TE OGH 2017/3/6 7R36/16t

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Veröffentlicht am 06.03.2017
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Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.Klobassa als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag.Faber und Mag.Fabsits in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Z***** F*****, vertreten durch den Vater C***** F*****, *****, vertreten durch Dr.Richard Benda ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde U*****, *****, vertreten durch Dr.Stefan Herdey ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 15.391,60 samt Anhang und Feststellung (Streitwert: EUR 10.000,00), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29.August 2016, GZ 16 Cg 43/15a-26, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt (I.) und beschlossen (II.):

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

I. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es als Zwischenurteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 15.391,60 samt 4 % Zinsen seit 21.Juli 2015 zu zahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht“.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. Im Übrigen, also hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Insoweit sind die Kosten des Berufungsverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist betreffend den vom Berufungsgericht mit Zwischenurteil erledigten Teil nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin besuchte den von der Beklagten im Ortsteil ***** betriebenen Kindergarten seit ihrem dritten Lebensjahr. Am 23.Juni 2015 verletzte sie sich im Kindergarten. Sie war damals fünf Jahre alt und am Ende ihres zweiten Kindergartenjahres.

Die Klägerin war ein folgsames Mädchen, das die Anweisungen der Kindergartenpädagogin oder der Betreuerinnen stets beachtete. Sie war weder auffallend lebhaft, noch besonders still, sondern normal und altersgemäß entwickelt.

M***** R*****, eine ausgebildete Kindergartenpädagogin leitete den Kindergarten bereits seit 39 Jahren.

Am Unfallstag waren etwa 21 Kinder in der Kindergartengruppe anwesend. Die Betreuerin, die sonst als zweite Aufsichtsperson fungierte, hatte sich am Vortag krank gemeldet. So kurzfristig hatte die Beklagte keine Vertretung entsenden können. M***** R***** baute an diesem Tag – wie bereits viele Male zuvor – im Turnsaal eine sogenannte „Bewegungsbaustelle“ auf, um den Kindern – wie jeden Tag – die Möglichkeit zur körperlichen Betätigung zu geben. Dazu hängte sie unter anderem eine Langbank in einer Höhe von etwa 1,20 m in eine Sprossenwand, neben der sich ein Seilgitter befand. Der Boden neben, unter und vor der Langbank wurde mit mehreren Turnmatten ausgelegt. Diese wiesen eine Stärke von 6,5 cm auf und waren so elastisch, dass man sie mit einem kräftigen Fingerdruck nur wenig eindellen konnte. M***** R***** legte im Bereich des (vom oberen Bereich der Bank aus gesehen) rechten Endes der Bank noch zusätzlich eine (Bett-)Matratze auf, weil dort zwischen den Turnmatten ein Spalt verblieben war.

Die Klägerin kannte derartige „Bewegungsbaustellen“ und war mit deren Benutzung vertraut. M***** R***** wies die Kinder betreffend die Benutzung dieser „Bewegungsbaustelle“ an, über das Seilgitter hinaufzuklettern, sich von dort auf die Bank zu begeben und dann über diese hinunterzurutschen. Sie erlaubte den Kindern, am Bauch liegend mit den Beinen voraus oder sitzend zu rutschen. Das Rutschen zu zweit war erlaubt, wenn die Kindergartenpädagogin daneben stand. M***** R***** hielt sich bei dieser Übung neben der Bank im Bereich vor dem Seilgitter auf, um den Kindern beim Hinaufklettern oder dem Übergang auf die Bank helfen zu können. Sie beobachtete die Kinder laufend, um sicher zu gehen, dass sie sich an ihre Vorgaben hielten und um erforderlichenfalls auf die Einhaltung der Verhaltensregeln dringen zu können.

Als ein jüngeres Kind von der Toilette zurückkehrte, ging M***** R***** zu diesem, um ihm beim Anziehen behilflich zu sein. Dazu trat sie von den Matten herunter und befand sich dann etwa 2,5 m von der Bank und dem Seilgitter entfernt. Da die nächsten Kinder, die sich zum Hinaufklettern angestellt hatten (darunter auch die Klägerin und ihre sechsjährige Freundin K*****), schon älter waren, erlaubte sie ihnen selbständig hinaufzuklettern und zu rutschen. Als die Klägerin über die Hälfte der Bank hinuntergerutscht war, fragte die oben wartende K*****, ob sie gemeinsam mit der Klägerin rutschen dürfe. M***** R***** bejahte das, weil die Klägerin ohnehin schon die halbe Strecke hinuntergerutscht war. K***** rutschte daraufhin los und rutschte auf die Klägerin, die in der Zwischenzeit ihren Rutschvorgang gestoppt hatte, um auf sie zu warten, auf. K***** umarmte die Klägerin von hinten und bewegte sich mit dieser schaukelnd nach rechts und links. Schließlich stürzten die Mädchen aus etwa (von oben gesehen) 50 bis 70 cm Höhe nach links auf die dort befindlichen Turnmatten, wobei K***** „zur Hälfte“ auf der Klägerin landete.

