TE Dok 2016/6/30 G01-DK/04/16

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Veröffentlicht am 30.06.2016
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Norm

BDG 1979 §118 Abs1 Z4
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Freispruch wegen mangelnder Strafwürdigkeit; Weisungsverstoß (Einhaltung von Kassenbestimmungen)

Text

-ORGAN-

BM für Finanzen

-DOKTYP-

TE

-DATUM-

30.06.2016

-GZ-

G01-DK/04/16

-NORM-

BDG §118 Abs1 Z4

BDG §44 Abs1

BDG §43 Abs2

-SW-

Freispruch wegen mangelnder Strafwürdigkeit; Weisungsverstoß (Einhaltung von Kassenbestimmungen)

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Dr. Gottfried Nowak als Senatsvorsitzenden sowie ADir Berndt Graf und ADir Edith Weiß als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV nach der am 29. Juni 2016 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin MR Dr. Gerda Minarik und der Beschuldigten NN sowie ihres Verteidigers RA Dr. Alexander Singer durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

NN

Universalschalterdienst in der Postfiliale XX

wird vom Vorwurf, sie habe

1.       am 16. Februar 2016 im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeiten als Schaltermitarbeiterin der Postfiliale XX bei der Abmeldung in OPAL entgegen den Dienstvorschriften des Handbuches Bargeldbewirtschaftung, Lagerhaltung und Verrechnung den tatsächlichen Ist-Bargeldbestand bei der Geldprüfung unrichtig dargestellt und

2.       entgegen den Bestimmungen für den Artikelverkauf ein als Gesamtwerk konzipiertes Markenheft zerteilt und dieses in seinen Einzelteilen an Kunden weiterverkauft.

und damit die Dienstpflichten einer Beamtin nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, nämlich

hinsichtlich beider Spruchpunkte

a)       ihre Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs. 1 BDG 1979) sowie

b)       in ihrem gesamten Verhalten auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben Bedacht zu nehmen (§ 43 Abs. 2 BDG 1979)

schuldhaft verletzt und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl.Nr. 33/79 i.d.g.F. (kurz: BDG 1979) in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Z 4 BDG 1979

f r e i g e s p r o c h e n.

Verfahrenskosten sind keine angefallen.

B e g r ü n d u n g

NN steht seit 1987 im Postdienst und wird in der Postfiliale XX im Universalschalterdienst verwendet. Mit 1. April 1994 wurde sie zur Beamtin ernannt.

NN ist verheiratet und hat Sorgepflichten für ein Kind. Sie hat weder zusätzliche finanzielle Belastungen noch Nebeneinkünfte.

Aus der Dienstbeurteilung der Beschuldigten vom 25. Februar 2016 geht im Wesentlichen hervor, dass diese grundsätzlich sehr positiv sei, lediglich bei der „Qualität der Arbeit (Genauigkeit, Vollständigkeit, Sorgfalt)“ nicht über dem Durchschnitt liege.

Zum Sachverhalt:

Am 17. Februar 2016 wurde von W., Geldrevision, die zugleich auch als Erhebungsdienst tätig war, in der Postfiliale XX eine Standardprüfung durchgeführt. NN war für die Hauptkasse verantwortlich und hatte am Prüfungstag EUR 77.245,49 Bargeldbestand. Aufgrund der Gegensperre und des späteren Dienstbeginns des Filialleiters konnte vorerst nur ein Teil des Bargeldbestandes gezählt werden. Während des Zählvorganges der einzelnen Banknoten (100er und 50er) an der Banknotenzählmaschine hat die Beschuldigte, vermeintlich unbeobachtet, eine Banknote à EUR 10,- zu den noch zu zählenden 10er Banknoten in die Geldtasse, die gegenüber am Schalterpult abgestellt war, gelegt. Die Beschuldigte gab im Zuge der Befragung, mit der Wahrnehmung der Geldrevision konfrontiert, zu, dass sie die Banknote während der Prüfung eingelegt habe und dass sich die EUR 10,-- Banknote zuvor nicht in der Geldtasse befunden habe.

