magenschmerzen und Schwindelanfällen einzunehmen habe, auflistete. Der Beschwerdeführerin wurde in der Folge mitgeteilt, dass die Zustimmungserklärung Litauens weiterhin aufrecht bleibe, wozu die Beschwerdeführerin angab, in diesem Land niemanden zu haben, sie sei krank und möchte bei ihren Söhnen bleiben. Sie müsse immer wieder ins Krankenhaus.
Einer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebenen Befundbewertung durch eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige vom 14.08.2017 lässt sich entnehmen, dass sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen im Wesentlichen ergebe, dass die Beschwerdeführerin an hohem Blutdruck, einer - mittlerweile offenbar behandelten - Entzündung der Nasennebenhöhlen, sowie Schwindel ohne erkennbare neurologische Ursache leiden würde; eine MR-Untersuchung habe keinen Hinweis auf eine Veränderung der hirnversorgenden Arterien gegeben; zuletzt seien einige Medikamente abgesetzt worden, da keine Notwendigkeit für deren Einnahme bestanden hätte, in den letzten Befunden würden diese jedoch abermals angeführt. Eine Depression mit reaktiven Zügen und Somatisierung sei diagnostiziert worden. Es bleibe unklar, weshalb die Beschwerdeführerin nun anstatt der zuletzt verordneten vier Medikamente, wieder neun Medikamente einnehme. Behandelt werden sollte der Blutdruck, bis er zufriedenstellend eingestellt sei. Bei anhaltender subjektiv negativ getönter Befindlichkeit könne ein Antidepressivum gegeben werden. Zu den Auswirkungen einer Überstellung auf den psychischen und physischen Zustand der Beschwerdeführerin wurde angemerkt, dass Blutdruckmedikamente erforderlich seien; eine vorübergehende Verschlechterung sei nicht sicher auszuschließen, eine akute Selbstgefährdung respektive vitale Gefährdung sei derzeit nicht erkennbar.
5. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen, nunmehr angefochtenen, Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Litauen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Litauen wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):
1. Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MD 8.10.2017; vgl. MD 25.1.2014, MD 27.1.2014, MD 13.3.2015, RoL 28.4.2015, USDOS 3.3.2017; für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Quellen:
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MD - Migracijos Departamentas (8.10.2014): Where to apply?, http://www.migracija.lt/index.php?-169402599, Zugriff 3.5.2017
-
MD - Migracijos Departamentas (25.1.2014): Examining an application, http://www.migracija.lt/index.php?21088311, Zugriff 3.5.2017
-
MD - Migracijos Departamentas (27.1.2014): Rights and duties during the examination of an asylum, http://www.migracija.lt/index.php?-305003643, Zugriff 3.5.2017
-
MD - Migracijos Departamentas (13.3.2015): Asylum procedure in details, http://www.migracija.lt/index.php?-805149127, Zugriff 3.5.2017
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RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,
https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 3.5.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights, http://www.ecoi.net/local_link/337170/479934_de.html, Zugriff 3.5.2017
2. Dublin-Rückkehrer
Nach Art. 72 (3) des litauischen Gesetzes über den legalen Status von Fremden, muss Litauen einen Asylantrag inhaltlich prüfen, wenn es für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Artikel 76 (2), ist Asylwerbern, die im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Litauen zurückgeschickt werden, weil Litauen für deren Verfahren zuständig ist, temporäres territoriales Asyl zuzusprechen (= für das Verfahren) (RoL 28.4.2015).
Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in Litauen abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Litauen innerhalb eines Monats im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren automatisch wieder aufgenommen. Ist mehr als ein Monat vergangen, hat der Rückkehrer das Recht einen neuen Antrag zu stellen, welcher als Folgeantrag gilt. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Litauen verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn die Entscheidung dem Antragsteller zugestellt werden konnte, als nach Rückkehr (EASO 12.2015).
Litauen macht bei der Bereitstellung von Versorgungsleistungen für Dublin-Fälle keinen Unterschied zu anderen Antragstellern (lediglich im Grenzverfahren gelten andere Regeln) (EASO 2.2016).