Die Klägerin erlitt bei diesem Sturz einen verschobenen Bruch des linken Oberarms oberhalb des gelenkstragenden Teiles, der mit einer Irritation des linken Nervus medianus, verbunden mit Minderempfindungen im Bereich der Handfläche und am Daumen, einherging. Es handelt sich um eine supracondyläre Extensionsfraktur, die entsteht, wenn man sich bei einem Sturz mit der „ausgestreckten Hand“ abstützt, sodass die Kräfte indirekt auf den Oberarmknochen übertragen werden, der dabei bricht. Die Beschaffenheit des Untergrundes war für das Eintreten dieser Verletzung nicht ausschlaggebend. Die Klägerin hätte dieselbe Verletzung auch erlitten, wenn sie auf den Parkettboden oder eine weichere Matratze – etwa eine Bettmatratze – gestürzt wäre. Das Bruchgeschehen wurde zwar durch den zusätzlichen Aufprall von K***** begünstigt, doch hätte der Bruch auch auftreten können, wenn die Klägerin allein gerutscht wäre.

Mit der vorliegenden – pflegschaftsgerichtlich genehmigten – Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von EUR 15.391,60 samt Anhang, resultierend aus Schmerzengeld (EUR 15.000,00), Fahrtkosten (EUR 210,00), Parkgebühren (EUR 85,00) und Heilungskosten (EUR 96,60), sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihr für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aus dem Unfall vom 23.Juni 2015 hafte. Begründend brachte sie vor, dass die Kindergartenpädagogin M***** R***** die von ihr errichtete „Bewegungsbaustelle“ nur unzureichend beaufsichtigt und abgesichert habe. Sie habe der Klägerin und ihrer Freundin K***** auch erlaubt, gemeinsam zu rutschen. Diese seien, als sie knapp über die Hälfte der Langbank gerutscht seien, seitlich heruntergestürzt. Beim Sturz, bei dem die hinten rutschende K***** auf die Klägerin gefallen sei, sei es zum Bruch des linken Oberarms der Klägerin gekommen. M***** R***** habe sich nicht in unmittelbarer Nähe zu den hinunterrutschenden Kindern aufgehalten, weshalb sie, bevor es zum Absturz von der Langbank gekommen sei, auch nicht eingreifen habe können. Darüber hinaus sei M***** R***** die einzige Aufsichtsperson gewesen. Im Bereich um die Langbank seien nur dünne Matten ausgelegt gewesen. Die Kindergärtnerin habe grob fahrlässig gehandelt, sie hätte jedenfalls in der Nähe bzw überhaupt neben der Rutsche stehen müssen. Eine Langbank weise keine seitliche Begrenzung auf, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass man beim Rutschen über eine solche herunterfalle, deutlich erhöht sei. Die Kindergärtnerin wäre daher verpflichtet gewesen, unmittelbar neben den rutschenden Kindern zu sein. Die Kindergärtnerin habe klar ihre Aufsichtspflicht verletzt und es unterlassen, nach dem Sturz die Rettung zu rufen. Dadurch habe der gebrochene Knochen auf die Nervenbahnen gedrückt, was zur Folge gehabt habe, dass die Klägerin nach wie vor drei Finger nicht vollständig bewegen könne. Mit Spät- und Dauerfolgen sei daher zu rechnen.

Am Unfallstag sei entgegen § 17 StKBBG nur eine Kindergärtnerin für eine Gruppe von 20 Kindern anwesend gewesen.

Mit Schriftsatz vom 21.Oktober 2015 (ON 7) beantragte die Klägerin die Beiziehung eines sportwissenschaftlichen Sachverständigen aus dem Fachbereich „Turnen“, „welcher auch im Zusammenspiel mit dem medizinischen Sachverständigen zum Nachweis des Unfallherganges geführt werde“. Die verwendeten Matten seien als Sicherungsmaßnahme für die gegenständliche Turnübung nicht geeignet gewesen. Die Beklagte wäre dazu verpflichtet gewesen „geeignete Sicherungsmaßnahmen“ zu treffen, um eine solche Verletzung zu verhindern. Sollte das nicht möglich sein, so sei diese Übung nicht geeignet. Darüber hinaus habe das gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten ergeben, dass das gemeinsame Rutschten mit einem anderen Kind das Bruchgeschehen begünstigt habe, sodass die Kindergartenpädagogin den Kindern nicht erlauben hätte dürfen, gemeinsam zu rutschen. Ihr wäre es, wenn sie sich unmittelbar neben der Langbank aufgehalten und in das Sturzgeschehen eingegriffen hätte, möglich gewesen, dieses zumindest so abzumildern, dass es zu keinen Verletzungen gekommen wäre.

