TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/17 W231 2137883-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2017
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Entscheidungsdatum

17.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W231 2137883-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, vertreten durch den MigrantInnnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.09.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), §§ 55 und 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer stellte nach seiner Einreise in Österreich am 22.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er an, er sei ledig, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Als Geburtsdatum gab er den XXXX an. Er habe bis zu seinem zwölften Lebensjahr in der Provinz Logar gewohnt und dann seien sie nach Kabul gezogen. Er habe von 2007 bis 2010 die Grundschule in Kabul besucht und sei zuletzt als Hilfsarbeiter tätig gewesen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass die Taliban seinen Vater vor vier Jahren ermordet hätten. Anschließend sei der Beschwerdeführer von den Taliban entführt worden. Sie hätten ihn zwingen wollen, für sie zu kämpfen. Er sei einen Monat bei ihnen gewesen und habe behauptet, dass er nach Hause wolle, um seine Familie zu besuchen. Das habe er aber nicht gemacht. Er sei sofort in den Iran geflüchtet.

I.3. Dem Beschwerdeführer wurde mit Schriftstück vom 27.04.2015 gemäß § 28 Abs. 2 AsylG mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Konsultationen in Form einer Anfrage mit Italien führe.

I.4. Da Zweifel am angegeben Alter des Beschwerdeführers bestanden, ordnete das BFA eine Altersfeststellung an. Am 07.05.2015 wurde der Beschwerdeführer einem Handwurzelröntgen unterzogen. Die Untersuchung ergab, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia geschlossen seien. Am Radius zeige sich eine zarte Epiphyennarbe. Als Ergebnis wurde GP 31, Schmeling 4 festgehalten.

Am 12.06.2015 wurde der Beschwerdeführer einer weiteren Untersuchung zur Feststellung seines Alters unterzogen. Laut im Akt einliegenden Gutachten wurden näher angeführte Befunde und Gutachten eingeholt; demnach ergab sich für den Beschwerdeführer ein nicht unterschreitbares Mindestalter von 18,5 Jahren im Untersuchungszeitpunkt. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum laute XXXX . Das behauptete Lebensalter bzw. Geburtsdatum sei mit dem festgestellten Mindestalter bzw. "fiktiven" Geburtsdatum nicht vereinbar.

I.5. Am 29.07.2015 wurde der Beschwerdeführer zum Ergebnis der Altersfeststellung einvernommen und ihm Parteiengehör eingeräumt. Er gab - mit den Ergebnissen der Untersuchung konfrontiert - an, dass seine Mutter ihm gesagt habe, dass er sechzehn Jahre alt sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ eine Verfahrensanordnung, wonach es auf Grund des medizinischen Sachverständigengutachtens von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgehe, und teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sein Asylverfahren zulässig sei.

I.6. Am 25.08.2015 langte die Vollmachtsbekanntgabe an den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder LL.M. beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

I.7. Am 13.01.2016 wurde eine Vollmachtsbekanntgabe an den MigrantInnenverein St. Marx und dessen Obmann Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder LL.M. an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (in Folge: BFA) gesendet und um eine baldige Entscheidung bzw. Einvernahme ersucht.

