TE Vwgh Beschluss 2000/9/7 96/01/0643

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Veröffentlicht am 07.09.2000
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Index

L10015 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
GdO Slbg 1994 §88;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Gemeinde S, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen die mit 28. Mai 1996 datierte Erledigung der Salzburger Landesregierung, Zl. 11/01-1512/34-1996, betreffend aufsichtsbehördliche Kurzeinschau, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Im vorgelegten Verwaltungsakt erliegt als OZl. 1 eine undatierte, weder paraphierte noch gefertigte Aufstellung über die Entwicklung der Finanzlage der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm sowie über die Tätigkeit der Gemeindeaufsicht. Auf Seite 3 dieser Aufstellung wird ausgeführt, am 23. Februar 1996 sei der Auftrag ergangen, die eingelangten Aufsichtsbeschwerden zu überprüfen. Diese Prüfung habe vom 20. bis 22. Mai 1996 stattgefunden, wobei auch die finanzielle Entwicklung und der ausgeglichen vorgelegte Voranschlag 1996 geprüft worden seien. Die Prüfung des Voranschlages sei in die Prüfung der Aufsichtsbeschwerden einbezogen worden, da angenommen habe werden können, dass der Ausgleich des Voranschlages 1996 auf Grund der Empfehlung vom 11. April 1995 (einjährige Abwicklung des Soll-Ergebnisses 1994 und dessen Bedeckung durch Sparmaßnahmen in den Jahren 1995 und 1996) ohne größere Probleme habe erreicht werden können.

Am 4. Juni 1996 übermittelte die Abteilung 11 des Amtes der Salzburger Landesregierung dem Landeshauptmann-Stellvertreter beigeschlossen "den Entwurf des Berichtes über die Kurzeinschau in der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm zur gefl. Kenntnisnahme und der ausdrücklich vorbehaltenen Unterfertigung". Auf diesem Schreiben vom 4. Juni 1996 findet sich handschriftlich der Vermerk

"s. seite 4 ansonsten o.k." sowie die Unterschrift (offenkundig) des Landeshauptmann-Stellvertreters unter Beifügung des Datums "5.6.95" (OZl. 3). Als OZl. 2 erliegt im Verwaltungsakt ein mit 28. Mai 1996 datierter Entwurf eines Schreibens der Salzburger Landesregierung an den Bürgermeister der Ortsgemeinde Saalbach-Hinterglemm. Handschriftlich findet sich auf diesem Entwurf der Vermerk "Mit Änderung auf Seite 4 o.k." und die Unterschrift des Landeshauptmann-Stellvertreters einschließlich des Datumsvermerks "5.6.95".

Unter Berücksichtigung der erwünschten Änderung auf Seite 4 erging, abgefertigt am 10. Juni 1996, die an den "Herrn Bürgermeister" der Ortsgemeinde Saalbach-Hinterglemm gerichtete Erledigung mit dem Betreff "Kurzeinschau" (weiterhin datiert mit 28. Mai 1996).

Das Schreiben wird wie folgt eingeleitet:

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Die Gemeinde Saalbach-Hinterglemm wurde einer aufsichtsbehördlichen Kurzeinschau mit dem Schwerpunkt 'Finanzlage' unterzogen. Das Ergebnis und die über den Schwerpunkt hinausgehenden Prüfungsfeststellungen werden in den folgenden Punkten dargestellt."

Das Schreiben ist in neun Punkte, diese teilweise auch weiter in Unterpunkte, unterteilt. Einzelne Passagen des Textes sind durch "Schwarzdruck" stärker hervorgehoben.