Zu den vorangeführten Beweisthemen beantragte die Klägerin die Beziehung eines „sportwissenschaftlichen Sachverständigen“.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass es nach §§ 4 und 5 des anzuwendenden StKBBG die Verpflichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen sei, die soziale, emotionale, motorische und kognitive Entwicklung der Kinder zu unterstützen. Im Rahmen dieser Aufgaben würden unter Aufsicht der Kindergärtnerinnen auch die körperliche Entwicklung, koordinative Fähigkeiten und soziale Erfahrungen geschult. Dazu würden in einer „Bewegungsbaustelle“ verschiedene Übungsstationen errichtet. Dazu zähle auch das Hinaufklettern an einer Sprossenwand und das Abrutschen auf einer dort einseitig angebrachten Turnsaalbank. Ziel der Übung sei die Schulung des Gleichgewichtsgefühls, klettern, steigen, erleben und einander helfen, weshalb diese Übungen von den Kindern auch gemeinsam durchgeführt würden. Vom Lernzweck der Übung her wäre es nicht zweckmäßig, wenn sich die Aufsichtsperson mit den rutschenden Kindern mitbewegen würde, um deren seitliches Abrutschen zu verhindern. Damit bei einem – nicht völlig ausgeschlossenen – Abrutschten von der Bank Verletzungen vermieden würden, sei der Boden mit für den Zweck ausreichenden Matten gepolstert gewesen. Das gemeinsame Rutschen der Mädchen habe dem Übungszweck, einander helfen, experimentieren, erleben und soziale Erfahrungen sammeln, entsprochen. Aufgrund der geringen Rutschgeschwindigkeit habe kein besonderes Verletzungsrisiko bestanden. Die beiden Mädchen seien aus maximal 40 cm plötzlich nach links von der Bank „gekugelt“. Ein Eingreifen wäre für M***** R*****, auch wenn sie unmittelbar neben der Bank gestanden wäre, nicht notwendig gewesen, weil es sich um keinen „Absturz“ gehandelt habe, sondern mehr oder minder um ein gemeinsames Abrollen von der Bank. Die Kinder hätten in diesem Bereich bereits mit den Füßen auf den Boden steigen können.

Eine Aufsichtspflichtverletzung liege nicht vor, weil auch vernünftige und verantwortungsvolle Eltern, im konkreten Fall das gemeinsame Hinunterrutschen erlaubt hätten. Ebenso wenig würden Eltern neben den Kindern entlang der Bank mitgehen, um zu verhindern, dass diese nicht am Ende der Bank aus ca 40 cm über dem Boden auf eine gepolsterte Matte rutschen können.

§ 17 StKBBG beziehe sich nicht auf die Sicherstellung der Aufsicht über die Kinder, sondern habe pädagogische Gründe. Die Aufsichtspflicht in Kindergärten werde in § 23 StKBBG geregelt, der nur für Veranstaltungen außerhalb der Liegenschaft des Kindergartens eine bestimmte Anzahl von Aufsichtspersonen für eine bestimmte Kinderanzahl vorgebe.

Für die Durchführung der „Rutschübung“ sei eine Aufsichtsperson ausreichend, weil die Kinder nur beim Hinaufklettern Unterstützung brauchen könnten. Während des Rutschvorganges sei das nicht mehr erforderlich, weil die Kinder die Geschwindigkeit völlig selbständig steuern könnten und ausreichend Halt gegeben sei.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus traf es noch folgende Feststellung:

Es könne nicht festgestellt werden, ob M***** R***** den Sturz verhindern hätte können, wenn sie sich an ihrem ursprünglichen Platz, nämlich im Bereich des Seilgitters neben der Bank befunden hätte.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, dass M***** R***** die sie nach § 1309 ABGB treffende Aufsichtspflicht nicht verletzt habe. Für die Obsorgepflicht im Sinne des § 1309 ABGB sei entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssten, um die Schädigung Dritter durch ihre Kinder (oder des Kindes selbst) zu verhindern, welchen konkreten Anlass zu bestimmten Aufsichtsmaßnahmen sie also gehabt hätten. Für das Ausmaß der Sicherungspflicht sei entscheidend, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestanden habe. Im vorliegenden Fall habe es sich nicht um eine Rutsche im „herkömmlichen Sinn“, die üblicherweise 3 m hoch und im Freien, jedenfalls aber auf einem harten Untergrund, stehe, gehandelt. Das nur 1,20 m hohe Konstrukt sei mittels auf dem Boden liegender Matten gesichert gewesen. M***** R***** habe sich überdies nur 2,5 m entfernt befunden, um sich um ein jüngeres Mädchen zu kümmern und die anderen Kinder, die sich zum Rutschen angestellt gehabt hätten, im Blick gehabt. Sie habe den Kindern außerdem klare Anweisungen zur Benützung der Bewegungsbaustelle gegeben. Es würde eine Überspannung der Sorgfaltspflicht bedeuten, würde man von einer Kindergartenpädagogin verlangen, Kinder so zu beaufsichtigen, dass Spielgeräte nur an der Hand geführt, benützt werden dürften, oder nur dann, wenn sich eine Aufsichtsperson unmittelbar daneben aufhalte. Eine derart engmaschige Betreuung in einer Kindergartengruppe von über 20 Kindern zu fordern, dass Verletzungen zur Gänze vermieden würden, sei nahezu lebensfremd. Das würde auch eine nicht wünschenswerte Einschränkung der Kinder in ihrer Bewegungsfreiheit mit sich bringen. Für eine zweite Aufsichtsperson hätte keine Pflicht bestanden, insbesondere weil der Sturz aufgrund der Schnelligkeit des Geschehnisses nicht einmal dann mit Sicherheit verhindert hätte werden können, wenn eine Aufsichtsperson direkt neben der Langbank gestanden wäre.