Quellen:
-
EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix
Report: Dublin procedure, per E-Mail
-
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix
Report: Reception conditions, per E-Mail
-
RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,
https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 3.5.2017
3. Non-Refoulement
Die litauischen Behörden erlauben Asylwerbern, die aus sicheren Transitländern kommen, nicht den Zutritt zum Territorium. Stattdessen werden sie ohne inhaltliche Überprüfung des Vorbringens in das Transitland zurückgeschickt (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights, http://www.ecoi.net/local_link/337170/479934_de.html, Zugriff 3.5.2017
4. Versorgung
In Litauen gibt es zwei Zentren zur Unterbringung von Fremden. Das Fremdenregistrierungszentrum (FRC) in Pabrade verfügt über zwei Bereiche: einen offenen Teil für Asylwerber im Asylverfahren und einen geschlossenen Teil für inhaftierte Migranten. (UNHCR 9.2014). AW, die ihren Aufenthalt nicht selbst finanzieren können oder illegal eingereist sind bzw. aufhältig sind, werden im FRC in Pabrade untergebracht. Ein AW der legal eingereist ist, kann in Absprache mit dem Migrationsamt seine Unterbringung selbst besorgen (MD 25.1.2014). Im Unterbringungszentrum für Asylwerber in Rukla (RCR) werden vulnerable Personen sowie unbegleitete minderjährige Asylwerber, aber auch anerkannte Flüchtlinge im Integrationsprozess untergebracht (UNHCR 9.2014; vgl. EMN 2014; EASO 2.2016).
Die Kapazitäten der beiden Zentren betragen 98 Plätze im geschlossen Bereich von Pabrade und 88 Plätze im offenen Bereich, sowie 20 Plätze in Rukla. Also insgesamt 206 Plätze. Alle Antragsteller in Litauen erhalten ein Taggeld in Höhe von EUR 10,- im Monat (EASO 2.2016).
Unbegleitete Minderjährige sind, im Einvernehmen mit ihrem Vormund und unter Rücksichtnahme auf ihre Wünsche und ihre Reife, bei ihrem Vormund oder in einem Flüchtlingsunterbringungszentrum unterzubringen, es sei denn, der gesetzliche Vertreter entscheidet anderes. Das Fremdenregistrationszentrum dient auch der geschlossenen Unterbringung von Fremden zur Identitätsfeststellung, Feststellung der Reiseroute und auch zur Außerlandesbringung. Das Flüchtlingsunterbringungszentrum dient der Unterbringung und sozialen Integration anerkannter Flüchtlinge und unbegleiteter Minderjähriger (RoL 28.4.2015, Art. 79).
UMA werden in einem eigenen Sektor untergebracht. Ein Vormund vertritt ihre Rechte, es gibt Sozialarbeiter und die UMA erhalten soziale, psychologische, medizinische und schulische Hilfe. Die Jugendlichen lernen Litauisch und besuchen Schulen im Bezirk Jonava. Das Zentrum arbeitet mit dem Children's Rights Protection Service Jonava und den Schulen in Jonava und Rukla zusammen (RPPC o.D.).
Während des Asylverfahrens dürfen Asylwerber keine Berufstätigkeit ausüben. Kinder und UMA haben jedoch Zugang zu Bildung (MD 8.2.2017).
