TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/20 W102 2138931-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2017
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Entscheidungsdatum

20.10.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W102 2138931-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 12.05.2017 sowie am 22.09.2017, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in die Republik Österreich eingereist und hat 26.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinem Fluchtgrund an, er habe sein Land verlassen, da sein Vater bis vor circa zwei Jahren in seinem Heimatdorf als Lehrer gearbeitet habe. Seit circa zwei Jahren sei er vermisst. Er habe auch keinen Kontakt mit ihm. Da sein Vater Lehrer gewesen sei, habe der Beschwerdeführer nicht gefahrlos nach Kabul reisen können. Seine Mutter habe beschlossen, dass er Afghanistan verlassen solle. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban.

Der Beschwerdeführer wurde am 24.08.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dort gab er eingangs an, dass er in Afghanistan im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni geboren sei. Innerhalb seines achtmonatigen Aufenthalts in Österreich habe er zweimal mit seiner Familie in Afghanistan Kontakt gehabt. Seine Familie lebe noch im Heimatdorf. Dort gebe es circa 200 Häuser. Er sei in Afghanistan zur Schule gegangen und habe im Haushalt sowie bei Feldarbeiten mitgeholfen. Er habe keine persönlichen Einkünfte gehabt. Seine Familie habe mit den Familieneinkünften gut leben können. In seinem Heimatdorf würde noch sein Onkel väterlicherseits sowie seine Tante mütterlicherseits leben. Seine Großeltern mütterlicherseits würden in einem Dorf eine Stunde zu Fuß entfernt von seinem Heimatdorf leben. Der Beschwerdeführer wolle, sobald er seine Dokumente bekomme arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. Er habe einen Deutschkurs besucht, derzeit seien Ferien. Er sei der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Er sei gläubiger Muslim. Derzeit habe er nicht vor zu einer anderen Religion zu konvertieren. Er lerne und schaue gerade, welche Religion er in Zukunft anwenden wolle und für gut befinde. Der Beschwerdeführer habe bis zur elften Klasse die Schule besucht. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater im Heimatdorf Lehrer gewesen sei. Sein Vater sei von den Taliban zweimal mittels Brief bedroht worden, er habe den Unterricht aufgeben sollen. Die Taliban hätten Spione im Heimatdorf. Diese würden Informationen über die Dorfbewohner sammeln und an die "Anführer" weiterleiten. Als sein Vater nach Kabul habe reisen wollen, um sich medizinisch behandeln zu lassen, sei er unterwegs dorthin verschwunden. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, dass er der "Nächste" sei. Eine Nacht später sei ihr Nachbarhaus von den Taliban attackiert worden. Der Beschwerdeführer habe gehört, dass die Taliban seinen Namen gerufen hätten. Die Taliban hätten sich im Haus geirrt. Er sei in dieser Nacht von zuhause weggelaufen und habe bei seinen Großeltern Unterschlupf gefunden. Dort habe er entschieden sein Dorf zu verlassen. Er habe niemals persönlichen Kontakt zu den Taliban gehabt und die Personen welche ihn gesucht hätten, habe er auch nicht gekannt. Weitere Kontakte zu den Taliban habe es nicht gegeben. Er selbst habe den Beschluss gefasst Afghanistan zu verlassen. Darauf angesprochen, dass er in der Erstbefragung angeben habe, dass seine Mutter ihm nahegelegt habe, Afghanistan zu verlassen, gab der Beschwerdeführer an, dass er entschieden habe Afghanistan zu verlassen und dies mit seiner Mutter besprochen habe. Der Beschwerdeführer führte weiter aus, dass in dem Drohbrief, welcher gegen seinen Vater gerichtet gewesen sei, gestanden sei, dass die Taliban seine Familie töten würden. Er habe den Drohbrief persönlich gesehen. Nach dem Inhalt des Briefes befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er den Brief nicht persönlich gelesen habe. Sein Vater habe ihm davon erzählt. Sein Vater sei ins Visier der Taliban geraten, da er außer dem "normalen" Unterricht, auch noch Weiterbildung in Bezug auf Gleichberechtigung gegeben habe. Dies hätten die Taliban nicht gewollt. In den Drohbriefen sei gestanden, dass der Beschwerdeführer auch bedroht würde. Dies habe er durch Gespräche mit seinem Vater erfahren. Bezüglich des Vorfalls mit dem Nachbarhaus, gab der Beschwerdeführer an, dass die Spione die richtige Adresse weiter gegeben hätten und die Taliban sich im Haus geirrt hätten. Darauf angesprochen woher der Beschwerdeführer wisse, dass die Spione die richtige Adresse weitergegeben hätten, führte dieser aus, dass er nur von den Dorfbewohnern gehört habe, dass die Spione in ihrem Dorf leben würden. Die Drohbriefe hätten sich gegen die gesamte Familie gerichtet. Es seien alle Namen der Familienmitglieder in diesen Briefen gestanden. Darauf angesprochen, wie es für die restliche Familie möglich sei weiterhin im Heimatdorf zu leben und für ihn nicht, gab der Beschwerdeführer an, dass er der "Nachfolger" der Familie sei. Seine Familie sei in eine andere "Ecke" des Dorfes gezogen. Er wisse nicht, wie lange die Taliban schon in "ihrem Gebiet" seien. Sein Vater sei vor drei Jahren verschwunden. Er habe den Vorfall nicht angezeigt. Es gebe in ihrem Heimatdorf zwar Polizei, diese sei aber machtlos. Er habe nirgendwo anders in Afghanistan leben können. Er habe alles in seinem Dorf. Er habe in Kabul nichts. In Österreich habe er keine Sorgen. In Österreich wolle er selbst arbeiten und Geld verdienen. In seiner Freizeit gehe er samstags mit einer Gruppe Österreicher wandern und schaue deutsche Filme.

Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme Unterlagen zur Integration und zwar eine Bestätigung Deutschkurs für Anfänger an der WHS, ein Referenzschreiben, Teilnahmebestätigung an Projekttagen des BORG- XXXX und einer Teilnahmebestätigung der "Zeugen Jehovas" vor.

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei und solche auch nicht zu erwarten habe. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer die in Afghanistan übliche Landessprache beherrsche und die kulturellen Werte kenne. Er sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mensch, weshalb davon auszugehen sei, dass er in der Lage sein werde, sofern erforderlich unter Inanspruchnahme der Hilfe seiner Familie, in Kabul seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Bundesamt gelangte damit zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vorliegen würden. In Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass aus dem Privatleben des Beschwerdeführers keine objektiven Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstehen würden. Es werde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.

Mit Verfahrensanordnung vom 17.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und der Bescheid wegen Rechtwidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensanschriften angefochten. Der Beschwerdeführer halte sein Vorbringen aufrecht und es ergebe sich daraus ein Fluchtgrund. Der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren so gut wie möglich nachgekommen, die belangte Behörde habe es jedoch verabsäumt, den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen sachgerecht auseinanderzusetzten und diesbezüglich ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen. Der angefochtene Bescheid leide daher an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.11.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Nach Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache am 15.12.2016 neu zugewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.05.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen vor, dass er begonnen habe in eine katholische Kirche zu gehen. Er sei in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen. Bis zu seiner Ausreise habe er immer nur im Heimatdorf gelebt. Er sei elf Jahre in die Schule gegangen und habe nebenbei in der Landwirtschaft ausgeholfen. Er sei in keinen anderen Provinzen gewesen und habe auch in keinem anderen Land gelebt. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass er Afghanistan verlassen habe, da er sich dort nicht sicher gefühlt habe. Er habe sich aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage gefährdet gefühlt. Er sei zwar in die Schule gegangen, aber es seien keine Lehrer zum Unterricht erschienen. Es habe immer die Gefahr bestanden, dass die Schulen von den Regierungsgegnern geschlossen würden. Die medizinische Versorgung in der Heimatregion des Beschwerdeführers sei extrem schlecht. Die Bevölkerung habe mit massiven Herausforderungen und Problemen zu kämpfen. Der Beschwerdeführer sei ebenfalls von all diesen Schwierigkeiten betroffen gewesen. Die Gefährdung sei wegen Problemen in der Schule entstanden. Der Vater des Beschwerdeführers sei Lehrer gewesen. Er sei mehrmals aufgefordert worden mit seiner Arbeit als Lehrer aufzuhören. Er habe drei Drohbriefe erhalten. Die Regierungsgegner hätten nicht gewollt, dass der Vater des