Entscheidungsdatum
18.10.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W265 2150514-1/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX und XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.08.2017 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der bei der Einreise minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal und unbegleitet in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.01.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am gleichen Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt dazu, warum er sein Heimatland verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater vor 12 Jahren in Afghanistan getötet worden sei. Seine Mutter hätte sodann seinen Onkel heiraten sollen, was sie allerdings nicht gemacht habe. Seine Mutter habe einen anderen Mann geheiratet, deshalb seien sie alle in den Iran geflüchtet.
3. Aufgrund des optischen Erscheinungsbildes des Beschwerdeführers, das zu Zweifel am angegebenen Alter veranlasste, wurde eine Zuweisung zur Sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung veranlasst.
4. Das Gutachten zur Feststellung der Volljährigkeitsbeurteilung vom 22.04.2015 kam zu dem Ergebnis, dass eine Minderjährigkeit mit dem höchstmöglichen Beweismaß nicht ausgeschlossen werden könne.
5. Der Beschwerdeführer wurde am 31.05.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater durch die Taliban ums Leben gekommen sei. Er sei damals vier Jahre alt gewesen. Seine Mutter habe wieder geheiratet, daher seien sie alle in den Iran geflohen. Ein Onkel väterlicherseits lebe noch in Afghanistan.
Neben Bestätigungen seiner Integration legte der Beschwerdeführer mehrere medizinische Befunde vor, worin eine posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers diagnostiziert wurde.
6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom
XXXX , den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 FPG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keinerlei individuelle Verfolgungssituation geltend bzw. glaubhaft gemacht habe. Hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzes führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer volljährig und berufstätig sei, darüber hinaus verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Im Fall des Beschwerdeführers ist daher keineswegs davon auszugehen, dass seine Rückkehr sehenden Auges in eine wirtschaftliche Notlage existentiellen Ausmaßes führen würde. Schließlich führte der angefochtene Bescheid aus, dass die öffentlichen Interessen am Verbleib in Österreich überwögen und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.
7. Mit Verfahrensanordnung vom 27.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
8. Gegen den oben genannten Bescheid wurde Beschwerde erhoben, in der vorgebracht wurde, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl es unterlassen habe, detaillierte, aktuelle und fallbezogene Länderfeststellungen zu treffen. Es wurde in diesem Zusammenhang auf einschlägiges Berichtsmaterial verwiesen. Es wurde weiters die Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung moniert. Die Behörde hätte auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers zu dem Schluss kommen müssen, dass ihm asylrelevante Verfolgung auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volkgruppe der Hazara sowie wegen seiner westlichen Einstellung und seines liberalen Auftretens drohe. Schließlich wurde vorgebracht, dass die in § 16 Abs. 1 BFA-VG normierte zweiwöchige Beschwerdefrist verfassungswidrig sei, und angeregt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Aufhebung der Norm beim Verfassungsgerichtshof beantragen.
9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 20.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
10. Mit Schriftsatz vom 22.03.2017 legte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter mehrere medizinische Befunde vom 31.01.2017, 14.03.2017 und vom 08.03.2017 vor, worin eine posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers diagnostiziert wird.
11. Mit Eingabe vom 22.05.2017 gibt der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter bekannt, dass seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.2017 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.
12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.08.2017 in der gegenständlichen Rechtssache durch die erkennende Richterin im Beisein des Vertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Die Mutter des Beschwerdeführers wurde zu den Fluchtgründen als Zeugin befragt. Ein Vertreter für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
13. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 27.06.2017, die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (zusammenfassende Darstellung), die ACCORD-Anfragebeantwortung zur aktuellen Situation der Volkgruppe der Hazara vom 27.06.2016, [a-9695-1], ein Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme des Ländersachverständigen XXXX vom 17.02.2016 zur Lage der Hazara in Afghanistan, Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme des Ländersachverständigen XXXX vom 23.10.2015 zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (interne Schutzalternative), Auszug aus den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan von Dezember 2016 wurden – neben weiteren Erkenntnisquellen – in der mündlichen Verhandlung in das gegenständliche Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen.