I.8. Bei seiner Einvernahme am 19.07.2016 gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung oder Therapie befinde oder Medikamente nehme. Er habe im Verfahren bisher der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und seien diese korrekt protokolliert sowie rückübersetzt worden. Der Beschwerdeführer sei in der Provinz Logar, in XXXX geboren und habe dort bis zu seinem zwölften Lebensjahr gelebt. Bis zu seiner Ausreise habe er dann aber in Kabul, im Stadtteil XXXX gelebt. Er habe vier Jahre lang die Grundschule in Kabul besucht, sei aber Analphabet in Dari. Er habe zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern gelebt, wisse aber nicht, ob sie jetzt noch dort wohnen würden. Er habe vor seiner Ausreise zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet. Nach seiner Ausreise sei er noch sechs Monate im Iran aufhältig gewesen, wo er als Hilfsarbeiter gearbeitet habe.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass sein Vater in Kabul gearbeitet habe und dann einmal in der Woche nach Logar gekommen sei. Die Taliban hätten seinem Vater vorgeworfen, dass er ein Spion sei und hätten ihn getötet. Danach hätten sie auch nach dem Beschwerdeführer gesucht. Sie hätten ihn zum Kämpfen zwingen wollen. Sie hätten ihn mitgenommen und er sei dann zwei Wochen bei den Taliban gewesen, es sei schrecklich gewesen. Nach zwei Wochen habe er gesagt, er vermisse seine Mutter und seine Geschwister und er habe nach Hause gehen dürfen. In der Zwischenzeit hätte seine Mutter alles organisiert und er sei dann noch einmal nach Hause und dann in den Iran gefahren. Über Vorhalt gab er an, dass er zwölf Jahre lang in Logar gewohnt habe, danach seien sein Großvater und seine Großmutter, die in Kabul gewohnt hätten, gestorben, deshalb seien sie nach Kabul in ihre Wohnung gezogen. Er sei dann aber wieder zurück nach Logar. Über weiteren Vorhalt gab er an, dass er gemeint habe, von Kabul aus nach Europa gekommen zu sein, aber die letzten vier Jahre habe er in Logar gewohnt. Als sein Vater getötet worden sei, als er zwölf Jahre alt gewesen sei, seien sie nach Kabul gegangen. Nachdem seine Großmutter auch verstorben sei, seien sie zurück nach Logar gezogen. Dem Beschwerdeführer wurden auch seine Angaben zu seiner Familie in Kabul vorgehalten, worauf er erklärte, dass er nicht wisse, wo sie seien, er hätte nur Kontakt zu seinem kleinen Bruder, der nicht genau wisse, wo in Logar sich seine Familie befinde. Seine Mutter, seine ältere Schwester und sein ca. achtjähriger Bruder würden in der Provinz Logar, in XXXX leben. Befragt, was mit den Besitzungen in Kabul passiert sei, da seine Familie dort gelebt habe gab er an, dass er nicht so genau wisse, was damit passiert sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würden ihn die Taliban, selbst in Kabul, verfolgen.

Er legte eine Teilnahmebestätigung an einem Alphabetisierungskurs+ vor.

I.9. Am 28.07.2017 reichte der Beschwerdeführer eine Kopie seiner Tazkira nach.

I.10. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer sehr allgemein und nicht konkret angegeben habe, dass ihm Gefahr durch die Taliban drohe, weil sein Vater durch die Taliban als Spion beschuldigt und deswegen getötet worden sei. Die vom Beschwerdeführer behauptete Zwangsrekrutierung sei nicht nachvollziehbar, da es unglaubwürdig sei, dass die Taliban jemanden mit "Zwang" rekrutieren würden, dann jedoch auf sein Ersuchen, dass er "seine Mutter vermisse" wieder freigelassen hätten. Aus seinen widersprüchlichen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA bezüglich seines letzten Wohnortes im Herkunftsstaat, zusätzlich zu seiner Aussage in seiner Erstbefragung, wonach seine letzte Wohnadresse vor seiner Flucht in Kabul gewesen sei, schließe die Behörde, dass alle seine Angaben in Bezug auf seinen Aufenthaltsort und den seiner Angehörigen vor der Flucht unglaubwürdig seien. Auf Grund der mangelnden Plausibilität sowie den aufgezeigten Unstimmigkeiten der Angaben des Beschwerdeführers handele es sich bei seinem Fluchtvorbringen um ein gedankliches Konstrukt. Es sei daher nicht glaubhaft, dass er in seinem Heimatland wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen hätte. Weiters führte das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer, unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe. Er sei jung, arbeitsfähig und arbeitswillig. Er wäre sogar in einem fremden Land, nämlich dem Iran, dazu im Stande gewesen für eine längere Zeit seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu erwirtschaften. Zumal das BFA davon ausgehe, dass sich auch seine Familienangehörigen in Kabul befinden. Es könne auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens im Heimatland gewährt werden. Zuletzt kam das BFA zu dem Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.

I.11. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 03.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

I.12. Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen bevollmächtigten Vertreter, fristgerecht Beschwerde. Vorgebracht wurden die unrichtigen Feststellungen, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung. Insbesondere die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Aufenthaltsorten und den Aufenthaltsorten seiner Familie seien bewusst ignoriert worden und stattdessen aktenwidrige Behauptungen zum letzten Wohnort des Beschwerdeführers aufgestellt worden. Die Behörde habe es verabsäumt ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. Der Beschwerdeführer würde wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie asylrelevanter Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sein. Letztlich wurden Ausführungen zur der Sicherheitslage in Afghanistan getroffen. Für den Beschwerdeführer bestehe auf Grund der schlechten Sicherheitslage und weil er über kein familiäres Auffangnetz mehr verfüge die reale Gefahr menschrechtswidriger Behandlung.

