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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §57 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der T, (geboren am 21. Dezember 1974), in Graz, vertreten durch Mag. Günter Lippitsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. Juni 1998, Zl. FR 96/1998, betreffend Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 16. Juni 1998 wurde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, in diesem Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Nach Wiedergabe der Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. Jänner 1998 und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe bei ihrer Vernehmung vor der Asylbehörde (laut den vorgelegten Verwaltungsakten: am 22. Oktober 1997 vor dem Bundesasylamt) zu ihrem Fluchtgrund befragt angegeben, dass im Jahr 1993 gegen sie Anklage erhoben worden wäre. Sie habe jedoch das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig gewesen sein solle, nicht angeben können. Sodann habe sie behauptet, zusammen mit etwa 14 Personen über sechs Jahre lang für ein Unternehmen tätig gewesen zu sein, wobei sie sich an die Telefonnummer dieses Unternehmens nicht habe erinnern können und es ihr auch nicht möglich gewesen sei, - abgesehen vom Unternehmensinhaber und einer Sekretärin - ihre ehemaligen Kollegen namentlich zu nennen, welche Namhaftmachung jedoch angesichts der geringen Mitarbeiterzahl und der angeblich langjährigen Berufstätigkeit nach den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung durchaus hätte erwartet werden können. Schließlich habe sie auch nicht die Auftraggeber der angeblich (in diesem Unternehmen, einer Druckerei,) erschienenen Druckwerke angeben können. Sodann habe sie zwar behauptet, dass über den Vorsitzenden und den Manager (dieses Unternehmens) lebenslange Haft verhängt worden sei, sie habe jedoch dazu wiederum keine näheren Angaben hinsichtlich stattgefundener Verhandlungen machen können.
Am 10. Dezember 1997 sei die Beschwerdeführerin von der Bundespolizeidirektion Graz (der erstinstanzlichen Behörde) vernommen worden und habe auf die Frage nach dem Grund ihrer Flucht aus ihrer Heimat Folgendes angegeben:
Sie hätte bei der A.P.N.L. in Lagos als Kassierin gearbeitet. Diese Druckerei hätte auch Druckwerke mit politischem Inhalt, die sich gegen Abacha gerichtet hätten, gedruckt. Nach den Wahlen (in Nigeria) im Jahr 1993 wären einige Mitarbeiter dieser Druckerei, u. a. auch die Beschwerdeführerin, von Geheimdienstleuten der Regierung festgenommen und in das A.-Gefängnis in Lagos gebracht worden, wo sie zwei Monate lang festgehalten worden wäre. Sie wäre mit einer Lederpeitsche geschlagen worden, hätte jedoch keine Verletzung davongetragen. Bei der Haftentlassung wäre ihr gedroht worden, sollte sie weiterhin gegen die Regierung arbeiten, würde sie lebenslang eingesperrt werden. Im März 1997 wären von der genannten Druckerei 50.000 gegen die Abacha-Regierung gerichtete Flugzettel gedruckt worden. Es wären neuerlich Geheimdienstleute der Regierung gekommen und hätten Mitarbeiter dieser Druckerei verhaftet. Die Beschwerdeführerin wäre gerade auf der Toilette gewesen und hätte durch eine Hintertür flüchten können. Da alle Druckereiarbeiter gesucht worden wären, so auch die Beschwerdeführerin, wäre sie aus Lagos am 27. September 1997 geflüchtet. Auf die Frage, warum sie nicht schon vorher von den Geheimdienstleuten aufgegriffen worden sei, habe sie angegeben, dass sie sich immer versteckt gehalten hätte. Die Geheimdienstleute würden nach ihr suchen. Müsste sie nach Nigeria zurück, könnte sie ins Gefängnis kommen und wäre ihr Leben in Gefahr.