Daraus, dass die Erlaubnis zum gemeinsamen Rutschen erteilt worden sei, könne keine Pflichtverletzung abgeleitet werden, weil es sich dabei um ein „alterstypisches Vorgehen“, das auf einer relativ niedrigen Rutsche keine besondere Gefährlichkeit bedeute, gehandelt habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass verantwortungsbewusste Eltern eines fünfjährigen Kindes das gemeinsame Rutschen über eine Langbank verbieten würden. Es sei ausreichend gewesen, die Bewegungsbaustelle mit Turnmatten zu sichern. Diese seien für die entstandenen Verletzungen auch nicht kausal gewesen, wären die Verletzungen doch auch bei Verwendung weicherer Matten eingetreten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Verfahrensmangel rügt die Berufungswerberin, dass es das Erstgericht unterlassen habe, den von ihr beantragten sportwissenschaftlichen Sachverständigen beizuziehen. Durch dessen Gutachten hätte bewiesen werden können, dass M***** R***** schon durch das Aufbauen der gegenständlichen Bewegungsbaustelle, obwohl sie am Unfallstag alleine mit 21 Kindern gewesen sei, grob fahrlässig gehandelt habe. Aufgrund der Unterbesetzung hätte diese Übung nicht aufgebaut werden dürfen. Darüber hinaus hätte sich ergeben, dass M***** R***** jedenfalls permanent bei der größten Gefahrenquelle, nämlich der Rutsche selbst, stehen hätte müssen, um jederzeit eingreifen zu können, sowie, dass sie während ihrer Abwesenheit das Weiterrutschen der Kinder – jedenfalls aber das gemeinsame Rutschen – unterbinden hätte müssen.

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist dann gegeben, wenn der behauptete Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049, RS0043027). Der Rechtsmittelwerber hat die abstrakte Eignung darzutun, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist. Er muss in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar ausführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0043039). Jedenfalls dürfen keinerlei Zweifel daran bestehen, welche streitgegenständlichen Feststellungen des Erstgerichts der Rechtsmittelwerber ohne Verfahrensfehler zu widerlegen können glaubt (vgl 6 Ob 86/12h).

Die Ausführungen der Berufungswerberin beziehen sich auf die Negativfeststellung des Erstgerichts, ob M***** R***** den Sturz verhindern hätte können, wenn sie sich an ihrem ursprünglichen Platz, nämlich im Bereich des Seilgitters neben der Bank befunden hätte. Das bezweifelt offenkundig auch die Berufungswerberin selbst nicht, will sie doch durch den sportwissenschaftlichen Sachverständigen (welches Fachgebiet sie damit meint, ergibt sich aus ihren Ausführungen nicht) beweisen, dass die Kindergartenpädagogin den Sturz verhindern hätte können, wenn sie sich unmittelbar neben der Langbank (gemeint offenbar: auf den Matten neben der späteren Absturzstelle) befunden hätte. Damit und mit den weiters aufgeworfenen Fragen zeigt die Berufungswerberin aber keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Stoffsammlungsmängel, die von vornherein für die ihn geltend machende Partei keinen nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben konnten, führen zu keinem Erfolg der Verfahrensrüge (Delle-Karth, Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Berufungssystem des österreichischen Zivilprozessrechts, ÖJZ 1993, 19f). Ob das der Fall ist, hat das Berufungsgericht aus dem Zusammenhalt zwischen der Verfahrensrüge und dem zum übergangenen Beweisantrag vorgebrachten Beweisthema zu beurteilen (10 ObS 87/14p). Bei den von der Berufungswerberin aufgeworfenen Fragen handelt es sich aber um keine Tat-, sondern um Rechtsfragen, weil die Beurteilung, zu welchem Verhalten M***** R***** verpflichtet gewesen wäre, um ihrer Aufsichtspflicht zu entsprechen, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu klären ist, was im Übrigen auch die Berufungswerberin erkennt, beinhalten ihre Ausführungen zur Mängelrüge doch in erster Linie rechtliche Überlegungen. Im Übrigen ist die Feststellung, die die Berufungswerberin mit dem übergangenen Beweismittel zu widerlegen können glaubt, auch – wie bei Behandlung der Rechtsrüge aufgezeigt werden wird – nicht entscheidungsrelevant.

Das trifft auch auf die weiters als bedeutsam bezeichnete Frage der Eignung der verwendeten Matten zu. Unbekämpft steht jedenfalls fest - und das ist jedenfalls durch einen medizinischen Sachverständigen zu klären - , dass die Beschaffenheit des Untergrundes für das Auftreten der konkreten Verletzung (supracondyläre Extensionsfraktur, die durch das Abstützen mit der „ausgestreckten Hand“ entsteht) nicht ausschlaggebend war.

Soweit die Berufungswerberin Begründungsmängel dahingehend geltend macht, dass die Begründung des Erstgerichts in Bezug auf die Nichteinholung eines sportwissenschaftlichen Gutachtens nicht nachvollziehbar sei, ist sie auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Darauf, dass es sich bei den Beweisthemen, zu denen der sportwissenschaftliche Sachverständige geführt wurde, im Wesentlichen um Rechtsfragen handelt, hat auch das Erstgericht zutreffend hingewiesen. Es ist richtig, dass die Ausführungen eines medizinischen Sachverständigen im Allgemeinen nicht dazu geeignet sind, ein sportwissenschaftliches Gutachten zu ersetzen. Da im vorliegenden Fall die Frage, ob M***** R***** „verletzungsverhindernd“ hätte eingreifen können, nicht in erster Linie entscheidungsrelevant ist, weil von ausschlaggebender Bedeutung ist, zu welchem Verhalten sie verpflichtet war, um ihrer Aufsichtspflicht zu entsprechen, erweist sich die Kritik der Berufungswerberin im Ergebnis aber als nicht berechtigt, zumal eine nähere Konkretisierung, welches sportwissenschaftliche Gutachten (aus technischer Sicht?, in Bezug auf Bewegungsabläufe?) eingeholt werden hätte sollen, unterblieb. Der Umstand, dass die konkrete Verletzung unabhängig von der Beschaffenheit des Untergrundes eingetreten wäre, fiel jedenfalls in das Fachgebiet des beigezogenen medizinischen Sachverständigen. Die Berufungswerberin legt auch nicht dar, warum das hier nicht so gewesen sein soll. Ob andere Verletzungen durch die Verwendung anderer Matten verhindert worden wären, worauf die Berufungswerberin offenkundig hinaus will, ist hier nicht zu beurteilen.

