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BDG 1979 §43Schlagworte
DienstpflichtverletzungenText
DISZIPLINARERKENNTNIS
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, hat durch die Vorsitzende Präsidentin des Landesgerichtes Dr.Haberl-Schwarz sowie die weiteren Mitglieder Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Ohrnhofer und Bezirksinspektor Zöhrer in der Disziplinarsache gegen Oberst *** *** nach der am 17. März 2016 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin Oberstaatsanwältin Maga.Steger, der Disziplinarbeschuldigten Oberst *** *** und ihres Verteidigers Dr.Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Maga.Vukadin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Oberst *** *** wird von dem wider sie im Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, vom ***, erhobenen Verdacht, sie habe im Zusammenhang mit der Erstellung ihrer außerdienstlich zu absolvierenden Diplomarbeit im Bachelorstudiengang „Polizeiliche Führung“ an der Fachhochschule *** zu den Themen
1. „Frauen in E 1-Führungspositionen im Österreichischen Strafvollzug – Betrachtung der Entwicklung von Zahlen weiblicher E 1-Führungspositionen innerhalb der Österreichischen Justizwache“;
2. „Elektronisch überwachter Hausarrest in Österreich – Analyse der Vollzugsform elektronisch überwachter Hausarrest im zeitgemäßen Strafvollzug in Österreich“;
ihr in der Justizanstalt *** unterstellte Beamte, nämlich
1. zwei Verwaltungsassistentinnen (*** *** und *** ***) für die Verschriftlichung von Interviews im *** (beide Verwaltungsassistentinnen waren damit durchschnittlich zwei Wochen täglich befasst) und
2. eine Vertragsbedienstete der Vollzugsstelle (VB *** ***) für die zweimalige Unterstützung bei der Erstellung des Inhalts- und Abbildungsverzeichnisses Ende ***/Anfang ***,
missbräuchlich herangezogen, wobei die angeführten, Oberst *** unterstellten Bediensteten diese Schreibarbeiten während ihrem Dienst in der Justizanstalt *** verrichtet haben,
und dadurch gerichtlich strafbare Handlungen nach § 302 (Abs 1) StGB sowie Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 begangen und hiedurch gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzt,
gemäß § 126 Abs 1 BDG 1979 freigesprochen.
BEGRÜNDUNG:
Aufgrund einer Disziplinaranzeige der (damaligen) Vollzugsdirektion vom *** (ON ***) wurde von der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, mit Beschluss vom *** gemäß § 123 Abs 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren gegen Oberst *** ***, *** der Justizanstalt ***, eingeleitet und dieses bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen sie damals zu *** St ***/*** der Staatsanwaltschaft *** geführten Strafverfahrens unterbrochen. Zu den (mit dem Strafverfahren korrespondierenden) Anschuldigungspunkten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Einleitungsbeschluss (ON ***) verwiesen.
Nachdem im zugrundeliegenden Strafverfahren weisungsgemäß (siehe ON *** im Akt *** Hv ***/*** des LG ***) Anklage wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erhoben worden war, wurde *** *** mit Urteil des Landesgerichtes *** als Schöffengericht vom *** vom Vorwurf sie habe in *** als Beamtin, nämlich als *** der Justizvollzugsanstalt ***, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf Verwendung von Bediensteten der Justizanstalt *** zu ausschließlich dienstlichen Zwecken zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze, Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass sie unter Vernachlässigung der ihr zukommenden Verpflichtung zur Überwachung und Anordnung der pflichtgemäßen Erfüllung der den ihr unterstehenden Bediensteten der Justizanstalt *** zukommenden Aufgaben die nachstehend angeführten Mitarbeiterinnen während der Dienstzeit für dienstfremde Verrichtungen heranzog, und zwar
1. im *** die Lehrlinge *** *** und *** *** zur Verschriftung von elektronisch aufgezeichneten Interviews für ihre Bachelorarbeiten „Frauen in E1- Führungspositionen im österreichischen Strafvollzug - Betrachtung der Entwicklung von Zahlen weiblicher E1-Führungspositionen innerhalb der österreichischen Justizwache“ und „Elektronisch überwachter Hausarrest in Österreich - Analyse der Vollzugsform elektronisch überwachter Hausarrest im zeitgemäßen Strafvollzug in Österreich“;
2. Ende ***/Anfang *** die Vertragsbedienstete *** zur Erstellung eines Inhalts- und Abbildungsverzeichnisses für die unter Punkt 1./ angeführten Bachelorarbeiten,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Das Schöffengericht traf dazu nachstehende Feststellungen:
„Zur Person:
Die am *** in ***, ***, geborene Angeklagte *** *** ist österreichische Staatsbürgerin, geschieden, ohne Sorgepflichten und bringt als Beamtin ca EUR *** monatlich ins Verdienen. Sie ist Eigentümerin eines Reihenhauses im Wert von ca EUR *** und hat Schulden von ca EUR ***. Sie ist bislang gerichtlich unbescholten.
