Entscheidungsdatum
18.10.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W139 1433050-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste am 28.12.2011 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der Erstbefragung am 28.12.2011 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er in Jalalabad ein Geschäft zum Verkauf von DVDs und CDs betrieben und dreimal eine schriftlich Aufforderung von den Taliban erhalten habe, das Geschäft zu schließen. Als er eines Tages mit Ware von Pakistan nach Jalalabad zu seinem Haus unterwegs gewesen sei, sei er von Taliban betäubt und entführt worden. Man habe ihn drei Tage angehalten, gefesselt und geschlagen. Ein Taliban habe ihn dann aus Mitleid freigelassen.
3. Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.07.2012 gab der Beschwerdeführer an, dass er Staatsbürger von Afghanistan sei und der Volksgruppe der Pashtunen angehöre.
Er sei von den Taliban entführt, drei Tage lang festgehalten und geschlagen worden. Man habe ihn aufgefordert, sein Geschäft zu schließen, da der Verkauf von CDs und DVDs verboten sei. Er habe aber nicht aufgehört, weshalb es dann im September 2011 irgendwo in den Bergen – fernab von seiner Heimat und seinem Geschäft – zur Entführung gekommen sei. Die Taliban hätten ihn betäubt, geschlagen und ausgeraubt. Drei Tage später sei er wieder freigelassen worden. Er habe dann sein Geschäft weitergeführt und einen Käufer dafür gesucht.
Nach der Entführung sei sein Geschäft unbehelligt geblieben, zumal er eine gute Tarnung besessen habe. Das Geschäft sei hinter einem Vorhang versteckt gewesen. Davor seien drei Mobiltelefone gelegen, die CDs und DVDs hätten sich dahinter befunden.
Befragt, ob er sich sicher sei, dass die Entführung durch die Taliban wegen deren Einwendungen gegen sein Geschäft erfolgt sei oder ob es sich nicht eher um einen ganz normalen Raubüberfall gehandelt habe, gestand der Beschwerdeführer Folgendes ein: "Damit können Sie Recht haben, aber meine Tätigkeit war verboten. Ich Wahrheit habe ich das Geschäft nur übernommen um damit das Geld für die Ausreise verdienen zu können."
Den Entschluss zur Ausreise habe er bereits vor der Übernahme des Geschäfts mit CDs und DVDs gefasst. Der Vorinhaber habe mit dem Verdienst ebenfalls seine Reise nach Kanada finanziert.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer seine Tazkira in Vorlage.
4. Laut einem durchgeführten Sprachanalysegutachten vom 14.09.2012 liege der sprachliche Hintergrund des Beschwerdeführers eher in Pakistan als in Afghanistan. Der Beschwerdeführer spreche eine Variante des Paschtu, die von dem Nomadenvolk der Kochi in Nangarhar in Afghanistan und Peshawar in Pakistan gesprochen werde. Der Beschwerdeführer verwende allerdings bestimmte Wörter, die nicht in der afghanischen Variante des Paschtu vorkommen würden.
5. In Beantwortung einer entsprechenden Anfrage teilte die Staatendokumentation der belangten Behörde mit Schreiben vom 26.11.2012 mit, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Tazkira um ein gefälschtes Dokument handle. Die Tazkira sei weder von den betreffenden Behörden ausgestellt worden, noch sei sie in deren Verzeichnis verfügbar.
6. Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.02.2013 wurden dem Beschwerdeführer das Ermittlungsergebnis der österreichischen Botschaft in Islamabad und das erstellte Sprachanalysegutachten zur Kenntnis gebracht.
Der Beschwerdeführer beharrte zunächst darauf, bisher die Wahrheit gesagt zu haben. Er würde aber darum ersuchen, in Pakistan beim Ministerium für Nomaden nachzufragen. Er sei nicht hier um Spaß zu haben; er habe viele kleine Kinder. Er sei in Afghanistan geboren worden und dort aufgewachsen. Seine Eltern seien pakistanische Staatsbürger. Sein Reisepass sei in Peshawar ausgestellt worden. Dort befinde sich auch seine Familie bei seinem Onkel. Sein Onkel sei ebenfalls pakistanischer Staatsbürger und seine Schwester sei mit einem pakistanischen Staatsbürger verheiratet. Die letzte Nacht vor seiner Ausreise sei er bei seinen Verwandten in Peshawar aufhältig gewesen.
