TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/7 2000/01/0112

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Veröffentlicht am 07.09.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des TM in G, geboren am 8. August 1970, vertreten durch Dipl.-Ing. Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juli 1998, Zl. 203.906/0-XII/36/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger "von Sudan", der am 6. Oktober 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 12. Oktober 1995 die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen. Zuvor war der Beschwerdeführer im fremdenpolizeilichen Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf am 7. Oktober 1995 niederschriftlich einvernommen worden. Beide Einvernahmen erfolgten auf Grund der Angabe des Beschwerdeführers, der englischen Sprache mächtig zu sein, unter Beiziehung von Dolmetschern für die englische Sprache.

Bei diesen Einvernahmen gab der Beschwerdeführer an:

a) Am 7. Oktober 1995:

"Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen? Ich habe 1982 den Sudan verlassen, weil mein Vater von muslim. Truppen getötet wurde. Ich habe deshalb das Land zusammen mit meinem Bruder verlassen.

Warum sind Sie gerade nach Österreich gekommen? Was beabsichtigen Sie hier zu tun? Ich will weiter nach Deutschland reisen.

...

Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen? Ich habe den Sudan 1982 verlassen und habe zunächst 12 Jahre in Ägypten gelebt. Ich habe mich danach 1 Jahr illegal in Griechenland aufgehalten. Am 29. September 1995 bin ich mit Hilfe eines Schleppers nach Ungarn eingereist. Ich habe die österr. ung. Grenze am 3. Oktober 1995 um ca. 4.00 Uhr illegal passiert."

b) Am 12. Oktober 1995:

"Ich habe in einem mir unbekannten Monat im Jahre 1993 den Sudan verlassen und reiste mit einem LKW nach Ägypten. Dort hielt ich mich ca. einen Monat auf und fuhr anschließend abermals mit einem LKW von Ägypten in den Sudan und von dort nach Uganda. In Uganda hielt ich mich ca. ein Jahr in der Stadt Kambala auf. Danach fuhr ich abermals über den Sudan nach Ägypten, wo ich ca. einen Monat aufhältig war. Dann von Ägypten mit einem Schiff nach Saudi Arabien und von dort nach Griechenland. In Griechenland hielt ich mich einige Tage auf und traf dort einen Schlepper, der mich in vier Tagen zu Fuß illegal nach Österreich brachte. In Österreich wurde ich von Gendarmeriebeamten festgenommen und inhaftiert.

....

Ich habe im Jahre 1982 beim Bürgerkrieg im Sudan meinen Vater verloren. Ich habe im Südsudan gelebt und wurde bis zu meiner Ausreise laufend von Moslems, die uns Christen zu ihrem Glauben bekehren wollten, beschimpft und verspottet. Da ich die laufenden Belästigungen durch die Moslems nicht mehr ausgehalten habe, habe ich mich entschlossen, den Sudan zu verlassen und bin über den von mir geschilderten Weg bis nach Österreich gelangt.

Frage: Waren dies die Gründe, warum Sie den Sudan verlassen haben?

Antwort: Ja, dies waren die Gründe, warum ich den Sudan verlassen habe.

Frage: Waren Sie bis zu Ihrer Ausreise konkreten Verfolgungen im Sudan aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt oder waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen oder hatten Sie Schwierigkeiten mit den sudanes. Behörden?

Antwort: Nein, ich war bis zu meiner Ausreise keinen der vorangeführten Verfolgungen ausgesetzt, auch war ich niemals in Haft oder wurde festgenommen. Auch hatte ich keine Schwierigkeiten mit den sudanes. Behörden. Ich habe lediglich den Sudan deshalb verlassen, da die Übergriffe durch die Moslems im Sudan immer größer wurden und ich endlich in ein christliches Land wollte.

Frage: Weshalb sind Sie nicht in Ägypten geblieben und haben dort einen Asylantrag gestellt?

Antwort: Da der größte Teil der ägyptischen Bevölkerung Moslems sind, konnte ich dort als Christ nicht bleiben.