Punkt 1. des Schreibens ("Finanzlage") behandelt unter 1.1. zunächst die so genannte "Freie Budgetspitze 1994 und 1995". Unter

1.2. ("Voranschlag 1996") wird der von der Gemeinde vorgelegte Voranschlag für 1996 knapp zusammengefasst und als Schlussfolgerung ausgeführt, dass die Budgetspitze weit in den negativen Bereich sinken werde, wenn der Voranschlag 1996 in der vorgelegten Form vollzogen werde und die gestundeten Tilgungen als laufende Ausgaben berücksichtigt würden. Dies bedeute, dass es der Gemeinde nicht mehr möglich sei, ihre laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen zu bedecken. Unter 1.3. ("Ausgleich des Voranschlages 1996") wird ausgeführt, dass die Ausgeglichenheit des Voranschlages nur durch dessen unrealistische Erstellung habe erreicht werden können. Der von der Gemeinde vorgelegte Voranschlag für das Jahr 1996 könne von der Aufsichtsbehörde nicht zur Kenntnis genommen werden. Der Voranschlag sei realistisch zu erstellen und erneut der Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Als Termin für die Vorlage des überarbeiteten Voranschlages werde der 15. Juli 1996 vorgesehen. Bis dahin dürften nur Ausgaben zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes und keinesfalls Ausgaben, die in das Ermessen der Gemeinde fallen, bestritten werden.

Unter Punkt 2. ("Aussetzung von Tilgungen") behandelt das Schreiben die von der Gemeindevertretung beschlossene Aussetzung für 1996 fälliger Kapitalraten näher genannter Darlehen. Die diesbezüglichen Vorgänge seien in der Gemeinde nicht ausreichend dokumentiert worden. Die Gemeinde werde aufgefordert, die kompletten Unterlagen über die Änderungen der Darlehensverträge zur Prüfung vorzulegen.

Punkt 3. ("Jahresrechnung 1995") zerfällt in drei Unterpunkte. Unter 3.1. ("Ergebnisse") wird festgestellt, dass außerordentliche Einnahmen nicht zweckgebunden verwendet worden seien, was einen Verstoß gegen das im außerordentlichen Haushalt zwingend anzuwendende Einzeldeckungsprinzip darstelle. 3.2. ("Tunnel Hinterglemm") behandelt die Finanzierung des außerordentlichen Vorhabens "Tunnel Hinterglemm". Die Gemeinde habe zwischen 1988 und 1991 über S 6 Mio. vom ordentlichen Haushalt dem außerordentlichen Vorhaben zugefügt. Maximal dieser Betrag dürfe wieder in den ordentlichen Haushalt zurückfließen. Die restlichen verbleibenden Mittel seien ihrer Widmung entsprechend für Tilgungen zu verwenden. Unterpunkt 3.3. ("Vergütungen") behandelt kritisch eine Anordnung des Bürgermeisters, der zufolge ab April 1995 bestimmte Vergütungen zwischen den einzelnen Verwaltungszweigen nicht mehr zu erfassen und auch nicht zu buchen seien. Durch diese Anordnung sei wissentlich die Aussagekraft des Rechenwerkes wesentlich eingeschränkt worden, womit die Basis für eine gewissenhafte Gebührengestaltung verloren gegangen sei. Der Bürgermeister werde aufgefordert, die Anweisung vom 10. Mai 1995 aufzuheben.

Punkt 4. ("Hinterglemmer Bäder Ges.m.b.H. & CO KG") zerfällt in drei Unterpunkte. 4.1. ("Beteiligung") behandelt die Beteiligungsverhältnisse der Hinterglemmer Bädergesellschaft. In Anbetracht der finanziellen Lage müsse die Gemeindeaufsicht der Übernahme von zusätzlichen Gesellschaftsanteilen die Genehmigung verwehren, weil die daraus folgenden Mehrbelastungen zumindest "derzeit" nicht im Einklang mit der laufenden finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde stünden.

Unter 4.2. ("Abstimmung") wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 27 der Salzburger Gemeindeordnung 1994 ein Mitglied der Gemeindevertretung, soweit es nicht zeitweise zur Auskunftserteilung zugezogen wird, für die Dauer der Beratung und Beschlussfassung den Sitzungssaal zu verlassen habe.

