TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/8 99/19/0051

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2000
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2 impl;
AVG §56;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1983 geborenen E K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1999, Zl. 124.185/3-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 3. Jänner 1997 bei der österreichischen Botschaft in Ankara die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater. Dieser Antrag langte am 10. Jänner 1997 bei der erstinstanzlichen Behörde ein.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 9. April 1998 diesen Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG 1997) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß §§ 21 Abs. 1 bis 3 und 113 Abs. 10 FrG 1997 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 gehe eindeutig hervor, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt sei. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Antragsformular als Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" und zwar mit seinem in Österreich lebenden Vater angegeben habe. Der Beschwerdeführer sei jedoch bereits über 14 Jahre alt und es treffe der Aufenthaltszweck nicht mehr zu. Unbeschadet des Vorbringens des Beschwerdeführers in seiner Berufung sei bei der Beurteilung seines Antrages allein maßgeblich gewesen, dass er bereits das 14. Lebensjahr vollendet habe und somit gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung ausgeschlossen sei.

Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Vater des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei. Es habe sohin eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen zu erfolgen. Nach Wiedergabe des § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 führte die belangte Behörde weiters aus, der "Abwägung" sei zu entnehmen, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, weil der vorgegebene Aufenthaltszweck keinesfalls zutreffen könne. Die Ermessensentscheidung der belangten Behörde sei zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgefallen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde stütze sich ausschließlich darauf, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das "gesetzliche Alter" überschritten habe. Die belangte Behörde habe jedoch das Datum der Antragstellung aktenwidrig mit 3. September (statt: 3. Jänner) 1997 angenommen und daher in der Folge auch nicht festgestellt, dass der Antrag vom Beschwerdeführer vor Vollendung seines 14. Lebensjahres gestellt worden sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung könne nicht allein ausschlaggebend sein, wie alt der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung, sondern vielmehr, wie alt er im Zeitpunkt der Antragstellung gewesen sei, insbesondere dann, wenn die Entscheidung über zwei Jahre benötigt und sich die Gesetzeslage zwischen Antragstellung und Berufungsentscheidung geändert habe.

Die Beschwerde ist zwar insoweit im Recht, als nach den vorgelegten Verwaltungsakten die Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Ankara tatsächlich am 3. Jänner (und nicht am 3. September) 1997 erfolgt ist (wobei der Antrag in weiterer Folge schon am 10. Jänner 1997 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt ist), doch wird - auch ausgehend von einer Antragstellung vor Erreichung des 14. Lebensjahres des Beschwerdeführers - mit dem wiedergegebenen Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 99/19/0052 bis 0055, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:

Wenn in dieser Bestimmung (gemeint: § 21 Abs. 3 FrG 1997) davon die Rede ist, dass der Familiennachzug auf die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligung (nur darauf, nicht etwa auf den tatsächlichen Nachzug kann es ankommen) des Familiennachzuges nach dieser Bestimmung nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmündigen Kindern erteilt kann.

Das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist demnach - so die weiteren Ausführungen des Erkenntnisses - nicht als unsachlich zu erkennen, ist doch für die Entscheidung, ob einem Fremden die Zuwanderung zu gestatten ist oder nicht, die persönliche Situation (hier: das Alter) des Fremden im Entscheidungszeitpunkt wichtiger als jene im Antragszeitpunkt. Der Umstand, dass ein vor Erreichen der Mündigkeit gestellter Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 bloß deshalb nicht bewilligt werden kann, weil sich die Entscheidung darüber bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres des Antragstellers verzögert hat, wäre allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des § 113 Abs. 10 FrG 1997 bei einer im Rahmen der Quote gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. für den Fall der Erreichung der Volljährigkeit während des Niederlassungsverfahrens auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:

Die belangte Behörde hat es - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zlen. 98/19/0225, 0226, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass ausgehend vom Zweck des § 113 Abs. 10 FrG 1997 die dort umschriebene Voraussetzung, "dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand", dahin zu interpretieren ist, dass sie im Fall einer Antragstellung vor Inkrafttreten des FrG 1997 nur dann fehlt, wenn der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand, also auch unter der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes in Wahrheit gar kein Anspruch auf Familiennachzug bestand.

Maßgebend für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen, ist daher nicht ein konkretes Verhalten oder die hinter einem solchen Verhalten stehende Motivation der Aufenthaltsbehörde (für die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung), sondern allein die Frage, ob während der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes dem Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand. Hiezu sind bei der Beurteilung der Frage, ob § 113 Abs. 10 FrG 1997 angewendet werden kann, von der Niederlassungsbehörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Nach dem Vorgesagten war die belangte Behörde daher nicht berechtigt, allein aufgrund der Tatsache, dass die erstinstanzliche Behörde am 9. April 1998 den Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 zur Anwendung brachte, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 (stillschweigend) zu negieren.

In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, ob im Falle des Beschwerdeführers zwischen seiner Antragstellung und dem 1. Jänner 1998 ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag.

Verneinendenfalls wäre auf den Beschwerdeführer die Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 anzuwenden gewesen. Er wäre dann berechtigt gewesen, seinen Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quoten durchzusetzen. Ein Raum für eine Ermessensübung der belangten Behörde hinsichtlich der Erteilung der Niederlassungsbewilligung bestünde diesfalls nicht.

Schon aus dieser Erwägung leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Im Übrigen wäre auch bei Verneinung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 eine Prüfung des Antrages unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 5 FrG 1997 geboten gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999 , Zl. 99/19/0236).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 8. September 2000

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999190051.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten