TE Bvwg Beschluss 2017/10/16 I412 2004573-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

I412 2004573-4/6.E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, vertreten durch IfS-Sachwalterschaft, Poststraße 2/4, 6850 Dornbirn vom 07.08.2017 auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 05.07.2017, beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I Nr. 33/2013 (VwGVG) stattgegeben und die Verfahrenshilfe im oben angeführten Umfang bewilligt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Vorarlberg, wurde in einem Verfahren betreffend Weitergewährung der Waisenpension ein Antrag des XXXX, vertreten durch die IfS-Sachwalterschaft (im Folgenden als Antragsteller bezeichnet) gemäß § 68 Abs. 1 iVm § 357 ASVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

In Erledigung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.11.2016, GZ I412 2004573-1/5E, der Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einen neuen Bescheides an die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Vorarlberg (PVA) zurückverwiesen.

Begründend wurde im gegenständlichen Beschluss zusammengefasst ausgeführt, dass eine neue Sach- und Rechtslage, die den neuerlichen Antrag rechtfertigen würde, zwar nicht vorliegt, die PVA hätte allerdings zu prüfen gehabt, ob der dem Verfahren zugrundeliegende Antrag als neuer Antrag oder als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu prüfen wäre.

Da Sache des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (lediglich) die Frage sei, ob die Behörde den Antrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen habe, sei es dem Gericht verwehrt, nach Klärung dieser Frage bejahendenfalls über einen Wiederaufnahmeantrag zu entscheiden, weshalb die Sache aus verfahrensökonomischen Gründen an die belangte Behörde zurückverwiesen wurde.

Mit Bescheid der PVA vom 05.07.2017 wurde ausgesprochen, dass der Antrag vom 30.05.2012 auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel betreffend den Antrag vom 13.01.2011 auf Gewährung einer Waisenpension gem. § 260 ASVG abgelehnt werde. Begründend führte die Behörde aus, dass das ihr vorgelegte Gutachten vom 16.12.1989 keine Änderung der medizinischen Entscheidung bewirke.

Mit Schreiben vom 07.08.2017 (bei der Behörde eingelangt am 09.08.2017) beantragte die Sachwalterin des Antragstellers Verfahrenshilfe zur Erwirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid der PVA vom 05.07.2017, zugestellt an den bevollmächtigten Vertreter am 10.07.2017. Dem Antrag beigelegt wurden Dokumente betreffend die Sachwalterbestellung sowie der Bescheid der PVA in Kopie, Kontoumsatzlisten in Kopie und ein Bausparvertrag in Kopie.

Mit Schreiben der PVA vom 21.08.2017 wurde der gegenständliche Antrag dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

§ 8a VwGVG bestimmt:

"Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.

Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Im konkreten Fall erfüllt der Antragsteller unstrittig die in § 8a Abs. 1 leg. cit. als Voraussetzung festgehaltenen persönliche Kriterium der geringen Vermögensverhältnisse und ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos. Bei sozialversicherungsrechtlichen Verfahren handelt es sich im Allgemeinen um Verfahren komplexer Natur, darüber hinaus spricht auch der Umstand, dass es in der vorliegenden Angelegenheit um verfahrensrechtliche Fragestellungen geht, für die Gewährung von Verfahrenshilfe. Über die Erfolgsaussichten der Beschwerde können derzeit keine Aussagen getätigt werden.

Letztlich ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren für den Antragsteller erhebliche Bedeutung hat. Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist im konkreten Fall folglich von einem Überwiegen jener Umstände auszugehen, die die Gewährung der Verfahrenshilfe für geboten erscheinen lassen.

Folglich ist dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG stattzugeben.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Schlagworte

Revision zulässig, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I412.2004573.4.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten