Norm
BDG 1979 §43Schlagworte
DienstpflichtverletzungText
DISZIPLINARERKENNTNIS
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident des Oberlandesgerichtes Dr. Haidacher sowie die weiteren Mitglieder Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Ohrnhofer und Bezirksinspektor Zöhrer in der Disziplinarsache gegen BI *** *** nach der am 20. April 2016 in Anwesenheit des Disziplinaranwaltes Oberstaatsanwalt Dr. Kirschenhofer, des Disziplinarbeschuldigten BI *** *** und seines Verteidigers Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Maga. Vukadin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
BI *** *** ist schuldig, er hat
1. im *** seine alte Playstation 2 den Insassen der Justizanstalt als „Abteilungsplaystation“ ohne ordnungsgemäße Inventarisierung zur Verfügung gestellt
2. im *** eine defekte Playstation 3 von einem Insassen unerlaubt angenommen
und dadurch schuldhaft die allgemeinen Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 iVm Punkt 1.4. Abs 4 der Vollzugsordnung für Justizanstalten (VZO) verletzt.
Er wird hiefür gemäß § 92 Abs 1 Z 1 BDG 1979 mit Geldbuße in der Höhe eines halben Monatsbezuges bestraft.
Hingegen wird er von dem weiters gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe etwa zwei Jahre vor Erstattung der Disziplinaranzeige für die Insassen des gelockerten Vollzuges 2 kg Fleisch sowie Eier zum Kochen in die Anstalt gebracht und hiedurch schuldhaft seine Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 verletzt,
freigesprochen.
Gemäß § 117 Abs 1 BDG 1979 hat er die mit EUR 50,00 festgesetzten Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen.
BEGRÜNDUNG:
Aufgrund einer Disziplinaranzeige der (damaligen) Vollzugsdirektion vom *** (ON ***) wurde nach ergänzenden Erhebungen mit Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, vom *** ein Disziplinarverfahren gegen BI *** *** eingeleitet und dies bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen ihn zu *** St ***/*** der Staatsanwaltschaft *** geführten Strafverfahrens unterbrochen. Zu den Anschuldigungspunkten, die auf eine erstattete Selbstanzeige beruhten (ON ***, AS ***), wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Einleitungsbeschluss ON *** verwiesen (zu einem ursprünglich aus Sicht der Disziplinarkommission ohne konkrete Verdachtsmomente gegen BI *** *** weiteren angezeigten Verdachtspunkt, zu der im Wege einer Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochenen Suspendierung, dem nachfolgenden Fallenlassen dieses Verdachtspunkts durch die Vollzugsdirektion und die Aufhebung der Suspendierung durch die Disziplinarkommission siehe ON ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** im Ds-Akt).
Das zuletzt zu *** St ***/*** der Staatsanwaltschaft *** geführte Ermittlungsverfahren gegen BI *** *** wurde zum einen mit einer Teileinstellung gemäß § 190 Z 2 StPO (betreffend Einbringen von Lebensmitteln in die Justizanstalt und den Insassen zum Kochen zur Verfügung stellen sowie dem Verdacht eines Suchtmittelkonsums) und zum anderen mit einem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung wegen § 302 Abs 1 StGB gemäß § 203 Abs 1 StPO für eine Probezeit von zwei Jahren unter Leistung von Pauschalkosten von EUR 200,00 beendet. Zur Diversion wurde von der Staatsanwaltschaft festgehalten, *** *** stehe im Verdacht im Zeitraum *** bis *** in *** als Justizbeamter der Justizanstalt ***, somit als Beamter, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem er mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Recht auf Einhaltung der die Zwecke des Strafvollzuges gemäß § 20 StVG sichernden Bestimmungen der §§ 22 Abs 2, 24 Abs 3 Z 3, 33 Abs 3 StVG, wonach über die Vergünstigung der Benützung technischer Geräte durch Strafgefangene der Anstaltsleiter zu entscheiden habe und alle den Strafgefangenen überlassenen Gegenstände zu verzeichnen seien, zu schädigen, eine Playstation 2 in die Abteilung *** der Justizanstalt **** gebracht und den Strafgefangenen der Abteilung zur Verfügung gestellt und dadurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen zu haben.
Der Vollständigkeit wegen bleibt anzumerken, dass der unter Punkt 2. des Einleitungsbeschlusses gegen BI *** *** erhobene Vorwurf im Zusammenhang mit der unerlaubten Annahme einer Playstation 3 von einem Insassen nicht Gegenstand des Strafverfahrens war.
Die Disziplinarkommission geht von nachstehendem Sachverhalt aus:
Der am *** geborene Disziplinarbeschuldigte BI *** *** ist Justizwachebeamter in der Justizanstalt **** und Abteilungskommandant der Abteilung ***. Der Disziplinarbeschuldigte hat nach der Pflichtschule eine *** in *** absolviert, danach den Präsenzdienst abgeleistet und war in der Folge in einem Betrieb für *** als Hilfsarbeiter tätig. Seit *** ist er Justizwachebeamter (bis *** in der Justizanstalt ***, seither in der Justizanstalt ***). Im Jahr *** wurde er in der Justizanstalt *** Abteilungskommandant-Stellvertreter der Abteilung *** ***. Seit dem Jahr *** ist er Abteilungskommandant dieser Abteilung.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministeriums für Justiz vom ***, 2 Ds ***/***, (bestätigt durch die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt) wurde BI *** *** einer Dienstpflichverletzung gemäß § 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 schuldig erkannt und hiefür gemäß § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 mit einer Geldbuße von EUR 700,00 bestraft. Nach dem Erkenntnis hat er am *** in *** – zusammengefasst – als Justizwachebeamter gegen seine Aufsichtspflicht verstoßen, indem er nicht für die ordnungsgemäße Aufsicht in der Anstaltsküche Sorge trug und dadurch zum Gelingen der Flucht eines Strafgefangenen aus der Justizanstalt beitrug.
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum ***/*** wurde die Anzahl der von den Strafgefangenen verwendeten Playstations in der Abteilung *** geringer. BI *** *** hat aus diesem Grund seine alte Playstation 2 den Insassen der Justizanstalt, konkret der Abteilung ***, als Abteilungsplaystation zur Verfügung gestellt, jedoch ohne deren ordnungsgemäße Inventarisierung vorzunehmen. Es wäre von ihm zumindest der Aufkleber „Bundeseigentum“ auf dieser Playstation anzubringen und die Inventarisierung der Wirtschaftsstelle zu melden gewesen. Dem Disziplinarbeschuldigten war bekannt, dass jedenfalls zumindest eine Inventarisierung in dieser Form erforderlich gewesen wäre.
Etwa im *** wurde BI *** *** vom Strafgefangenen *** ***, der wusste, dass die Ehe von *** *** im Dezember 2013 geschieden worden war und dieser seinen Haushalt neu einrichten musste, gefragt, ob er eine Playstation 3 benötige. Er könne ihm eine solche von seinen Kindern (ohne Entgelt) weitergeben und würde sie nach einem Ausgang mitbringen. BI *** *** war damit einverstanden. Die Übergabe erfolgte anlässlich eines Ausgangs des Strafgefangenen *** bei dessen Rückkehr im Bereich der Torwache der Justizanstalt. BI *** *** war bewusst, dass er von Strafgefangenen keine Geschenke annehmen darf und er durch sein Verhalten unter anderem gegen die Vollzugsordnung für Justizanstalten verstoßen hat.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt rund zwei Jahre vor Erstattung der gegenständlichen Disziplinaranzeige brachte BI *** *** für die Insassen des *** 2 kg Fleisch sowie Eier zum Kochen in die Justizanstalt *** mit. Diese in der Selbstanzeige von BI *** angeführten Vorfälle standen im Zusammenhang mit Feiern einer Eheschließung eines Strafgefangenen und der Geburt eines Kindes eines Strafgefangenen. BI *** hat bei diesen Feiern auch mitgegessen. Es war in der Justizanstalt *** üblich und sogar seitens des Anstaltsleiters erwünscht, dass die Beamten derartige Lebensmittel für ein gemeinsames Kochen einkaufen. Im Hinblick darauf, dass BI *** bekannt war, dass dies seitens des damaligen Anstaltsleiters ausdrücklich erwünscht war, hatte er keine Bedenken in Bezug auf die in der Justizanstalt damals übliche Vorgehensweise.