I.13. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 21.10.2016 beim BVwG ein. Gleichzeitig verzichtete das BFA auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.

I.14. Mit Urteil vom 06.02.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt (rechtskräftig am 10.02.2017). Mit Urteil vom 23.03.3017 wurde er wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon zwei Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt.

I.15. Am 08.09.2017 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters statt. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers legte eine schriftliche Stellungnahme zu den mit der Ladung versendeten Länderfeststellungen und Bestätigungen zur Integration des Beschwerdeführers vor. Der Rechtsvertreter beantragte eine zweiwöchige Frist, um zu dem, in der Verhandlung eingebrachten, Gutachten von XXXX zu Geschäftszahl XXXX Stellung zu nehmen.

I.16. Am 22.09.2017 langte die Stellungnahme des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers beim BVwG ein. Zusammengefasst wird auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan und die fehlende Existenzmöglichkeit des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, der Erstbefragung nach dem Asylgesetz, der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA, des angefochtenen Bescheides, der Beschwerde dagegen, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt und auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 08.09.2017, in der sich das erkennende Gericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, sowie aller im Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Schriftstücke bzw. Nachweise werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig, führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig. Er ist ledig und hat keine Kinder. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Logar, im Distrikt XXXX , geboren und aufgewachsen. Nach dem Tod seines Vaters vor ca. sechs Jahren ist der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Kabul zu seinen Großeltern gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan aufhältig war. Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdefühers von den Taliban ermordet wurde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan nach seinem Aufenthalt in Kabul noch Jahre in Logar aufhältig war. Der Beschwerdeführer hat vier Jahre die Grundschule in Kabul besucht. Nebenbei hat er nach dem Tod seines Vaters von Kabul aus mit Hilfe von angestellten Bauern die Grundstücke seiner Familie in Logar bewirtschaftet. Der Grundbesitz der Familie des Beschwerdeführers umfasst insgesamt 4 bis 5 Jirib (entspricht 8.000 bis 10.000 m²) und besteht aus mehreren Grundstücken und einem Obstgarten. Der Beschwerdeführer verkaufte ein Jirib der Grundstücke der Familie, um die Ausreise zu finanzieren. Nach seiner Ausreise aus Afghanistan war er sechs Monate im Iran aufhältig, wo er als Hilfsarbeiter gearbeitet hat.

II.1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mutter, die Schwester und der Bruder des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen haben und nunmehr in Pakistan aufhältig sind. Es kann nicht festgestellt werden, wo die Angehörigen des Beschwerdeführers derzeit aufhältig sind. Der Beschwerdeführer hat telefonischen Kontakt zu seiner Mutter.

Ein Cousin des Beschwerdeführers väterlicherseits lebt in Pakistan, zu diesem hat der Beschwerdeführer telefonischen Kontakt. Sein Cousin ist Geschäftsmann und seine finanzielle Lage ist gut.

II.1.3. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des BG Graz-Ost am XXXX zu GZ XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln gem. § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit 10.02.2017 rechtskräftig.

Weiters wurde er mit Urteil vom LG für Strafsachen Graz am 23.03.3017 zu GZ XXXX wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln, und zwar gem. §§ 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon zwei Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt. Dabei wertete das Gericht das Tatsachengeständnis und das Alter (unter 21 Jahren) als mildernd, die einschlägige Vorverurteilung, das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und den raschen Rückfall als erschwerend. Der Beschwerdeführer hat seine Haftstrafe verbüßt.

II.1.4. Der Beschwerdeführer ist sowohl psychisch als auch physisch gesund. Der Beschwerdeführer nimmt nach seinen Angaben keine Drogen (mehr).

II.1.5. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan verlassen und stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am 22.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

II.1.6. Der Beschwerdeführer ist laut eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft. Er hat sich nicht politisch betätigt, war nicht Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung und hatte keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat.