In der am Prüfungstag durch W., Erhebungsdienst, am frühen Nachmittag aufgenommenen Sachverhaltsdarstellung, begründete die Beschuldigte die Darstellung des Bargeldbestandes damit, dass sie ein Markenheft „Sternzeichen“ zum Verkaufspreis EUR 4,99 eingescannt habe, ohne den Verkaufspreis in der Geldlade zu hinterlegen. Sie gab an, dass sie die im Markenheft befindlichen 6 Marken zu je EUR 0,68 in ihrer Schalterlade hinterlegt habe, um auf besonderen Kundenwunsch einzeln verkaufen zu können.

Am 16. Februar 2016 wurde von ihr bei der Geldprüfung „anstelle des Geldes den Gegenwert der Briefmarken berücksichtigt“. Sie habe bewusst 52 Banknoten á EUR 5,00 anstelle der tatsächlich 51 vorhandenen Fünfer in der Geldaufstellung erfasst.

Die Beschuldigte: „Mir ist bewusst, dass ich die Kassenabstimmung am Vortag nicht gemäß den Bestimmungen des Handbuches BLV durchgeführt habe. Weil ich zum Prüfungszeitpunkt wusste, dass der Fünfer fehlte, wollte ich meinen Fehler unbemerkt gutmachen. Dazu nahm ich das fehlende Geld aus meiner Handtasche und legte es, in einem von mir vermeintlich unbeobachteten Augenblick, in die Geldtasse.“

Der im Zuge der Prüfung festgestellte Kassenabgang EUR 6,04 wurde am 17. Februar 2016 von NN nachträglich ersetzt.

Mit Disziplinarverfügung des Personalamtes Graz vom 21. März 2016 wurde über NN eine Geldbuße in Höhe von EUR 250,-- verhängt. NN wurde vorgeworfen, dass sie „im Rahmen Ihrer dienstlichen Tätigkeiten als Schaltermitarbeiterin am 16. Februar 2016 bei der Abmeldung in OPAL den tatsächlichen Ist-Bargeldbestand bei der Geldprüfung manipuliert und entgegen den Bestimmungen für den Artikelverkauf ein als Gesamtwerk konzipiertes Markenheft zerteilt und in ihren Einzelteilen an Kunden weiterverkauft“ habe.

Begründet wurde die disziplinäre Bestrafung damit, dass von einer Schaltermitarbeiterin erwartet werden könne, dass die Bestimmungen für die Verrechnung und Artikelgebarung eingehalten und die mit der Bargeld- und Artikelgebarung zusammenhängenden Geschäfte verantwortlich geführt werden. Insbesondere sei nach Ende der täglichen Schaltertätigkeit der Bargeldbestand mit Hilfe der Opal-Kassenführung abzustimmen. Diese Abmeldung habe immer mit der tatsächlich vorhandenen Stückelung des Bargeldbestandes zu erfolgen. Produkte die als Gesamtwerke konzipiert sind und daher auch im Ganzen zu verkaufen sind dürften ausdrücklich nicht zerteilt und in ihren Einzelteilen bzw. Werten an Kunden abgegeben werden. Durch diese Handlungsweise sei der Österreichischen Post AG auch ein Vertrauensschaden zugefügt worden, da wesentliche Interessen des Dienstgebers gefährdet bzw. betroffen wurden.

Überdies geht laut Disziplinarverfügung aus der Dienstbeurteilung vom 25. Februar 2016 unter anderem hervor, dass die Beamtin sehr zuverlässig sei, sich sehr um die betriebliche Zusammenarbeit bemühe, flexibel sei und der Umgang mit den Vorgesetzten immer sehr positiv sei.

Mit innerhalb offener Frist eingebrachtem Einspruch vom 14. April 2016 bekämpfte NN die Disziplinarstrafe und führte im Wesentlichen aus, dass sie keine Dienstpflichtverletzungen begangen habe und die Vorwürfe jeglichen Substrates entbehren würden. Sie habe sich als „sehr zuverlässige Beamtin“ in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit im Schalterdienst, noch nie irgendetwas zuschulden kommen lassen.

