Index
25/01 Strafprozess;Norm
EGVG Art5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des WT in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. September 1999, Zlen. UVS-02/14/00055/97 und UVS-02/14/00066/97, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie Verletzung von Richtlinien (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit seiner "gemäß Artikel 129a Abs. 1 Zif. 2 B-VG gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" erhobenen, beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (der belangten Behörde) am 7. Mai 1997 eingelangten Beschwerde begehrte der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, die Feststellung, er sei durch seine Festnahme am 4. April 1997 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, durch seine nachfolgende Anhaltung, durch die erst verspätet erfolgte Vernehmung und dadurch, dass ihm keine Möglichkeit der Verständigung eingeräumt worden sei, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfachgesetzlichen Rechten verletzt worden. Im Einzelnen brachte der Beschwerdeführer betreffend die unterbundene Verständigungsmöglichkeit (nur das ist im Folgenden entscheidungsrelevant) vor, dass er schon während der Amtshandlung sowie "in der Folge der Festnahme" darauf aufmerksam gemacht habe, dass er eine Vertrauensperson sowie seine Kanzlei über seine Festnahme bzw. über seinen Verbleib unterrichten möchte; dies sei ihm jedoch verwehrt worden; auch in der Folge sei ihm trotz mehrfacher Aufforderung jegliches Telefonieren untersagt worden, woraufhin er um eine mittelbare Verständigung durch einen Beamten ersucht habe; auch diese sei jedoch nicht vorgenommen worden; erst zwischen 17.00 Uhr und 18.30 Uhr habe man ihm erstmals das Telefonieren gestattet. Ihm sei daher das Recht auf Information eines nahen Angehörigen bzw. einer Vertrauensperson verweigert worden. Dadurch habe man u.a. gegen die Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV) - der Beschwerdeführer führte deren § 8 ins Treffen - verstoßen.
Über Aufforderung der belangten Behörde teilte der Beschwerdeführer ergänzend mit, dass seine ursprüngliche Eingabe auch als Aufsichtsbeschwerde anzusehen sei; insbesondere werde darauf verwiesen, dass die Bundespolizeidirektion Wien das "gemäß § 31 Abs. 1 Z. 8 normierte Verständigungsrecht" verletzt habe. Die belangte Behörde ging daraufhin nach § 89 Abs. 1 SPG vor.
Seitens der Bundespolizeidirektion Wien wurde dem Beschwerdeführer in der Folge mit Schreiben vom 17. Juli 1997 zur Kenntnis gebracht, dass keine Verletzung der RLV vorliege. Dieser stellte daraufhin mit Schriftsatz vom 28. Juli 1997 den Antrag zu entscheiden, dass durch die bekämpfte Amtshandlung gegen § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG verstoßen worden sei.
Mit Bescheid vom 29. September 1999 erkannte die belangte Behörde sowohl über die "Maßnahmenbeschwerde" (Spruchpunkt 1.) als auch über die behauptete Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten (Spruchpunkt 2.). Zu Spruchpunkt 1. erklärte sie die Festnahme des Beschwerdeführers am 4. April 1997 um 02.40 Uhr und dessen Anhaltung bis 22.00 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien sowie die Verweigerung der Verständigung einer Angehörigen bis gegen 16.30 Uhr gemäß § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig; zu Spruchpunkt 2. stellte sie gemäß § 89 Abs. 4 SPG fest, dass § 8 RLV nicht verletzt worden sei. Diese Entscheidung begründete sie - soweit hier wesentlich - damit, dass ein näher bezeichnetes Lokal in 1100 Wien nach Einlangen eines Hinweises, dass dort eine "Kokain-Party" stattfinde, auf Grund eines richterlichen Hausdurchsuchungsbefehles am 4. April 1997 um 02.30 Uhr von Beamten der Alarmabteilung "erstürmt" worden sei. Man habe in der Folge alle im Lokal anwesenden Personen perlustriert. Als man den Beschwerdeführer dazu aufgefordert habe, sei beim Aufstehen von der Sitzbank von seinem Sitzplatz ein weißes Briefchen zwischen seinen Beinen zu Boden gefallen. Der Beschwerdeführer habe sich als Rechtsanwalt ausgewiesen und jeden Zusammenhang mit Suchtgift bestritten; bei Durchsuchung