Es trifft auch zu, dass das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ausführt, dass M***** R***** die Klägerin und K***** auch nicht auffangen hätte können, wenn sie sich so wie ursprünglich im Bereich des Seilgitters am oberen Ende der Bank aufgehalten hätte. Entgegen der Meinung der Berufungswerberin stehen diese Ausführungen aber nicht im Widerspruch zur getroffenen Negativfeststellung, die sich darauf bezieht, ob die Kindergartenpädagogin den Sturz verhindern hätte können, wenn sie an ihrem ursprünglichen Platz geblieben wäre, sind doch auch andere Möglichkeiten denkbar, den Sturz zu verhindern (zB Zurufen, Festhalten), als das tatsächlich schwer vorstellbare „Auffangen“ beider Mädchen, die schon die halbe Langbank hinuntergerutscht waren, zumal die Kindergartenpädagogin ja vom Seilgitter über die Matten erst zu dem Punkt kommen hätte müssen, an dem die Kinder von der Bank fielen.

Zusammengefasst ergibt sich, dass eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vorliegt.

In ihrer Beweisrüge wendet sich die Berufungswerberin gegen die oben zitierte Negativfeststellung in Bezug auf die Möglichkeit des sturzverhindernden Eingreifens der Kindergartenpädagogin, wenn diese an ihrem ursprünglichen Platz (im Bereich des Seilgitters am oberen Ende der Bank) geblieben wäre.

Sie begehrt folgende Ersatzfeststellung:

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es möglich ist, bei der Verwendung von Sportgeräten wie der Langbank einen Unfall durch Eingreifen in das Unfallgeschehen zu verhindern. Es wäre, hätte die Mitarbeiterin der Beklagten sich im Gefahrenbereich befunden, durch Frau R***** das Unfallgeschehen bzw aber jedenfalls der Eintritt dieser schweren Verletzung zu verhindern gewesen.“

Die Berufungswerberin verweist dazu auf die Feststellungen in Bezug auf den konkreten Rutschvorgang (Warten der Klägerin, Schaukeln der Mädchen) und meint – grundsätzlich zutreffend – , dass der Sturz nicht in Sekundenbruchteilen erfolgen konnte und es dementsprechend M***** R***** möglich gewesen wäre, einzugreifen. Die Negativfeststellung ist aber dennoch im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil das Erstgericht – wie aus seinen beweiswürdigenden Ausführungen deutlich wird - die Verhinderung des Sturzes durch das „Auffangen“ der Mädchen meinte. Wie bereits dargelegt, erscheint ein solches bei dem vom Erstgericht angenommenen Standort (am oberen Ende der Langbank im Bereich des Seilgitters) und der Absturzstelle (etwa auf halber Strecke) und der Notwendigkeit, über die Matten zu gehen, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch der festgestellte Vorgang nicht lange dauern konnte und als „absturzgefährdend“ erkannt werden musste, tatsächlich als unwahrscheinlich. Die Negativfeststellung, der im Übrigen keine ausschlaggebende rechtliche Relevanz zukommt, ist daher nicht zu beanstanden. Der Berufungswerberin gelingt es mit ihren Ausführungen zur Tatsachenrüge nicht, begründete Bedenken gegen die bekämpfte Feststellung zu erwecken. Dass es möglich ist, Unfälle bei der Verwendung von Sportgeräten durch Eingreifen zu verhindern, ist richtig. Welche Relevanz diese Feststellung in ihrer Allgemeinheit haben sollte, erhellt sich aus den Berufungsausführungen nicht. Aus der beantragten Ersatzfeststellung ergibt sich auch nicht, was die Berufungswerberin unter „Gefahrenbereich“ meint. Direkt neben der Bank (gemeint offenbar: im Bereich der späteren Sturzstelle) ist M***** R***** nie gestanden, sondern am oberen Ende der Langbank. Aus der Ersatzfeststellung ergibt sich auch nicht, wie M***** R***** „das Unfallgeschehen bzw den Eintritt der schweren Verletzung“ verhindern hätte sollen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Berufung weder eine bedenkliche Beweiswürdigung noch eine relevante unrichtige Tatsachenfeststellung aufzeigen konnte.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner Entscheidung zugrund (§ 498 Abs 1 ZPO).

Davon ausgehend kommt allerdings der Rechtsrüge Berechtigung zu.

Die Berufungswerberin weist zu Recht darauf hin, dass das Erstgericht den Umstand, dass die Kindergartenpädagogin den Mädchen das gemeinsame Rutschen erlaubte, unrichtig beurteilte. Sie führt aus, dass die Zustimmung der M***** R***** zum gemeinsamen Rutschen, ohne neben der Langbank zu stehen, eine grobe Fahrlässigkeit darstelle, die die Haftung der Beklagten begründe. Nach § 17 StKBBG hätten zwei Personen anwesend sein müssen, worauf das Erstgericht gar nicht eingegangen sei.