Die Beamtin sei mit einem Kundenwunsch konfrontiert worden, aus dem 6-er-Markenheft nur eine Marke mit dem Sternzeichen Widder kaufen zu wollen. Sie habe in keiner Weise die Österreichische Post AG geschädigt, sondern habe – getragen von der Kundenfreundlichkeit – diesem Wunsch wie folgt Rechnung getragen. Sie habe dabei das Markenheft um EUR 4,99 erworben, wobei sich beweisen lässt, dass sie diesen Ankaufsvorgang auch gescannt habe.

In weiterer Folge habe sie, als Ausdruck ihrer Kundenfreundlichkeit, von ihrem Eigentum eine Marke an Kunden weitergegeben. Grundsätzlich sei diese Vorgangsweise weder konkret noch abstrakt geeignet, Interessen der Österreichischen Post AG zu schädigen. Schädigen könnte sich die Beamtin höchstens selbst, wenn sie um EUR 4,99 ein Markenheft erwirbt, in dem 6 Marken im Nominalwert von EUR 0,68 enthalten sind, sohin insgesamt EUR 4,08. Es handle sich in der gegenständlichen Disziplinarangelegenheit um eine “lächerliche Bagatelle“, wobei „eine treue Beamtin in geradezu unnachvollziehbarer Weise kriminalisiert“ werde.

Hinsichtlich der „Geldmanipulation“ sei einzuräumen, dass der Geldbetrag am Abend gefehlt habe. Der Grund war, dass die Beamtin für sich selbst zur Weitergabe einer Einzelmarke an den Kunden das Sammelheft erwarb, sie nur einen 10-Euro-Schein und keinen 5-Euro-Schein bei sich hatte, weswegen sie diesen am Vortag nicht zurückführen konnte. Bei Kassaabschluss sei die Beamtin auf der Suche nach einem größeren Geldbetrag gewesen, der sich aufgeklärt hatte. Am nächsten Tag am Morgen habe sie die fünf Euro rückerstatten wollen, konnte dies aber noch immer nicht, da sie den Zehn-Euro-Schein dabeihatte.

Der einzige Fehler – jedoch als eine entschuldbare Fehlleistung zu bewerten – sei es gewesen, lieber einen Überstand durch Hineingeben eines Zehners anlässlich der Prüfung der Geldrevision verursachen zu wollen, statt eine Fünf-Euro-Differenz mit sich herzutragen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2016 gab die Beschuldigte an, dass es ihr durchaus bewusst sei, dass sie im Zusammenhang mit den ihr vorgeworfenen Handlungen, Dienstvorschriften nicht eingehalten habe. Sie habe sich keineswegs einen Geldbetrag aneignen wollen. Sie habe die als Privatankauf erworbenen Briefmarken bezahlen wollen. Ein passender Geldschein stand ihr jedoch weder am 16. Februar 2016 noch am darauffolgenden Prüfungstag zur Verfügung. Sie habe den 10-Euroschein nicht aus der Kasse „gewechselt“ … „da ja die Marken vorhanden waren und der Gedanke war, dass dann ja trotzdem die Stückelung nicht stimmen würde.“ „Aus Ehrlichkeit“ habe sie im Zuge der Kassenprüfung die 10-Euro-Banknote auf die Geldtasse gelegt. Überdies gab die Beschuldigte an, dass sie zwar das Markenheft zerteilt, jedoch davon keine einzelne Marke verkauft habe, da der Kunde sich letztlich für eine andere Glückwunschmarke entschieden hat.

Der Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2016, der Disziplinarverfügung des Personalamtes Graz vom 21. März 2016, der Sachverhaltsdarstellung der Konzernrevision, Erhebungsdienst sowie der Befragung von NN vom 17. Februar 2016, der Dienstbeurteilung der Beschuldigten vom 25. Februar 2016, der Bestimmungen des „Handbuches Bargeldbewirtschaftung, Lagerhaltung und Verrechnung“, der „Anweisung beim Verkauf von Marken Büchern + philatelistischen Jahreszusammenstellungen“ und der SAP-Ausdrucke.