seiner Person und seines Kraftfahrzeuges sei nichts vorgefunden worden. Um 02.40 Uhr habe man den Beschwerdeführer wegen Verdachtes des Inverkehrsetzens von Suchtgift in großen Mengen und wegen des Verdachtes des Suchtgiftbesitzes festgenommen und dem Bezirkspolizeikommissariat Favoriten überstellt. Auf das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson und eines Rechtsbeistandes sei er hingewiesen worden, die Verständigung seiner Lebensgefährtin habe man ihm jedoch wegen Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr untersagt. Mit dem Beschwerdeführer seien fünf weitere Personen festgenommen worden. Man habe festgestellt, dass das dem Beschwerdeführer zugeordnete Briefchen 0,8 g Kokain beinhalte und dass die gesamte Menge aller sichergestellten Kokainbriefchen 13,2 g betrage. In der Folge sei der Beschwerdeführer in das Polizeigefangenenhaus überstellt, erkennungsdienstlich behandelt und schließlich beginnend mit 16.30 Uhr einvernommen worden. Zu Beginn seiner Vernehmung sei ihm ein Telefonat mit seiner Lebensgefährtin gestattet worden. Ein "Kokain-Drug-Wipe-Test" sei hinsichtlich der Kleidung des Beschwerdeführers negativ verlaufen, bei der Brieftasche habe sich eine leichte Verfärbung ergeben. Um 22.00 Uhr sei der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juli 1997 sei die Einstellung des Verfahrens wegen § 16 Abs. 1 SGG verfügt worden.
Seitens der einschreitenden Beamten - so die belangte Behörde weiter im Zug ihrer rechtlichen Beurteilung - habe mit gutem Grund angenommen werden können, dass der Beschwerdeführer zwar des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG, nicht aber des Verbrechens nach § 12 SGG verdächtig sei. Die vorläufige Verwahrung des Beschwerdeführers wäre daher im konkreten Fall nur bei Vorliegen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr berechtigt gewesen (§ 452 StPO). Dieser Haftgrund habe jedoch nicht vorgelegen, weil die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung hiefür nicht ausreiche.
Zur Frage der Verständigung eines Angehörigen führte die belangte Behörde im Rahmen der Beurteilung der "Maßnahmenbeschwerde" aus, dass dem Festgenommenen nach der auch für die Verwaltungsbehörden im Dienste der Strafjustiz maßgeblichen Vorschrift des § 36 Abs. 3 VStG ohne unnötigen Aufschub zu gestatten sei, einen Angehörigen oder eine sonstige Person seines Vertrauens und einen Rechtsbeistand zu verständigen; über dieses Recht sei der Festgenommene zu belehren. Bestünden gegen eine Verständigung durch den Festgenommenen selbst Bedenken, so habe die Behörde die Verständigung vorzunehmen. Gegenständlich sei dem Beschwerdeführer trotz seines Verlangens, seine Lebensgefährtin von der Festnahme zu verständigen, diese Möglichkeit erst anlässlich seiner Einvernahme ab 16.30 Uhr eingeräumt worden. Abgesehen davon, dass keine "Bedenken" im Sinne des letztes Satzes des § 36 Abs. 3 VStG vorgelegen hätten, habe es die Bundespolizeidirektion Wien jedenfalls unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die Verständigung der angegebenen Vertrauensperson selbst vorzunehmen.
Insoweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Verständigungsrechtes anfechte - so die belangte Behörde abschließend zur Begründung ihrer Entscheidung zu Spruchpunkt 2. -, sei dieses in Beschwerde gezogene Verhalten auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Richtlinien zu prüfen. Der Beschwerdeführer habe nämlich unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Verletzung des in "gemäß § 31 Abs. 1 Z. 8 SPG normierten Verständigungsrechtes" mit Aufsichtsbeschwerde bekämpfen wolle. Die zu dieser Bestimmung ergangene Richtlinie (§ 8 RLV) normiere jedoch ausschließlich die Verpflichtung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, den Betroffenen über die näher angeführten Verständigungsrechte in Kenntnis zu setzen, sage jedoch nichts darüber aus, ob und in welchem Zeitraum einem solchen Verlangen zu entsprechen sei. Es sei erwiesen, dass der Beschwerdeführer von seinem Verständigungsrecht in Kenntnis gesetzt wurde; eine Verletzung der genannten Richtlinie liege demnach nicht vor.
Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt 2. des eben erwähnten Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid insoweit - erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auch die belangte Behörde geht davon aus, dass die einschreitenden Organe der Bundespolizeidirektion Wien (u.a.) dadurch Rechte des Beschwerdeführers verletzten, dass sie ihm nach seiner Festnahme nicht die Verständigung seiner Lebensgefährtin gestatteten. Die Beschwerde vertritt im Ergebnis die Ansicht, dass die belangte Behörde diese Verweigerung der Verständigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers - was jene schon im Rahmen der "Maßnahmenbeschwerde" als rechtswidrig erklärt hatte - auch unter dem Blickwinkel einer Verletzung von Richtlinien zu beachten gehabt hätte; einerseits sei die Aufsichtsbeschwerde nicht auf "§ 31 Abs. 1 Z. 8" SPG bzw. auf § 8 RLV eingeschränkt gewesen (das zeige die Verwendung des Wortes "insbesondere" in diesem Zusammenhang in der Aufsichtsbeschwerde), andererseits hätte die belangte Behörde, selbst wenn lediglich eine Verletzung von § 8 RLV behauptet worden wäre, angesichts ihrer Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsermittlung feststellen müssen, dass die amtshandelnden Beamten durch die Verweigerung der Verständigung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers bzw. dessen Kanzlei gegen § 1 Abs. 1 RLV verstoßen hätten.
Diesem Standpunkt liegt zugrunde, dass die RLV im Weg ihres als Generalklausel begriffenen § 1 Abs. 1 alle Anforderungen an das Handeln von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, mögen sich diese Anforderungen auch bloß mittelbar über die den Betroffenen eingeräumten Rechtspositionen ergeben, erfasse. Wäre dem so, so stellte sich quasi automatisch jede Rechtsverletzung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch als "Richtlinienverletzung" dar. Dieser Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof indes nicht beizupflichten.
Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte § 1 Abs. 1 RLV
hat folgenden Wortlaut:
"Aufgabenerfüllung
§ 1. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben innerhalb der Sicherheitsverwaltung (§ 2 Abs. 2 SPG) jene Aufgaben zu erfüllen, die im Rahmen des Exekutivdienstes, insbesondere durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu besorgen sind. In anderen Bereichen der Verwaltung haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes solche Aufgaben auf Grund besonderer gesetzlicher Anordnung zu erfüllen.
..."
Gesetzliche Grundlage der RLV ist § 31 SPG. Diese Bestimmung
lautet wie folgt:
"Richtlinien für das Einschreiten
§ 31. (1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.
(2) In diesen Richtlinien ist zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, dass
...
8. der Betroffene in bestimmten Fällen auf sein Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und dass er deren Verständigung verlangen kann.
(3) ..."
In der Regierungsvorlage (148 BlgNR, 18. GP, 38) heißt es zu dieser Bestimmung:
"Immer wieder wurde in der Öffentlichkeit der Vorwurf erhoben, die mit Erlässen, also durch Verwaltungsverordnungen getroffenen Richtlinien für das Einschreiten der Sicherheitsexekutive seien nicht bekannt, weshalb der Bürger gar nicht wisse, welches Verhalten der Angehörigen der Sicherheitsexekutive er erwarten könne. Daher soll der Bundesminister für Inneres mit Verordnung einen 'Berufspflichtkodex' erlassen können.
..."
