TE Dok 2016/3/31 2 Ds 5/15

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2016
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Norm

BDG 1979 §43
BDG 1979 §91

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

DISZIPLINARERKENNTNIS

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat am 24. September 2015 durch den Senatsvorsitzenden PräsdLG Mag. Obetzhofer als Vorsitzenden sowie durch die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates RidOLG Mag. Redtenbacher und BI Zöhrer nach der in Gegenwart des Disziplinaranwaltes OStA Dr. Kirschenhofer sowie in Anwesenheit der Disziplinarbeschuldigten Insp. *** *** und Insp. *** *** und ihres Verteidigers Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1030 Wien, durchgeführten öffentlichen Verhandlung zur Recht erkannt:

Insp. *** *** und Insp. *** *** sind schuldig, sie haben die allgemeinen Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 und Abs 2 BDG 1979, ihre durch Punkt 8 Abs 1 letzter Satz der Eskorteordnung näher konkretisierten dienstlichen Aufgaben, unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen und in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, dadurch schuldhaft verletzt, dass sie es in der Nacht vom *** auf den *** 2014 als zur Aufsicht über den zur medizinischen Behandlung im ***Spital untergebrachten Strafgefangenen *** (HNR ***) eingeteilte Justizwachebeamten unterließen, sich im Rahmen der Eskorte über die Fluchtmöglichkeiten und sonstigen Gefahrenmomente in geschlossenen Räumen ein Bild zu verschaffen, entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung einer Flucht zu ergreifen sowie nicht die unmittelbare Nähe zum Insassen herstellten, als sie diesen beim Verlassen seines Krankenzimmers beobachteten, und ihm dadurch die Flucht ermöglichten, und hiedurch Dienstpflichtverletzungen nach § 91 BDG 1979 begangen.

Insp. *** *** und Insp. *** *** werden hiefür jeweils gemäß § 92 Abs 1 Z 1 BDG 1979 mit der Disziplinarstrafe des Verweises bestraft.

Beide Disziplinarbeschuldigten haben gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 die mit jeweils EUR 100,00 zu bestimmenden Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

BEGRÜNDUNG:

Zu den Personen:

Der am *** geborene Insp. *** *** gehört seit *** dem Personalstand der Justizwachebeamten der Justizanstalt *** an.

Der am *** geborene Insp. *** *** ist seit *** als Justizwachebeamter in der Justizanstalt *** tätig.

Zur Sache:

Die beiden Disziplinarbeschuldigten waren in der Nacht vom *** auf den *** 2014 zur Bewachung des Strafgefangenen ***, der in einer Sicherheitsverwahrzelle im ***Spital in *** angehalten wurde, eingeteilt.

Von den Beamten des Nachtdienstes RI *** *** und RI *** *** wurden Insp. *** *** und Insp. *** *** in die Örtlichkeiten dahingehend eingewiesen, dass ihnen der Haupteingang als einziger unversperrter Ausgang ins Freie und die übrigen Fenster und Türen als versperrt dargestellt wurden. Innerhalb der Räumlichkeiten des ***Spitals konnte sich der zu überwachende Strafgefangene ebenso wie die übrigen im Pavillon *** angehaltenen Patienten grundsätzlich frei bewegen. Insbesondere konnte der zu bewachende Strafgefangene sein Zimmer (Nr. ***) verlassen.

Nachdem sich die beiden Disziplinarbeschuldigten von der Versperrung der übrigen Türen im Gangbereich, insbesondere jener des dem Zimmer des Strafgefangenen nahe gelegenen Therapieraums (Nr. ***), vergewissert hatten, bezogen Insp. *** *** im Bereich des Haupteingangs und Insp. *** *** in einem Zimmer des Pflegepersonals, das sich in unmittelbarem Bereich des Haupteingangs befindet und von dem die Überwachung des Zimmers des Untersuchungsgefangenen (Nr. ***) über einen Monitor möglich ist, ihre Posten. Eine Kontrolle der Vergitterung der Fenster des Therapieraums (Nr. ***) wurde von den Disziplinarbeschuldigten nicht durchgeführt.