Diese Angaben beurteilte die belangte Behörde als unglaubwürdig. So seien die Angaben sowohl vor der Asylbehörde als auch der Fremdenpolizeibehörde wenig fundiert und unsubstanziiert. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin während ihrer gesamten Vernehmung vor dem Bundesasylamt nie von sich aus behauptet, während ihres zweimonatigen Aufenthaltes im A.-Gefängnis mit einer Lederpeitsche geschlagen worden zu sein. Dass man eine solche gravierende schmerzhafte Misshandlung nicht im Asylverfahren aufzeige, sei der belangten Behörde unverständlich. Ferner habe sie bei dieser Vernehmung nie das Wort "Geheimdienstleute" sondern lediglich die Bezeichnung "Sicherheitsleute" gebraucht.
Der unabhängige Bundesasylsenat habe mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 11. Mai 1998 festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zukäme und sie in ihrem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher wäre. Da der Begriff des Flüchtlings sich mit den Verfolgungsgründen nach § 57 Abs. 2 FrG "decke" und sie im auf das Asylverfahren folgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe, könne davon ausgegangen werden, dass diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwN.)
2.1. Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht gemäß den §§ 58 ff AVG nicht nachgekommen und der angefochtene Bescheid enthalte im Wesentlichen nur Scheinbegründungen, weil dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nur standardisierte, idente "Bescheidbausteine" entgegengehalten würden, die nicht den Charakter einer auf den Einzelfall abgestellten Begründung haben könnten.
2.2. Mit diesem Vorwurf verkennt die Beschwerdeführerin den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat nämlich mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass sie den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren insgesamt keinen Glauben schenke, und ihre Erwägungen für diese Auffassung mit der notwendigen Klarheit und Verständlichkeit dargelegt. Demzufolge liegt der behauptete Begründungsmangel nicht vor.
3. Die belangte Behörde hat den Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Verfolgung bzw. Bedrohung in Nigeria (u.a.) mit der Begründung die Glaubwürdigkeit abgesprochen, dass laut ihrer Aussage im Asylverfahren (am 22. Oktober 1997) gegen sie zwar im Jahr 1993 Anklage erhoben worden sei, sie jedoch das Gericht, bei dem das Verfahren (gegen sie) anhängig gewesen sein solle, nicht habe benennen können. Ferner habe die Beschwerdeführerin behauptet, zusammen mit etwa 14 Personen über sechs Jahre lang (laut der diesbezüglichen in den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift:
von 1991 bis 1997) für ein Unternehmen tätig gewesen zu sein, wobei sie sich jedoch an die Telefonnummer dieses Unternehmens nicht habe erinnern können und es ihr auch nicht möglich gewesen sei, - abgesehen vom Unternehmensinhaber und einer Sekretärin - ihre ehemaligen Kollegen zu benennen, welche Namhaftmachung angesichts der geringen Mitarbeiterzahl und der angeblich langjährigen Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin in diesem Unternehmen jedoch durchaus hätte erwartet werden können.
Auf diese Überlegungen geht die Beschwerde im Einzelnen nicht ein. Der Gerichtshof vermag im Rahmen der ihm insoweit zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen, zumal es völlig unplausibel erscheint, dass jemand über Jahr hindurch in einem Kleinbetrieb mit 14 anderen Beschäftigten arbeitet und nur wenige Monate nach der Beendigung der Arbeitstätigkeit - mit Ausnahme zweier Namen - weder jene der übrigen dort Beschäftigten noch die Telefonnummer dieses Betriebes angeben kann.
4. In Anbetracht der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen geht der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, es sei notorisch, dass in Nigeria allein im Jahr 1997 Hunderte von politischen Anhängern und Menschenrechtsverfechtern inhaftiert sowie Häftlinge gefoltert und getötet worden seien, und die Verfahrensrüge, die Behörde hätte sich damit auseinander setzen müssen, welchen konkreten Sanktionen die Beschwerdeführerin bei einer zwangsweisen Rückkehr in ihr Heimatland ausgesetzt sein würde, ins Leere.
5. Mangels Glaubhaftmachung konkreter, die Person der Beschwerdeführerin betreffender Verfolgungshandlungen in Nigeria begegnet somit die Rechtsansicht der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass sie dort im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht sei, keinem Einwand.
6. Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998210389.X00Im RIS seit
21.12.2000