TE OGH 2017/9/13 11Os103/17g

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Veröffentlicht am 13.09.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Goran L***** wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB, AZ 36 Hv 138/15y des Landesgerichts St. Pölten, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 14. Jänner 2016 (ON 16) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 14. Jänner 2016, GZ 36 Hv 138/15y-16, verletzt in der rechtlichen Unterstellung der Tat (auch) unter § 224 StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur Strafbemessung für das verbleibende Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Text

Gründe:

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 14. Jänner 2016, GZ 36 Hv 138/15y-16, wurde Goran L***** des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt und zu einer (für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er „am 16. Juni 2015 in S***** eine falsche inländische öffentliche Urkunde, nämlich ein gefälschtes Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht, indem er dieses im Zuge seiner Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vorlegte“.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die rechtliche Unterstellung der Tat auch unter die Qualifikationsnorm des § 224 StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Bei inländischen öffentlichen Urkunden (§ 224 StGB) handelt es sich um mit qualifizierter Beweiskraft ausgestattete Urkunden, die ein österreichischer Beamter innerhalb seiner Amtsbefugnisse (oder – hier allerdings nicht von Relevanz – eine in Österreich mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises) in der vorgeschriebenen Form errichtet hat (Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 224 Rz 7).

Wer Beamter ist, bestimmt sich dabei nach § 74 Abs 1 Z 4 StGB. Weder der Behördencharakter der Dienststelle noch der dienstrechtliche Beamtenstatus, sondern der konkrete hoheitliche Aufgabenbereich des Handelnden, dh seine spezifische Funktion im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit, ist maßgebend. Dieser funktionale Beamtenbegriff erfasst auch „beliehene Unternehmer“, die im Auftrag einer Behörde ihnen in concreto übertragene hoheitliche Tätigkeiten ausüben (Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 224 Rz 9; Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in WK² StGB § 74 Rz 4). Dabei genügt der bloße Zusammenhang mit einer öffentlichen Aufgabe noch nicht; selbst eine gesetzlich oder
– wie hier – im Verordnungsweg geregelte, aber nicht als Organ eines Rechtsträgers in dessen Namen erfolgende Tätigkeit qualifiziert nicht zum Beamten (Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in WK² StGB § 74 Rz 4 mwN).

§ 21a Abs 1 NAG (Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich [Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG]) normiert, dass ein Drittstaatsangehöriger mit der Stellung eines Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen hat. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung (gemäß Abs 6 oder 7 leg cit) bestimmten Einrichtung zu erfolgen, worin schriftlich bestätigt wird, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt.

Nach § 9b Abs 2 Z 4 NAG-DV (Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes [Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV; BGBl II 2005/451]) gelten – unter anderem – Sprachdiplome oder Kurszeugnisse des Österreichischen Integrationsfonds als entsprechender Nachweis iSd § 21a Abs 1 NAG.

Diese Einrichtungen sind nicht als im eingangs beschriebenen Sinn „beliehene Unternehmen“, die im Auftrag der Behörde eine ihnen in concreto übertragene hoheitliche Tätigkeit ausüben, zu bewerten. Denn in der genannten Verordnung legte die Bundesministerin für Inneres lediglich jene Einrichtungen fest, von denen die Einhaltung der geforderten einheitlich hohen und für die Behörde nachvollziehbaren Standards im Allgemeinen erwartet werden kann (vgl ErläutRV zum FrÄG 2011 1078 BlgNR 24. GP 13 f). Dass eine in § 9b Abs 2 NAG-DV genannte Einrichtung in irgendeiner Form spezifisch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen soll, lässt sich weder der Verordnung noch dem NAG entnehmen.

Die Dokumentation des Prüfungsergebnisses in Form eines Diploms oder Zeugnisses ist überdies auch nicht mit erhöhter Beweisgarantie (vgl RIS-Justiz RS0095967) ausgestattet: Denn wenn die Behörde Zweifel hegt, dass der Drittstaatsangehörige tatsächlich über die geforderten Deutschkenntnisse verfügt, so hat sie – ungeachtet des Umstands, dass der Drittstaatsangehörige ein Diplom oder Zeugnis einer der in § 9b Abs 2 NAG-DV genannten Einrichtungen vorlegt – entsprechende weiterführende Ermittlungen anzustellen bzw den Drittstaatsangehörigen aufzufordern, zusätzliche Bescheinigungsmittel vorzulegen. Diplome und Zeugnisse der in § 9b Abs 2 NAG-DV genannten Einrichtungen sind daher nicht in jedem Fall anzuerkennen (ErläutRV 1078 BlgNR 24. GP 14).

Demnach hat Goran L***** durch die Vorlage eines gefälschten Prüfungszeugnisses des Österreichischen Integrationsfonds im Zuge der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, nicht aber auch die Qualifikation des § 224 StGB zu verantworten.

Der Oberste Gerichtshof sah sich, weil die Fehlqualifikation dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, dazu veranlasst, das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben (RIS-Justiz RS0116299, RS0116021) hatte, in der rechtlichen Unterstellung auch unter § 224 StGB, demgemäß im Strafausspruch aufzuheben. Das Landesgericht St. Pölten wird für das verbleibende Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB die Strafe neu zu bemessen haben.

Textnummer

E119674

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00103.17G.0913.000

Im RIS seit

02.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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