Seine Fluchtgründe würden der Wahrheit entsprechen. Er habe in seiner Heimat Probleme mit den Taliban.
Befragt, warum er bisher angegeben habe, aus Afghanistan zu kommen, erklärte der Beschwerdeführer: "Afghanen bekommen Asyl."
7. Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Abs 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit abgesprochen und im Rahmen einer Eventualbegründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte.
8. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX erhob der Beschwerdeführer in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der angefochtenen Entscheidung liege fälschlicherweise die Annahme zugrunde, dass der Beschwerdeführer pakistanischer Staatsangehöriger sei. Obwohl sein sprachlicher Hintergrund laut sprachlicher Analyse nicht nur einem Land zuzuordnen sei, schließe die belangte Behörde daraus willkürlich auf eine pakistanische Staatsangehörigkeit. Da die belangte Behörde den Wortlaut des Gutachtens im Bescheid nicht wiedergebe (und auch das Ergebnis nicht zu einer Feststellung erhebe), könne im Rahmen der Beschwerdeerhebung auf das Gutachten nicht näher eingegangen werden. Bezüglich der vorgelegten Tazkira könne er nur angeben, dass er diese vom "Kaweil-Ministerium" – zuständig für Kuchi – ausgestellt bekommen habe. Er werde jedenfalls Kontakt mit seinem Herkunftsland Afghanistan aufnehmen und um eine neuerliche Ausstellung bzw. um eine Bestätigung der Provinz Jalalabad ersuchen.
Wenn die belangte Behörde anführe, der Beschwerdeführer habe nach Vorhalt der Ermittlungsergebnisse zugegeben, Pakistani zu sein, so sei dies unrichtig und finde auch bei Durchsicht der Niederschrift keine Bestätigung. Es sei zwar richtig, dass in der Niederschrift festgehalten worden sei, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, seine Eltern wären Pakistani. Dies habe er jedoch nie gesagt. Insoweit werde dies bestritten und sei nur dadurch erklärlich, dass es Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gegeben habe. Soweit die belangte Behörde zudem ausführe, dass Familienmitglieder in Peshawar leben würden, spreche dies nicht gegen eine afghanische Staatsangehörigkeit, zumal die Kuchi-Nomaden naturgemäß grenzüberschreitend wandern.
In weiterer Folge wurde das bisherige Fluchtvorbringen wiederholt und angemerkt, dass die Ausführungen der belangten Behörde, wonach es unglaubhaft sei, dass ein Analphabet in der Lage sein soll, ein Geschäft für CDs und DVDs zu führen, ohne nähere Ermittlungen getroffen worden seien. Man habe das Geschäftsgebaren in Afghanistan nicht berücksichtigt, sondern offensichtlich ausschließlich einen westeuropäischen Maßstab herangezogen.
Hinsichtlich der Frage des subsidiären Schutzes wurde auf die aktuelle Reisewarnung für Afghanistan verwiesen.
9. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , XXXX , wies dieser die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX hinsichtlich aller Spruchpunkte gemäß §§ 3, 8, 10 und 38 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet ab.
Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit abgesprochen und im Rahmen einer Eventualbegründung wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bei Wahrunterstellung seines Vorbringens jedenfalls die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen stünde und er staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte.
10. Mit Schreiben vom 04.04.2013 teilte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof mit, dass er am 26.03.2013 im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizeiinspektion Mauthausen betreffend den Verdacht auf Fälschung der Tazkira eine aktuelle Bestätigung des Leiters des Registrieramtes in Jalalabad zum Nachweis der Echtheit seiner afghanischen Tazkira vorgelegt habe, welche nun ihrerseits auf Echtheit überprüft werde.
11. Am 18.04.2013 langte ein Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens des Beschwerdeführers beim Asylgerichtshof ein. Gestützt wurde dieser Antrag auf § 69 Abs 1 Z 2
AVG.
