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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1976 geborenen ZD in Feldkirch-Tosters, vertreten durch Mag. G, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Dezember 1997, Zl. 683.597/8-III/16/97, betreffend Feststellung eines Aufenthaltsrechtes gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bosniens und der Herzegowina, stellte am 19. Jänner 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erstmals einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1996 u.a. gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1999, Zl. 97/19/1347, als unbegründet abgewiesen.
Mit einem ebenfalls als "Erstantrag" bezeichneten Antrag vom 14. Juli 1995, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch am 25. Juli 1995 (in Folge als Antrag vom 25. Juli 1995 bezeichnet), beantragte der Beschwerdeführer - unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblattes - neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck den der Familiengemeinschaft mit seinen Eltern an.
Aus dem über diesen Antrag ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 18. August 1995 geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 25. Juli 1995 "die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 12 AufG beantragt" habe. Gemäß § 12 AufG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, werde die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer bei der Einreise nicht angegeben habe, er habe auf Grund der bewaffneten Konflikte in seiner Heimat diese verlassen müssen und anderweitig keinen Schutz vor Verfolgung gefunden. Aus der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides geht hervor, dass eine Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg zulässig sei.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er die Feststellungen der belangten Behörde, insbesondere hinsichtlich des Ablaufes seiner Einreise am 15. Jänner 1995 bestritt und beantragte, der Sicherheitsdirektor für das Bundesland Vorarlberg wolle den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch dahingehend abändern, dass die beantragte Bewilligung gemäß § 12 AufG erteilt werde; in eventu den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg gab mit Bescheid vom 5. März 1996 der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den Bescheid erster Instanz. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheid wurde jedoch insofern abgeändert, als nunmehr "festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, zukommt." Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, der Beschwerdeführer habe sich "ohne Zweifel anlässlich der Grenzkontrolle als Tourist zu erkennen gegeben" und daher die Voraussetzungen des § 12 AufG bzw. der entsprechenden Verordnung nicht erfüllt. Es sei daher festzustellen, dass diesem ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gemäß § 12 AufG nicht zukomme.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Bundesminister für Inneres, in der er erneut die Feststellungen der Behörde hinsichtlich der Einreisemodalitäten bestritt und eine Abänderung des zweitinstanzlichen Bescheides dahingehend beantragte, dass die Bewilligung gemäß § 12 AufG für den Beschwerdeführer erteilt werde; in eventu möge der Bescheid aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Dezember 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 12 AufG keine Folge gegeben. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass sich das Aufenthaltsrecht kriegsvertriebener Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina unmittelbar aus der jeweiligen Verordnung der Bundesregierung ergebe. Demzufolge komme jedem, auf den die in der Verordnung genannten Voraussetzungen zuträfen, ein Aufenthaltsrecht zu. Regelungen für ein besonderes Verfahren oder für die Zuständigkeit bestimmter Behörden seien weder im AufG noch in der Verordnung getroffen. Demnach sei eine bescheidmäßige Erledigung eines solchen Aufenthaltsrechtes nicht vorgesehen. Abgesehen davon sei die bescheidmäßige Feststellung eines Rechtsverhältnisses auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung nur dann zulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens nicht entschieden werden könne bzw. wenn seine Erlassung für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung sei. Im gegenständlichen Fall sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht auf Grund der bewaffneten Konflikte seine Heimat verlassen musste und ihm das Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG nicht zukomme, weshalb spruchgemäß zu entscheiden sei.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 12. März 1998, B 325/98-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde
erwogen:
§ 12 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.
(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.
(3) Das Aufenthaltsrecht ist durch die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.
..."
Die belangte Behörde hat durch Abweisung der Berufung den Ausspruch der Behörde zweiter Instanz, wonach "festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 AufG im Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen Bosnien-Herzegowinas, BGBl. Nr. 389/1995, zukommt," bestätigt und - trotz der teilweise gegenteiligen Begründung des angefochtenen Bescheides - ihrerseits mit dem angefochtenen Bescheid eine Feststellung dieses Inhaltes getroffen. Damit hat die belangte Behörde aus nachstehenden Gründen ihren Bescheid aber mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet:
Der Beschwerdeführer hatte im Antrag vom 25. Juli 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seinen Eltern beantragt. Diesem Antrag waren eine Verpflichtungserklärung und eine Lohnbestätigung seines Vaters sowie eine Bestätigung über die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterkunft beigeschlossen. Dafür, dass der Beschwerdeführer nicht die Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG, sondern lediglich die Ersichtlichmachung eines Aufenthaltsrechtes gemäß § 12 Abs. 3 AufG in seinem Reisepass oder eine bescheidmäßige Feststellung eines derartigen Aufenthaltsrechtes beantragt hätte, fehlen jegliche Hinweise im verfahrensgegenständlichen Antrag. Diesem waren vielmehr entsprechend der aus § 6 Abs. 1 AufG erfließenden Verpflichtung eines Antragstellers zur Glaubhaftmachung des Fehlens von Ausschließungsgründen Unterlagen über die ortsübliche Unterkunft bzw. über das Vorhandensein entsprechender Unterhaltsmittel beigelegt; nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes richtete er sich in eindeutiger Weise darauf, eine Bewilligung nach § 1 Abs. 1 AufG erteilt zu bekommen.
