TE Vfgh Erkenntnis 2017/10/11 E502/2017

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Veröffentlicht am 11.10.2017
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art140 Abs7

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.       Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger, der am 17. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) diesen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG und stellte gemäß §52 Abs9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß §46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III). Es sprach weiters aus, dass gemäß §55 Abs1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV) und erkannte einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß §18 Abs1 Z1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V). In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheids ist die Beschwerdefrist mit zwei Wochen angegeben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Jänner 2017 wegen Verspätung zurück. Der Bescheid des BFA sei dem Beschwerdeführer am 16. August 2016 persönlich ausgefolgt worden; die Versäumung der Frist sei in der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt eingeräumt, zugleich die Verfassungswidrigkeit des §16 Abs1 BFA-VG behauptet worden. Gemäß §16 Abs1 BFA-VG idF BGBl I 24/2016 bestehe eine zweiwöchige Beschwerdefrist; die Beschwerdefrist habe daher am 30. August 2016 geendet. Die am 13. September 2016 erhobene Beschwerde sei somit verspätet eingebracht worden.

2.       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der – neben der Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten – insbesondere die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §16 Abs1 BFA-VG behauptet wird.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

3.       Aus Anlass dieser – zulässigen – Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "2, 4 und" sowie des zweiten Satzes in §16 Abs1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, ein. Mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G134/2017 ua., hob er die genannten Bestimmungen als verfassungswidrig auf.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

4.       Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Der Beschluss ist daher aufzuheben.

5.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E502.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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