Darin wurde festgehalten, dass das neue Bescheinigungsmittel noch während des laufenden Verfahrens hervorgekommen sei. Der Beschwerdeführer habe auf taugliche Weise versucht, das neue Bescheinigungsmittel noch vor Erlassung des Erkenntnisses bekanntzugeben. Dass das bekanntgegebene Bescheinigungsmittel vom Asylgerichtshof aus faktischen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden habe können, habe sich seiner Kenntnis entzogen und habe er auch nicht wissen können. Er sei guten Glaubens gewesen, dass sein Beschwerdeverfahren noch offen wäre. In diesem Sinne sei das Bescheinigungsmittel im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden.
Bei Berücksichtigung des neuen Bescheinigungsmittels – eine Bestätigung des Leiters des Registrieramtes in Jalalabad und des Innenministeriums – hätte der Asylgerichtshof die afghanische Staatsbürgerschaft feststellen können, was einen im Hauptteil des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
12. Mit Schreiben vom 17.06.2013 richtete der Asylgerichtshof zum Verfahren des Antragstellers ein Erhebungsersuchen an den Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft in Islamabad, um die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente auf ihre Echtheit und Unverfälschtheit zu überprüfen.
Laut Erhebungsbericht der ÖB Islamabad vom 06.07.2013 habe der Beschwerdeführer ein falsches, nachgemachtes Dokument vorgelegt. Die Tazkira sei weder von den zuständigen Behörden in Afghanistan ausgestellt worden, noch sei sie in deren Akten verzeichnet gewesen. Dies sei sowohl vom Tazkira-Büro in der Hauptstadt als auch in der Provinz bestätigt worden. Das angebliche Behördenzertifikat sei ebenso irrelevant, da es vom Beschwerdeführer – unterfertigt und mit Fingerabdruck versehen – vorgelegt worden sei, obwohl dieser zu dem betreffenden Datum gar nicht persönlich anwesend gewesen sei. Es sei bei einem derartigen Antrag aber unbedingt notwendig, persönlich anwesend zu sein.
Die im gegenständlichen Fall aufgestellten Behauptungen würden sich daher nicht mit den Tatsachen im Einklang befinden. Die gründliche Ermittlung habe ergeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Tazkira absolut unwahr seien. Die Tazkira habe sich als falsch und nachgemacht herausgestellt.
13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2014, L508 1433050-2/17E, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im entscheidungsgegenständlichen Fall das Erhebungsergebnis der Österreichischen Botschaft in Islamabad vom 06.07.2013 nochmals bestätigt werde, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Tazkira um ein gefälschtes Dokument handle. Die Tazkira sei demnach offenkundig inhaltlich nicht echt und entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen, da keine allgemeinen Angaben zur Personenidentität vorhanden seien.
Die Tazkira sei weder von den zuständigen Behörden in Afghanistan ausgestellt worden, noch in deren Akten verzeichnet gewesen. Dies sei sowohl vom Tazkira-Büro in der Hauptstadt als auch in der Provinz bestätigt worden. Das neu vorgelegte Behördenzertifikat sei ebenso wenig authentisch, zumal es vom Beschwerdeführer unterfertigt und mit Fingerabdruck versehen, vorgelegt worden sei, obwohl dieser zu dem betreffenden Datum gar nicht persönlich anwesend gewesen sei. Bei einem derartigen Antrag sei es aber unbedingt erforderlich, persönlich anwesend zu sein. Die gründlichen Ermittlungen würden daher ergeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Tazkira absolut unwahr seien.
Aufgrund der soeben aufgezeigten Ungereimtheiten könne die im bisherigen Verfahren vorgenommene Beweiswürdigung, auf die hier verwiesen werde und wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei, nicht widerlegt werden. Dem Beschwerdeführer sei es mit der Vorlage dieses Schriftstückes jedenfalls nicht gelungen, neu hervorgekommene Tatsachen (Beweismittel) vorzulegen, die entscheidungsrelevante Umstände derartig betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätten und daher auch im wieder aufgenommenen Verfahren führen werden (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2 S 1468, 14).
Somit hätte das vorgelegte Beweismittel, wenn es schon in dem wieder aufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wäre, zu keiner anderen Feststellung des Sachverhaltes und somit zu keinem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid geführt.
Die Begründung des gegenständlichen Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens erfülle somit nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG, der dem § 69 Abs 1 Z 2 AVG nachgebildet sei.
Der Antrag auf Wiederaufnahme sei daher jedenfalls spruchgemäß abzuweisen gewesen.