Um circa *** Uhr entstand aufgrund der von Polizisten, Ärzten und Sanitätern begleiteten Einlieferung einer renitenten Frau ein Tumulte im Gangbereich der betreffenden Abteilung des ***Spitals. Daraufhin versuchten die Disziplinarbeschuldigten zunächst zur Tür des Zimmers des Strafgefangenen zu gelangen, um seine adäquate Bewachung zu gewährleisten. Aufgrund der Anweisung einer Ärztin, den Gangbereich zu verlassen, um die dringend erforderliche medizinische Versorgung der eingelieferten Frau nicht zu behindern, zogen sich die Disziplinarbeschuldigten jedoch wieder zurück. Diesen Vorfall nützte der Strafgefangene zum Verlassen seines Zimmers, bei dem er von Insp. *** ***er über den Monitor beobachtet wurde. Deshalb versuchten die Disziplinarbeschuldigten ein weiteres Mal, nunmehr unter Hinweis auf ihre Funktion, durch die Gruppe der die eingelieferte Frau sichernden und versorgenden Personen zu gelangen, wurden jedoch abermals von einer Ärztin aufgehalten. Darüber hinaus war eine doppelflügelige Tür im Gangbereich geschlossen worden, sodass die Disziplinarbeschuldigten nunmehr auch in der Sicht auf den dahinter liegenden Gangbereich behindert waren. Unterdessen begab sich der Strafgefangene in den Therapieraum (Nr. ***), dessen Tür während des zuvor geschilderten Einsatzes aufgesperrt worden war, und floh durch ein Fenster ins Freie. Insp. *** ***, der sich einstweilen zur Kontrolle und Überwachung der Fenster in den Außenbereich des Krankenhauses begeben hatte, konnte den Strafgefangenen jedoch nicht mehr antreffen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr in das Innerer der Abteilung wurde die Behandlung der eingelieferten Frau beendet und die Disziplinarbeschuldigten gelangten bei ihrer Durchsuchung des Zimmers des Strafgefangenen und des Therapieraums Gewissheit über seine Flucht. Die in weiterer Folge aufgrund der Verständigung des Wachzimmers der Justizanstalt *** veranlasste Nacheile verlief ergebnislos.

Infolge dieser Vorkommnisse war Insp. *** *** die von einer um circa *** Uhr eingelieferten renitenten Frau verursacht wurden, an der freien Sicht zum Zugang des Zimmers des Strafgefangenen behindert wurde, nahm Insp. *** *** am Monitor wahr, dass der Strafgefangene sein Zimmer verließ. Aufgrund der Vorkommnisse im Gangbereich wurden Insp. *** *** und Insp. *** *** am Zugang zum Zimmer des Strafgefangenen gehindert. Daraufhin begab sich Insp. *** *** zunächst in den Bereich außerhalb des Pavillon ***, um das Fenster des Zimmers des Untersuchungsgefangenen von Außen zu bewachen. Währenddessen beobachtete Insp. *** ***, dass sich der Strafgefangene bereits mit Zivilkleidung bekleidet hatte. Von der Außenbewachung ins Innere des Pavillons zurückgekehrt suchte Insp. *** *** zusammen mit Insp. *** *** sofort das Zimmer des Strafgefangenen auf. Dort trafen sie diesen jedoch nicht mehr an, weil ihm über ein Fenster eines nahegelegenen Therapieraums die Flucht ins Freie gelungen war. Die in weiterer Folge von weiteren Justizwachebeamten und Polizeibeamten unterstützte Nacheile verlief negativ.

Diese Feststellungen gründen sich auf die im Wesentlichen mit den Ergebnissen der Erhebungen der Vollzugsdirektion übereinstimmenden Angaben der Disziplinarbeschuldigten.

