Entscheidungsdatum
20.10.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W121 2125329-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX, Außenstelle XXXX, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am selben Tag brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er am XXXX geboren sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre, Schiit sei und Dari spreche. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er im Wesentlichen an, dass er seit seinem zweiten Lebensjahr in Pakistan gelebt hätte. Da er zur Volksgruppe der Hazara gehöre und Schiit sei, sei er in Pakistan ständig in Lebensgefahr gewesen. Die Schiiten würden von einer Gruppe namens "Lashkare Jangwi" bekämpft und getötet. Aus Angst um sein Leben sei er aus Pakistan geflüchtet.
Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Hierbei schilderte der Beschwerdeführer in Bezug auf Afghanistan, dass seine Familie geflüchtet sei, da es zwischen seinem Vater und seinem Großonkel oft Streit gegeben hätte. Dies deshalb, weil sein Vater Mitglied der einen Partei, sein Großonkel aber einer anderen rivalisierenden Partei gewesen sei. Die Leute seines Großonkels hätten auch seinen Onkel getötet. Die Familie des Beschwerdeführers hätte auch Grundstücke in Afghanistan, die ihnen sein Großonkel weggenommen hätte.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die mit der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften sowie mangelhaftem Ermittlungsverfahren begründet wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsberaters neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde ordnungsgemäß zu dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil.
Diese gestaltete sich in den wesentlichen Teilen wie folgt (RI =
erkennende Richterin, BF = Beschwerdeführer, RB = Rechtsberater):
"( )
RI: Warum sind Sie aus Afghanistan geflüchtet?
BF: Als ich XXXX Jahre alt war, gab es einen Krieg zwischen den verschiedenen Parteien. Mein Vater war in einer Partei und die Onkel meines Vaters waren Mitglieder einer anderen Partei. In diesen kriegerischen Auseinandersetzungen haben die Onkel meines Vaters den Bruder meines Vaters umgebracht. Die Leute, die mit meinem Vater in einer Partei waren, sind nach diesem Vorfall geflüchtet, aber ich weiß nicht wohin. Mein Vater flüchtete nach Pakistan und wurde in XXXX sesshaft. Meine Familie und ich lebten dort bis ich Pakistan verlassen habe und nach Österreich kam. Meine Familie lebt noch immer in XXXX in Pakistan. Ich habe in Pakistan ein Fotogeschäft gehabt. In der Gegend, wo ich mein Fotogeschäft hatte, ist ein Selbstmordattentäter gekommen, er wollte sich in die Luft sprengen und ich und noch ein paar Leute, waren dort und wir haben auf ihn Steine geworfen und hinter mir war ein unbekannter Mann, den ich nicht gekannt hatte und hat den Selbstmordattentäter mit seiner Pistole erschossen und der Selbstmordattentäter kam ums Leben. Dieses Ereignis war ca. um 4 Uhr Nachmittag. Dann ist die Polizei gekommen. Sie haben diese Gegend eingekreist und ich bin nach Hause gelaufen/geflüchtet. Dort ist eine Gruppe, diese Gegend nennt man Marikaloni und dort gibt es eine Brücke, dort leben Paschtunen und Belutschen und auf der anderen Seite leben die Hazara. Der Selbstmordattentäter war gekommen, um die Hazara mit diesem Selbstmordattentat zu terrorisieren. Die Freunde des Selbstmordattentäters haben bekanntgegeben, dass sie jene Leute, die an den Tod ihres Freundes beteiligt waren, physisch "vernichten". Einer von denen war ich und dass ich in der "Liste" der Freunde des Selbstmordattentäters registriert war. Das war an einem Freitag, ich wollte wieder zu meinem Geschäft gehen, unterwegs haben die Freunde des Selbstmordattentäters mich festgenommen und auch verprügelt. Dort war ein Checkpoint der Polizei, als sie diesen Vorfall gesehen haben, ist die Polizei zu uns gekommen, sie haben mich gerettet. Diese Leute sind geflüchtet und die Polizei ist denen nachgelaufen. Ich bin mit dem Rad zu einer anderen Gegend namens Mariabad gefahren, wo hauptsächlich die Hazara leben. Von dort habe ich meinen Vater angerufen und ich habe gesagt, dass unterwegs eine Gruppe von Männern mich überfallen hat und sie mich umbringen wollten. Mein Vater hat mir gesagt: "Du darfst nicht mehr zu deinem Geschäft gehen, bleib dort, ich rufe einen Freund an, der wird dich nach Hause bringen." Der Freund meines Vaters hat mich von XXXX nach XXXX gebracht. Dieses Gebiet, in der wir gewohnt haben, war von Paschtunen und Belutschen eingekreist. Von dieser Gegend konnte ich nicht weggehen, weil ich Angst gehabt habe, dass die Freunde des Selbstmordattentäters mich umbringen. Ich konnte das Haus nicht verlassen, aber neben unserem Haus hat mein Bruder ein Schneidereigeschäft gehabt, ich habe dann mit ihm zwei Jahre gearbeitet. Ich konnte diese Gegend überhaupt nicht verlassen und mein Vater hat mich dann mit der Tochter einer seiner Bekannten verehelichen lassen. Ich habe dann mit meinem Vater gesprochen, dass ich dort nicht mehr leben kann, weil die Freunde des Selbstmordattentäters mich umbringen, wenn sie mich erwischen. Mein Vater hat einen Schlepper für mich gefunden, der Schlepper hat mich in den Iran gebracht. Dieser Selbstmordattentäter und seine Freunde waren die Mitglieder von der islamischen Laschkari Dschangawi (das sind Jihadisten). Sie sind auch in Afghanistan aktiv und auch in Pakistan.