14. Am 18.11.2015 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer führte im Zuge der Erstbefragung aus, dass er seit der letzten Entscheidung Österreich nie verlassen habe, sondern immerzu in St. Nikola aufhältig gewesen sei. Seine Familie lebe in Pakistan in einem Flüchtlingscamp für Afghanen. Seine
6-jährige Tochter sei schwer krank (eine Niere von ihr habe versagt), weshalb der Beschwerdeführer einen positiven Asylbescheid brauche. Auf diese Art und Weise könne die Tochter des Beschwerdeführers hier medizinisch versorgt werden. Da der Beschwerdeführer in den letzten Jahren in Österreich nicht arbeiten habe dürfen, könne er sein Leben nicht aufbauen und somit das nötige Geld verdienen, um seine Tochter (bzw. den Rest der Familie) nach Österreich zu holen. Man habe dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er kein afghanischer Staatsbürger sei. Er habe der belangten Behörde seine Tazkira vorgelegt, welche seine Staatsbürgerschaft belege. Dies könne auch von einem Sachverständen überprüft werden. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Erstbefragung angegeben, er habe indische Filme verkauft; dies sei jedoch nicht korrekt, er habe pornographische Filme verkauft. Für diesen Umstand habe sich der Beschwerdeführer jedoch geschämt.
Dies seien seine neuen Fluchtgründe und die Gründe für seine neue Antragstellung. Bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan müsse der Beschwerdeführer um sein Leben fürchten, da er befürchte ein weiteres Mal von den Taliban zusammengeschlagen zu werden.
15. Mit bei der belangten Behörde am 16.12.2015 eingelangtem Schreiben übermittelte der Beschwerdeführer zahlreiche Unterlagen, vornehmlich Rezepte und Befunde.
16. Mit Schreiben vom 10.03.2016 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er aus Afghanistan stamme und nicht aus Pakistan. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen seiner Tochter Kainat, die mit deren Mutter und deren Geschwistern als afghanische Flüchtlinge in Pakistan leben würden, vorgelegt.
17. Im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.03.2017 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, ua Folgendes wortwörtlich an:
"[ ]
F.: Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen.
A.: im Jahr 2011, nach dem 2.Vorfall den Asylgrund betreffend.
F.: Wann haben Sie ihr Heimatland tatsächlich verlassen.
A.: 2011 und ich kam um den 25.12.2011 in Österreich an.
F.: Wo waren Sie die letzte Nacht vor ihrer Ausreise aufhältig.
A.: Ich reiste von Jalalabad aus. Ich übernachtete in einem Schlepperquartier.
F.: Reisten Sie schlepperunterstützt nach Österreich ein.
A.: Ja.
F.: Geben Sie chronologisch und lückenlos die Aufenthaltsorte der letzten drei Jahre in Ihrer Heimat an.
A.: Immer Jalalabad.
[ ]
F.: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.
Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.
Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.
Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.
A.: Mein Leben ist in Jalalabad in Gefahr, weil ich pornografische Filme verkauft habe. Ich wurde von den Taliban gewarnt, dass ich mit der Tätigkeit aufhören soll und eines Tages wurde ich von den Taliban verschleppt und dort angekommen, geschlagen und die Hände und Füße wurden dabei gebunden. An diesem Tag war ich unterwegs in die Stadt Lahore, Pakistan, um Filme zu kaufen. Als ich zurückgekommen bin nach Afghanistan, wurde ich von den Taliban erwischt. Das war in der Dunkelheit, am Abend. Ich war mit dem öffentlichen Minibus von der Grenze her nach Jalalabad unterwegs. Wir waren zu fünft in dem Minibus. Von der Stadt Jalalbad nachhause an meine Heimatadresse Jalalabad im Gebiet Kochiane Riyasat (Präsidium für Nomaden) im 3.Bezirk. Zuerst wollte ich in das Geschäft, das war in einer unterirdischen Passage in Jalalabad Zentrum, aber das war schon zugesperrt, deshalb ging ich mit der Ware heim. Auf diesem Heimweg blieb ein Auto stehen von einem mir Unbekannten und ich stieg ein, um nachhause geführt zu werden, aber er brachte mich zu den Taliban. Es ist üblich in der Gegend, dass man sich gegenseitig hilft, deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht.
F.: Wie kamen Sie dann weg von dort, wo man Sie geschlagen hat?
A.: Es gab eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Taliban und so konnte ich flüchten. Zwei Personen von den Regierungsleuten haben meine Hände und Füsse entbunden, also mich befreit. Ich möchte angeben, dass ich in diesem Punkt in Traiskirchen falsch verstanden wurde bei der Erstbefragung.
F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.
A.: Danach ging ich zum Polizeistützpunkt bei Jalalabad und verriet, dass die Taliban da sind. Dadurch fürchtete ich ihre Verfolgung. Es kam danach zu einer neuerlichen Auseinandersetzung zwischen den Regierungskräften und den Taliban und danach beschloss ich die Heimat zu verlassen.
F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.
A.: Ja. Das sind meine Gründe.
F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt 2017 in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.
A.: Mein Leben ist in Gefahr, weil jetzt gibt es nicht nur die Taliban sondern auch die IS und ich habe auch niemanden in Afghanistan. Die Leute in meiner Heimat wissen, dass ich sittenwidrige Filme verkauft oder verliehen habe, ich werde als Ungläubiger dargestellt und ich stehe nach wie vor in der Liste der Taliban.
Auf Nachfrage gebe ich an, ich weiß, dass ich auf der Liste stehe, weil als ich dort geschlagen wurde, wurde ich auch fotografiert, da wurde mir klar, dass ich auf der Liste stehe. Außerdem wurden von den Taliban meine Daten aufgenommen, ich hatte ja die eingekaufte Ware aus Lahore bei mir und außerdem hatte ich auch Potenzmittel eingesteckt. Man verdiente damals gut damit.
Vertrauensperson: die Taliban nehmen biometrische Daten auf, z.B. von den Rot-Kreuz-Leuten.
F.: Gibt es noch weitere Gründe, die Sie anführen wollen
A.: Nein, das ist genug, das reicht, um dort zum Tode verurteilt zu werden.
[ ]
F.: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert.
A.: Ja."
18. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe keinesfalls plausibel und nachvollziehbar seien und selbst bei der Glaubhaftigkeit seiner Angaben diesem keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe. Zudem seien im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art 2 bzw. Art 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung gemäß Spruchpunkt III. wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet. Hinsichtlich Spruchpunkt IV. führte die belangte Behörde aus, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers eine durchsetzbare Ausweisung erlassen worden sei und sich der Beschwerdeführer ohne jegliche asyl- bzw. fremdenrechtliche Bewilligung und somit unrechtmäßig in Österreich bis zu seiner neuerlichen Antragstellung am 18.11.2015 aufgehalten habe. Eine Ausreise aus dem Bundesgebiet sei vom Beschwerdeführer auch nie behauptet worden.
19. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vom 29.09.2017, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und aus religiösen Gründen drohe. Der Beschwerdeführer habe in Jalalabad ein Geschäft, in welchem er pornographisches Material zum Verkauf angeboten habe, besessen und sei deshalb massiven Verfolgungshandlungen durch Taliban-Terroristen ausgesetzt gewesen. Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer zu Afghanistan keinen Bezug mehr und könne in Afghanistan keine menschenwürdige Existenz mehr führen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert. Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und es wäre ihm daher Asyl zu gewähren gewesen.
Allenfalls wäre dem Beschwerdeführer aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage in seiner Heimat, sowie der fehlenden Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative und der daraus entstehenden Gefahr einer existenzbedrohenden Lage im Falle einer Rückkehr subsidiärer Schutz zu gewähren oder aufgrund der Schützenswürdigkeit seines Privat- und Familienlebens eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären gewesen.
Hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung sei zu berücksichtigen, dass bei Nichtgewährung ein effektiver Rechtsschutz nicht gegeben wäre. Unverständlich sei auch, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erlassen werde, ohne dass dies auf den konkreten Einzelfall des Beschwerdeführers hin überprüft werde.
Es sei kein Grund ersichtlich, worin eine Notwendigkeit bestehe, den Beschwerdeführer abzuschieben, bevor eine Entscheidung über die vorliegende Beschwerde ergehe. Darüber hinaus falle die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung weniger schwer ins Gewicht, als der Schaden, den der Beschwerdeführer im Falle einer sofortigen Abschiebung erleiden würde.
Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Situation in Afghanistan auseinanderzusetzen. Die Verpflichtung, ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, bedeute, dass die konkrete und aktuelle Situation untersucht werde. Dies sei in diesem Fall verabsäumt worden, insbesondere dadurch, dass der belangten Behörde als Spezialbehörde ausreichend Material vorliegen müsse, aus dem die Verfolgungssituation erkennbar sei.
Dadurch, dass sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich.
Der Beschwerdeführer stelle daher den
"ANTRAG
a) dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen;
b) allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren;
c) allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen;
d) Aufschiebende Wirkung zu gewähren;
e) einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifischen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten befasst;
f) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen;
g) allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;
h) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;
i) allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist"
20. Die belangte Behörde legte die Akten betreffend das vorliegende Verfahren mit Schriftsatz vom 09.10.2017, hg. am 11.10.2017 eingelangt, dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist volljährig, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur muslimischen Glaubensrichtung. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet und stammt aus der Stadt Jalalabad. Seine Ehefrau und seine Kinder leben als registrierte Flüchtlinge in Pakistan; die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Die Schwester des Beschwerdeführers und deren Familienangehörige sowie zwei Tanten des Beschwerdeführers sind in Afghanistan aufhältig. Die Tochter und ein Sohn des Beschwerdeführers befinden sich in Pakistan in medizinischer Behandlung.
Der Beschwerdeführer half seinen Eltern mit der Viehzucht in Afghanistan. Zudem betrieb der Beschwerdeführer in Afghanistan eine Videothek und verkaufte dort zusätzlich Mobiltelefone.
Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2011 Afghanistan und stellte nach illegaler Einreise erstmalig am 28.12.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde diesen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer stellte am 18.11.2015 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, über den gegenständlich zu entscheiden ist.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, ist unbescholten und hat in Österreich keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer finanziert sich seinen Unterhalt in Österreich aus Leistungen der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer besucht seit November 2015 keinen Deutschkurs, steht jedoch auf einer Warteliste für einen Deutschkurs und lernt selbst zuhause Deutsch. Der Beschwerdeführer hat Stellenangebote bekommen, geht aber derzeit keiner beruflichen Tätigkeit nach. Er ist auch nicht in einem Verein aktiv.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde. Nicht festgestellt werden kann, dass seitens der Taliban aufgrund seiner Tätigkeit als Händler im Jahr 2011 bis heute ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw bestehen könnte.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan:
Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Afghanistan zitiert. Die Verhältnisse in Afghanistan haben sich seit der letzten Entscheidung der belangten Behörde vom XXXX – in welcher bereits geprüft und festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde – nicht maßgeblich und auch nicht nachteilig für den Beschwerdeführer verändert und ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung seines bereits rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahrens, seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz vom 29.09.2017 sowie in den aktuellen Strafregisterauszug der Republik Österreich und in die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und aus dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung und schließlich durch Einsichtnahme in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Afghanistan mit Stand 02.03.2017 inklusive Kurzinformation vom 27. und 22.06.2017.
Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch bestreitet der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert. Weiters vermag das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt in Frage zu stellen.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Herkunft, zu den familiären Verhältnissen, zum Aufenthalt seiner Familie sowie den persönlichen Lebensumständen des Beschwerdeführers in Afghanistan, Pakistan und in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt. Abgesehen von den am 16.12.2015 vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen betreffend Rezepte und Befunde von seinen Kindern, brachte er keine weiteren Unterlagen hinsichtlich der Erkrankung seiner Kinder in Vorlage, dies weder im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde noch im Rahmen der Beschwerdeerhebung. Auch erstattete er diesbezüglich kein entsprechend substantiiertes Vorbringen, welches der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen wäre.
Da der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Tazkira handelt es sich um ein gefälschtes Dokument, die Tazkira wurde weder von den zuständigen Behörden in Afghanistan ausgestellt noch ist sie in deren Akten verzeichnet gewesen.
Die Feststellungen hinsichtlich seiner illegalen Einreise, seines bereits rechtskräftig negativ entschiedenen Erstverfahrens und des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt.
In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.03.2017 bestätigte der Beschwerdeführer auch, dass er in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt und alleine lebt.