Das litauische Rote Kreuz arbeitet seit 1996 mit Asylwerbern und anerkannten Flüchtlingen. Seit 2004 bietet es in Kooperation mit UNHCR eine rechtliche Unterstützung für Asylwerber, Flüchtlinge, Staatenlose und Migranten an. Die Rechtsberatung wird in den Unterbringungszentren für Asylwerber in Pabrade und Rukla, aber auch in den Zentren des RK in Vilnius, im InLt Zentrum in Kaunas und im Infozentrum in Klaipeda zur Verfügung gestellt. Die juristische Unterstützung kann bei der Antragsstellung, Vertretung vor Behörden und Gerichten in Anspruch genommen werden (RC o.D.a; vgl. RC o.D.f). 2010 schlossen das litauische RK, UNHCR und die litauische Grenzwache ein Kooperationsabkommen, das es Beobachtern des RK erlaubt, die Asylantragstellung an der Grenze und im Registrierzentrum Pabrade und die Unterbringungsbedingungen für Asylwerber zu überwachen (RC o.D.a; vgl. RC o.D.b). Der Schwerpunkt liegt jedoch bei sozialer Hilfe: Zurverfügungstellung von Lebensmittel an der Grenze, humanitäre Unterstützung mit Kleidung und Hygieneartikel auch für inhaftierte Asylwerber, Hilfe bei der Arbeitssuche, medizinische Versorgung (RC o.D.c). Darüber hinaus bietet es psychologische Hilfe sowohl in den Standorten des RK in Kaunas und in Klaipeda als auch in Pabrade für inhaftierte Asylwerber; Berufs- und Bildungsberatung und Sprachkurse und setzt Projekte der öffentlichen Bewusstseinsbildung um. Die Menschen erhalten Hilfe vom ersten Tag ihrer Ankunft im Land bis zum Ende ihrer erfolgreichen Integration (RC o.D.c; vgl. RC o.D.d). In Zusammenarbeit mit verschiedenen NGOs und Regierungsbehörden setzt das litauische RK Programme und Projekte zur Verbesserung der Aufenthaltsbedingungen für Asylwerber um (RC o.D.e; vgl. RC o.D.g).
Quellen:
-
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix
Report: Reception conditions, per E-Mail
-
MD - Migracijos Departamentas (25.1.2014): Examining an application, http://www.migracija.lt/index.php?21088311, Zugriff 3.5.2017
-
MD - Migracijos Departamentas (2016): Information for asylum seekers, http://www.migracija.lt/index.php?-2140151560, Zugriff 3.5.2017
-
RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,
https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.a): Teisine pagalba, http://www.redcross.lt/teisine-pagalba, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.b): Pasienio stebesena, http://www.redcross.lt/pasienio-stebesena, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.c): Socialine pagalba, http://www.redcross.lt/socialine-pagalba, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.d): Psichologine pagalba, http://www.redcross.lt/psichologine-pagalba, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.e): Integracija, http://www.redcross.lt/integracija, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cross (o.D.f): Advokacija, http://www.redcross.lt/advokacija, Zugriff 3.5.2017
-
RC - Red Cros (o.D. g): Projektai, http://www.redcross.lt/projektai, Zugriff 3.5.2017
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.):
Activity with unaccompanied minors, http://www.rppc.lt/9919/services/activity-with-unaccompanied-minors.html, Zugriff 3.5.2017
-
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (9.2014):
Integration of refugees in Lithuania, Participation and Empowerment, http://www.refworld.org/pdfid/58a486e34.pdf, Zugriff 3.5.2017
4.1. Medizinische Versorgung
Asylwerber erhalten im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung notwendige medizinische Versorgung (zum Unterschied von lediglich Notfallversorgung einerseits und vollem Zugang zu medizinischer Versorgung andererseits). Vulnerable Antragsteller haben Zugang zu psychologischer Unterstützung (EASO 2.2016).
Asylwerber haben im Asylverfahren u.a. das Recht auf notwendige medizinische Versorgung (MD 13.7.2016).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
-
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix
Report: Reception conditions, per E-Mail
-
MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
-
MD - Migracijos Departamentas (13.7.2016): Teises ir pareigos prieglobscio proceduros metu (Rechte und Pflichten von Asylwerbern), http://www.migracija.lt/index.php?1711717555, Zugriff 3.5.2017
5. Schutzberechtigte
Das litauische Gesetz über den legalen Status von Fremden regelt u. a. auch Fragen der Integration in Litauen (RoL 28.4.2015). Für die Umsetzung der Integrationsmaßnahmen ist das Ministerium für Arbeit und Sicherheit (MSSL) zuständig. Die Behörden haben jedoch Verträge mit NGOs wie das Litauische Rote Kreuz oder Caritas, die z.B. bei der Suche nach Unterkunft und Arbeit helfen. Anerkannte Flüchtlinge sind in Litauen zu einer zweigliedrigen Integrationshilfe berechtigt. Zuerst leben Schutzberechtigte für 8-12 Monate in Rukla. Die dortige Aufenthaltszeit beträgt bei vulnerablen Personen höchstens 18 Monate und bei UMA bis zur Vollendung des 18 Lebensjahrs. Dann folgt eine Integrationsphase bis zu 12 Monate außerhalb des Zentrums in einer Gemeinde; diese Dauer ist bei Vulnerablen verlängerbar. Die Gesamtdauer der Integration in Rukla und in der Gemeinde kann in unvorhergesehenen Fällen weiter verlängert werden, kann aber die gesetzlich festgelegten 5 Jahre nicht überschreiten. Nach dem ersten Jahr werden jedoch die staatlichen finanziellen Unterstützungen kontinuierlich reduziert. Während der Integration erhalten anerkannte Flüchtlinge Sozialhilfe, Krankenversorgung, rechtliche Unterstützung, intensives Sprachtraining, Jobberatung und -training, Kindergartenbetreuung, Vorschul- und Schulunterricht für Kinder und psychologische Unterstützung. Es gibt finanzielle Beihilfe für Niederlassung, Wohnung, Sprachtraining, Bildung, Krankenversicherung, usw. (UNHCR 9.2014).
