Entscheidungsdatum
24.10.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2157906-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2017, Zl. 1136885203-161624495, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz
BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 01.12.2016 den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Einer EURODAC-Treffermeldung zufolge wurde der Beschwerdeführer am 31.08.2016 in Italien erkennungsdienstlich behandelt (IT2 31.08.2016).
Am 02.12.2016 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und gab hierbei zusammengefasst an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente einnehmen zu müssen. In Österreich oder einem anderen EU-Staat habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. Ein bestimmtes Zielland habe er bei Ausreise aus der Heimat nicht gehabt. Er habe die Heimat am 04.08.2016 mittels PKW verlassen und sei über ein ihm unbekanntes Land nach Libyen gelangt, wo sie sich ca 10 Tage aufgehalten habe. Anschließend sei der Beschwerdeführer nach Italien gereist. Er habe dort nicht um Asyl angesucht; es habe ihm in Italien "nicht gefallen". Der Beschwerdeführerin wolle nicht nach Italien zurückkehren, sondern in Österreich bleiben.
Am 20.12.2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 13 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin-III-VO) an Italien; dies unter Hinweis auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Reiseweg bzw Aufenthalt in Italien.
Die österreichische Dublin-Behörde wies Italien mit Schreiben vom 03.03.2017 auf die Verfristung und die dadurch nunmehr bestehende Zuständigkeit Italiens für die Führung des gegenständlichen Asylverfahrens hin; dies beginnend mit 21.02.2017.
Am 31.03.2017 fand – in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Hiebei gab dieser im Wesentlichen an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er leide nicht an schweren Krankheiten; er sei gesund. In Österreich bzw sonst in Europa habe er keine Familienangehörigen oder Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. Er habe ursprünglich ein Visum für Italien beantragt, dieses jedoch nicht erhalten. In Italien seien ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden; um Asyl habe er in Italien jedoch nicht angesucht. Er habe Italien freiwillig wieder verlassen. Nach Italien zurückkehren wolle der Beschwerdeführer nicht. Dort sei es "sehr schlimm" gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 13 Abs. 1 (richtig: iVm Art 22 Abs 7) Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Gegen den Bescheid des Bundesamtes richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer emotional belastet sei, da er sich um seine Kinder in Nigeria Sorgen mache. In Italien hätte der Beschwerdeführer mit Drogen handeln sollen, was dieser jedoch abgelehnt habe. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer mit Gewaltanwendung gedroht worden. Der Beschwerdeführer habe einen bösartigen Weichteiltumor (Liposarkom). Die Operation sei für den 18.05.2017 festgesetzt. Der Beschwerdeführer leide auch an Lähmungserscheinungen am Bein. Er leide weiters an Angstzuständen und Schlafstörungen; der Beschwerdeführer sei offenbar traumatisiert. Dies habe er den Behörden und den Unterkunftgebern verschwiegen. In Italien habe der Beschwerdeführer keine medizinische Versorgung erhalten. Es wäre eine Einzelfallprüfung erforderlich gewesen, zur Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer in Italien eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Weiters hätte die Behörde eine individuelle Zusicherung hinsichtlich seiner Unterbringung und Versorgung einholen müssen. Es drohe Obdachlosigkeit und unzureichende medizinische Versorgung in Italien. Die Länderfeststellungen würden die aktuelle Situation in Italien nicht darstellen. Österreich wäre gehalten gewesen, den Selbsteintritt zu erklären. Es werde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Unter einem wurde ein Prämedikationsbogen eines Universitätsklinikums vom 12.05.2017 vorgelegt, aus dem sich Folgendes ergibt: Diagnose: Lipom DD Liposarkom; Geplante Operation:
Lipomextirpation.
Nachgereicht wurde ein Ambulanzbericht eines Universitätsklinikums, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 17.05.2017.
Diagnosen: Anpassungsstörung F43.2; Depressive Episode mittelgradig F32.1. Es wurden Medikamente verordnet.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu seinem aktuellen Gesundheitszustand abzugeben.
Mit Schreiben vom 13.06.2017 wurde mitgeteilt, dass die Operation des Lipoms erfolgreich verlaufen sei. Es sei jedoch am 21.06.2017 eine weitere Operation erforderlich. Die Verordneten Medikamente gegen die psychischen Beschwerden nehme der Beschwerdeführer ein.
Aus einer Meldung vom 11.07.2017 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einen (weiteren) Operationstermin für den 12.07.2017 hat.
Mit E-Mail vom 23.10.2017 wurde seitens des BMI mitgeteilt, dass aufgrund des Gesundheitszustandes bzw einer Operation die Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht habe vollzogen werden können und die Überstellungsfrist am 21.08.2017 abgelaufen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.
Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorlag, erfolgte dessen Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten, konkret bis zum Ablauf des 21.08.2017. Das Verfahren wurde nicht ausgesetzt bzw fand keine sonstige Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO fand statt.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere auch aus dem Konsultationsverfahren.
Die Überschreitung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung ergibt sich gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO, wonach die Zustimmungsfiktion nach Verstreichen einer Frist von 2 Monaten vorliegt. Dass eine fristgerechte Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien nicht erfolgt ist, ergibt sich aus einer entsprechenden Mitteilung seitens des Bundeamtes vom 23.10.2017.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 21 (3) BFA-VG: Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:
Aufnahmeverfahren
Artikel 21
Aufnahmegesuch
(1) Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.
Abweichend von Unterabsatz 1wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.
Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.
(2) Artikel 22 Antwort auf ein Aufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.
(2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.
(3) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien gemäß den in den Buchstaben a und b dieses Artikels festgelegten Kriterien aufgeführt sind, fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
a) Beweismittel:
i) Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;
ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung;
b) Indizien:
i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können;
ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz wird von Fall zu Fall bewertet.
(4) Das Beweiserfordernis sollte nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung erforderliche Maß hinausgehen.
(5) Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen.
(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Artikel 21 Absatz 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.
(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Artikel 29 Dublin III – VO: Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme — oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.
Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.
Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
Artikel 42 Berechnung der Fristen
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:
a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.
b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.
Auf Grund des Aufnahmeersuchens Österreichs gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO an Italien vom 20.12.2016, der Nichtbeantwortung des Gesuchs durch die italienische Dublinbehörde und somit des Vorliegens von Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO, war der erste Tag der Überstellungsfrist der 21.02.2017 und endete die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 iVm Art 42 lit b Dublin III-VO nach genau sechs Monaten mit Ablauf des 21.08.2017.
Der Beschwerdeführer war in Österreich durchgehend gemeldet. Fristverlängerungen aus den in Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Gründen haben nicht stattgefunden bzw. wurden Rechtsbehelfe mit aufschiebender Wirkung seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht gewährt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 1 Dublin III–VO schon abgelaufen. Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates.
Ein Übergang der Zuständigkeit gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III–VO hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr für die Führung des materiellen Verfahrens des Beschwerdeführers zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende, Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W185.2157906.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.11.2017