Zum Nachweis seiner sozialen Verfestigung brachte der Beschwerdeführer ebenso wenig entsprechende Unterlagen in Vorlage wie für die Beurteilung seines Gesundheitszustandes, dies auch nicht im Rahmen der Beschwerdeerhebung.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 11.10.2017.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Nochmals wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert bestreitet und in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich den tragenden Erwägungen der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt. So führt der Beschwerdeführer lediglich lapidar ins Treffen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht besonders überzeugend im Vergleich zu den ausführlichen und konkreten Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sei.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, ergibt sich aus dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren des Beschwerdeführers, welchem – abgesehen von der nunmehr angenommenen afghanischen Staatsangehörigkeit – materiell dasselbe und letztlich das als nicht glaubhaft qualifizierte Fluchtvorbringen zugrunde gelegen ist.
Wie die belangte Behörde ausführlich aufzeigt, treten neben zahlreichen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten des Beschwerdeführers in seinen Angaben zu den Fluchtmotiven zwischen den Einvernahmen im ersten und zweiten Verfahren (etwa den Inhalt der verkauften Filme, den Ort der Entführung, die Umständen der Befreiung des Beschwerdeführers, die Anzeige bei der Polizei betreffend) weitere Widersprüche hinzu, wodurch bereits insofern der Begründung seines Folgeantrages eine geminderte Glaubhaftigkeit beizumessen war.
Wie dies die belangte Behörde zu Recht aufgreift, war es dem Beschwerdeführer insbesondere auch nicht möglich, substantiiert und plausibel darzulegen, weshalb beinahe sechs Jahre nach Beendigung seines Handels mit pornographischen Filmen und Potenzmitteln weiterhin von Seiten der Taliban aufgrund seiner damaligen Tätigkeit ein aufrechtes besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers bestehen sollte, zumal, und auch insofern ist der belangten Behörde beizupflichten, der Beschwerdeführer auch nicht als in einer exponierten Position stehend angesehen werden kann. Es ist daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unter Beachtung der erheblichen Zeitspanne von beinahe sechs Jahren und der ohnehin beendeten Tätigkeit als Händler aktuell einer unmittelbaren und individuellen von den Taliban ausgehenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.
In einer Gesamtbetrachtung der zuvor genannten Umstände, erachtet das Bundesverwaltungsgericht die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung durch die Taliban aufgrund des Verkaufs "sittenwidriger" Waren folglich als nicht glaubhaft.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals auch die intensive Gefahr aufgrund des langjährigen Auslandsaufenthaltes, als "verwestlicht" angesehen zu werden, ins Treffen führt, so ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen lediglich allgemein in den Raum gestellt wurde und – im Hinblick auf eine konkrete Bedrohungssituation – gänzlich unsubstantiiert blieb, weshalb es ihm schon insofern nicht gelungen ist, eine "westliche" Orientierung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Weise glaubhaft zu machen. Im Übrigen lässt sich aus den zugrundegelegten Länderberichten keine allgemein bestehende Gefährdung von asylrelevanter Intensität für aus dem Ausland zurückkehrende Afghanen ableiten.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen basieren auf den angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, welche ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten und denen seitens des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde und im Zuge der Beschwerdehebung nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten wurde, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie der Entscheidung im Hinblick auf die Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 Statusrichtlinie [RL 2011/95/EU] verweist.).
Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (in der Fassung des Art 1 Abs 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; 16.02.2000, 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK ge-nannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen – asylrelevante Intensität er-reichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
"Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl VwGH 23.01.1997, 95/20/0303, sowie VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
1.2. Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer – wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung unter 2. dargelegt – nicht gelungen, wohlbegründete Furcht vor konkret und gezielt gegen seine Person gerichteter aktueller Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Dies trifft auch auf die in der Beschwerde erstmals geltend gemachte Gefährdung aufgrund seiner "Verwestlichung" zu. Im Übrigen ist ihm entgegenzuhalten, dass aus den Länderfeststellungen nicht ableitbar ist, dass eine "verwestlichte" Verhaltensweise, Geisteshaltung oder auch Bekleidung bei Männern alleine bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Entsprechend erkannte der Verwaltungsgerichtshof, dass mit einem Revisionsvorbringen, wonach der Revisionswerber im Ir