Litauisches Rotes Kreuz und Caritas Litauen kooperieren mit den Behörden und unterstützen Asylwerber bzw. anerkannte Flüchtlinge. Das litauische Rote Kreuz betreibt mit finanzieller Unterstützung der EU ein Integrationszentrum für Flüchtlinge in Kaunas. Die Caritas unterstützt Flüchtlinge in Vilnius (UNHCR 9.2014; vgl. RPPC 2013).
Quellen:
-
RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the Legal Status of Aliens No. IX-2206, 29.4.2004 (Version valid from 28 April 2015), http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_e?p_id=1031831&p_tr2=2, Zugriff 3.5.2017
-
RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (2013): THE
LIFE OF REFUGEES IN LITHUANIA: IMPRESSIONS OF THE COUNTRY, ASPECTS
OF INTEGRATION AND FUTURE PLANS,
http://www.rppc.lt/files/323/ruklos_knyga-LT-En.pdf, Zugriff 3.5.2017
-
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (9.2014):
Integration of refugees in Lithuania, Participation and Empowerment, http://www.refworld.org/pdfid/58a486e34.pdf, Zugriff 3.5.2017
Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO Litauen für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Die Beschwerdeführerin sei im Besitz eines litauischen Schengen-Visums, gültig von 04.04.2016 bis 30.04.2016, gewesen und habe Litauen mit Schreiben vom 04.08.2016 eine Zuständigkeit für die Führung ihres Verfahrens auf internationalen Schutz erklärt. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Beschwerdeführerin leide an hohem Blutdruck, einer mittlerweile behandelten Entzündung der Nasennebenhöhlen sowie an Schwindel ohne erkennbare neurologische Ursache. Nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführerin an sonstigen schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten respektive an einem lebensbedrohlichen Krankheitszustand leide. Aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch in Litauen ausreichenden Zugang zu ärztlicher Versorgung erhalten werde, im Übrigen bestünden keine schwerwiegenden, einem Transport nach Litauen entgegenstehenden, Beeinträchtigungen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Litauen systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre oder solche dort zu erwarten hätte. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. In Österreich würden zwei Söhne sowie ein Bruder der Beschwerdeführerin als anerkannte Flüchtlinge leben. Mit diesen lebe die Beschwerdeführerin nicht im gemeinsamen Haushalt und es bestünde kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Mit ihrem jüngsten Sohn habe die Beschwerdeführerin in Österreich einige Zeit lang im gemeinsamen Haushalt gelebt, der Genannte sei jedoch am 02.02.2017 nach Lettland überstellt worden. Aus der in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme einer Sachverständigen wie auch der Befundbewertung ergebe sich keine Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin. Eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerin in Österreich sei nicht erkennbar. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin nachweislich am 02.10.2017 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.