14. Der Beschwerdeführer brachte am 19.12.2017 im Wege seines Rechtsvertreters eine schriftliche Stellungnahme zu dem ihm in der mündlichen Verhandlung übergebenen Länderberichtsmaterial ein, in der er den Berichten – soweit hier maßgeblich – nicht entgegen tritt. Darin bringt der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass er Afghanistan mit seiner Familie aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch seinen Onkel väterlicherseits verlassen habe. Dem Beschwerdeführer drohe nicht nur eine Zwangsrekrutierung durch seinen Onkel, sondern auch aufgrund seiner Weigerung, sich der Hezb-e Wahdat anzuschließen und den Tod seines Vaters zu rächen, persönliche Verfolgung durch seinen Onkel. Dem Beschwerdeführer drohe auch Verfolgung durch die Taliban wegen seiner Zugehörigkeit zur Familie seines Vaters bzw. Onkels. Dazu wird in der Stellungnahme auszugsweise Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts wiedergegeben. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage und willens den Beschwerdeführer vor Verfolgung zu schützen.
15. Mit Schreiben vom 26.09.2017 wurden dem Beschwerdeführer ergänzende Länderberichte zur Situation in Afghanistan, insbesondere zur Blutrache und Blutfehde übermittelt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
16. Mit Schreiben vom 09.10.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters eine schriftliche Stellungnahme ein, worin unter Hinweis auf das Gutachten zu "Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan" vom 27.07.2009 davon auszugehen sei, dass dem Beschwerdeführer (auch) Verfolgung durch die Taliban drohe, um einer von ihm ausgehenden Blutrache vorzubeugen. Dem Beschwerdeführer drohe daher aufgrund der Zugehörigkeit der sozialen Gruppe der "von Blutrache bedrohten Angehörigen einer Familie" Verfolgung. Mit dieser schriftlichen Stellungnahme zog der Beschwerdeführer die Korrektheit dieser Erkenntnisquellen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht in Zweifel.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
I. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der Beschwerdeführer ist in XXXX , in Afghanistan, geboren. Vor Vollendung seines 15. Lebensjahrs floh der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Stiefvater sowie seinen Geschwistern über den Iran in die Türkei. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan die "koreanische Schule". In der Türkei besuchte er Sprachkurse und arbeitete als Straßenverkäufer.
Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er benötigt Medikamente und besucht einmal in der Woche eine Psychotherapie.
Der Mutter, dem Stiefvater und den Geschwistern des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.2017 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer lebt mit seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt. In Afghanistan leben drei Tanten mütterlicherseits. Die Mutter des Beschwerdeführers hat Kontakt mit ihren Schwestern.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Vater des Beschwerdeführers war Mitglied der Islamischen Einheitspartei Hezb-e Wahdat) und gehörte zur Gruppe von XXXX (auch: XXXX ) und kämpfte mit diesen gegen die Taliban. Im März 1995 wurde der Vater des Beschwerdeführers gemeinsam mit XXXX von den Taliban gefangen genommen und getötet.
Nach dem Tod des Vaters wollte der Onkel väterlicherseits den Beschwerdeführer und seinen Bruder zu sich nehmen, um diese später für den bewaffneten Krieg gegen die Taliban auszubilden. Die Mutter des Beschwerdeführers weigerte sich jedoch, ihre Söhne dem Schwager zu übergeben. Die Mutter des Beschwerdeführers wurde sodann gezwungen, einen Vertrag mit dem Familie ihres verstorbenen Ehemannes zu zeichnen, mit dem Inhalt, dass die beiden Söhne im Alter von 15 Jahren in die Obhut des Onkels übergeben werden müssen. Bevor der Beschwerdeführer und sein Bruder das 15. Lebensjahr erreichten, flüchteten sie aus Afghanistan über den Iran in die Türkei. Dort wurde allen Familienmitgliedern von UNHCR der Flüchtlingsstatus zuerkannt.