Zur Sache:
Die Angeklagte ist *** der Justizanstalt ***. Mit *** begann die Angeklagte in der Justizanstalt *** ihren Dienst als Mitarbeiterin der Justizwache. Nach abgeschlossener Grund- und Offiziersausbildung wurde die Angeklagte *** für einen Zeitraum von sechs Monaten zur Verwendung der Justizanstalt *** zugeteilt. Danach wurde die Angeklagte während einer Dienstzuteilung in der Justizanstalt *** mit den Agenden der *** des Vollzugs betraut. Nach einer weiteren Dienstzuteilung in der Justizanstalt *** als Leiterin der Abteilung *** wurde die Angeklagte am *** als *** zur Justizanstalt *** versetzt. Mit *** wurde die Angeklagte zur *** der Justizanstalt *** ernannt und verrichtete seit diesem Zeitpunkt ihren Dienst an dieser Justizanstalt. Neben der *** der Justizanstalt oblag ihr auch die *** der Vollzugsabteilung. Die Angeklagte versah ihren Dienst mit hohem Engagement ohne dienstliche Verfehlungen. Während ihrer Tätigkeit in der Justizanstalt *** lernte die Angeklagte die Mitarbeit von Lehrlingen als Verwaltungsassistenten kennen und schätzen, sodass sie sich auch für die Aufnahme von Lehrlingen als Verwaltungsassistenten in der Justizanstalt *** einsetzte.
Im Jahr *** bewarb sich die Angeklagte an der FH *** zum sechssemestrigen berufsbegleitenden Bachelorstudium „Polizeiliche Führung“ ohne die vorgesetzte Dienstbehörde zu informieren. Nachdem die Angeklagte zum Lehrgang zugelassen worden war, stellte sie an die Vollzugdirektion einen Antrag auf Kostenzuschuss. Ihren Antrag auf Kostenzuschuss zur berufsbegleitenden Fortbildung bewilligte die Vollzugsdirektion mit Schreiben vom ***, wobei ein Kostenzuschuss im halben Ausmaß der Ausbildungskosten, nämlich von EUR ***, aus den der Justizanstalt *** zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln des Bundes gewährt wurde. Gleichzeitig stellte die Vollzugdirektion einen Sonderurlaub ausgehend von 30 Ausbildungstagen pro Semester in einem Ausmaß von 50 % in Aussicht.
Die Kostenübernahme erfolgte, da die Ausbildung auch im dienstlichen Interesse der Vollzugsdirektion stand. Eine Bewilligung der Kostenübernahme der verfahrensgegenständlichen Fortbildung kommt Personen in Führungspositionen oder möglichen künftigen Führungskräften zu Gute.
Der Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 8. August 2011
BMJ-V109.00/0025-III 3/2011 zum Thema Fortbildung für RichterInnen und StaatsanwältInnen sieht unter Punkt C. die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen unter der Gewährung von Sonderurlaub ausnahmsweise vor, wobei je nach Lage des Falles und nach Interesse des Dienstgebers auf Antrag ein Kostenzuschuss für Veranstaltungen im Inland höchstens im Ausmaß von 2/3 der Gesamtkosten gewährt werden kann. Im Bereich der Vollzugdirektion war keine konkrete Regelung von Richtlinien für die Bewilligung von Kostenzuschüssen und Sonderurlaub vorgesehen.