6. Gegen den dargestellten Bescheid richtet sich die am 10.10.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher die Antragstellerin im Wesentlichen geltend machte, die behördliche Entscheidung vollinhaltlich anzufechten. Begründend wurde vorgebracht, eine Überstellung nach Litauen würde die Beschwerdeführerin in ihren durch Artikel 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzen. Entgegen der Feststellung der belangten Behörde, liege zwischen der Beschwerdeführerin und ihren in Österreich lebenden Söhnen sehr wohl ein Abhängigkeitsverhältnis vor, zumal diese ihr bei sämtlichen Anliegen behilflich wären. Entgegen der Angaben der Beschwerdeführerin bestünde überdies in einem gewissen Maße ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, zumal sich einer ihrer Söhne um die Verpflegung seiner Mutter kümmere, da diese aufgrund ihres psychischen Zustandes nicht mehr in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen. Die Familie ihres Sohnes bestreite gemeinsam mit der Beschwerdeführerin ihren Alltag, da diese nicht mehr für längere Zeit alleine sein könne, andernfalls bekomme sie Panik und Angstzustände, welche sich in weiterer Folge negativ auf ihren Blutdruck und ihr Herz auswirken würden. Die Familie ihres Sohnes unterstütze sie, indem sie ihr bei der Körperpflege helfe, ihr Essen zubereite und die regelmäßige und richtige Einnahme der Medikamente überwache, zudem beschäftige sich die Beschwerdeführerin mit ihren Enkelkindern, wenn diese gerade nicht im Kindergarten oder in der Schule wären. Aufgrund seiner finanziellen Lage wäre es ihrem Sohn nicht möglich, die Beschwerdeführerin regelmäßig in Litauen zu besuchen. Auch der zweite, weiter entfernt lebende, Sohn kümmere sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um die Beschwerdeführerin. Die Abschiebung im Zug oder im Flugzeug wäre für die Beschwerdeführerin mit erheblichem Stress verbunden, da diese sich nicht alleine in kleinen Räumen aufhalten könne. Beantragt wurde, den Sohn der Beschwerdeführerin bezüglich ihres Gesundheitszustandes sowie ihrer Pflegebedürftigkeit als Zeuge einzuvernehmen sowie neuerlich ein Sachverständigengutachten zum aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin einzuholen. Im gegenständlichen Fall gebe es aufgrund der familiären Anknüpfungspunkte und des damit zusammenhängenden Abhängigkeitsverhältnisses (aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes) hinreichend familiäre und humanitäre Gründe für eine Zuständigkeit Österreichs aufgrund von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO. Im Falle der Beschwerdeführerin sei keine Einzelfallzusicherung Litauens eingeholt worden, sodass nicht sichergestellt werden könne, dass dieser in Litauen die notwenige medizinische Versorgung zukommen werde und würde mit einer Abschiebung ein Abbruch der derzeit notwendigen Behandlung einhergehen. Trotz begründeten Antrags habe die Behörde kein neuerliches Konsultationsverfahren mit Litauen durchgeführt und das Verfahren dadurch mit einem Mangel belastet. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss gelangen müssen, dass eine Abschiebung nach Litauen eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK, 3 EMRK, und 14 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde und zwingend das Selbsteintrittsrecht auszuüben sei. Beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Beschwerdeschrift beiliegend wurde ein Konvolut an (bereits im Verwaltungsakt einliegenden) medizinischen Befunden übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste im Juli 2017 in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten ein und suchte in Österreich am 11.07.2016 um die Gewährung internationalen Schutzes an. Für diese wurde am 04.04.2016 ein von 04.04.2016 bis 30.04.2016 gültiges Schengen-Visum von Seiten der litauischen Vertretungsbehörde ausgestellt.
Das BFA richtete am 22.06.2016 ein Aufnahmeersuchen an Litauen, welchem die litauischen Behörden mit Schreiben vom 04.08.2016 ausdrücklich zustimmten.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Litauen an.
Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Die Antragstellerin leidet zum Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin litt zuletzt an hohem Blutdruck, Schwindel ohne erkennbare neurologische Ursache sowie einer Entzündung der Nasennebenhöhlen. Zudem befand sie sich aufgrund psychischer Beschwerden in Behandlung, wobei im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme vom 24.07.2017 zuletzt keine krankheitswerte psychische Beeinträchtigung festgestellt wurde.
In Österreich leben zwei volljährige Söhne mit deren jeweiligen Familien sowie ein Bruder der Beschwerdeführerin als anerkannte Flüchtlinge, welche die Beschwerdeführerin bei Arztbesuchen begleiten und diese im Alltag unterstützen. Besondere wechselseitige Abhängigkeiten, wie etwa solche finanzieller oder sonstiger Art, bestehen jedoch nicht. Insbesondere begründen auch die Erkrankungen der Beschwerdeführerin kein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Söhnen und ihren sonstigen Angehörigen. Eine Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen nicht.
