TE Vfgh Erkenntnis 2017/10/11 E3016/2017

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Veröffentlicht am 11.10.2017
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art140 Abs7

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt und Beschwerde

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA hat diesen Antrag mit Bescheid vom 25. April 2017 abgewiesen (§3 AsylG), keinen subsidiären Schutz zuerkannt (§8 AsylG), einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (§§57 und 55 AsylG), eine Rückkehrentscheidung erlassen (§52 Abs2 FPG) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist und eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (§55 Abs1-3 FPG). Gegen diesen Bescheid erhob der Rechtsvertreter am 17. Mai 2017 per Fax Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass die Beschwerdefrist bereits am 16. Mai 2017 geendet habe und die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Versäumung der Frist gegeben.

Am 4. Juli 2017 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdefrist ein. Er brachte vor, dass die Versäumung der Frist auf einen Übertragungsfehler beim Eintragen der Frist durch die Rechtsberaterin zurückzuführen sei und dass darin ein minderer Grad des Versehens liege.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Juli 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §33 Abs1 und 3 VwGVG abgewiesen und die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

2.       Dagegen richtet sich die nunmehr beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Leben und Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (Art2 und 3 EMRK), des Rechtes auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 GRC, Art13 EMRK) sowie des Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art1 ff BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung) rügt.

II.      Erwägungen

1.       Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G134/2017, die Wortfolge "2,4 und" sowie den zweiten Satz in §16 Abs1 BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, als verfassungswidrig aufgehoben und gemäß §140 Abs7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

2.       Das Bundesverwaltungsgericht hat bei Erlassung des angefochtenen Beschlusses eine der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat (vgl. etwa VfSlg 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B1025/04; 29.6.2011, B308/11; 9.6.2016, E543/2016).

3.       Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Der Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

4.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z4 VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E3016.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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