Die Angeklagte verfasste zu den Themen (richtig:) „Frauen in E1-Führungspositionen im österreichischen Strafvollzug - Betrachtung der Entwicklung von Zahlen weiblicher E1- Führungspositionen innerhalb der österreichischen Justizwache“ und „Elektronisch überwachter Hausarrest in Österreich - Analyse der Vollzugsform elektronisch überwachter Hausarrest im zeitgemäßen Strafvollzug in Österreich“ Diplomarbeiten. Mit Schreiben der Vollzugsdirektion vom *** bewilligte diese der Angeklagten zur wissenschaftlichen Aufbereitung der Diplomarbeiten die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten in ausschließlich anonymisierter Form und unter Wahrung des Datenschutzes. Weiters wurde der Angeklagten aufgetragen die Diplomarbeiten nach Abschluss zur Publikation der Bibliothek Vollzugsforschung im Intranet der Justiz zur Verfügung zu stellen. Das Verfassen der Diplomarbeiten durch die Angeklagte stand auch im dienstlichen Interesse.
Im *** waren *** *** in der *** und *** *** in der *** als Lehrlinge zu Verwaltungsassistentinnen in der Justizanstalt *** tätig. Die Arbeitsbelastung der Lehrlinge gestaltete sich unterschiedlich, sodass es auch gelegentlich vorkam, dass kurzfristig wenig bis keine Aufgaben zur Erledigung für die Lehrlinge anstanden.
Die Angeklagte beauftragte *** *** und *** ***, Interviews, die sie im Zuge der Erstellung ihrer Diplomarbeit mit ehemaligen Insassen von Justizanstalten geführt und digital aufgezeichnet hatte, mittels eigens dazu zur Verfügung gestellter IT-Software im Rahmen ihrer Dienstzeit zu verschriftlichen. Die Angeklagte wies ausdrücklich darauf hin, dass jedenfalls andere Arbeiten der Verschriftlichung der Interviews gegenüber Priorität hätten, jedoch bei Nachfragen von anderen Personen über den Auftrag nicht gesprochen werden sollte. *** *** und *** *** kamen den Aufträgen der Angeklagten nach, wobei sie im Rahmen ihrer Ausbildung zum ersten Mal mit einer solchen Aufgabe und technischen Hilfsmitteln konfrontiert waren. *** *** wendete über einen Zeitraum von zwei Wochen täglich ca drei Stunden zur Verschriftlichung auf. *** *** war mit der Verschriftlichung von Interviews über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen täglich beschäftigt. Ein genaues Ausmaß der aufgewendeten Arbeitszeit kann diesbezüglich nicht festgestellt werden. Mehrdienstzeiten fielen durch die Leistungen der beiden Lehrlinge für die Angeklagte nicht an. Nicht festgestellt werden kann, dass dadurch andere dienstliche Tätigkeiten der Lehrlinge in irgendeiner Weise nachteilig beeinträchtigt wurden.
Der Ausbildungsplan für Lehrlinge der Justizanstalt *** umfasste für das erste Lehrjahr in der Direktionsstelle und in der *** je acht und in der *** sechs Ausbildungswochen, im zweiten Lehrjahr in der *** acht und in der *** sechs Ausbildungswochen und im dritten Lehrjahr in der *** acht und in der *** sechs Ausbildungswochen. Als Schwerpunkte sah der Ausbildungsplan neben anderen Punkten auch das Erlernen des Erstellens von einschlägigen Texten und die Vorbereitung einschlägigen Schriftverkehrs und den Umgang mit EDV und Textverarbeitungsprogrammen vor.
Für den Fall von Leerläufen in der Ausbildung können Lehrlinge nach Bedarf in anderen Bereichen durch den Ausbildungsverantwortlichen eingesetzt werden, darüber hinaus ist auch während der Dienstzeit die Verfestigung der Lehrinhalte der Berufsschule vorgesehen.
