TE Bvwg Beschluss 2017/10/23 I413 2170170-1

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Veröffentlicht am 23.10.2017
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Entscheidungsdatum

23.10.2017

Norm

ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I413 2170170-1/6.E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig KÖSSLER und Ambros KNAPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Account Berater GmbH, gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) vom 01.06.2017, Zl. VII-AP1006-16/0077-B, beschlossen:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung wird bestätigt und die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 01.06.2017, AZ: VII-AP1006-16/0077-B, verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin wegen nicht fristgerechter Erstattung einer Abmeldung einen Ordnungsbeitrag in Höhe von EUR 400,00 auf das näher bezeichnete Bankkonto der belangten Behörde zu entrichten.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 19.07.2017 mit E-Mail vom 20.07.2017, 21:12 Uhr, Beschwerde, die damit begründet wurde, dass es nicht rechtmäßig sei, dass die belangte Behörde wegen der verspäteten Übermittlung eines Lohnzettels – nach einer nichtexistenten Beschäftigung – den Beitrag des nicht ausbezahlten Lohnes als Strafe verhängt habe und ersuchte, den Ordnungsbeitrag zu erlassen bzw einen gewöhnlichen Säumniszuschlag zu verhängen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.08.2017, AZ:

VII-AP1006-16/0077-B, wies die belangte Behörde die Beschwerde wegen Verspätung zurück. Die übermittelte Beschwerde sei per E-Mail am 20.07.2017 übermittelt worden. Die Rechtsmittelfrist endete am 18.07.2017 und sei daher überschritten.

4. Mit E-Mail vom 25.08.2017, 23:19 Uhr, übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde den Vorlageantrag, in dem zusammengefasst ausgeführt wurde, gewusst zu haben, dass die Beschwerdefrist 30 Tage betrage, wiederholte im Übrigen das Beschwerdevorbringen und beantragte die Entscheidung durch einen Senat.

5. Mit Schreiben vom 07.09.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 11.09.2017, legte die belangte Behörde den Vorlageantrag samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Mit Verspätungsvorhalt vom 19.09.2017 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass die Rechtsmittelfrist gemäß § 414 AVSG iVm § 7 Abs 4 VwGVG vier Wochen ab Zustellung des bekämpften Bescheides betrage. Aufgrund der Zustellung des bekämpften Bescheides endete die Rechtsmittelfrist am 18.07.2017, weshalb die Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wegen Verspätung mit Beschluss zurückzuweisen sei. Das Bundesverwaltungsgericht räumte dem Beschwerdeführer das Recht ein, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens eine Stellungnahme hierzu abzugeben.

7. Mit E-Mail vom 04.10.2017, 22:59 Uhr, übermittelte die Beschwerdeführerin die Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt samt Stornomeldungen, Meldebestätigung über die Beitragsnachweisungen und Meldebestätigung über die Übermittlung des Lohnzettels. In der Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt teilte die Beschwerdeführerin zusammengefasst mit, dass sie versehentlich die Rechtsmittelfrist statt 4 Wochen für 30 Tage verstanden habe und erstattete im Übrigen erneut Vorbringen zur Frage der Rechtmäßigkeit des vorgeschriebenen Ordnungsbeitrages.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die belangte Behörde verpflichtete mit Bescheid vom 01.06.2017, AZ: VII-AP1006-16/0077-B, die Beschwerdeführerin wegen nicht fristgerechter Erstattung einer Abmeldung einen Ordnungsbeitrag in Höhe von EUR 400,00 auf das näher bezeichnete Bankkonto der belangten Behörde zu entrichten. Dieser Bescheid wurde der ausgewiesenen Vertreterin der Beschwerdeführerin, Account Berater GmbH, am 20.06.2017 zugestellt.