Frage: Weshalb sind Sie nicht in Uganda geblieben und haben dort einen Asylantrag gestellt?

Antwort: Da die wirtschaftliche Lage in Uganda sehr schlecht ist und es sehr wenige Christen gibt, wollte ich dort nicht bleiben.

Frage: Weshalb sind Sie nicht in Saudi Arabien geblieben?

Antwort: Da ich unbedingt in die BRD wollte, weil dort Christen nicht verfolgt werden, bin ich in Saudi Arabien nicht geblieben.

Frage: Weshalb sind Sie nicht in Griechenland geblieben und haben dort einen Asylantrag gestellt?

Antwort: Da ich unbedingt in die BRD wollte, bin ich in Griechenland ebenfalls nicht geblieben und habe dort auch keinen Asylantrag gestellt.

Frage: Was wollen Sie in Österreich?

Antwort: Ich möchte in Österreich Asyl und als Christ hier

leben sowie ev. einer Beschäftigung nachgehen.

Frage: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe vorzubringen?

Antwort: Nein."

Anlässlich aller Einvernahmen gab der Beschwerdeführer an, in Wao, Khartum, geboren zu sein sowie bis zu seiner Ausreise in Khartum gelebt zu haben.

Die Behörde erster Instanz wies mit dem Bescheid vom 12. Oktober 1995 den Asylantrag ab. Der vom Beschwerdeführer als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt erweise sich weder unter dem Gesichtspunkt der Intensität der Maßnahmen (der Schwere des Eingriffs in seine Rechtsgüter) noch unter jenem des Zusammenhanges mit den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen geeignet, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Alternativ dazu sprach die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer auf Grund divergierender Angaben zu seinem Fluchtweg die Glaubwürdigkeit ab. Des Weiteren könne dem Beschwerdeführer nicht Asyl gewährt werden, weil er gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 bereits in einem anderen Staat (Ägypten, Uganda und Griechenland) vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit selbstverfasstem, in englischer Sprache gehaltenem Schreiben vom 14. Oktober 1995 Berufung. Das Englisch des Beschwerdeführers in dieser Berufung ist zwar grammatikalisch schlecht, jedoch bei phonetischer Lesung problemlos zu verstehen. Die Wortwahl ist relativ einfach.

In der Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er in seine Heimat nicht zurückkehren könne, da er Christ sei, dass ihn die Moslems töten wollten und dass er weder Vater noch Mutter mehr habe.

Daraufhin erließ der Bundesminister für Inneres den Berufungsbescheid vom 30. Oktober 1995. Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Beschluss vom 13. Mai 1998, Zl. 96/01/0449, in Anwendung des § 44 Abs. 2 und 3 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG, zurückgewiesen. Das Asylverfahren trat mit Inkrafttreten des AsylG am 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Beweiswürdigung, die sich auf erhebliche Widersprüche hinsichtlich des vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtzeitpunktes und die faktische Unmöglichkeit des von ihm angegebenen Fluchtweges nach Österreich stütze, zutreffend sei. Gegen diese Beweiswürdigung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung nichts vorgebracht. Die in der Berufung enthaltenen allgemeinen Ausführungen vermögen die Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz nicht zu erschüttern und enthielten keine hinreichend konkreten Sachverhaltsbehauptungen, sodass ein ergänzendes Ermittlungsverfahren entbehrlich sei. Es seien weder die vom Asylwerber behaupteten Fluchtgründe noch der von ihm behauptete Fluchtweg glaubhaft (Anm.: gemeint wohl glaubwürdig).