II.1.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die Taliban verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für seine Ausreise (Bedrohung durch die Taliban in Folge der Arbeitstätigkeit seines Vaters bzw. Zwangsrekrutierung) werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf das Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan in seine Herkunftsprovinz Logar keinem realen Risiko ausgesetzt, einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit zu erleiden. Dem Beschwerdeführer steht überdies eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Kabul zur Verfügung.

Der Beschwerdeführer ist ein erwerbsfähiger und gesunder junger Mann, der über vier Jahre Schulbildung verfügt. Er hat mehrere Jahre die familieneigenen Grundstücke bewirtschaftet, er verfügt somit über Erfahrung in der Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach dem Tod seines Vaters zu seinen Großeltern mütterlicherseits nach Kabul gezogen, wo er vier Jahre lang die Grundschule besucht und gelebt hat, weshalb er mit den örtlichen Gegebenheiten in Kabul vertraut ist. Er spricht eine der Landessprachen (Dari) des Herkunftsstaates, und hat bis zu seiner Ausreise in Afghanistan gelebt, ist somit mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut. Er hat die Möglichkeit, an seine frühere Tätigkeit in der Landwirtschaft anzuschließen. Außerdem besitzt die Familie des Beschwerdeführers noch mehrere Grundstücke in Logar, die er gewinnbringend veräußern kann, so wie er es bereits zur Finanzierung seiner Ausreise getan hat. Letztlich kann sich der Beschwerdeführer – wie während seines sechsmonatigen Aufenthaltes im Iran – durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage sichern. Ein Cousin des Beschwerdeführers lebt außerdem in Pakistan in guten finanziellen Verhältnissen, er ist dort Geschäftsmann. Der Beschwerdeführer ist mit seinem Cousin in Pakistan in Kontakt und kann ihn um finanzielle Unterstützung bitten. Der Beschwerdeführer wird nicht zuletzt im Rahmen seiner Familienstruktur notfalls soweit (finanzielle) Unterstützung erfahren können, dass er in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse keiner lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer kann zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen, und so zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. (auf die weiteren Ausführungen dazu im Rahmen der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II wird an dieser Stelle verwiesen).

II.1.9. Der Beschwerdeführer war seit seiner Asylantragstellung am 22.04.2015 in Österreich für die Dauer seines Asylverfahrens bisher bloß vorläufig aufenthaltsberechtigt. Er ist in Österreich zwei Mal einschlägig rechtskräftig wegen Übertretung von § 27 SMG in mehreren Fällen (Vergehen der unerlaubten Umganges mit Suchtmitteln) strafgerichtlich verurteilt.

II.1.10. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2015 zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet auf und konnte spätestens ab Erhalt der seinen Asylantrag abweisenden Entscheidung vom 03.10.2016 nicht mit einem weiteren Bleiberecht in Österreich rechnen.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist bislang keiner regelmäßigen Beschäftigung/Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Er ist jedoch gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs und einen Werte- und Orientierungskurs besucht und am Modulprogramm "Rehabilitation, Empowerment, Integration" mit dem Schwerpunkt Deutsch- Kommunikation und Orientierung teilgenommen. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf dem Sprachniveau A1.

Er verbringt seine Zeit damit, mit anderen afghanischen jungen Männern Fußball im Park zu spielen. Zu Österreichern pflegt er nur sehr eingeschränkt freundschaftliche Beziehungen.

Der Beschwerdeführer ist seit Ende Juni 2017 ehrenamtlich als Seniorenbegleiter in einem Pflegewohnheim tätig, wo er stundenweise eine Bewohnerin besucht.

II.1.11. Zur aktuellen Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 22.06.2017):

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran – Abschnitt 21/Flüchtlinge).

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

06.06.2017: Raketenangriff der Taliban auf die "Green Zone", wo sich das Hauptquartier der NATO-Mission Resolute Support sowie mehrere ausländische Botschaften befinden: keine Verletzten (Auszug aus einer Schnellrecherche zur Sicherheitslage in Kabul, Schweizerische Flüchtlingshilfe, vom 19.06.2017, New York Times, 6.6.2017.)

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner – März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt – speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

High-profile Angriffe:

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

Taliban

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).

Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vgl. auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein – so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017).

In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vgl. auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9.2016).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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