In der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2016 gab die Beschuldigte an, dass der Sachverhalt von der Konzernrevision, Erhebungsdienst „in der Niederschrift bzw. in der Sachverhaltsdarstellung korrekt dargestellt wurde“. Die glaubwürdig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargelegte Beschuldigtenvernehmung anlässlich der mündlichen Verhandlung sowie die durchaus positive Dienstbeschreibung der Beschuldigten vom 25. Februar 2016 haben ein klares und eindeutiges Bild des Sachverhaltes und des Persönlichkeitsbildes der Beschuldigten ergeben. So kann die Beschuldigte vorbehaltlos als langjährige, engagierte, verkaufs- und kundenorientierte Mitarbeiterin des Filialnetzes beschrieben werden.

Laut der Sachverhaltsdarstellung der Konzernrevision, Erhebungsdienst vom 17. Februar 2016 hat demnach ohne Zweifel NN bei der täglichen Abmeldung am 16. Februar 2016 den tatsächlichen Ist-Bargeldbestand dahingehend unrichtig dargestellt, indem sie anstelle der tatsächlich vorhandenen 51 Stück Banknoten à 5,--, 52 Stück Banknoten à 5,- in der Stückelung erfasste. Ausdrücklich wird jedoch festgehalten, dass im vorliegenden Fall die verfahrensgegenständlichen Briefmarken, wenn auch zerteilt, immer am Schalter vorhanden waren.

Durch ihre Handlungen hat NN gegen die „Allgemeinen Bestimmungen des Handbuches BLV“, „Handbuch BLV 8.1 Abstimmung der Schaltergebarung“ sowie die „Anweisung beim Verkauf von Marken Büchern …“, wonach diese Produkte als Gesamtwerk konzipiert und daher ausnahmslos auch im Ganzen zu verkaufen sind, verstoßen.

In gegenständlicher Disziplinarangelegenheit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beschuldigte zwar vorschriftswidrig das Markenheft zerteilte, jedoch keinen konkreten Verkauf durchführte. Demnach kann allenfalls ein Versuchsstadium konstatiert werden. Nach herrschender Lehre wird die disziplinäre Strafbarkeit des Versuchs in Frage gestellt (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Aufl., S. 60f).

Die Befolgung dienstlicher Weisungen – insbesondere die genaue Einhaltung der Kassen- und Verrechnungsbestimmungen sowie zum Produktverkauf – stellen Kernpflichten eines Beamten dar und sind Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Betriebsablauf sowie eine gesicherte und nachvollziehbare Geldgebarung (§ 44 Abs. 1 BDG 1979). Nur so können Unstimmigkeiten im Nachhinein aufgeklärt und etwaige Missbräuche (Diebstähle, Veruntreuungen, etc.) vorbeugend verhindert werden.

Die Österreichischen Post AG ist als sehr personalintensives und ein in der kritischen Öffentlichkeit stehendes Unternehmen, gerade in Zeiten des verstärkten Konkurrenzdruckes, auf die hundertprozentige Zuverlässigkeit der Mitarbeiter angewiesen, um das Vertrauen der Allgemeinheit aufrecht zu erhalten (§ 43 Abs. 2 BDG 1979).

Die Beschuldigte hat demnach, hinsichtlich der objektiven Tatseite, die Verletzung von Ordnungsvorschriften zu verantworten. So ist bezüglich des in den Anschuldigungspunkten des Einleitungsbeschlusses vom 2. Juni 2016 wiedergegebenen Sachverhaltes, im formellen Sinn, der Tatbestand einer Weisungswidrigkeit erfüllt. Das konkrete Verschulden der Beschuldigten ist diesbezüglich – bei Betrachtung aller Umstände der Handlungsabläufe und der Besonderheiten des Falles – jedoch als gering zu qualifizieren. Überdies haben die vorliegenden Handlungen keine nachteiligen Folgen für den Dienstgeber nach sich gezogen.

Aufgrund der glaubwürdigen Aussagen der Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung ist erkennbar abzuleiten, dass sie sich in der Zukunft absolut vorschriftskonform verhalten werde. Die Verhängung eines Schuldspruches ist im gegenständlichen Fall nicht notwendig, um die Beschuldigte von der Verletzung weiterer Dienstpflichten abzuhalten.

Aus diesen Gründen war daher hinsichtlich beider Anschuldigungspunkte des Einleitungsbeschlusses ein Freispruch nach § 118 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 auszusprechen.

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2016
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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