Beschwerdeführers in der Schule unterrichte. Der Vater des Beschwerdeführers habe jedoch nicht gehorcht und seine Arbeit fortgesetzt. Es sei gedroht worden, dass seine ganze Familie vernichtet werden würden, falls er nicht auf die Drohungen höre. Eines Tages sei der Vater des Beschwerdeführers krank geworden. Er habe nach Kabul fahren wollen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Auf dem Weg dorthin sei er verschwunden. Nachdem der Beschwerdeführer gewusst habe, dass "diese Leute" ihre ganze Familie bedroht hätten und ihm der Inhalt der Briefe bekannt gewesen sei, habe er sich dort nicht mehr sicher gefühlt. Er habe die Briefe nicht selbst gelesen. Sein Vater habe mit ihm über die Briefe gesprochen. Die Großeltern mütterlicherseits des Beschwerdeführers würden im Heimatdistrikt leben. Sein Vater sei nach wie vor verschollen. Seine Mutter lebe mit seinen beiden Brüdern im Heimatdorf. Ein Onkel väterlicherseits lebe in Ägypten. Eine Tante mütterlicherseits lebe im Heimatdorf, ein Onkel mütterlicherseits lebe im Iran. Außerhalb seiner Heimatprovinz Ghazni habe er keine Verwandten. Seit seiner Einvernahme vor dem Bundesamt habe er keinen Kontakt mit seiner Familie. Er habe sein Mobiltelefon neu aufgesetzt und dadurch alle Kontaktnummern verloren. Zu seiner Situation in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Österreich sowohl männliche als auch weibliche Freunde habe. Er sei auch in der Schule mit seinen Mitschülern gut befreundet. Auf sein Vorbringen bezüglich der Taufvorbereitung angesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nun seit circa vier Monaten in die katholische Kirche gehe. Er werde sowohl vom Pfarrer der Kirche, als auch von einem Nachbarn unterrichtet und auf die Taufe vorbereitet. Sobald er gut vorbereitet sei, werde ihm der Pfarrer den richtigen Zeitpunkt für die Taufe bekanntgeben. In Afghanistan werde man schon verfolgt, wenn man als Muslim einmal das Gebet nicht verrichte. Man werde in Afghanistan mit dem Tod bestraft, wenn man sich vom islamischen Glauben abwende. Er sei selbst in Österreich mit seinen Mitbewohnern, welche Muslime seien, sehr vorsichtig und wolle nicht, dass diese von seiner Konversion erfahren, da er wisse, dass diese dies nicht akzeptieren würden.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.09.2017 eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. In der Verhandlung wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch der Pfarrer der Gemeinde, in welcher der Beschwerdeführer den Taufunterricht besucht, befragt. Der Beschwerdeführer führte aus, dass jeder das Recht der freien Religionswahl habe. Er habe einer anderen Religion angehört, mittlerweile habe er eine neue Religion angenommen. Der Unterscheid zwischen diesen beiden Religionen sei wie Himmel und Erde. Seine frühere Religion sei mit vielen Zwängen und Gewalt verbunden gewesen. Man habe die Religion aus Angst befolgen müssen. Seine neue Religion hingegen sei erfüllt von Liebe und Verständnis. Er habe bereits am ersten Tag, als er nach Österreich gekommen sei, gesagt, dass er sich mit dem christlichen Glauben auseinandersetze und sich informieren und dann für die richtige Religion entscheiden wolle. Der Kontakt zur katholischen Kirche sei über seine österreichischen Nachbarn hergestellt worden. Sein Nachbar habe den Kontakt zu dem Pfarrer hergestellt, da ihm der Beschwerdeführer gesagt