Nach § 43 Abs 1 und Abs 2 BDG 1979 ist ein Beamter verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Diese allgemeinen Dienstpflichten werden durch den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 23. Dezember 1993, JMZ 42302/35-V/1993, Eskorteordnung für Justizanstalten ([EskorteO], bezogen auf überwachte Ausführungen oder Überstellungen eines Insassen konkretisiert. Nach Punkt 18. EskorteO hat sich der Eskortekommandant ein Bild über die Fluchtmöglichkeiten und sonstigen Gefahrenmomente zu verschaffen und entsprechende Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, sofern sich die Eskorte in einem geschlossenen Raum aufhält.

Indem die beiden Disziplinarbeschuldigten sich überwiegend auf die Ihnen von ihren Kollegen aus Anlass der Dienstübergabe erteilten Informationen verließen und vor allem eine Überprüfung der Außensicherung der Fenster der im Hochparterre befindlichen Abteilung unterließen, sind sie der zuvor dargestellten Verpflichtung nicht hinreichend nachgekommen.

Nach Punkt 8 Abs 1 letzter Satz Eskorte O haben sich die zur unmittelbaren Bewachung bestellten Bediensteten in unmittelbarer Nähe des auszuführenden Insassen aufzuhalten.

Bezogen auf die fallkonkrete Unterbringung des Insassen in einem vergitterten Krankenzimmer ist den Disziplinarbeschuldigten nicht anzulasten, dass sie sich nicht innerhalb dieses Zimmers aufhielten. Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass die Disziplinarbeschuldigten ihre Überwachungsposten einerseits im Monitorraum und andererseits im Gangbereich bezogen, wurde doch auf diese Weise eine adäquate Überwachung gerade jener Bereiche sichergestellt, die angesichts der örtlichen Gegebenheiten und Sicherheitseinrichtungen für eine Flucht des Insassen vorhersehbar in Betracht kommen. Auch war durch dies Form der Überwachung die zeitnahe Ergreifung der zur Verhinderung einer allfälligen Flucht des Insassen erforderlichen Abwehrmaßnahmen sichergestellt.

Jedoch ist den beiden Disziplinarbeschuldigten unter dem Aspekt des Punktes 8 Abs 1 letzter Satz EskorteO vorzuwerfen, dass sie es nach dem Hinzutreten des die Fluchtgefahr verschärfenden Tumults im Gangbereich unterließen, die nach der Lage des Falls gebotene räumliche Nähe zum Insassen dadurch wiederherzustellen, dass sie vor seinem Krankenzimmer Posten bezogen. Allfällige Anweisungen des Krankenhauspersonals vermögen die beiden Disziplinarbeschuldigten unter dem Aspekt einer Pflichtenkollision nicht zu exkulpieren, hat sich doch aus dem Verfahren kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass das Aufsuchen des Krankenzimmers des Insassen die notwendige Behandlung der akut eingelieferten Patientin behindert oder gefährdet hätte.

Mit Blick auf das Gelingen der Flucht des Insassen entfalteten die Sorgfaltsverstöße der Disziplinarbeschuldigten auch eine das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben gefährdende Außenwirkung (§ 43 Abs 2 BDG 1979).

Bei den gemäß § 93 Abs 2 BDG 1979 nach §§ 93 Abs 1, 105 BDG auszumessenden Disziplinarstrafen ist bei beiden Disziplinarbeschuldigten kein Umstand als erschwerend zu werten. Demgegenüber fallen deren in objektiver Hinsicht umfassende Geständnisse und deren bisherige Unbescholtenheit mildernd ins Gewicht.

Angesichts der überwiegend auf mangelnder Erfahrung beruhenden Sorgfaltsverstöße weisen die Dienstpflichtverletzungen eine bloß geringe Schwere auf, der die Disziplinarstrafe des Verweises nach § 92 Abs 1 Z 1 BDG 1979 angemessen erscheint.

Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 haben die Disziplinarbeschuldigten die in den Reisekosten des Beisitzers bestehenden Verfahrenskosten von jeweils EUR 100,00 zu ersetzen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Im Hinblick auf den von den Disziplinarbeschuldigten erklärten Rechtsmittelverzicht, steht gegen diesen Bescheid ausschließlich dem Disziplinaranwalt gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1, Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG):

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht

ist.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs. 1 VwGVG).

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2016
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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