Nicht in den Aufgabenbereich von Lehrlingen zu Verwaltungsassistenten, weder während ihrer Ausbildungszeit in der *** noch in der ***, fällt (inhaltlich) das Verschriftlichen von Interviews mit Insassen oder ehemaligen Insassen der Justizanstalt. Bei der Ausführung dieser Tätigkeit während der Dienstzeit handelte es sich für die Lehrlinge um dienstfremde Verrichtungen.
Als die Angeklagte *** *** und *** *** die Aufträge zur Verschriftlichung der Interviews erteilte, handelte sie als Beamtin im Zuge ihrer hoheitlichen Tätigkeit, und zwar in Ausübung ihrer Dienstaufsicht über Untergebene. Nicht festgestellt werden kann, dass die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt erkannte, dass die Verschriftlichung von Interviews von Insassen bzw ehemaligen Insassen für Zwecke der Diplomarbeit durch Lehrlinge zur Verwaltungsassistentin eine dienstfremde Aufgabe für die Lehrlinge und darüber hinaus für sie als Leiterin der Justizanstalt dienstfremde Aufträge darstellten, und dennoch im Wissen darum die konkreten Aufträge erteilte. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass die Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und es dennoch billigend in Kauf nahm, dass durch diese Aufträge die Republik Österreich in ihrem Recht auf Verwendung von Bediensteten der Justizanstalt *** zu ausschließlich dienstlichen Zwecken bzw die Lehrlinge in ihrem Recht auf den Ausbildungszielen entsprechende Ausbildung geschädigt wurden.
Ende *** ersuchte die Angeklagte die Vertragsbedienstete der Justizanstalt ***, *** ***, ihr bei der Erstellung eines Inhalts- bzw Abbildungsverzeichnisses für die Diplomarbeit insoferne behilflich zu sein, als sie um Hilfestellung bei der Anwendung von konkreten Textverarbeitungsfunktionen zur Erstellung der Verzeichnisse bat. Die Angeklagte wollte mit *** *** ein Treffen außerhalb der Dienstzeit und an einem privaten Ort zu diesem Zweck vereinbaren. Darüberhinaus stellte die Angeklagte eine Belohnung in Aussicht. *** *** willigte zwar ein der Angeklagten die Anwendungen im Textverarbeitungsprogramm zu erklären und zu zeigen, lehnte aber sowohl eine Belohnung als auch ein privates Treffen zu diesem Zweck ab. Schließlich erklärte *** *** der Angeklagten die konkreten Anwendungen an einem nicht mehr näher feststellbaren Tag in den Nachmittagsstunden während der Dienstzeit in den Räumlichkeiten der Direktion der Justizanstalt ***. Da die Angeklagte bei der Anwendung der Textverarbeitung nochmals Hilfe zur Formatierung benötigte, bat sie *** *** ein weiteres Mal darum. Diese kam der Bitte neuerlich während der Dienstzeit nach. Weitere Hilfestellungen lehnte *** *** ab, was auch von der Angeklagten akzeptiert wurde.
*** *** war seit *** in der *** der Justizanstalt *** tätig. Sie hatte gute Kenntnisse in der Textverarbeitung. Die Angeklagte arbeitete mit ihr als *** der Vollzugsstelle sehr eng zusammen. Das Arbeitsverhältnis war bis zum Zeitpunkt als *** *** keine weitere Hilfestellung der Angeklagten mehr leisten wollte, amikal, danach war es weiterhin ein korrektes dienstliches Verhältnis.