RI: Alles, was sich da mit dem Selbstmordattentäter abgespielt hat, war in XXXX?
BF: Ja, dieser Vorfall war in Pakistan in XXXX.
RI: Sie sind mit zwei Jahren von Afghanistan nach Pakistan gezogen?
BF: Ja.
RI: Sie haben im erstinstanzlichen Verfahren gesagt, dass es in Afghanistan Grundstückstreitigkeiten unter den Verwandten gegeben hat und dann haben Sie gesagt, dass Ihre Verwandten unterschiedlichen Parteien angehört hätten. Klären Sie bitte diesen Widerspruch auf.
BF: Mein Vater hat seinen Onkel in Afghanistan angerufen und hatte ihm gesagt, dass er die Absicht hat, nach Afghanistan zurückzukommen. Der Onkel hat ihm gesagt, dass er, wenn er wieder kommt, seine Grundstücke nicht wiederbekommen wird und darüber hinaus, werden sie sich für die Tötung der Verwandten und Parteimitglieder an ihm rächen, sie werden ihn umbringen. In unserer Familie gehörte einer Strömung der "Islamischen Einheitspartei" (Anmerkung des D: Hizb-e-Wahdaat) an, der andere Teil einer anderen Strömung derselben Partei.
RB an BF: Warum meinen Sie, dass die XXXX Ihnen auch in Afghanistan Probleme machen würden?
BF: Ich weiß nicht die gesamte Struktur der Taliban, aber diese Organisation ist auch eine Gruppe der Taliban und sie sind auch in Belutschistan aktiv. Auch die Hazara, die von Pakistan nach Afghanistan pendeln, Belutschistan, werden sehr häufig von den Mitgliedern der XXXX festgenommen und sogar auch hingerichtet. Sie nehmen vor allem die Hazara fest und bringen sie um.
RB an BF: Würden Sie für den Tod Ihres XXXX persönlich belangt werden?
BF: Nach dieser bewaffneten Auseinandersetzung ist die gesamte Familie nach Pakistan geflüchtet. In Pakistan sind die Mitglieder der Laschkari Dschangawi gegen mich, weil sie mich bei dem Selbstmordattentat persönlich gesehen haben.
RB an BF: Was würde der Konflikt in Afghanistan für Sie bedeuten, hätten Sie XXXX ein Problem XXXX?
BF: Wenn ich zurück nach Afghanistan gehe, habe ich mit den Onkeln meines Vaters Probleme und die Mitglieder von Laschkari Dschangawi werden mich in Afghanistan und in Pakistan mich ausfindig machen und mich umbringen.
RI befragt den/die BF hinsichtlich dessen/deren Namen, Geburtsdatum und ihren Geburtsort, Familienstand. Im Falle einer Eheschließung wird der BF aufgefordert bekannt zu geben, ob es eine zivilrechtliche und/oder rituelle Eheschließung bzw. die wievielte Eheschließung es war.
BF: Ich heiße XXXX, geb. XXXX, Geburtsort Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz XXXX, Afghanistan, ich bin verheiratet, meine Frau ist in XXXX, ich habe XXXX Kinder.
RI: Haben Sie im Herkunftsstaat noch nahe Verwandte wie Eltern, Schwiegereltern Geschwister, etc.?
BF: Die näheren Verwandten sind die Onkel meines Vaters, aber mein eigener Onkel ist bei dieser bewaffneten Auseinandersetzung ums Leben gekommen. Ich weiß nicht, wie viele Onkeln es sind, als ich meinem Vater danach fragte, sagte er verärgert, dass ich nicht so eine Frage stellen soll, das seien "keine Menschen", wenn "du dort hingehst, werden sie dich umbringen". Es könnten fünf oder sechs Onkel meines Vaters dort leben. Es kann sein, das manche gestorben sind, sie waren schon alt. Ich habe keine Cousins, Cousinen und auch keine Tanten. Ich habe nur den einzigen Onkel gehabt, der ist in dieser Auseinandersetzung umgekommen, er war nicht verheiratet, er war jünger als mein Vater.