Der Onkel väterlicherseits lebt nach wie vor in Afghanistan und ist nach wie vor Mitglied bei der Hezb-e Wahdat. Der Beschwerdeführer und sein Bruder werden nach wie vor von ihrem Onkel väterlicherseits gesucht, da dieser die beiden für den Kampf gegen die Taliban zwangsrekrutieren möchte.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer Gewalthandlungen durch seinen Onkel, insbesondere auf Grund seiner Weigerung, sich der Hezb-e Wahdat anzuschließen und den Tod seines Vaters zu rächen. Außerdem hätte der Beschwerdeführer Gewalthandlungen durch die Taliban zu befürchten, um einer von Beschwerdeführer ausgehenden Blutrache vorzubeugen.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist im gegenständlichen Fall ausgeschlossen. Zudem wären hinsichtlich dieser Verfolgungshandlungen die zuständigen afghanischen Behörden jedenfalls nicht schutzfähig, weitreichend aber auch nicht schutzwillig.
2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:
2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 22.06.2017:
"Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen:
Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
Religionsfreiheit:
Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:
CSR 8.11.2016).
Schiiten:
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).
Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).
Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).
Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).
Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein – dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).
Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane‘ wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Hazara:
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge:
Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).
Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).
Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).
Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).
Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.
Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).
UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).
2.2. Auszüge aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:
2.2.1. Zu Rechtsschutz, Justizsystem und Sicherheitsbehörden in Afghanistan:
"Die starke Zunahme von regierungsfeindlichen Gruppen mit unterschiedlichen Zielen und Vorgehensweisen, einschließlich insbesondere der neuen Bedrohung durch mit ISIS verbundene Gruppen, hat zusammen mit der Gewalt der aufständischen Gruppen untereinander zu einer zunehmend unübersichtlichen Sicherheitslage beigetragen. Berichten zufolge unterminieren außerdem regierungsnahe bewaffnete Gruppen in den Gebieten unter ihrem Einfluss die Autorität der Regierung und werden zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. [ ]
Experten zufolge haben sich die afghanischen Sicherheitskräfte als generell in der Lage erwiesen, Provinzhauptstädte und größere städtische Zentren zu verteidigen. Eine wichtige Ausnahme stellte die kurzfristige Eroberung von Kunduz durch die Taliban im September 2015 dar. Jedoch stieg 2015 die Anzahl getöteter Mitglieder der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) deutlich, als die wiedererstarkten Taliban breit angelegte Offensiven starteten und die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) regelmäßig in eine reaktive Rolle drängten und während der Kämpfe 2015 ihre Kontrolle über ländliche Gebiete im ganzen Land stärkten. [ ]
Die Regierung der nationalen Einheit (NUG) bleibt eine instabile Regierungskoalition, die von ethnischen Trennlinien, Klientelpolitik und interner Uneinigkeit in Hinblick auf zentrale strategische Fragen geprägt ist. Die sich verschlechternde Sicherheitslage hat Berichten zufolge dazu geführt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit der Regierung, für Sicherheit zu sorgen, schwindet und dass die Regierung infolgedessen die Unterstützung der Bevölkerung verliert. [ ]
Diese Entwicklungen müssen vor dem Hintergrund einer berichteten endemischen Korruption, Schwierigkeiten bei der Einrichtung und Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität, andauernder Bedenken hinsichtlich der mangelnden Rechtsstaatlichkeit und eines nicht ausreichend funktionierenden Justizsystems, eines hohen Maßes an Kriminalität , weit verbreiteter Menschenrechtsverletzungen und einem allgemeinen Klima der Straflosigkeit betrachtet werden. [ ]
Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der Verpflichtungen Afghanistans, nach nationalem und internationalem Recht diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsgewalt Afghanistans und die Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen, die Zufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Regierungsarbeit und das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen sanken Berichten zufolge im Jahr 2015 auf drastische Weise.
Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird in vielen Distrikten durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte sind Berichten zufolge oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben.
Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung."
2.2.2. Zu in Blutfehden verwickelten Personen:
"Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat."