Unter 4.3. ("Verlustabdeckung") wird festgestellt, dass die Gemeinde gemäß § 13 des Gesellschaftsvertrages von einer Verlustbeteiligung ausgeschlossen sei. Trotz dieser eindeutigen Regelung habe die Gemeinde für die Jahre 1991 bis 1994 Abgänge in einer Größenordnung von über S 1 Mio. übernommen. Zudem seien Vorauszahlungen für eine Kapitalaufstockung überwiesen und in den Jahren 1989 und 1990 Grundsteuer von je über S 50.000,-- übernommen worden. Mit Ausnahme der Übernahme der Grundsteuer seien alle angeführten Zahlungen beschlussmäßig bedeckt. Die derzeitige Finanzlage erlaube keine weiteren freiwilligen Kostenübernahmen.

Unter 5. ("TMG Tourismus Management Gesellschaft m.b.H.") wird darauf hingewiesen, dass der Gesellschaftsvertrag am 17. November 1992 von den Gesellschaftern unterfertigt und bereits am 7. Mai 1993 von der Gemeindeaufsicht genehmigt worden sei. Seitens der Gemeinde seien auch Zahlungen an die TMG erfolgt. Diese stehe aber nach wie vor in Gründung, es existiere nach rund zweijährigem Betrieb weder ein Büro, noch werde Personal beschäftigt. Die weitere Vorgangsweise sei mit den restlichen Gesellschaftern zu klären bzw. die Liquidation der Gesellschaft in Erwägung zu ziehen, weil bei weiterem Stillstand zumindest Kosten für die jährliche Erstellung der Bilanz anfielen, die durchaus zu vermeiden wären.

Unter Punkt 6. ("Auftragsvergaben/Vergabeordnung") wird festgestellt, dass bei Auftragsvergaben häufig nicht nach den gemeinderechtlichen Normen vorgegangen werde. Die Gemeinde sei bislang ihrer Verpflichtung, gemäß § 43 GdO 1994 eine eigene Vergabeordnung zu erlassen, nicht nachgekommen. Die Gemeinde werde aufgefordert, im Sinne der genannten Bestimmung eine eigene Vergabeordnung zu beschließen und diese auch einzuhalten. Dies stelle zwingendes Recht dar und könne von der Gemeinde nicht selbstständig abgeändert werden. Die Einhaltung der Bestimmungen des § 43 GdO 1994 stelle darüber hinaus eine wesentliche Bedingung für die Zuweisung von Mitteln aus dem "GAF" dar. Die Gemeinde habe zur Erlangung der Ausschüttung von GAF-Mitteln nicht nur die Aufstellung der entsprechenden Rechnungen, sondern auch den Nachweis der gesetzeskonformen Vorgangsweise bei den Auftragsvergaben vorzulegen. Widrigenfalls würden die GAF-Mittel nicht zur Auszahlung gelangen.

Unter Punkt 7. ("Geschäftsordnung") wird gerügt, dass die Gemeinde noch keine Geschäftsordnung besitze, obwohl diese gemäß § 32 GdO 1994 verpflichtend vorgeschrieben sei. Die Gemeinde habe ehestens eine Geschäftsordnung zu erlassen und der Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen.

Unter Punkt 8. ("Verfügungsmittel") wird festgestellt, dass im Jahr 1995 mehr "Verfügungsmittel" ausgegeben, als veranschlagt worden seien. Bei diesen Verfügungsmitteln handle es sich um solche Mittel, die der Bürgermeister im Rahmen des Voranschlages frei verwenden könne. Trotzdem seien Belege, die den einzelnen Geschäftsfall dokumentieren, vorzulegen. Es scheine wenig sinnvoll, einzelne Ausgaben im Rahmen der Verfügungsmittel zu kritisieren, vielmehr sei bereits bei der Festsetzung der Höhe dieser Mittel auf die Finanzlage und die Ausgeglichenheit des Voranschlages Rücksicht zu nehmen.