Als die Angeklagte die Vertragsbedienstete *** *** um Hilfestellung bei der Anwendung von Textverarbeitungsfunktionen zur Erstellung des Inhalts bzw Abbildungsverzeichnissen bat, handelte sie nicht im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit. Dabei handelte es sich um eine freundschaftliche Bitte. Die Angeklagte konnte daher auch nicht erkennen, dass sie durch diese Bitte ihre Befugnisse als Vorgesetzte im Hinblick auf die ihr zukommende Verpflichtung zur Überwachung und Anordnung der pflichtgemäßen Erfüllung der Dienstpflichten von *** *** missbraucht hätte. Die Angeklagte wollte auch nicht, dass die Republik Österreich dadurch in ihrem Recht auf Verwendung von Bediensteten der Justizanstalt *** zu ausschließlich dienstlichen Zwecken geschädigt wird.“
Beweiswürdigend wurde im Urteil des Schöffengerichtes zu den persönlichen Verhältnissen auf die Angaben der Angeklagten verwiesen. Hinsichtlich der Aufträge an *** *** und *** *** wurde insbesondere auf die Angaben dieser Zeuginnen verwiesen. Zur Feststellung, wonach es sich bei der Verschriftlichung von Interviews um dienstfremde Tätigkeiten für die Lehrlinge gehandelt hatte, wurde auf die Angaben der Zeugin *** verwiesen sowie darauf, dass sich das Ausbildungsziel der Erstellung von einschlägigen Texten und Schreiben nicht auf die inhaltliche Aufbereitung von Interviews mit Insassen oder ehemaligen Insassen der Justizanstalt beziehe. Der Verantwortung der Angeklagten, wonach es sich bei diesen Tätigkeiten um Arbeiten zur Erreichung von Ausbildungszielen gehandelt hatte, wurde daher nicht gefolgt. Die nicht feststellbare subjektive Tatseite begründete das Schöffengericht damit, dass die Fortbildung der Angeklagten nicht ausschließlich im privaten Interesse sondern durchaus auch im Interesse des Dienstgebers stand, wobei auf den Kostenzuschuss in der Höhe von 50 % und auf die Angaben der Zeugin *** verwiesen wurde, woraus sich der Schluss ableiten lasse, dass die gegenständliche Ausbildung für den Dienstgeber der Angeklagten einen besonders hohen Stellenwert hatte und im dienstlichen Interesse stand, wobei die Feststellungen auch mit dem Fortbildungserlass des Bundesministeriums für Justiz in Einklang stünden. Daher sei auch das Verfassen der Diplomarbeit für die Angeklagte (wenn auch nicht ausschließlich) im dienstlichen Interesse gestanden und habe einen dienstlichen Zusammenhang gehabt. Aufgrund dieses Umstandes und einer „vielschichtigen Interessenslage“, die die Angeklagte zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zur Erteilung der Arbeitsaufträge an die Lehrlinge zu berücksichtigen hatte, lasse sich mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit nicht ableiten, dass die Angeklagte erkannt habe, dass es sich bei dem Auftrag die Interviews zu verschriftlichen um dienstfremde Tätigkeiten der Lehrlinge gehandelt habe und sie dadurch ihre Befugnisse missbraucht und dennoch in Kenntnis dieser Sachlage den Auftrag erteilt habe. Vielmehr habe die Angeklagte davon ausgehen können, dass es für sie als *** der Justizanstalt *** keine ausschließlich dienstfremde Tätigkeit war. Es sei auch lebensnah, wenn der Dienstgeber einen Kostenzuschuss von 50 % zu einer Ausbildung gewähre und von einem hohen dienstlichen Interesse auch im Hinblick auf die Funktion der *** der Justizanstalt ausgegangen werden konnte. Es sei im Übrigen auch kein wissentlicher Befugnismissbrauch durch die Angeklagte, die bei der vorgesetzten Dienststelle als engagierte und fordernde Vorgesetzte und Justizwachebeamtin bekannt gewesen sei und die während der Dienstzeit als *** der Justizanstalt *** mit unsubstantiierten Anschuldigungen von anonym gebliebenen Mitarbeitern konfrontiert gewesen sei, bei welchen die vorgesetzte Dienststelle einen Grund für Beanstandungen nicht gefunden habe. Auch der Umstand, dass die Angeklagte die Lehrlinge angewiesen habe, über diese Arbeit nicht mit anderen Kollegen zu sprechen, vermöge daran nichts zu ändern. Die Verantwortung der Angeklagten, sie habe zur Verschwiegenheit aufgefordert, weil es bei der Verschriftlichung der Interviews um sensible Inhalte und Daten gegangen sei, habe nicht widerlegt werden können. Die sei auch im Einklang mit dem Bewilligungsschreiben der Vollzugsdirektion im Hinblick auf die Verwendung von personenbezogenen Daten in ausschließlich anonymisierter Form gestanden. Dass die übrigen Arbeiten der Lehrlinge durch das Abtippen der Interviews nicht beeinträchtigt worden seien, gründete das Schöffengericht auf die übereinstimmenden Angaben der Angeklagten und der Zeuginnen *** und ***. Beim Faktum *** *** habe sich aus den Angaben der Angeklagten und jenen der Zeugin *** einwandfrei ergeben, dass es sich dabei um eine freundschaftliche Bitte und nicht um einen Arbeitsauftrag gehandelt habe. Verwiesen wurde auch darauf, dass nach den Angaben der Zeugin ***, diese zuerst um private Treffen gebeten wurde und ihr die Angeklagte auch eine Bezahlung, welche von ihr ausgeschlagen worden sei, angeboten habe.
