TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/7 99/01/0452

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Veröffentlicht am 07.09.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
StPO 1975 §183 Abs1;
StVG §120 Abs2;
StVG §121 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des GG in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. November 1998, Zl. VwSen-420247/3/Gf/Km, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 25. November 1998 eine "Maßnahmenbeschwerde" an die belangte Behörde, in der er den Sachverhalt folgendermaßen schilderte:

"Der Beschwerdeführer befindet sich seit 04.08.1997 in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wels. Er geht dort einer Beschäftigung in der Anstaltswäscherei nach und verfügt daher neben seiner Zelle auch im Bereich der Wäscherei über Behältnisse (Schrank, Spind), wo er persönliche Gegenstände, ua. Korrespondenz, aufbewahrt und die somit als seine sowohl gegenüber der Justizwache als auch gegenüber Mithäftlingen abgegrenzte Privatsphäre anzusehen sind.

...

Am 15.10.1998 zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr vormittags schritten Organe der Bundespolizeidirektion Wels in Erfüllung einer Amtshilfeverpflichtung über Ersuchen von Organen der Justizanstalt Wels unter anderem auch in der Anstaltswäscherei ein. Aus der Anwesenheit auch eines Drogenspürhundes ist zu erschließen, dass dieses Einschreiten darauf abstellte, Drogen aufzufinden.

...

Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde trotz eindringlicher Nachfrage weder von Seiten der amtshandelnden Organe der Bundespolizeidirektion Wels noch von den ebenfalls anwesenden Justizwachebeamten irgendeine Begründung für dieses Einschreiten abgegeben und wurde der Beschwerdeführer schließlich zum Verlassen der Wäscherei verhalten.

Bei Rückkunft in die Wäscherei, nach Ende der Amtshandlung, musste der Beschwerdeführer feststellen, dass die oberwähnten Behältnisse von den Beamten durchwühlt und in erhebliche Unordnung gebracht worden waren. Auch die dort aufbewahrte, persönliche Korrespondenz des Beschwerdeführers war geöffnet und offensichtlich durchgesehen, wenn nicht sogar gelesen worden."

Als Beweismittel legte der Beschwerdeführer ein an seinen Rechtsvertreter ergangenes Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1998 bei, in dem sich unter anderem folgende Aussage findet:

"Die Organe der Bundespolizeidirektion Wels sind zum fraglichen Zeitpunkt in Erfüllung ihrer Amtshilfeverpflichtung über Ersuchen von Organen der Justizanstalt Wels tätig geworden."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese "Maßnahmenbeschwerde" als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer befinde sich nach seinen eigenen Angaben in Untersuchungshaft. Aus § 183 Abs. 1 der Strafprozeßordnung, BGBl. Nr. 631/1975 idgF - StPO, und § 188 Abs. 3 StPO ergebe sich, dass (von hier nicht maßgeblichen Ausnahmefällen abgesehen) alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft - also auch jene, im vorliegenden Fall die Fahrnisse des Beschwerdeführers im Amtshilfeweg von Organen der Bundespolizeidirektion Wels durchsuchen zu lassen - dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zustehen. Es seien die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969 idgF - StVG -, anzuwenden. In dessen §§ 120 und 121 seien entsprechende Beschwerderechte und Vorschriften über das hiebei durchzuführende Verfahren enthalten, wobei sich aus § 121 Abs. 1 StVG ergebe, dass über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen der Anstaltsleiter zu entscheiden habe. In Verbindung mit § 12 StVG folge schließlich, dass eine Beschwerde gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses zunächst an den örtlich zuständigen Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz und in der Folge an den Bundesminister für Justiz zu richten sei. Erst nach Ausschöpfung dieser Rechtsmittel könne eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden.

Die vorliegende Beschwerde sei daher mangels sachlicher Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 67c Abs. 4 AVG als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13. Oktober 1999, B 52/99-7, ihre Behandlung ab und trat sie sodann dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die belangte Behörde hätte erst Ermittlungen anstellen müssen, ob die in Beschwerde gezogene Durchsuchung der persönlichen Fahrnisse des Beschwerdeführers bzw. Sichtung seiner Korrespondenz tatsächlich auf einer Anordnung bzw. Entscheidung "im Sinne des § 120 StVG" erfolgt sei. Außerdem stelle das Handeln "anstaltsfremder" Organe, welches nicht auf entsprechenden, konkreten Vollzugsanordnungen beruhe, einen Verwaltungsexzess dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Weder aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 25. November 1998, dem als Beweismittel angeschlossenen Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1998, noch aus der Beschwerde sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Organe der Bundespolizeidirektion Wels selbstständig oder in einer über ein Ersuchen von Organen der Justizanstalt Wels hinausgehenden Weise tätig geworden seien. Im Gegenteil ergibt sich schon aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, aber unmissverständlich aus dem zitierten Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1998, dass die Organe der Bundespolizeidirektion Wels (ausschließlich) in Erfüllung "ihrer Amtshilfeverpflichtung über Ersuchen von Organen der Justizanstalt Wels tätig geworden" seien. Es bestand sohin keine Veranlassung der belangten Behörde, diesbezügliche Zweifel zu hegen. Die vom Beschwerdeführer geforderten Ermittlungen stellen sich sohin als reiner Erkundungsbeweis dar, welcher nicht zulässig ist.

Die vom Beschwerdeführer gerügten, von Organen der Bundespolizeidirektion Wels gesetzten Maßnahmen sind, weil über Ersuchen der Justizanstalt Wels vorgenommen, der Justizanstalt zuzurechnen.

Bei der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt es sich um ein subsidiäres Rechtsmittel (vgl. Funk, Von der "faktischen Amtshandlung" zum "verfahrensfreien Verwaltungsakt", ZfV 1987, 628). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dienen die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes (vgl. z.B. den Beschluss vom 24. November 1977, Slg. 9439/A, und das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0712; mit diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung auf die Regelung des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG übertragen; sowie das Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zl. 93/11/0035).

Aus dieser Rechtslage folgt hinsichtlich von Anordnungen nach dem StVG die Unzulässigkeit von Maßnahmenbeschwerden nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG - unbeschadet der Frage, ob die zugrunde liegenden Akte überhaupt als Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen sind - jedenfalls insoweit, als dagegen ein Rechtsmittel zur Verfügung steht.

Nach § 183 Abs. 1 StPO sind die Bestimmungen des StVG über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinn nach auf die Anhaltung in der Untersuchungshaft anzuwenden. Demgemäß ist auch Untersuchungshäftlingen ein Beschwerderecht entsprechend den Bestimmungen der §§ 120 ff StVG eingeräumt, wie die belangte Behörde richtig ausführt. Aus diesem Grund hat auch der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Beschluss vom 13. Oktober 1999 auf seinen Beschluss vom 8. Oktober 1984, B 619/84, VfSlg. 10.199, und vom 26. Februar 1990, B 19/90, VfSlg. 12.260, hingewiesen. Mit diesen Beschlüssen wurden erhobene Maßnahmenbeschwerden als unzulässig zurückgewiesen, weil der in §§ 120 ff StVG eingeräumte Instanzenzug von den damaligen Beschwerdeführern nicht ausgeschöpft worden war.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat kann aber nichts anderes gelten.

Dem Beschwerdeführer wäre es offen gestanden, gemäß § 120 Abs. 2 StVG spätestens am 14. Tag nach jenem Tag, an welchem ihm der Beschwerdegrund bekanntgeworden ist (das war spätestens mit Zukommen des Schreibens des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1998), Beschwerde über die seine Rechte betreffende Anordnung bzw. das seine Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten zu erheben. Über diese Beschwerde hätten die in § 121 StVG genannten Strafvollzugsbehörden zu entscheiden gehabt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010452.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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