Sodann lautet das Schreiben wörtlich wie folgt:

"9. Zusammenfassung

Die Kurzeinschau zeigt einerseits, wie angespannt die Finanzlage der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm ist. Dies kommt insbesonders in der unrealistischen Veranschlagung der Gewerbesteuer und der Härteausgleichszahlungen sowie der Stundung von Tilgungen zum Ausdruck. Diese Maßnahmen belaufen sich in Summe auf gerundet S 12,6 Millionen. Damit wurden trotz der Veranschlagung des Soll-Abganges 1994 (S 7,588.000,--) 'Reserven' geschaffen. Andererseits musste festgestellt werden, dass elementare gemeinderechtliche Normen zum Teil wissentlich missachtet werden.

Die Gemeinde Saalbach-Hinterglemm hat zur Sanierung der festgestellten Missstände folgende Maßnahmen zu treffen:

-

Der Voranschlag 1996 ist zu überarbeiten und bis 15. Juli 1996 zur aufsichtsbehördlichen Prüfung vorzulegen.

-

Bis zur Genehmigung des überarbeiteten Voranschlages dürfen nur Ausgaben zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes und zur Erfüllung der gesetzlichen und rechtlichen Verpflichtung getätigt werden.

-

Bis zur endgültigen Sicherung des Haushaltsgleichgewichtes dürfen keine zusätzlichen Belastungen übernommen werden.

-

Der Gemeindeaufsicht sind bis auf Widerruf der Tagesabschluss und der Rechnungsquerschnitt zum jeweiligen Ende jedes Quartals vorzulegen.

-

Die Gemeinde Saalbach-Hinterglemm hat einen mittelfristigen Finanzplan zu erstellen, der als Hilfsmittel für die Sanierung der Gemeindefinanzen verwendet werden kann.

-

Die Gemeinde hat alle Unterlagen über beabsichtigte Veränderungen der Kreditverträge, die zur Finanzierung der Tunnelbauten eingegangen wurden, zur aufsichtsbehördlichen Prüfung vorzulegen.

-

Die Gemeinde Saalbach-Hinterglemm hat unverzüglich eine Vergabeordnung und eine Geschäftsordnung zu erlassen und der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

-

Für die Flüssigstellung von Mitteln aus dem GAF ist das gesetzeskonforme Zustandekommen der Auftragsvergaben nachzuweisen.

-

Die außerordentlichen Einnahmen sind ihrer Zweckwidmung entsprechend zu verwenden, widrigenfalls Mittel aus dem GAF zurückgefordert werden.

-

Vergütungen zwischen Verwaltungszweigen sind weiterhin zur reellen Darstellung der Aufwendungen zu verbuchen.

-

Die weitere Vorgangsweise bezüglich der TMG ist zu klären.

Sie werden dringend aufgefordert, für die gesetzeskonforme Verwaltung der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm zu sorgen und die wirtschaftliche Führung der angespannten Finanzlage anzupassen.

Gleichzeitig werden Sie auf § 88 der Salzburger GdO 1994 hingewiesen.

Für die Vorlage des überarbeiteten Voranschlages 1996 wird der 15. Juli 1996, für die Sanierung sämtlicher anderer Mängel der 15. September 1996 festgesetzt."

Gezeichnet ist das Schreiben wie folgt:

"Hochachtungsvoll

Für die Landesregierung

Gerhard Buchleitner

Landeshauptmann-Stellvertreter"