habe, dass er sich über den christlichen Glauben informieren wolle. Als er sich mit dem Pfarrer getroffen habe, habe ihm dieser sehr viele Fragen gestellt. Das Besondere am Christentum im Vergleich zum Islam sei die Freiheit. Der Islam verbinde mit jeder Tat, die nicht richtig sei, eine Strafe. Deshalb sei man verängstigt und würde viele Sachen nicht tun. Im Christentum werde nicht vorgeschrieben, dass man andere töten solle. Seine frühere Religion habe dies erlaubt. Im Christentum werde hingegen gesagt, dass man den Nächsten lieben solle. Derzeit treffe sich der Beschwerdeführer einmal die Woche mit einer österreichischen Dame, mit welcher er gemeinsam die Bibel lese. Der Pfarrer der Gemeinde, in welcher der Beschwerdeführer den Taufunterricht besuche, führte im Wesentlichen aus, dass er von einem Lehrer auf den Beschwerdeführer aufmerksam gemacht worden sei. Dieser habe den Beschwerdeführer als äußerst bemerkenswerten jungen Mann eingeschätzt und gesagt, dass sich der Beschwerdeführer sehr für unseren Glauben interessiere und das Neue Testament schon sehr gut kenne. Der Beschwerdeführer wisse viel Inhaltliches über das Leben Jesus. Den Pfarrer habe fasziniert, dass der Beschwerdeführer bereits bei ihrem ersten Treffen über Inhalte, wie etwa zur Bedeutung von Erlösung, Bescheid gewusst habe. Dies würden manche Katholiken, welche vielleicht jeden Sonntag in die Kirche gehen würden, nicht so beantworten können, wie der Beschwerdeführer. Im Sommer hätten sie mit der Taufvorbereitung begonnen. Der Pfarrer habe zuerst eine Katechetin finden müssen. Die Taufvorbereitung laufe circa seit Juli. Es würden auch noch zwei weitere Kandidaten, welche sehr häufig in der Messe gewesen seien und Interesse bekundet hätten, mehr über den christlichen Glauben zu wissen wollen, teilnehmen. Der Beschwerdeführer nehme eine Sonderstellung in der Gruppe ein. Die beiden anderen würden Freunde sein. Der Beschwerdeführer habe bei einem ersten Termin mit allen gemeinsam geäußert, dass er sich nicht vorstellen könne, mit diesen beiden gemeinsam die Taufvorbereitung zu machen. Er habe später erfahren, dass der Beschwerdeführer große Angst habe. Der Beschwerdeführer sei sich nicht sicher, ob diese beiden nicht so etwas wie "Spitzel" sein könnten und nach Afghanistan entsprechende Meldungen abgeben könnten, welche dem Beschwerdeführer, sollte dieser zurückgeschickt werden, das Leben kosten würden. Die Katechetin bescheinige allen dreien ein großes Interesse am Christentum. Sie hätten wöchentlich einmal abends eine Sitzung miteinander. Daraufhin angesprochen, wie weit die Konversion des Beschwerdeführers fortgeschritten sei, antwortete der Pfarrer, dass für die Taufe noch viel fehle, der Beschwerdeführer sei aber auf einem guten Weg. Das Wissen, welches er für die Taufe brauchen würde, habe er etwa im Ausmaß von zehn bis zwanzig Prozent erworben. Der frühestmögliche Termin für die Taufe sei Ostern 2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu dem Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und hat am 26.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer wohnte vor seiner nunmehrigen Ausreise aus Afghanistan in der Provinz Ghazni. Der Beschwerdeführer hat elf Jahre die Schule besucht und verfügt über Berufserfahrung im landwirtschaftlichen Bereich. Er hat Verwandte, insbesondere seine Mutter und seine Geschwister in der Heimatprovinz.