Der jüngste Sohn der Beschwerdeführerin hielt sich zwischen 07.08.2016 und 02.02.2017 im Bundesgebiet auf, am letztgenannten Datum wurde er auf Grundlage der Dublin III-VO in den für sein Verfahren zuständigen Mitgliedstaat Lettland überstellt (vgl. das in Bezug auf seine Person ergangene Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017, Zl. W161 2141841-1/6E).
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie des abgelaufenen Schengen-Visums ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahmen im Zusammenhalt mit ihrem (im Verwaltungsakt in Kopie einliegenden) Reisedokument sowie einer - ebenfalls im Verwaltungsakt dokumentierten - Auskunft aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 15.06.2016.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der beschwerdeführenden Partei seitens Litauens leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der litauischen Dublin-Behörde ab.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Die gesundheitlichen Beschwerden der Antragstellerin sind einem von ihr vorgelegten Konvolut an medizinischen Unterlagen von August 2016 bis Jänner 2017 in Zusammenschau mit dem Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme vom 24.07.2017 sowie einer Befundbewertung vom 04.08.2017, welche jeweils durch eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin und psychotherapeutischen Medizin, erstellt wurden und deren Ergebnis die Beschwerdeführerin nicht entgegentrat, zu entnehmen. In Bezug auf das aktuelle Beschwerdebild geht aus einer zuletzt durch eine Sachverständige vorgenommenen Befundinterpretation vom 04.08.2017 hervor, dass die Beschwerdeführerin aktuell insbesondere an hohem Blutdruck sowie an Schwindel ohne erkennbare neurologische Ursache leiden würde. Zudem sei zu einem früheren Zeitpunkt die Diagnose einer Depression mit reaktiven Zügen und Somatisierung gestellt worden, wobei sich zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Sachverständige im Juli 2017 Traurigkeit respektive eine negativ getönte Befindlichkeit, jedoch keine ausgeprägte Depression gezeigt hätte; die übrigen aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlichen Diagnosen wiesen keinen aktuellen Behandlungsbedarf auf, weshalb das Gericht zur entsprechenden Feststellung gelangte. Insbesondere war zuletzt auch keine stationäre Behandlung erforderlich, woraus ersichtlich ist, dass eine äußerst schwerwiegende oder gar lebensbedrohende gesundheitliche Beeinträchtigung bei der Beschwerdeführerin nicht vorliegt. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich im Übrigen nicht ableiten, dass die Beschwerdeführerin aktuell pflegebedürftig respektive im Alltag zwingend auf Unterstützung angewiesen wäre. Sofern in der Beschwerdeschrift angeführt wird, die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihrer psychischen Situation nicht in der Lage, ihren Alltag eigenständig zu bewältigen, weshalb sie diesbezüglich auf Hilfe und Betreuung durch ihre Angehörigen angewiesen wäre, so lässt sich dies nicht mit dem Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme vom 24.07.2017 vereinbaren, welcher zu entnehmen ist, dass zum Untersuchungszeitpunkt keine (schwerwiegende) psychische Erkrankung respektive Symptome einer solchen feststellbar gewesen wären. Ebensowenig lässt sich aus dieser entnehmen, dass aktuell ein Krankheitsbild vorliegt, welches einer Überstellung per se entgegenstehen würde. Die Beschwerdeführerin selbst trat dem Ergebnis jenes Gutachtens nicht entgegen, auch in der Beschwerde wurde selbigem nicht auf fachlicher Ebene entgegengetreten. Ebensowenig wurden aktuelle, in der angefochtenen Entscheidung noch nicht berücksichtigte Befunde vorgelegt, aus welchen sich allenfalls eine gegenteilige Sichtweise ergeben würde. Insofern konnte die beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin unterbleiben.
Die Feststellung des Aufenthaltsstatus der Söhne und des Bruders der Antragstellerin in Österreich stützt sich auf die Ausführungen der Erstbehörde im angefochtenen B