              2.              Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die angefochtene Enunziation weise nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht die nach dem AVG, das die Salzburger Landesregierung gemäß den Bestimmungen des EGVG anzuwenden habe, übliche Form eines Bescheides auf. Die Enunziation sei insbesondere auch nicht als Bescheid bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch die normative Qualität eines Aktes primär aus seinem Inhalt abzuleiten und bestehe in einem autoritativen Wollen der Behörde. Mit der angefochtenen Enunziation würden Verbote und Gebote gegenüber der Beschwerdeführerin als Adressatin ausgesprochen, welche in zentraler Weise ihre subjektiven Rechte als Wirtschaftskörper und schlechthin in Haushaltsangelegenheiten berührten und beeinträchtigten. Gegenstand der in der angefochtenen Enunziation getroffenen Anordnungen seien u.a. Maßnahmen haushaltsrechtlicher Natur und solche der Normerlassung (nämlich bezüglich einer Vergabeordnung und der Geschäftsordnung der Gemeindevertretung). Bei diesen von der Gemeinde zu setzenden Maßnahmen handle es sich um solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Hinsichtlich solcher Angelegenheiten sei die Erteilung von Weisungen seitens der staatlichen Behörden und damit auch seitens der Gemeindeaufsichtsbehörde verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Es sei daher auch ausgeschlossen, die Enunziation als Weisung zu deuten. Die Enunziation sei daher ein Bescheid.

              3.              Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung, in eventu die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

              4.              Zunächst ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass entgegen der Auffassung der belangten Behörde für das Verfahren der Salzburger Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG das AVG maßgeblich wäre (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) 54). Art. IV Z. 4 EGVG ist im vorliegenden Fall schon deswegen nicht einschlägig, weil die Salzburger Gemeindeordnung 1994 (GdO 1994), LGBl. Nr. 107/1994 in der maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1995 bzw. der Kundmachung LGBl. Nr. 47/1995, keine das aufsichtsbehördliche Verfahren betreffende besondere Verfahrensvorschriften enthält.

Vorab ist die Rechtsnatur der angefochtenen Erledigung zu klären: Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde setzt nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG unter anderem das Vorliegen eines Bescheides voraus.

Die vorliegende Erledigung ist unstrittig weder als Bescheid ausdrücklich bezeichnet, noch ist sie als solcher gegliedert. Sie enthält keine Begründung und auch keine Rechtsmittelbelehrung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben (vgl. den hg. Beschluss vom 27. März 1996, Zl. 96/12/0041, m. w.N.).

Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für Bescheide vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. auch hiezu den erwähnten hg. Beschluss vom 27. März 1996, m.w.N.). Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Februar 1997, Zlen. 97/01/0128, 0129).

Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die in Rede stehende Erledigung sowohl in den Punkten 1. bis 8. als auch in der unter Punkt 9. enthaltenen "Zusammenfassung" mehrfach keine bloß deskriptive oder narrative Ausdrucksweise verwendet, sondern imperative Formulierungen gebraucht. Diese Formulierungen könnten Anlass zur Annahme geben, es handle sich zumindest bei Teilen der in Rede stehenden Erledigung um einen Bescheid.

Gegen diese Deutung spricht jedoch zunächst bereits der Aufbau der nicht etwa an die Gemeinde selbst, sondern an ihren Bürgermeister gerichteten Erledigung. Schon im Einleitungsabsatz ist davon die Rede, dass das "Ergebnis und die über den Schwerpunkt hinausgehenden Prüfungsfeststellungen" der von der Aufsichtsbehörde vorgenommenen "Kurzeinschau" in den folgenden Punkten "dargestellt" würden. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die von der belangten Behörde vorgenommene "Kurzeinschau" durch die Ermächtigungen der GdO 1994 an die Aufsichtsbehörde gedeckt sind. Nimmt man den Einleitungssatz ernst, so verheißt er das Ergebnis einer auf die Gebarung bezogenen Einschau sowie die daraus gezogenen Folgerungen, nicht mehr. Die ersten acht Punkte der Erledigung lassen sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch ohne weiteres als gegliederte Darlegung des Ergebnisses einer aufsichtsbehördlichen Überprüfung der Haushaltsgebarung der Gemeinde im Hinblick auf ihre Gesetzmäßigkeit, zum Teil auch Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, verstehen. Die jeweils im Anschluss an deskriptive Passagen enthaltenen imperativen Formulierungen können zum Teil als Wiedergabe der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde, zum Teil als schlichte Aufforderungen zur Herstellung des aus der Sicht der Aufsichtsbehörde herbeizuführenden gesetzlichen Zustandes verstanden werden. Gleiches gilt, da zum überwiegenden Teil bereits in den Punkten 1. bis 8. enthaltene Formulierungen, wenngleich gestrafft, wiederholt werden, grundsätzlich auch für die im Punkt 9. enthaltene "Zusammenfassung".