1.2. Mit E-Mail vom 20.07.2017, 21:12 Uhr, übermittelte die bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin, Account Berater GmbH, der belangten Behörde die vom 19.07.2017 datierte Beschwerde. Die belangte Behörde hat Bürozeiten vom Montag bis Donnerstag von 07:30 bis 15:00 Uhr und freitags von 07:30 bis 14:00 Uhr.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig. Das Datum der Zustellung am 20.06.2017 ist durch die Übernahmebestätigung und durch den Rundstempel des Zustellers auf dem Formular 4/1 zu § 22 Zustellgesetz beurkundet und damit erwiesen. Der so beurkundete Zustellnacheis ist eine öffentliche Urkunde und genießt öffentlichen Glauben. Weder aus dem Akt noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, im Vorlageantrag und in der Stellungnahme vom 04.10.2017 sind Belege zu entnehmen, die das Zustelldatum in Frage stellen würden. Die Beschwerde wurde am 20.07.2017 um 21:12 Uhr mittels E-Mail an die belangte Behörde übermittelt. Gemäß der Verlautbarung der belangten Behörde sind die Amtsstunden vom Montag bis Donnerstag von 07:30 bis 15:00 Uhr und freitags von 07:30 bis 14:00 Uhr (https://www.tgkk.at/portal27/tgkkportal/content?contentid=10007.719942&portal:componentId=gtn46331035-620b-40fa-9a57-280d6309d09d&viewmode=content).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs 2 AVSG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei in Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG durch den Senat, der aus einem/einer vorsitzenden Richter/Richterin und zwei fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen, von denen der eine/die eine dem Kreis der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen und der /die andere dem Kreis der Dienstgeber anzugehören hat. Der Antrag ist gleichzeitig mit der Beschwerde oder dem Vorlageantrag oder binnen vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen.

Im gegenständlichen Fall beantragte die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag die Entscheidung durch den Senat.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde/Bestätigung der Berufungsvorentscheidung

3.2. Gemäß § 32 Abs 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so ist als letzter Tag der Frist der nächste Werktag anzusehen.

Gemäß § 33 Abs 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen (§ 13 Abs 5 AVG). Eine außerhalb der (kundgemachten) Amtsstunden per E-Mail am letzten Tag der Frist eingebrachte Beschwerde ist als nicht mehr fristgerecht eingebracht zu werten (vgl VwGH 19.11.2015, Ra 2015/11/0094, mwH; 02.08.2017, Ra 2017/03/0071).

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin bzw deren bevollmächtigten Vertreterin nachweislich am Dienstag, den 20.06.2017 zugestellt.

Die Beschwerdefrist von vier Wochen begann somit mit fristauslösender Zustellung am 20.06.2017 zu laufen begonnen, da entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen an dem Tag, uzw um 24:00 Uhr dieses Tages, zu laufen beginnen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat. Diese Fristen enden – von im Beschwerdefall nicht zur Anwendung gelangenden Ausnahmen abgesehen – um 24:00 Uhr des gleichbezeichneten Tages der letzten Woche, des letzten Monates bzw des letzten Jahres der Frist (vgl VwGH 18.10.1996, 96/09/0153).

Somit hat die Frist zur Erhebung der Beschwerde am Dienstag, den 18.07.2017 geendet.

Die Beschwerde wurde hingegen am Donnerstag, den 20.07.2017 um 21:12 Uhr per E-Mail bei der belangte Behörde eingebracht. Da die Beschwerde außerhalb der im Internet kundgemachten Amtsstunden eingelangte und mit der Verlautbarung der Amtsstunden die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme der außerhalb der Amtszeit mit E-Mail oder Telefax eingehenden Anbringen bekundet ist (vgl auch VwGH 23.05.2012, 2012/08/0102), ist die Beschwerde erst mit Beginn der Amtszeiten des Folgetages, am Freitag, den 21.07.2017 eingelangt. Die Beschwerde war daher um drei Tage verspätet. Selbst wenn die irrtümliche Annahme der Beschwerdeführerin zugetroffen hätte, dass die Rechtsmittelfrist 30 Tage statt 4 Wochen betragen würde, wäre die Beschwerde als verspätet anzusehen, da eine 30-Tagesfrist am 20.07.2017 geendet hätte und die um 21:12 Uhr und somit außerhalb der gemäß § 13 Abs 5 AVG im Internet kundgemachten Amtsstunden per E-Mail am letzten Tag der Frist eingebrachte Beschwerde als nicht mehr fristgerecht eingebracht zu werten wäre (vgl VwGH 19.11.2015, Ra 2015/11/0094, mwH; 02.08.2017, Ra 2017/03/0071). Daher ist auch unter Annahme des Zutreffens des Irrtums der Beschwerdeführerin über die Fristlänge nichts für sie zu gewinnen.

Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

In gegenständlichen Fall konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die mündliche Verhandlung entfallen, da in § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG explizit geregelt ist, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn – wie gegenständlich – die Beschwerde zurückzuweisen ist. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art 6 EMRK keine inhaltliche Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sine des Art 6 Abs 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse – wie etwa die Versäumung der Rechtsmittelfrist – entgegenstehen (vgl VwGH 27.09.2007, 2006/07/0066; 27.07.2007, 2006/1070040).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtsstunden, Rechtsmittelfrist, Verspätung, Zurückweisung,
Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I413.2170170.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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