In Afghanistan gehörte er der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. In Österreich ist der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben übergetreten und bekennt sich auch offen dazu.

Der Beschwerdeführer wäre in Afghanistan, aufgrund seiner Religion, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt, da die Konversion zum Christentum in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit sowie als Verbrechen gegen den Islam gesehen wird und sogar mit dem Tod bestraft werden könnte.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 letzte Aktualisierung am 25.09.2017):

Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

Christen und Konversionen zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen (AA 2.3.2015; vgl. auch: USDOS.10.8.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.8.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.8.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.8.2016). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 8.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 8.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die auch der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Weder der Beschwerdeführer noch sein Vertreter sind den Länderberichten inhaltlich entgegen getreten.

Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung zum Christentum, konkret zur römisch-katholischen Kirche, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie die Einvernahme des Pfarrers, der Gemeinde in welcher die Taufvorbereitung des Beschwerdeführers vorgenommen wird, als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2017. Der Beschwerdeführer hat in den mündlichen Verhandlungen glaubhaft dargelegt, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum, konkret der römisch-katholischen Kirche, zugewandt hat. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet hat. Gestützt werden die Angaben des Beschwerdeführers durch die Zeugenaussage des Pfarrers.

Die Feststellungen zur Abwendung des Beschwerdeführers vom Islam und seiner Zuwendung zum Christentum ergeben sich aus seinen Angaben in den Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Hinsichtlich seiner Angaben in den Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vermag im Besonderen seine innere Motivation zum Glaubensübertritt zu überzeugen. Auch verfügt der Beschwerdeführer über die entsprechenden Grundkenntnisse, was seinen Glaubensübertritt in persönlicher Hinsicht überzeugend erscheinen lässt.

Überdies finden die Angaben des Beschwerdeführers zur Konversion ihre Deckung in jenen des glaubwürdigen Zeugen. So führte der Zeuge beispielsweise aus, dass er fasziniert gewesen sei, dass der Beschwerdeführer bereits bei dem ersten oder zweiten Treffen über Inhalte wie "was ist Erlösung" Bescheid gewusst habe. Der Pfarrer führte weiters aus, dass dies so mancher Katholik, welcher vielleichten jeden Sonntag in die Kirche gehe, nicht so beantworten könne, wie es der Beschwerdeführer konnte. Der Zeuge gab auch glaubhaft an, dass dem Beschwerdeführer auch durch die Frau, welche die Taufvorbereitung durchführe, ein großes Interesse bescheinigt werde. Der frühestmögliche Termin für die Taufe des Beschwerdeführers sei Ostern 2018. Die Vorbereitung auf die Taufe würde mindestens ein Jahr dauern, dies sei mit dem österreichischen Staat und der Bischofskonferenz so vereinbart.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 100/2005; AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

§ 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Wie oben gezeigt, ist es dem Beschwerdeführer gelungen, glaubhaft zu machen, dass er in ganz Afghanistan wegen seiner Religion von Verfolgung bedroht ist.

Er ist zum Christentum übergetreten. Wie den Länderfeststellungen, welche das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde legt, zu entnehmen ist, wird in Afghanistan Konversion als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tode bestraft werden könnte, sofern die Konversion nicht widerrufen wird. Aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Tod bekennen sich Christen nicht öffentlich zu ihrem Glauben. Gefahr droht Konvertiten oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Die gesellschaftliche Einstellung zu konvertierten Christen ist weitgehend feindlich geprägt und die kleine christliche Gemeinde bleibt im Untergrund. Somit wäre auch der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ganz Afghanistan aufgrund seiner Konversion zum Christentum von Verfolgung bedroht.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Der Beschwerdeführer konnte glaubhaft darlegen, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und Entscheidung vom Islam abgewandt und dem Christentum zugewandt hat. Es sind auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass seine Konversion zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre.

Anhaltspunkte für das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestehen – aufgrund des gültigen islamischen Rechts und der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Intoleranz Konvertiten gegenüber – nicht.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W102.2138931.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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