Darüber hinaus fällt an der umfangreichen Erledigung auf, dass sie nur vereinzelt (in 4.2., 6. und 7.) Rechtsvorschriften erwähnt, die im Übrigen nicht etwa die Befugnisse der Aufsichtsbehörde, sondern die Pflichten der Gemeinde betreffen. Nun ist zwar nicht zu übersehen, dass das Fehlen einer als solchen erkennbaren Begründung noch nicht für sich allein den Bescheidcharakter einer Erledigung ausschließt, im vorliegenden Fall erschiene es aber jedenfalls ungewöhnlich, dass - deutete man die erwähnten Formulierungen als normativ - die Behörde in einer relativ umfangreichen, nicht als Reaktion auf einen Parteienantrag deutbaren Erledigung keinen Versuch gemacht hätte, ihre Aufforderungen aus gemeinderechtlichen Vorschriften herzuleiten.

Schließlich spricht auch die am Ende von Punkt 9. enthaltene, ebenfalls an den Bürgermeister der Gemeinde gerichtete Aufforderung, dieser möge für die gesetzeskonforme Verwaltung der Gemeinde sorgen und die wirtschaftliche Führung der angespannten Finanzlage anpassen, im Zusammenhang mit dem unmittelbar anschließenden Hinweis auf § 88 GdO 1994 ungeachtet der erwähnten imperativen Formulierungen nicht für die normative Qualität der in Rede stehenden Erledigung gemäß § 88 Abs. 1 GdO 1994 kann die Aufsichtsbehörde Mitgliedern der Gemeindevorstehung, die ihre Amtspflichten verletzen, Strafen bis zu S 30.000,-- auferlegen. Gemäß § 88 Abs. 3 GdO 1994 können Mitglieder der Gemeindevorstehung, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen, von der Landesregierung in bestimmten Fällen, darunter wegen "Gesetzesverletzung", ihres Amtes verlustig erklärt werden. Die Aufforderung an den Bürgermeister, für eine gesetzeskonforme Verwaltung der Gemeinde zu sorgen und die wirtschaftliche Führung der angespannten Finanzlage anzupassen, deutet vor dem Hintergrund dieser im § 88 GdO 1994 enthaltenen Sanktionsmöglichkeiten eher auf eine Umschreibung der einstweilen eingenommenen Position der Aufsichtsbehörde gegenüber den Organwaltern der Gemeinde im Hinblick auf ein allenfalls einzuleitendes Sanktionsverfahren hin.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei Zweifeln über den Inhalt einer Erledigung auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln (vgl. auch hiezu den bereits erwähnten hg. Beschluss vom 27. März 1996). Aus einer solchen Form einer Erledigung ist eher zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt. Zieht man in Betracht, dass in der angefochtenen Erledigung sowohl die Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr Bürgermeister!" als auch die Grußformel "Hochachtungsvoll" verwendet wird, so ergibt sich daraus ebenfalls ein Indiz gegen die Deutung der angefochtenen Erledigung als an die Gemeinde gerichteten Bescheid.

Nach dem bisher Gesagten ist der angefochtenen Erledigung nicht mit der gebotenen Unzweifelhaftigkeit zu entnehmen, dass die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde in für die Gemeinde verbindlicher Weise Verhaltenspflichten der Gemeinde festgeschrieben hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt der bekämpften Erledigung demnach keine Bescheidqualität zu.

Da es damit an einer Prozessvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde fehlt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996010643.X00

Im RIS seit

22.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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