Diesen Ausführungen kommt aus nachstehenden Erwägungen Berechtigung zu:

Eingangs ist klarzustellen, dass die von der Berufungsgegnerin begehrte Zusatzfeststellung („auch wenn sich die Kindergärtnerin M***** R***** unmittelbar an der Abrutschstelle der Rutschbank befunden hätte, wäre der Unfall nicht verhindert worden“) nicht getroffen hätte werden können. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beweiswürdigung des Erstgerichts können sich vernünftigerweise nur darauf beziehen, dass ein Kind alleine - ohne Stopp und ohne das Verhalten eines zweiten Kindes (Umarmen und Schaukeln) - rutscht. Anderenfalls wäre die Negativfeststellung im Urteilsabschnitt „Feststellungen“ nicht erklärbar. Auch aus dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen ergibt sich nicht, dass dieser auf das konkret festgestellte Verhalten der Mädchen vor dem Sturz Bezug nahm, führte er doch nur aus, dass das „Bruchgeschehen“ und das „Sturzgeschehen“ selbst im Bereich von Sekundenbruchteilen entsteht (Seite 3 des Protokolls vom 14.Juli 2016, ON 22). Für die begehrte Zusatzfeststellung fehlte es daher an einer ausreichenden Beweisgrundlage. Im Übrigen wäre für die Berufungsgegnerin selbst unter Berücksichtigung der beantragten Feststellung kein günstigeres Ergebnis zu erzielen.

Nach § 1309 ABGB kann der Geschädigte den Ersatz des ihm entstandenen Schadens von denjenigen Personen, denen der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen anvertrauten Obsorge beigemessen werden kann, verlangen. Die genannte Bestimmung bezieht sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf die Schädigung durch einen Aufsichtsbedürftigen. Darüber hinaus haftet der Aufsichtspflichtige auch dann, wenn die mangelnde Aufsicht zu einer Selbstschädigung des Aufsichtsbedürftigen führt. Die Kriterien für das geforderte Maß der Beaufsichtigung sind dabei gleich zu beurteilen wie bei der Schädigung eines Dritten. Der Aufsichtspflichtige kann sich diesbezüglich nicht auf ein Mitverschulden des geschädigten Aufsichtsbedürftigen berufen, weil die Aufsicht ja gerade den Zweck hat, diesen zu schützen (Schacherreiter in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1309, Rz 6). Die Aufsichtspflicht kann sich aus dem Gesetz, aber auch aus einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, wie zB bei Kindergärtnern ergeben (10 Ob 2441/96k, Schacherreiter aaO Rz 4). Eine Kindergärtnerin ist als fachkundig im Sinne des § 1299 ABGB anzusehen (1 Ob 8/91, 10 Ob 2441/96k). Das Maß der Aufsichtspflicht richtet sich nach dem Alter, der Entwicklung und den Eigenschaften bzw Eigenart und der Persönlichkeit des zu Beaufsichtigenden und der konkreten Gefahrenlage bzw der besonderen Gefährlichkeit der Situation. Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden. Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich nach der Voraussehbarkeit eines schädigenden (recte: gefährdenden) Verhaltens und dem Maß der vom zu Beaufsichtigenden drohenden Gefahr und dem, was dem Aufsichtspflichtigen nach seinen jeweiligen Verhältnissen zumutbar ist. Bezüglich der Zumutbarkeit ist die objektive und die subjektive zu unterscheiden. Die objektive betrifft die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, die subjektive das Verschulden. Das Abstellen auf die jeweiligen Verhältnisse des konkreten Aufsichtspflichtigen betrifft die subjektive Zumutbarkeit. Der Beschädigte hat die Verletzung (Vernachlässigung) der Aufsichtspflicht (Obsorge) zu beweisen sowie deren Schadenskausalität. Der Aufsichtspflichtige hat nach Feststehen der Verletzung der Obsorgepflicht seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Mit der Verletzung der Aufsichtspflicht ist die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt nachgewiesen (RIS-Justiz RS0027339, Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1309 ABGB Rz 4, 9). Der Umfang der Aufsichtspflicht kann nicht generell festgelegt werden. Das Ausmaß richtet sich im konkreten Fall danach, was angesichts des Alters des Unmündigen, seiner Entwicklung und Eigenschaften vom Aufsichtspflichtigen unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse vernünftiger Weise erwartet werden darf. Nach der Judikatur ist entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihre Kinder (oder des Kindes selbst) zu verhindern. Ob die Eltern oder andere Personen die Aufsichtspflicht ausüben, ändert nichts im Hinblick auf deren Ausmaß. Höhere Anforderungen an die Aufsichtspflicht sind dann zu stellen, wenn nach den konkreten Verhältnissen, sei es aufgrund der Eigenschaften des Aufsichtsbefohlenen, sei es aufgrund der konkreten Gefahrenlage, mit der Möglichkeit eines schädigenden Verhaltens des Aufsichtsbefohlenen gerechnet werden muss (Schacherreiter aaO Rz 9f, RIS-Justiz RS0027463). Es entspricht zwar der Rechtsprechung, dass eine Überwachung auf Schritt und Tritt in der Regel nicht verlangt werden kann. Das gilt aber vor allem für größere Kinder (Reischauer aaO Rz 4). Nach der Judikatur (10 Ob 2441/96k) ist beispielsweise eine Kindergärtnerin nicht verpflichtet, einem vierjährigen Kind die Benützung einer an sich harmlosen Wippschaukel zu untersagen. Hingegen muss eine als fachkundig im Sinne des § 1299 ABGB anzusehende Kindergärtnerin bei alleiniger Beaufsichtigung einer 10- bis 15-köpfigen altersgemischten Sammelgruppe dafür Vorsorge treffen, dass die in mehreren Gruppen an verschiedenen Spielgeräten im Hof (Garten) spielenden Kinder ihrer Aufsicht nicht entgleiten. Wird sie als einzige Aufsichtsperson durch andere Vorfälle in Anspruch genommen, darf sie die Kinder nicht unbeaufsichtigt an diesen Geräten zurücklassen. Vielmehr muss sie die Spiele an gefahrenträchtigen Geräten (das sind sowohl eine Rutsche, wie eine Schaukel oder ein Karussell) vorübergehend unterbinden (1 Ob 8/91). Bei einer gleichzeitig von sechs bis acht Kindern durch Aufsteigen zum oberen Rutschenanfang, Abrutschen und Wiederanstellen zum Aufstieg gepflogenen Spielweise erfordert die Beaufsichtigung entweder die Beobachtung der Einhaltung der Spielordnung oder eine unmittelbare Nachbarschaft zum Spielgerät mit der Möglichkeit, bei Ordnungsstörungen zumindest durch Zuruf eingreifen zu können (RIS-Justiz RS0027398).