Rechtlich hielt das Schöffengericht zum Freispruch - zusammengefasst - fest, dass beim ersten Faktum ein Schuldbeweis für einen Missbrauch ihrer Befugnis in Bezug auf die subjektive Tatseite nicht erbracht werden konnte, und beim zweiten Faktum die Angeklagte den Tatbestand schon objektiv nicht erfüllt habe.
Gegen das freisprechende Urteil wurde von der Staatsanwaltschaft *** das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsausfertigung jedoch am *** zurückgezogen (siehe dazu ON *** im Strafakt).
Die Disziplinarkommission übernimmt aufgrund des abgeführten Beweisverfahrens die Feststellungen des Landesgerichtes *** als Schöffengericht, wobei ergänzend bzw konkretisierend noch Folgendes festgestellt wird:
Die Lehrlinge in der Justizanstalt *** waren zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht durchgehend mit den in der Justizanstalt anfallenden Tätigkeiten ausgelastet. In Anbetracht dieses Umstandes und der Tatsache, dass aus Sicht der Disziplinarbeschuldigten zum einen die Lehrlinge im Sinne ihres Ausbildungsverhältnisses etwas lernen sollten und die Verfassung der von der Vollzugsdirektion eigens bewilligten Diplomarbeiten, wobei ihr sogar (dienstlich) aufgetragen worden war, die Diplomarbeit nach Abschluss zur Publikation der Bibliothek für Vollzugsforschung im Intranet der Justiz zur Verfügung zu stellen, in einem dienstlichen Interesse stand, beauftragte die Disziplinarbeschuldigte die beiden genannten Lehrlinge mit der Verschriftlichung der Interviews, wobei sie ausdrücklich darauf hinwies, dass jedenfalls andere Arbeiten dieser Verschriftlichung gegenüber Priorität haben würden. Die Diszplinarbeschuldigte wollte aufgrund des von ihr angenommenen dienstlichen Interesses durch die Anweisung an die Lehrlinge über diese Arbeit nicht zu sprechen, deren Beauftragung nicht etwa geheim halten, sondern setzte damit den ihr im Rahmen der Bewilligung erteilten Auftrag zur Datenschutzwahrung um. In Anbetracht des von der Disziplinarbeschuldigten insbesondere in Ansehung der bewilligten Diplomarbeiten angenommenen dienstlichen Interesses und ihrer Intention, dass die Lehrlinge die Zeiten mangelnder Auslastung nicht mit völlig ausbildungsfremden Tätigkeiten verbringen, sondern möglichst viel lernen sollten, stellte sie zu diesem Zeitpunkt keine dahingehenden Überlegungen an, dass die den Lehrlingen aufgetragene Tätigkeit dienstfremd sein könnte.
Zu den übernommenen Feststellungen im schöffengerichtlichen Urteil ist festzuhalten, dass diese aus Sicht der Disziplinarkommission plausibel und gut nachvollziehbar sind, sodass diese übernommen werden konnten, wobei bei dem hier vorliegenden Fall eines rechtskräftigen Freispruches ohnedies zumindest jene Sachverhaltsfeststellungen als bindend anzusehen sind, die für das vom Gericht erzielte Ergebnis, nämlich den Freispruch entscheidungswesentlich waren (vgl dazu etwa VwGH 25.2.2010, 2005/09/0161).
