TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/7 99/01/0116

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Veröffentlicht am 07.09.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des HA in W, vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal Rechtsanwälte KEG, 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1999, Zl. UVS-06/42/00733/98, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Auftaumittelverordnung 1982 (weitere Partei: Bundeshauptstadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 28. August 1998 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der Hausbetreuung Attensam Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, dass von einem Mitarbeiter dieser Gesellschaft am 26. Februar 1996 in Wien 19, Peter-Jordan-Straße Nr. 98, am Gehsteig dieser von ihr betreuten Liegenschaft, Salz gestreut worden ist, obwohl im Raum Wien zum Tatzeitpunkt das Salzstreuverbot nicht aufgehoben war. Dadurch habe er § 1 der Auftaumittelverordnung 1982 (Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Einschränkung der Verwendung von bestimmten Auftaumitteln zur Vermeidung beziehungsweise Bekämpfung von Eis- und Schneeglätte, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 47/1982) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 108 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung iVm § 9 VStG eine Geldstrafe von S 800,--, im NEF 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt werde.

Über die dagegen erhobene Berufung entschied der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 13. Jänner 1999 wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass anstelle des Ausdruckes 'am 26.2.1996' der Ausdruck 'an einem Tag, an welchem im Raum Wien das Salzstreuverbot nicht aufgehoben war', anstelle des Ausdruckes 'Salz gestreut' der Ausdruck 'halogenidhaltiges Salz gestreut' und anstelle des Ausdruckes 'obwohl im Raum Wien zum Tatzeitpunkt das Salzstreuverbot nicht aufgehoben war' der Ausdruck', sodass am 28.2.1996 am obgenannten Gehsteig ein halogenidhaltiges Salz gelegen hatte' zu treten haben.

Als Übertretungsnorm ist § 1 der Auftaumittelverordnung 1982, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 47/1982 i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG anzusehen.

Als Strafsanktionsnorm ist § 108 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung, i.V.m. § 5 Auftaumittelverordnung anzusehen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Abs. 4 des § 66 AVG besagt, dass die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Sache des Berufungsverfahrens ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I 2 (1998), zu § 66 AVG sub. E 115. zitierte hg. Judikatur). Dies hat insbesondere auch für die von der Erstbehörde spruchmäßig bezeichnete Tatzeit zu gelten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0111).

Im vorliegenden Fall hatte die erstinstanzliche Behörde den 26. Februar 1996 als Tatzeitpunkt angenommen. Die belangte Behörde ersetzte in ihrem angefochtenen Bescheid dieses Datum durch die Wendung "an einem Tag, an welchem im Raum Wien das Salzstreuverbot nicht aufgehoben war". Damit hat sie keineswegs bloß eine zulässige Modifikation des erstinstanzlichen Spruches vorgenommen, sondern vielmehr in unzulässiger Weise die Sache des Berufungsverfahrens ausgewechselt und allein schon deshalb ihren Spruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. abermals das zuvor genannte hg. Erkenntnis). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf die in der Beschwerde relevierte Frage, ob durch die Fassung des Spruches (auch) § 44a Z. 1 VStG verletzt wurde, eingegangen werden musste.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. September 2000

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010116.X00

Im RIS seit

22.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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