Es ist zwar richtig, dass es kaum absolut sichere (Bewegungs-)Spielgeräte gibt, deren Benutzung unter keinen Umständen zu Verletzungen führen kann (vgl 7 Ob 212/01d). Es mag auch zutreffen, dass die vorliegende „Bewegungsbaustelle“ durch die ausgelegten Matten grundsätzlich ausreichend gesichert war. Darauf allein kommt es im hier vorliegenden Fall aber nicht an. Nach den Feststellungen waren am Unfallstag etwa 21 Kinder in der Gruppe, die M***** R***** alleine beaufsichtigte, anwesend. Das Rutschen zu zweit war erlaubt, wenn die Kindergartenpädagogin daneben stand. Trotzdem erlaubte M***** R*****, nachdem sie sich von ihrer Position im Bereich vor dem Seilgitter entfernt hatte, um einem anderen Kind beim Anziehen behilflich zu sein, der oben wartenden K*****, gemeinsam mit der Klägerin zu rutschen. Dass dieses gemeinsame Rutschen – noch dazu war die Klägerin schon die halbe Strecke hinuntergerutscht und war wohl zu erwarten, dass sie auf ihre Freundin warten wird, wäre die Frage sonst ja sinnlos gewesen – gefahrenerhöhend ist, ist schon nach allgemeinen Grundsätzen einleuchtend. Bei einem gemeinsamen Rutschen besteht die Möglichkeit, dass die nachrutschende Person auf die davor rutschende aufprallt. Es erhöht sich auch die Gefahr des seitlichen Hinunterfallens von der Bank, zumal das zusätzliche Gewicht einer weiteren Person es erschwert das Gleichgewicht zu halten. Zudem wird beim Fallen zweier Personen aufgrund des zusätzlichen Gewichts das Auftreten und/oder die Schwere von Verletzungen begünstigt. Wenn M***** R***** – obwohl sie ihren Platz verlassen hatte - das gemeinsame Rutschen erlaubte, wäre sie verpflichtet gewesen, die Kinder zumindest so weit im Auge zu behalten, dass sie durch Zuruf in das Geschehen eingreifen konnte. Da vor dem letztlichen Hinunterfallen der beiden Mädchen von der Langbank zumindest einige Zeit vergangen sein musste (K***** umarmte die auf sie wartende Klägerin von hinten und bewegte sich mit dieser schaukelnd nach rechts und links), hätte schon eine Ermahnung der Kindergartenpädagogin, damit aufzuhören, unter Umständen das Herabfallen der Mädchen von der seitlich nicht durch eine Umrahmung geschützten Langbank verhindert. Es steht auch fest, dass das „Bruchgeschehen“ durch den zusätzlichen Aufprall von K*****, die „zur Hälfte auf der Klägerin landete“, begünstigt wurde. Dass fünf- bzw sechsjährige Kinder – insbesondere wenn sie sich wie hier unbeobachtet fühlen – zu unüberlegten Spontanreaktionen neigen (Warten auf der Rutsche, Umarmen und Hin- und Herschaukeln) kann nicht bezweifelt werden. Die Kindergartenpädagogin handelte demgemäß dadurch, dass sie den beiden Mädchen das gemeinsame Benutzen der Rutsche erlaubte und diese nicht zumindest so weit im Auge behielt, dass sie das Hin- und Herschaukeln abstellen konnte, fahrlässig, zumal nach den Feststellungen das Rutschen zu zweit grundsätzlich nur erlaubt war, wenn die Kindergartenpädagogin daneben steht, sodass davon auszugehen ist, dass die Kinder es nicht gewohnt waren, unbeobachtet die Rutsche gemeinsam zu benützen. Wenn M***** R*****, wie am Unfallstag eine Gruppe von über 20 Kindern alleine zu beaufsichtigen hatte, wäre sie verpflichtet gewesen, zumindest das gemeinsame Rutschen der Kinder, jedenfalls für die Zeit, in der sie durch andere Tätigkeiten in Anspruch genommen wurde, zu unterbinden.