Schon das Verständnis der RLV als "Berufspflichtkodex" und die gesetzliche Determinierung derselben als Katalog "zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens" lassen erkennen, dass sie nicht jede Rechtsverletzung erfassen soll. Davon abgesehen liegt dem SPG das Konzept zugrunde, dass durch die Richtlinien keine subjektiven Rechte der von einem behördlichen Einschreiten Betroffenen eingeräumt werden, sondern bloß objektiv-rechtliche Anordnungen an die Exekutivorgane erlassen werden, wie sie sich bislang in verwaltungsinternen Erlässen befanden (vgl. Hauer-Keplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, 167). Wollte man jede Anordnung an das Verhalten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes über § 1 Abs. 1 als von der RLV umfasst ansehen, so würde dieses System insoweit konterkariert, als in einer Vielzahl von Fällen gerade derartige subjektiv-öffentliche Rechte Gegenstand der RLV wären. Es käme im Bereich des SPG zu einer generellen Verdoppelung des Rechtsschutzes dergestalt, dass die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte immer die Erhebung einer Beschwerde sowohl nach § 88 SPG als auch nach § 89 SPG ermöglichte. Eine solche durchgehende Doppelgleisigkeit - die freilich partiell besteht (siehe unten) - kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
§ 1 Abs. 1 RLV kann nach dem Gesagten nicht die Bedeutung einer Generalklausel in dem vom Beschwerdeführer verstandenen Sinn zukommen. Die Frage einer allfälligen Verletzung von Richtlinien ist daher ausschließlich anhand der konkreten Einzel-Anordnungen der RLV zu beantworten. Von daher kann es dahinstehen, ob die vorliegende "Richtlinienbeschwerde" lediglich auf § 8 RLV kanalisiert war oder ob sie darüber hinaus ging; außer in § 8 RLV ist nämlich von einem im konkreten Fall in Betracht kommenden Recht auf Verständigung (oder Beiziehung) einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes in der RLV nirgendwo die Rede; nur § 8 RLV kann daher Sitz einer Richtlinie sein, wonach eine derartige Verständigung (Beiziehung) zu gestatten sei. (Der Vollständigkeit halber sei freilich darauf hingewiesen, dass der die Sachentscheidungspflicht der belangten Behörde auslösende Antrag nach § 89 Abs. 4 SPG ohnehin allein und ohne demonstratives "insbesondere" auf § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG - und damit auf § 8 RLV - Bezug genommen hat.)
§ 8 RLV lautet wie folgt:
"Informationspflichten
§ 8. (1) Sofern das Gesetz einem Menschen ein Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes einräumt, haben ihn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Recht in Kenntnis zu setzen
1. bei Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen nach § 40 Abs. 4 SPG;
2. sobald abzusehen ist, dass die Amtshandlung länger als eine Stunde dauern wird.
(2) Ist der Betroffene nicht in der Lage, selbst eine Verständigung der Vertrauensperson oder des Rechtsbeistandes zu veranlassen, so ist er auch davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Verständigung durch die Behörde verlangen kann.
(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben einen Angehaltenen, der von einem von der Behörde beauftragten Arzt untersucht werden soll, davon in Kenntnis zu setzen, dass es ihm freisteht, zu dieser Untersuchung auf seine Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen, sofern dies ohne wesentliche Verzögerungen der Untersuchung bewirkt werden kann."
Die genannte Bestimmung normiert unzweifelhaft Belehrungspflichten. Die belangte Behörde versteht sie so, dass sie bloß diese umfasse, nicht jedoch auch die Pflicht, eine Verständigung zuzulassen bzw. subsidiär selbst vorzunehmen. In der Tat weisen die Überschrift und die unmittelbar in § 8 RLV getroffenen Anordnungen zunächst in diese Richtung. Des Näheren zeigt sich, dass Abs. 1 an ein gesetzlich eingeräumtes Recht auf Verständigung (oder Beiziehung) einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes anknüpft. Ein Recht auf Verständigung ist für den Bereich der Festnahme etwa in § 178 StPO - die dort normierte Belehrung über das Recht auf Verständigung setzt logischerweise die Existenz dieses Rechtes voraus (Auer, ÖJZ 1998, 341) -, in § 36 Abs. 3 VStG oder in § 47 Abs. 1 SPG normiert. Soweit in diesen Bestimmungen auch Belehrungspflichten vorgesehen sind, kommt es ausnahmsweise zu einer "Doppelgleisigkeit" zwischen darauf gegründeten subjektiv-öffentlichen Rechten einerseits und Verhaltenspflichten im Rahmen von Richtlinien andererseits.