3. Beweiswürdigung:
3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Dokument von UNHCR ("UNHCR Refugee Certificate") sowie aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine im Laufe des Verfahrens vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht stets gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsort in Afghanistan, zu seinen persönlichen Lebensumständen, insbesondere seinem schulischen und beruflichen Werdegang, zu seinen Familienangehörigen, sowie zu seiner Ausreise und den Aufenthaltsorten sind chronologisch stringent und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes plausibel.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan noch drei Tanten mütterlicherseits hat, beruht auf den diesbezüglich ebenfalls glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Dass lediglich die Mutter Kontakt zu ihren in Afghanistan lebenden Schwestern hat, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Mutter, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung zeugenschaftlich einvernommen wurde.
Die Feststellung, dass seinen Familienangehörigen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem vorgelegten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
3.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das Hauptverfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers lautet auf das Wesentliche zusammengefasst, sein Vater sei Mitglied der Islamischen Einheitspartei (Hezb-e Wahdat) gewesen und habe zur Gruppe von Abudl Ali Mazara (auch: Ustad Mazari) gehört und mit diesem gegen die Taliban gekämpft. Im März 1995 sei der Vater des Beschwerdeführers gemeinsam mit Ustad Mazari von den Taliban gefangen genommen und getötet worden. Der Onkel des Beschwerdeführers, der nach wie vor Mitglied der Islamischen Einheitspartei Hezb-e Wahdat sei, habe den Beschwerdeführer und seinen Bruder zu sich nehmen wollen. Die Mutter des Beschwerdeführers habe sich jedoch geweigert und sei von der Familie ihres verstorbenen Ehemannes zur Unterzeichnung eines Vertrages gezwungen worden, wonach sie den Beschwerdeführer im Alter von 15 Jahren in die Obhut des Onkels übergeben hätte müssen. Der Beschwerdeführer flüchtete gemeinsam mit seiner Familie vor dem Erreichen seines 15. Lebensjahres aus Afghanistan. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sei der Beschwerdeführer Gewalthandlungen durch seinen Onkel ausgesetzt, insbesondere auf Grund seiner Weigerung, sich der Hezb-e Wahdat anzuschließen und den Tod seines Vaters zu rächen. Außerdem hätte der Beschwerdeführer Gewalthandlungen durch die Taliban zu befürchten, um einer von Beschwerdeführer ausgehenden Blutrache vorzubeugen.
Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens ist schlüssig, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan plausibel, weitgehend widerspruchsfrei, hinreichend substantiiert, angereichert mit lebensnahen Details sowie im Einklang mit den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten (vgl. insbesondere UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016; ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan, a-8797-1, vom 25.08.2014, Informationen zur Blutrache; gutachterliche Stellungnahme von XXXX vom 27.07.2009 vor dem AsylGH, zitiert vom BVwG im Erkenntnis vom 21.01.2016, Zl. W174 1436214-1 zu Blutrache/Ehrenmorden; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07. Juni 2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde). Der Beschwerdeführer zeichnete insbesondere in der mündlichen Verhandlung in seinen Aussagen und seinem Antwortverhalten, das auch authentisch wirkende Emotionen zeigte, ein glaubwürdiges Bild der geschilderten Vorfälle, welches insbesondere durch die zeugenschaftliche Aussage der Mutter des Beschwerdeführers bezüglich der Chronologie der Ereignisse und der Aktualität gestärkt wurde. Das Fluchtvorbringen wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet.
In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft.
Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung in ausreichendem Maß Schutz zu bieten.
3.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
3.3.1. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die zitierten Länderberichte (2.1..) und die angeführte UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 wurden in die mündliche Verhandlung eingebracht (2.2.). Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Mit der im Wege des Vertreters erstatteten Stellungnahme vom 19.09.2017 trat der Beschwerdeführer diesen nicht entgegen, sondern stützte sich vielmehr darauf. Die Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 7. Juni 2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde, die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zur Blutrachte [a-8797-1] sowie das Gutachten zu Blutrache und Ehrenmord in Afghanistan von XXXX vom 27.07.2009 wurden schriftlich und mit der Gelegenheit zur Stellungnahme ins Verfahren eingebracht. In seiner Stellungnahme vom 09.10.2017 trat der Beschwerdeführer auch diesem Berichtsmaterial nicht entgegen, sondern sich vielmehr darauf stützte.
4. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015 (in der Folge: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl u.a. im Verfahren über die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich gemäß dem AsylG 2005 (§ 3 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) zwei Wochen, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist.
Zu A.) I.: Stattgabe der – zulässigen – Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines erörtert - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur Genfer Flüchtlingskonvention judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.11.2007, 2006/19/0341, mwN)
4.1.1. Aufgrund der oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellten Erwägungen (vgl. Pkt. 3.2.) ist des dem Beschwerdeführer gelungen, glaubhaft zu machen, dass der behauptete Sachverhalt verwirklicht worden ist.
Der Beschwerdeführer hat damit eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit auf einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe aufgezeigt:
Einerseits ist der Beschwerdeführer durch seinen Onkel väterlicherseits Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen auf Grund seiner Weigerung, sich der Hezb-e Wahdat anzuschließen und den Tod seines Vaters zu rächen, ausgesetzt. Andererseits drohen im Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen durch die Taliban, um einer von ihm ausgehenden Blutrachegefahr auf Grund der Ermordung des Vaters durch die Taliban vorzubeugen. Es handelt sich dabei um Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität im Sinne der unter 4.1. genannten Judikatur.
Dieser Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Beschwerdeführers knüpft an einen in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich jenen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, an: Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie reicht es, wenn sich die Rache gegen einen unbeteiligten Dritten bloß wegen dessen mit dem Täter gemeinsamer oder von ihm herrührender Abstammung richtet (VwGH 26.02.2002, 2000/20/0517, mwN; vgl. weiters konkret zur "Sippenhaftung" als Form der stellvertretenden Inanspruchname eines Familienmitgliedes VwGH 14.01.2003, 2001/01/0508, mwN).
Zwar handelt es sich bei dem Onkel väterlicherseits bzw. den Taliban um nicht-staatliche Akteure, doch kann angesichts der angeführten Berichtslage nicht davon ausgegangen werden, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden ausreichend schutzfähig wären, um die den Beschwerdeführer von seinen Verfolgern ausgehende Verfolgungsgefahr genügend zu unterbinden. Aus dem unter 2.2.1. angeführten Auszug aus den UNHCR-Richtlinien lässt sich ableiten, dass in Afghanistan derzeit - insbesondere außerhalb der Städte - kein funktionierender Sicherheits- oder Justizapparat besteht; dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Onkel väterlicherseits als Mitglied der Hezb-e Wahdat über Koalitionspartner innerhalb der Regierung verfügt. Fallbezogen ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage wären, den Beschwerdeführer angesichts des ihn treffenden Verfolgungsrisikos in ausreichendem Maß zu schützen.
Vor diesem Hintergrund ist bei dem Beschwerdeführer die Angehörigeneigenschaft und somit die Zugehörigkeit zur "sozialen Gruppe" der Familie des Onkels bzw. Vaters gegeben.
Der Beschwerdeführer kann daher nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren, ohne der Gefahr von Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen durch die Familie des Vaters, insbesondere den Onkel väterlicherseits ausgesetzt zu sein, nicht zuletzt im ihn zur Ausübung der Blutrache gegenüber den Mördern seines Vaters zu zwingen. Es besteht auch die Gefahr einer Verfolgung von Seiten der Taliban, und zwar um einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Blutrachegefahr vorzubeugen (vgl. VwGH 15.12.2010, GZ. 2007/19/0265 mwN).
Es ist auch nicht anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, weil er zum einen außerhalb seiner Heimatprovinz über keine tragbaren sozialen und familiären Anknüpfungspunkte und/oder die Möglichkeit finanzieller Unterstützung verfügt und weil davon auszugehen ist, dass es dem Onkel väterlicherseits als Mitglied der Hezb-e Wahdat, der über Koalitionspartner innerhalb der Regierung verfügt, bzw. den Taliban auf Grund der bestehenden internen Netzwerke daher möglich wäre, den Beschwerdeführer aufzuspüren.
4.1.2. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund sei