TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/14 97/21/0049

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Veröffentlicht am 14.09.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, geboren am 8. März 1965, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 24. Juni 1996, Zl. Fr-259/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen (am 26. Juni 1996 zugestellten) Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen irakischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992 (idF vor der FrG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 436), aus dem Bundesgebiet aus.

Diese Maßnahme begründete sie wie folgt: Der Beschwerdeführer sei am 30. April 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn kommend illegal nach Österreich eingereist. Im Gemeindegebiet von Schattendorf sei er von einer österreichischen Bundesheerpatrouille betreten und anschließend festgenommen worden. Er habe keine Dokumente und nur geringfügige Barmittel gehabt. Die Hintanhaltung der illegalen Einreise von Fremden überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente liege im öffentlichen Interesse und es komme der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen großes Gewicht zu. Der Beschwerdeführer habe den in § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG normierten Tatbestand eindeutig verwirklicht. Hinsichtlich des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG werde darauf verwiesen, dass aus einer allfälligen Aufnahme in die Bundesbetreuung bzw. in ein Caritas-Übergangswohnheim eine nicht bloß vorübergehende Sicherung auch des künftigen Unterhalts nicht abgeleitet werden könne. Ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht wäre dem Beschwerdeführer nur bei direkter Einreise in das Bundesgebiet zugekommen. Dieser sei jedoch nicht direkt aus dem Irak, sondern aus Ungarn illegal nach Österreich eingereist. Mangels direkter Einreise träfen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zu. § 6 Abs. 2 leg. cit. komme nicht in Betracht, weil keine Anhaltspunkte vorlägen, dass ihm die Einreise formlos gestattet worden sei. Im Fall der Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle sei ein "Gestatten" der Einreise von vornherein ausgeschlossen. Auf eine allfällige Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation im Heimatland des Beschwerdeführers sei bei einer Ausweisung nicht Bedacht zu nehmen. § 17 Abs. 2 FrG sehe eine Prüfung, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privatleben des Fremden verbunden sei, nicht vor. An der Bekämpfung des Schlepperunwesens bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse. Verfüge ein Fremder überdies über keinerlei Dokumente, sodass letztlich seine Identität nicht feststehe, berechtige dies zur Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt eines solchen Fremden im Bundesgebiet.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung über nachträglich gestellten Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 21. Jänner 1997, B 2564/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde. Die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe die Frage einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers unrichtig beurteilt, kommt der Beschwerde Berechtigung zu. Zwar ist der Beschwerdeführer, der innerhalb einer Woche nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt hat, unbestritten aus Ungarn und somit nicht "direkt" im Sinn des § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in das Bundesgebiet eingereist, weshalb ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dieser Bestimmung (iVm § 7 Abs. 1 leg. cit.) nicht zukommen kann. Gemäß § 6 Abs. 2 iVm § 7 Abs. 1 leg. cit. steht aber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung auch dann zu, wenn der Fremde wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen, sodass ihm die Einreise zu gestatten gewesen wäre (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 28. April 2000, Zl. 97/21/0438). Dies wäre dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer in Ungarn verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen wäre. Dazu traf die belangte Behörde infolge Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen; sie meinte, dass im Fall einer Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 Asylgesetz keinesfalls zustehen könne. Aus diesem Grund setzte sie sich mit den in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid enthaltenen Behauptungen, dass der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in keinem anderen Land Schutz gefunden habe und somit wegen § 37 FrG nicht ohne vorherige Prüfung seiner Fluchtgründe hätte zurückgewiesen werden dürfen, nicht auseinander. Damit belastete die belangte Behörde den Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/21/0391.)

Zum weiteren Beschwerdevorbringen sei bemerkt, dass der Gerichtshof angesichts der unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die Einreise des Beschwerdeführers unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Reisedokumente keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde hegt, dass dadurch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht sei. Weiters ist dem Beschwerdeführer zwar beizupflichten, dass § 17 Abs. 2 FrG der belangten Behörde Ermessen einräumt; die Behörde hat sich aber bei ihrer Ermessensübung davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Im Hinblick darauf, dass den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei der unrechtmäßigen Einreise des Beschwerdeführers nicht um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, weshalb die Ausweisung insoweit nicht als rechtswidrig zu erkennen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1999, Zl. 96/21/0849).

Letztlich irrt der Beschwerdeführer, wenn er meint, dass bei einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG eine Interessenabwägung im Grunde des § 19 FrG vorzunehmen sei.

Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210049.X00

Im RIS seit

03.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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