Die Behörde erster Instanz hat nun über den verfahrensgegenständlichen Antrag nicht als Aufenthaltsbehörde, sondern als Fremdenpolizeibehörde erster Instanz entschieden. Diese Zuordnung ergibt sich einerseits aus der mangelnden Bezugnahme auf die Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. Nr. 32/1993, andererseits aus der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides, in der ausdrücklich auf die Möglichkeit der Erhebung eines Rechtsmittels an die Sicherheitsdirektion für Vorarlberg - und nicht an den Bundesminister für Inneres - hingewiesen wurde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Behörde erster Instanz mit ihrer "Versagung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 12" nun eine beantragte Aufenthaltsbewilligung nach der letztgenannten Bestimmung abgewiesen hat oder ob mit dieser Entscheidung über einen gar nicht gestellten Antrag auf Feststellung eines Aufenthaltsrechtes oder auf Ersichtlichmachung eines solchen gemäß § 12 Abs. 3 AufG entschieden werden sollte. In beiden Fällen mangelte es ihr an der Zuständigkeit zur getroffenen Entscheidung.
Im erstgenannten Fall (Versagung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 12 AufG) läge eine Verletzung der Zuständigkeitsordnung vor, weil die Behörde erster Instanz eine derartige Entscheidung über eine Aufenthaltsbewilligung nicht als Fremdenpolizeibehörde, sondern nur als Aufenthaltsbehörde hätte fassen dürfen (vgl. die Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz, LGBl. Nr. 32/1993). Eine derartige, der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnende (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3389) Entscheidung wäre hinsichtlich des Instanzenzuges als erstinstanzliche Entscheidung des Landeshauptmannes im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG anzusehen und der Instanzenzug ginge in dieser Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung mangels anderer bundesgesetzlicher Regelungen an den zuständigen Bundesminister für Inneres. Im vorliegenden Fall entschied die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch aber als Fremdenpolizeibehörde; als solche wäre sie aber zu einer Entscheidung über den so zu verstehenden Antrag unzuständig gewesen.
Im zweitgenannten Fall läge zwar gemäß § 12 Abs. 3 FrG eine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde vor (vgl. dazu die hg. Beschlüsse jeweils vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/19/3276, sowie Zl. 96/19/2763, u.a.), allerdings hätte die Behörde erster Instanz nur dann im Rahmen ihrer Zuständigkeit entschieden, wenn tatsächlich ein Antrag auf Ersichtlichmachung (allenfalls: auf Feststellung) dieses Aufenthaltsrechtes gemäß § 12 Abs. 3 AufG gestellt worden wäre. Dies ist aber - wie dargestellt - nicht der Fall. Die Behörde erster Instanz hätte daher in diesem Fall über einen gar nicht gestellten Antrag entschieden und auch diesfalls ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
Wie bereits ausgeführt, hat auch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid eine Feststellung des vorhin genannten Inhaltes getroffen. Dabei sei ergänzend darauf hingewiesen, dass dem angefochtenen Bescheid in aktenwidriger Weise die Feststellung zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg die "Feststellung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 AufG beantragt". Die Berufungen des Beschwerdeführers waren jedoch jeweils auf die "Erteilung der beantragten Aufenthaltsbewilligung" und nicht auf die Feststellung eines Aufenthaltsrechtes gerichtet.
Die belangte Behörde hätte daher - in Erledigung der an sie gerichteten Berufung - den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Vorarlberg dahingehend abändern müssen, dass in Stattgebung der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 18. August 1995 der letztgenannte Bescheid ersatzlos behoben wird. Dies deshalb, weil - wie dargelegt - der Behörde erster Instanz jedenfalls die Zuständigkeit zur Erlassung des Bescheides erster Instanz fehlte.
Dadurch, dass die belangte Behörde ihrerseits die Berufung abwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Hiedurch verletzte sie auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht des Beschwerdeführers auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung. Diese Verletzung der Behördenzuständigkeit war vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/1468). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß zuzusprechen. Im Fall der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG war der Stempelgebührenersatz für die (neuerliche) Vorlage des bekämpften Bescheides nicht zuzusprechen, weil dieser schon im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt wurde; die Vorlage des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates Vorarlberg vom 6. Oktober 1997 diente schließlich nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Wien, am 8. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998190114.X00Im RIS seit
02.05.2001