TE Dok 2016/4/8 1 Ds 35/14

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Veröffentlicht am 08.04.2016
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Norm

BDG 1979 §43
BDG 1979 §91

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

BESCHEID

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch EOStA Dr. Harald SALZMANN als Vorsitzenden sowie die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates Oberstaatsanwalt Mag. Wolfgang WOHLMUTH, LL.M., und Fachoberinspektor Franz GSCHIEL in der Disziplinarsache gegen Fachinspektorin *** *** am 7. März 2016 in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 125a Abs 2 BDG 1979 beschlossen:

Fachinspektorin *** *** ist schuldig, sie hat im Zeitraum *** bis *** in *** als Leiterin der *** des Bezirksgerichtes *** in dem gegen sie selbst geführten Exekutionsverfahren AZ *** E ***/*** des Bezirksgerichtes *** entgegen den sie treffenden Verpflichtungen weder dem Gerichtsvorsteher ihre Ausgeschlossenheit angezeigt, noch den Exekutionsantrag dem zuständigen Rechtspfleger vorgelegt, sondern den Akt zurückgehalten und im VJ-Register den Namen der verpflichteten Partei auf „*** ***“ geändert.

Sie hat hiedurch gegen ihre Dienstpflicht nach § 43 Abs 1 BDG 1979, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und gegen ihre Dienstpflicht nach § 43 Abs 2 BDG 1979, in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und damit schuldhaft eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begangen.

Gemäß § 115 BDG 1979 wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat die Disziplinarbeschuldigte den mit EUR 70,00 (in Worten: Euro siebzig/00) bestimmten Teil der Verfahrenskosten zu ersetzen.

BEGRÜNDUNG:

Feststellungen:

Die am *** geborene Fachinspektorin *** *** (geborene ***) ist verwitwet und Mutter eines erwachsenen Sohnes. Inklusive einer Witwenpension in Höhe von *** Euro (Stand: Jänner 2015) verdient sie *** Euro netto monatlich. Dem stehen Schulden in Höhe von *** Euro gegenüber, wofür sie monatliche Rückzahlungsraten in Höhe von *** Euro leistet.

*** *** wurde mit *** als Vertragsbedienstete in den Justizdienst aufgenommen. Mit Wirksamkeit vom *** wurde sie auf eine Planstelle des mittleren Dienstes in der Dienstklasse III (Verwendungsgruppe D) beim Bezirksgericht *** ernannt. Nach vorübergehender Versetzung zum Bezirksgericht *** wurde sie mit Wirksamkeit vom *** auf eine Planstelle des Allgemeinen Verwaltungsdienstes in der Verwendungsgruppe A3, Funktionsgruppe 1, ernannt. Seit *** ist ihr Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A3, Funktionsgruppe 2, zugeordnet. Sie ist *** der *** des Bezirksgerichtes ***.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom ***, GZ *** Ds ***/***, wurde gegen Fachinspektorin *** *** gemäß §§ 123 Abs 1, 114 Abs 2 letzter Satz BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet (Punkt I. des Spruches des Einleitungsbescheides) und dieses gemäß § 114 Abs 2 erster Satz BDG 1979 bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu AZ *** St ***/*** der Staatsanwaltschaft *** wegen desselben Sachverhaltes anhängigen Strafverfahrens unterbrochen (Punkt II. des Spruches des Einleitungsbescheides). In Ansehung jenes Anzeigesachverhaltes, wonach Fachinspektorin *** *** durch ihr unter Punkt I. dargestelltes (mutmaßlich) pflichtwidriges Verhalten auch bewirkt habe, dass die betreibende Partei den Exekutionsantrag noch vor Erteilung der Exekutionsbewilligung wieder zurückzog, wodurch die Republik Österreich die Hälfte der bereits entrichteten Pauschalgebühr rückzuerstatten hatte, wurde die Einleitung des Disziplinarverfahrens abgelehnt (Punkt III des Spruches des Einleitungsbescheides).

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes *** als Schöffengericht vom ***, GZ *** Hv ***/***, wurde die Disziplinarbeschuldigte des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem Strafsatz des § 302 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Danach hat sie im Zeitraum *** bis *** in *** als *** der *** des Bezirksgerichtes ***, sohin als Beamtin, mit dem Vorsatz, sich (sic!) dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren (sic!) Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie in den beim Bezirksgericht *** gegen sie geführten Exekutionsverfahren 4 E 1815/14t entgegen ihrer dienstlichen Verpflichtung, gemäß § 182 Abs 1 erster Satz Geo iVm §§ 20 Abs 1 Z 1,
26 Abs 1 JN dem Gerichtsvorsteher ihre Ausgeschlossenheit anzuzeigen bzw den von der GIS-Gebühren Infoservice GmbH eingebrachten Exekutionsantrag gemäß § 108 Abs 5 Geo analog dem zuständigen Rechtspfleger zur Bearbeitung vorzulegen, den Akt einbehielt, im VJ-Register den Namen auf „*** ***“ änderte, am *** den offenen Betrag in der Höhe von *** Euro (samt Kosten) gegenüber der betreibenden Partei zur Einzahlung brachte und diese um Rückziehung des Exekutionsantrages ersuchte, wodurch einerseits die Republik Österreich im Recht auf ordnungsgemäße Durchführung von Exekutionsverfahren, insbesondere im Recht auf Einhebung der vollständigen Pauschalgebühr, andererseits die GIS-Gebühren Infoservice GmbH in ihrem Recht auf zeitnahe gerichtliche Eintreibung der betriebenen Forderung geschädigt wurden.

Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat das Geständnis, die Unbescholtenheit und die vollständige Schadensgutmachung als mildernd, hingegen die Tatbegehung zum Nachteil von zwei Opfern als erschwerend.

Mit der oben geschilderten Vorgangsweise verstieß die Disziplinarbeschuldigte bewusst auch gegen ihre Verpflichtung, in ihrem gesamten Verhalten als Beamtin darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Einen durch ihr Verhalten bewirkten Vertrauensverlust gegen Beamte der Justiz nahm sie dabei bewusst in Kauf und fand sich damit ab.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person der Disziplinarbeschuldigten und ihrer wirtschaftlichen Situation beruhen auf den Angaben in der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes *** vom ***, Jv ***/***, und ihren eigenen Angaben als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren nach der StPO.

Die Feststellungen zum Sachverhalt, insbesondere zur objektiven und subjektiven Tatseite gründen sich auf das (rechtskräftige) Urteil des Landesgerichtes *** als Schöffengericht vom ***, GZ *** Hv ***/***, sowie auf die schriftliche Stellungnahme der Disziplinarbeschuldigten vom *** (ON ***), in der sie ihr Geständnis vor Gericht bestätigte und um Milde ersuchte.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 95 Abs 2 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an den einem rechtskräftigen Strafurteil zugrunde liegenden Sachverhalt gebunden. Diese Bindung der Disziplinarbehörde erstreckt sich auch auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite
(VwGH 8.2.1998, 95/09/0146) und damit auf die Frage eines schuldhaften Fehlverhaltens iSd § 91 BDG. Dies gilt auch für die Frage des Grades des Verschuldens (VwGH 24.11.1982, 82/09/0094, sowie implizit 21.9.2005, 2004/09/0087).

Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs 2 leg.cit. hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Die vom Urteil des Landesgerichtes *** umfassten Dienstpflichtverletzungen der Disziplinarbeschuldigten sind (grundsätzlich) geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen.

Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlichen Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist gemäß § 95 Abs 1 BDG 1979 von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 BDG 1979 vorzugehen. Dieser disziplinäre Überhang iSd § 95 Abs 1 BDG 1979 ergibt sich im vorliegenden Fall bereits daraus, dass das Strafrecht auf die Belange der Vertrauenswahrung iSd § 43 Abs 2 BDG 1979 und den Schutzzweck der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes naturgemäß nicht abstellt.

Ein Schuldspruch gemäß § 115 BDG 1979 darf nur erfolgen, wenn von der Verhängung einer Strafe ohne Verletzung dienstlicher Interessen (also im Hinblick auf generalpräventive Erwägungen) abgesehen werden kann und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen werde, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten (VwGH 5.11.2014, Ro 2014/09/0023).

Ausgehend von den Strafbemessungskriterien des § 93 Abs. 1 und 2 BDG 1979 war als erschwerend nichts zu werten, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis und die Schadensgutmachung. Insbesondere im Hinblick auf die vorliegenden Milderungsgründe und die schriftliche Stellungnahme der Disziplinarbeschuldigten vom 26. Februar 2016, in der sie sich hinsichtlich ihres Fehlverhaltens einsichtig zeigte und glaubhaft versicherte, dass „so etwas nie wieder vorkommen wird“, kann von einer günstigen spezialpräventiven Prognose ausgegangen werden. Die Verhängung einer konkreten Strafe erscheint aus generalpräventiver Sicht nicht erforderlich. Da somit dienstliche Interessen nicht gefährdet erscheinen und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit der Disziplinarbeschuldigten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, die Disziplinarbeschuldigte von weiteren Verfehlungen abzuhalten, kann von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 115 BDG 1979 abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung ist Folge der Sachentscheidung und gründet sich auf die Bestimmung des § 117 Abs. 2 erster Satz zweiter Halbsatz BDG 1979. Im Hinblick auf den relativ moderaten Verfahrensaufwand (zwei nichtöffentliche Sitzungen, Beischaffung des Aktes des Landesgerichtes ***) und die beeinträchtigte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Disziplinarbeschuldigten sind die Verfahrenskosten mit 70 Euro zu bemessen.

Da der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt wurde, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat gemäß § 125a Abs 2 BDG 1979 abgesehen werden.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diesen Bescheid kann binnen vier Wochen nach seiner Zustellung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Die Postaufgabe der Beschwerde an die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides gilt als rechtzeitig. Die Beschwerde kann auch in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden. Die Einbringung mit E-Mail ist jedoch nur insoweit zulässig, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz und den Parteien nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen bzw. etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs im Internet bekannt gemacht sind (§ 13 Abs. 2 AVG).

Die Beschwerde hat gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung. Diese kann jedoch ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist (§ 13 Abs. 2 VwGVG).

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2016
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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