Nicht gänzlich zu vernachlässigen – bezogen auf die Haftung der Beklagten – war auch der Umstand, dass M***** R***** entgegen § 17 des Steiermärkischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (StKBBG) am Unfalltag allein für die Gruppe von ca 21 Kindern zuständig war. Nach Abs 3 lit b dieser Bestimmung haben in jeder Gruppe einer Kinderbetreuungseinrichtung (in Kindergärten 25 Kinder) [§ 14 Abs 2 lit b StKBBG] bzw in zusammengelegten Gruppen nach § 15 Abs 3 lit b StKBBG 18 Kinder) während der gesamten täglichen Öffnungszeit mindestens zwei Personen anwesend zu sein, von denen eine dem Stand der Kindergartenpädagoginnen und die weitere Person dem Stand des pädagogischen Hilfspersonals angehören muss. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat diese Regelung – entgegen der Meinung der Berufungsgegnerin – nicht nur pädagogische Zwecke, sondern soll auch ermöglichen, dass die Aufsichtspflichten ordnungsgemäß erfüllt werden und dementsprechend die Sicherheit der Kinder gewährleistet wird. § 23 leg cit regelt nur, dass bei Veranstaltungen außerhalb der Liegenschaft der Kinderbetreuungseinrichtung zusätzliche Aufsichtspersonen anwesend sein müssen. Abs 1 dieser Bestimmung regelt aber ausdrücklich, dass dem Personal (Anmerkung: § 17 StKBBG) der Kinderbetreuungseinrichtung die Aufsicht über die Kinder während der gesamten täglichen Öffnungszeit auf der gesamten Liegenschaft obliegt. § 24 StKBBG enthält detaillierte Vertretungsregelungen. Nach dessen Abs 2 hat der Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung unverzüglich für die Vertretung zu sorgen. Sofern trotz seines Bemühens eine Vertretung nicht zur Verfügung gestellt werden kann, ist die Weiterführung der betreffenden Kinderbetreuungsgruppe mit Kinderbetreuerinnen oder durch Aufteilung der Kinder auf bestehende Kinderbetreuungsgruppen bis zu drei Wochen möglich. Wenn die Vertretung nicht innerhalb dieser Frist erfolgt, ist die betreffende Kinderbetreuungsgruppe jedenfalls still zu legen.

Hier hat die Beklagte nicht einmal behauptet, dass sie sich um eine Vertretung für die erkrankte Mitarbeiterin bemüht hätte, oder, dass eine Zusammenlegung von Gruppen nicht möglich gewesen wäre. Es mag wohl zutreffen, dass die Beklagte die Kindergartengruppe wegen der Erkrankung der Mitarbeiterin nicht schließen hätte können, jedoch konnte für die allein aufsichtspflichtige M***** R***** kein zwingender Grund bestehen, die gegenständliche „Bewegungsbaustelle“ auch unter diesen Umständen aufzubauen, sind doch zahlreiche weniger gefährliche Möglichkeiten denkbar, die Kinder zu beschäftigen und zu betreuen, wozu M***** R***** verpflichtet gewesen wäre. Vorliegendenfalls wäre sie, um ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen, angehalten gewesen, jede gefahrenerhöhende Tätigkeit der Kinder zu vermeiden.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Beklagte der ihr obliegende Beweis der Schuldlosigkeit nicht gelungen ist. Sie haftet daher für den eingetretenen Schaden.

Da Feststellungen zur Schadenshöhe fehlen, konnte vorerst nur mit Zwischenurteil (§ 393 Abs 1 ZPO) ausgesprochen werden, dass die Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht besteht. Einer Zurückverweisung der Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung über die Anspruchshöhe bedarf es nicht, wird doch bereits durch die Fällung des Zwischenurteils klargestellt, dass das Klagebegehren der Höhe nach nicht spruchreif ist (4 Ob 42/04m, 1 Ob 9/05p).

Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 52 Abs 4, 393 Abs 4 ZPO.

Nach herrschender Rechtsprechung kommt bei einem schadenersatzrechtlichen Feststellungsbegehren ein Zwischenurteil nicht in Betracht (2 Ob 212/13k, 6 Ob 187/05a, RIS-Justiz RS0039037). Entweder das Feststellungsbegehren besteht zu Recht, weil mit künftigen Schäden zu rechnen ist, dann kann ihm schon jetzt stattgegeben werden, oder künftige Schäden sind auszuschließen, dann ist es zur Gänze schon jetzt abzuweisen. Bedarf es – wie hier – noch der Klärung, ob mit künftigen Schäden zu rechnen ist, so hat das Rechtsmittelgericht mit Aufhebung einer bereits ergangenen Entscheidung vorzugehen (2 Ob 186/15i).

Der diesbezügliche Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Der Bewertungsausspruch beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 ZPO und orientiert sich an der von der Klägerin vorgenommenen Bewertung des Feststellungsbegehrens; es bestand keine Veranlassung davon abzugehen.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu entscheiden waren. Die Frage, ob eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage dar (7 Ob 251/06x, RIS-Justiz RS0027463).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 7

Textnummer

EG00139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2017:00700R00036.16T.0306.000

Im RIS seit

30.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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