Alternativ begründete die belangte Behörde, dass selbst bei Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhaltes eine hinreichend schwere, individuelle und konkrete Verfolgungsgefahr nicht als gegeben anzusehen wäre. Er behaupte nicht, von den sudanesischen Behörden verfolgt zu werden bzw. dass seine Verfolgung von diesen Behörden gebilligt würde. Er habe im Übrigen auch keine konkreten Verfolgungshandlungen von ausreichender Intensität behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt nunmehr folgenden Sachverhalt vor:

"Der Beschwerdeführer lebte im Sudan und bekennt sich zum christlichen Glauben. Da sein Heimatland ein moslemischer Staat ist, wurde er aus Glaubensgründen verfolgt und misshandelt. Dabei erlitt er unter anderem Verletzungen am Kopf und an den Armen. 1982 haben die Moslems den Vater des Bf. getötet. Von Seiten der sudanesischen Behörden konnte er keine Hilfe erwarten, da die gesamte öffentliche Verwaltung ebenfalls von Moslems ausgeübt wird.

Der Bf. ist im Spätsommer des Jahres 1995 aus dem Sudan über Ägypten und Griechenland nach Österreich emigriert und hat am 12.10.1995 beim zuständigen Bundesasylamt einen Antrag auf politisches Asyl gestellt."

Er rügt, es sei "im Laufe dieses Verfahrens von den Behörden niemals ein Dolmetscher zur besseren Verständigung mit dem Bf. beigezogen" worden. Dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Er habe nie behauptet, vor seiner Ausreise aus dem Sudan keinen konkreten Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein, sondern "haben solche sehr wohl stattgefunden". Er habe auch nicht angegeben, dass er bereits 1982 aus dem Sudan geflüchtet sei, sondern lediglich gesagt, dass "die Moslems 1982 seinen Vater ermordet" hätten. Er habe auch nicht behauptet, in vier Tagen zu Fuß von Griechenland nach Österreich gegangen zu sein, sondern er sei "über weite Strecken von einem Autofahrer namens 'Sascha' mitgenommen worden". Er habe insgesamt für die Reise von Griechenland nach Österreich vier Tage gebraucht. Die vermeintlichen Widersprüche seien nicht auf divergierende Angaben des Beschwerdeführers zurückzuführen, sondern resultierten daraus, dass er von den Behörden falsch verstanden und zitiert worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde allen niederschriftlichen Einvernahmen ein Dolmetscher für die englische Sprache beigezogen. Dass der Beschwerdeführer dieser Sprache in einer Weise mächtig ist, um sich mit dem Dolmetscher verständlich machen zu können, hat er mit seiner in englischer Sprache verfassten Berufung ausreichend dokumentiert. Im Übrigen führt die belangte Behörde zu Recht aus, dass der Beschwerdeführer in der Berufung keinen Versuch unternommen hat, die angeblich aufgetretenen Verständigungsprobleme anlässlich seiner Einvernahmen und die daraus "resultierenden" Widersprüche aufzudecken bzw. aufzuklären. Darüber hinaus fällt am nunmehrigen in der Beschwerde vorgebrachten Sachverhalt auf, dass der Beschwerdeführer einerseits die - nunmehr neu behaupteten - Verfolgungen und Misshandlungen nicht konkret beschreibt, sondern nur eine pauschale Behauptung erhebt. Insbesondere aber steht die in der Beschwerde vorgebrachte Schilderung der Flucht nunmehr im gravierenden Widerspruch zu sämtlichen bisherigen Versionen.

Dem Beschwerdeführer gelingt es aus obigen Gründen sohin nicht, die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die angesichts der evidenten gravierenden Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers nicht als unschlüssig anzusehen ist, zu erschüttern.

Erachtete die belangte Behörde aber auf Grund schlüssiger Beweiswürdigung die Angaben der beschwerdeführenden Partei über tatsächlich erfolgte oder ihm künftig drohende Verfolgung als unglaubwürdig, kann die darauf beruhende rechtliche Würdigung, dass die beschwerdeführende Partei nicht habe glaubhaft machen können, sie habe Verfolgung im Sinne des § 7 AsylG 1997 zu erleiden, weshalb ihr kein Asyl zu gewähren sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Abschließend sei der Beschwerdeführer noch darauf hingewiesen, dass auch die Alternativbegründung der belangten Behörde angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, denn der Beschwerdeführer bringt keine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung mit asylrelevanter Intensität in konkreter Weise vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010112.X00

Im RIS seit

22.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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