Die ergänzend getroffenen Feststellungen gründen sich auf das abgeführte Beweisverfahren, insbesondere die Verlesungen und die ergänzenden Angaben der Disziplinarbeschuldigten. Diese gab plausibel und nachvollziehbar an, dass die Lehrlinge in der Justizanstalt *** mit dienstlichen Tätigkeiten nicht durchgehend ausgelastet waren und sie insbesondere auch Zeit für ausbildungsfremde Tätigkeiten, etwa mit ihrem Mobiltelefon („Handywischen“), nutzten. Die Annahme eines dienstlichen Interesses im Zusammenhang mit der Abfassung der Diplomarbeit ist bei der gegebenen Sachlage insofern zweifelsfrei nachvollziehbar, als ihr von der (damaligen) Vollzugsdirektion nicht nur Sonderurlaub in entsprechendem Ausmaß bewilligt, sondern auch in beträchtlichem Ausmaß ein Kostenzuschuss gewährt wurde, wobei im Zusammenhang mit der Erstellung der Diplomarbeiten das dienstliche Interesse insofern noch als weiter ausgeprägt anzusehen ist, als ihr sogar im Rahmen der Bewilligung der Auftrag (!) erteilt wurde, die Diplomarbeit nach Fertigstellung der Bibliothek für Vollzugsforschung im Intranet der Justiz zur Verfügung zu stellen. Bei einem derartigen Sachverhalt ist es naheliegend, dass sie von einem dienstlichen Interesse im Zusammenhang mit den (von den Lehrlingen durchgeführten) Vorarbeiten für die Erstellung der Diplomarbeit ausging. Die Disziplinarbeschuldigte gab auch nicht nur nicht widerlegbar, sondern vielmehr plausibel an, dass sie die Übertragungsarbeiten nicht geheim halten wollte. Sie verwies in diesem Zusammenhang nämlich sehr gut nachvollziehbar darauf, dass sie andernfalls die Lehrlinge nicht an ihren bisherigen Arbeitsplätzen belassen hätte müssen, sondern zu ihr in das Nebenzimmer setzen hätte können. Im Übrigen ist vor dem Hintergrund des von ihr angenommenen dienstlichen Interesses an den übertragenen Tätigkeiten auch ein Grund dies vor den anderen Justizwachebediensteten geheim zu halten nicht ausreichend zu ersehen.
In rechtlicher Hinsicht ist vorweg zu dem vom Verteidiger der Disziplinarbeschuldigten gestellten Einstellungsantrag darauf hinzuweisen, dass eine Einstellung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs 1 BDG 1979 schon grundsätzlich nicht mehr in Betracht kam, zumal selbst wenn sich nach Erlassung eines Einleitungsbeschluss nach § 123 Abs 2 BDG 1979 idF der Dienstrechts-Novelle 2011 herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Einstellung vorliegen, das Disziplinarverfahren nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr eingestellt werden darf, sondern der Beschuldigte von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen ist (vgl VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0036).
Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Eine Abgrenzung zwischen einer schlicht fehlerhaften, noch nicht disziplinär zu ahndenden Arbeitsweise eines Beamten einerseits und einem bereits als schuldhaft (fahrlässig) vorwerfbaren Verhalten anderseits hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, und zwar sowohl hinsichtlich der Täterpersönlichkeit als auch im Hinblick auf die äußeren Begleiterscheinungen des jeweiligen Fehlverhaltens. Keinesfalls reicht es aus, bereits allein aus der Tatsache eines aufgetretenen Fehlers auf eine schuldhafte Vorgangsweise des Betreffenden zu schließen (vgl etwa VwGH 18.10.1990, 90/09/0076).