( )"
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und wurde am XXXX geboren. Er stammt aus der Provinz Ghazni, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, spricht die Sprache Dari und ist verheiratet. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Er verließ Afghanistan, weil es zu Übergriffen von Seiten seines XXXX und dessen Parteianhängern auf seine eigene Familie wegen verschiedener politischer Ansichten und wegen eines Grundstücksstreits gekommen ist. Sein XXXX wurde von eben jenem Großonkel und der rivalisierenden Partei getötet. Ihr Grundstück eignete sich der besagte Großonkel an. Der Beschwerdeführer läuft Gefahr als Familienangehöriger seines Vaters von seinem Großonkel und dessen Parteimitgliedern getötet zu werden. Von einer hinreichenden Schutzgewährung seitens der zuständigen afghanischen Behörden kann nicht ausgegangen werden. In Afghanistan ist daher von einer individuellen (drohenden) Verfolgungssituation des Beschwerdeführers auszugehen.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Zu Afghanistan:
Neuste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q3.2017
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab – auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).
Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).
Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).
Sicherheitsrelevante Vorfälle
In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs – improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen – nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).
Zivilist/innen
Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).
Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer – speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017).
High-profile Angriffe:
Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).
Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:
Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.- 5. August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).
Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).
"Green Zone" in Kabul
Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).
Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound – auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).
Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul – dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).
Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll – in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).
ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army – ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police – ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).
Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).
Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen: Taliban
Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban – im Gegensatz zum Jahr 2016 – keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt – nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL- KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).
Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP- Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).
Politische Entwicklungen
Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten – dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).
Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).
Quellen:
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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017
-
BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017
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INSO – International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017
-
INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):
Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017
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NYT – The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-greenzone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017
-
NYT – The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,
https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosquekabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017
-
Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike:
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U.S. military,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamicstate-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017
-
Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightenedafter-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017
-
SIGAR – Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES
CONGRESS,
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https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017
-
SIGAR – Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017
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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistanwar-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017
-
Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,
http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017
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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_con flict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017
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UN GASC – General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-
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afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017
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WT – The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,
http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isisafghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017
KI vom 22.06.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2017
Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:
improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).
Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).
ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte
Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).
Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).
High-profile Angriffe:
Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).
Hauptstadt Kabul
Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:
al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).
Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).
Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).
Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).
Herat
Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani – stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes – verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).
Mazar-e Sharif
Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).
Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).
Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).
Taliban
Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).
Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:
BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).
Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).
Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).
Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:
sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).
Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:
NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).
Quellen:
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al-Jazeera (11.6.2017): US troops killed in 'insider attack' in Nangarhar,
http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017
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al-Jazeera (31.5.2017): Kabul bombing: Huge explosion rocks diplomatic district,
http://www.aljazeera.com/news/2017/05/huge-blast-rocks-kabul-diplomatic-area-170531040318591.html, Zugriff 20.6.2017
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BBC (10.6.2017): Afghanistan: US soldiers 'killed by commando' in Achin district, http://www.bbc.com/news/world-asia-40232491, Zugriff 21.6.2017
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BBC (31.5.2017): Kabul bomb: Diplomatic zone attack kills dozens, http://www.bbc.com/news/world-asia-40102903, Zugriff 20.6.2017
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Dawn (16.7.2017): IS captures Tora Bora, Bin Laden’s former hideout, https://www.dawn.com/news/1339807, Zugriff 21.6.2017
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Dawn (7.5.2017): IS chief in Afghanistan killed, claims President Ashraf Ghani, https://www.dawn.com/news/1331700, Zugriff 8.5.2017
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DW – Deutsche Welle (31.5.2017): Afghanistan: "Sicherheitslage hat sich verschlechtert",
http://www.dw.com/de/afghanistan-sicherheitslage-hat-sich-verschlechtert/a-39058179, Zugriff 20.6.2017
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DZ – Die Zeit (14.6.2017): IS erobert strategisch wichtige Stellung von Taliban,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-islamischer-staat-kaempfe-taliban, Zugriff 21.6.2017
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DZ – Die Zeit (11.6.2017): Taliban-Kämpfer infiltriert Armee und tötet US-Soldaten,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/afghanistan-taliban-insider-attacke-soldaten-usa-tote, Zugriff 21.6.2017
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Fars News (7.6.2017): Kabul Blast Death Toll Rises to 150 as Deadly Attacks Continue,
http://en.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13960317001159, Zugriff 21.6.2017
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FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.6.2017): Zahl der Todesopfer steigt auf über 150, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-zahl-der-opfer-in-kabul-steigt-auf-ueber-150-15048658.html, Zugriff 20.6.2017
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FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.6.2017): Viele Tote bei Explosion auf Trauerfeier,