Im konkreten Fall sind die Sicherheitsbeamten im Dienste der Strafjustiz eingeschritten. Maßgebliche Rechtsquelle für das Recht auf Verständigung ist daher § 178 StPO, welche Vorschrift seit ihrer Neufassung durch das Strafprozessänderungsgesetz 1993, BGBl. Nr. 526/1993, nähere Regeln darüber aufstellt, wie die Sicherheitsbehörden bei einer Festnahme nach § 177 leg. cit. vorzugehen haben. Ein subsidiärer Rückgriff auf § 36 Abs. 3 VStG (über Art. V EGVG; vgl. zur alten Rechtslage etwa Barazon, AnwBl. 1989, 302) kommt damit nicht mehr in Frage; die Auffassung, die letztgenannte Bestimmung gelte auch bei Festnahmen durch Verwaltungsbehörden im Dienste der Strafjustiz, kann daher - insofern verfehlt Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 7 (1999), Rz 70 - nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Da § 8 Abs. 1 RLV ein schon außerhalb der RLV bestehendes Recht auf Verständigung voraussetzt und nur dann eingreift, wenn ein solches Recht anderweitig gesetzlich angeordnet wird, ist die diesem Recht entsprechende Verpflichtung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, eine derartige Verständigung zuzulassen, nicht selbst Gegenstand der Richtlinie. Gleiches gilt zunächst für Abs. 2 der genannten Richtlinienbestimmung; auch dort wird das Recht auf Verständigung als solches vorausgesetzt und nicht eigenständig eingeräumt. Die daran anschließend vorgesehene spezifische Belehrungspflicht dahingehend, dass der Betroffene die Verständigung durch die Behörde verlangen kann, wenn er nicht in der Lage ist, selbst eine Verständigung zu veranlassen, setzt logisch jedoch weiter voraus, dass eine derartige Verständigung gegebenenfalls durch die Behörde zu erfolgen habe. Insoweit wird aber kein Rückgriff auf Rechtsvorschriften außerhalb der RLV vorgenommen; die behördliche Verpflichtung kann sich hier also nur aus der in § 8 Abs. 2 RLV implizit getroffenen Anordnung selbst ergeben, weshalb in diesem Umfang die Normierung einer entsprechenden Handlungspflicht der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Weg einer Richtlinie angenommen werden muss. Dem entspricht § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG, wonach in der RLV insbesondere vorzusehen ist, ... dass er (d.i. der Betroffene) deren (d.i. die Vertrauensperson oder der Rechtsbeistand) Verständigung verlangen kann. Schon diese gesetzliche Grundlage weist also darauf hin, dass die Verständigung durch die Behörde jedenfalls auch im Weg von Richtlinien angeordnet werden soll. Im Ergebnis beschränkt sich § 8 Abs. 2 RLV damit nicht bloß auf eine Belehrungspflicht. Diese Bestimmung umfasst vielmehr auch die logisch vorausgesetzte Verpflichtung der Behörde, allenfalls auf Verlangen des Betroffenen, wenn er hiezu selbst nicht in der Lage ist, eine derartige Verständigung vorzunehmen. Insoweit gleicht die genannte Regelung jener des Abs. 3, bei der das "In-Kenntnis-Setzen" über die Möglichkeit der "freien Arztwahl" ebenfalls die Verpflichtung der Behörde, eine solche gegebenenfalls einzuräumen, impliziert.
Für den vorliegenden Fall, in dem die Erfüllung der Belehrungspflichten nicht strittig ist, heißt das, dass zwar das an den Beschwerdeführer gerichtete Verbot, selbst die Verständigung seiner Lebensgefährtin vorzunehmen, keine Richtlinienverletzung begründen konnte; insoweit trifft die von der belangten Behörde vertretene Ansicht zu. Wenn aber einem hilfsweisen Ansinnen des Beschwerdeführers, es möge zumindest die Behörde diese Verständigung vornehmen, nicht entsprochen worden sein sollte - zu der diesbezüglichen Behauptung in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde enthält der angefochtene Bescheid allerdings keine ausdrückliche Feststellung -, so wäre das hingegen auch vor dem Hintergrund einer möglichen Verletzung der in § 8 Abs. 2 RLV als Richtlinie konstituierten subsidiären Verständigungspflicht der Behörde zu prüfen, wobei nach den zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde zur Verletzung des Verständigungsrechtes im Rahmen der Behandlung der "Maßnahmenbeschwerde" kein Zweifel daran bestehen kann, dass eine solche Verletzung, träfen die Behauptungen des Beschwerdeführers zu, auch tatsächlich vorlag. Im Ergebnis war der Bescheid der belangten Behörde daher im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010429.X00Im RIS seit
05.04.2001