Dazu ist festzuhalten, dass der an die Verwaltungsassistentinnen (Lehrlinge) erteilte Übertragungsauftrag selbst bei objektiver Betrachtung vor dem Hintergrund auch eines weitgehenden dienstlichen Interesses zu sehen ist. Bereits die Absolvierung der fachspezifischen Zusatzausbildung erfolgte durch die - nach den Feststellungen ihren Dienst mit hohem Engagement und ohne dienstliche Verfehlungen versehende - Disziplinarbeschuldigte auch in einem dienstlichen Interesse (so die übernommene ausdrückliche Feststellung im Urteil des Schöffengerichts). Dies kam objektiv durch eine beträchtliche Mitfinanzierung (50 %) der Ausbildungskosten durch den Dienstgeber und durch die Gewährung von umfangreichem Sonderurlaub zum Ausdruck. In dem die konkrete Auftragserteilung betreffenden Fall war ein dienstliches Interesse insofern noch (weit) stärker ausgeprägt, als es sich um für den Strafvollzug unmittelbar einschlägige Diplomarbeitsthemen handelte, in Ansehung derer sie den ausdrücklichen dienstlichen Auftrag durch die Vollzugsdirektion erhalten hatte, die Diplomarbeiten zur Publikation der Bibliothek Vollzugsforschung im Intranet der Justiz zur Verfügung zu stellen. Die Disziplinarbeschuldigte hatte sohin nicht nur für den von ihr absolvierten auch im dienstlichen Interesse liegenden Ausbildungslehrgang Diplomarbeiten zu verfassen, sondern über Auftrag des Dienstgebers diese Arbeiten zu Strafvollzugsthemen nach Fertigstellung zur Verwendung für den Dienstbetrieb der Justiz zur Verfügung zu stellen. Bei dieser selbst bei objektiver Betrachtung weitgehend dienstlich geprägten Interessenslage ist ausgehend von dem von der Disziplinarbeschuldigten angenommenen dahingehenden Interesse ein insbesondere auch subjektiv ausreichend vorwerfbares schuldhaftes (fahrlässiges) Verhalten für eine disziplinäre Ahndung auch unter Berücksichtigung ihrer Führungsfunktion nicht gegeben, zumal der unter der Auflage erteilte Auftrag an die - zeitlich nicht ausgelasteten - Lehrlinge, dass jedenfalls andere Arbeiten der Verschriftlichung der Interviews gegenüber Priorität haben würden, sohin die Übertragungen den Dienstbetrieb nicht beeinträchtigten und auch keine Mehrdienstzeiten anfielen, es sich nicht um eine den Ausbildungszwecken von Lehrlingen widerstreitende oder mit Nachteilen für deren Ausbildung verbundene (Schreib-)Tätigkeit handelte und im Vergleich zum Gesamtaufwand für die Diplomarbeiten ohnedies nur geringe (im Umfang der Heranziehung nicht gebundene) dienstliche Ressourcen eingesetzt wurden.
Bei dem zweiten Faktum lag (nach den beweiswürdigenden Ausführungen im Urteil des Schöffengerichts) einwandfrei eine nur freundschaftliche Bitte und kein Arbeitsauftrag vor, sodass ungeachtet der – entgegen den ursprünglichen Intentionen – letztlich nicht außerhalb der Dienstzeit erfolgten (geringfügigen) Hilfeleistungen durch die damals befreundete Mitarbeiterin ein disziplinär zu ahndendes Verhalten nicht gegeben ist. Der Vollständigkeit wegen sei zu diesem aus Sicht der Disziplinarkommission weder objektiv noch subjektiv schuldrelevanten Vorwurf in formeller Hinsicht angemerkt, dass sich der Einleitungsbeschluss ausschließlich auf eine missbräuchliche Heranziehung ihr unterstellter Bediensteter bezog, sodass es in Ansehung des in diesem zweiten Punkt nach dem Beweisverfahren gar nie vorliegenden Auftrags bzw. einer missbräuchlichen Heranziehung, sondern einer bloßen freundschaftlichen Bitte, zudem fraglich erscheint, ob die (anfänglich im Übrigen nicht intendiert gewesenen) Folgen einer Bitte vom Einleitungsbeschluss ausreichend umfasst wären.
Aus den genannten Gründen war mit einem Freispruch vorzugehen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis (Bescheid) ist (soweit nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde und eine Beschwer vorliegt) gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1,
Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG):
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 BVG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs. 1 VwGVG).
Zuletzt aktualisiert am
24.06.2016