Die getroffenen Feststellungen zur Person des Disziplinarbeschuldigten ergeben sich aus seinen eigenen Angaben und dem Akteninhalt.
Hinsichtlich des ersten Faktums des Einleitungsbeschlusses gründen sich die getroffenen Feststellungen im Wesentlichen auf die Angaben des Disziplinarbeschuldigten, der auch selbst zugestand, dass es zu seinen Aufgaben gehörte, sich um das Inventar zu kümmern, wobei er zumindest den Aufkleber „Bundeseigentum“ auf dieser Playstation anbringen und die Inventarisierung der Wirtschaftsstelle melden hätte müssen. Zu dem zur Verurteilung gelangten Vorwurf, diese Playstation 2 den Insassen der Justizanstalt als Abteilungsplaystation ohne ordnungsgemäße Inventarisierung zur Verfügung gestellt zu haben, verantwortete sich der Disziplinarbeschuldigte sohin geständig. Im Übrigen bleibt zu diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass sich aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakt, insbesondere den Angaben des (damaligen) Anstaltsleiters *** *** (ON ***) ergibt, dass Entscheidungen nach § 24 StVG an den Trakt- bzw. Abteilungskommandanten delegiert waren. Vor diesem Hintergrund ist auch die von BI *** *** geschilderte Vorgehensweise durchaus plausibel. Anzumerken bleibt, dass der Disziplinarbeschuldigte in diesem Punkt auch im Strafverfahren die Verantwortung übernahm, indem er die ihm in Bezug auf dieses Faktum angebotene Diversion annahm.
Zum zweiten Punkt des Einleitungsbeschlusses verantwortete sich der Disziplinarbeschuldigte umfassend geständig, sodass die Feststellungen auf Basis seiner geständigen Verantwortung getroffen werden konnten, wobei anzumerken ist, dass diese auch mit der Darstellung des Strafgefangenen *** in Einklang steht (siehe dazu ON ***, AS *** im Ermittlungsakt).
Zum dritten Punkt des Einleitungsbeschlusses gründeten sich die Feststellungen im Wesentlichen ebenso auf die Darstellung des Disziplinarbeschuldigten. Hier bestätigten der (zwischenzeitig vormalige) Anstaltsleiter *** *** oder etwa auch *** ***, es sei von der Anstaltsleitung sogar erwünscht gewesen, dass mit den Insassen gekocht werde, sodass diesbezüglich nicht nur von dort gepflogenen, sondern von der damaligen Anstaltsleitung sogar geförderten Vorgehensweise auszugehen ist.
Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Dienstpflicht schützt das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben. Schutzobjekt dieser Bestimmung im weitesten Sinn ist auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und die Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt (VwGH 24. November 1979, 95/09/0348), weshalb § 43 Abs 2 BDG 1979 einen spezifischen dienstlichen Aspekt enthält (siehe dazu auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 S 198 f).
Nach Punkt 1.4. Abs 4 der Vollzugsordnung für Justizanstalten sind Versuche eines Insassen, einen Bediensteten für Bestrebungen zu gewinnen, die Aufgaben und Zielen des Vollzugs entgegenwirken oder die geeignet sind, den Bediensteten in ihrer Abhängigkeit zu bringen, entschieden zurückzuweisen. Der Strafvollzugsbedienstete hat stets die hiefür erforderliche Distanz zu den Insassen zu wahren, nicht zuletzt gegenüber Insassen des weiblichen Geschlechts.
Zu dem ersten Schuldspruchfaktum (das auch den Gegenstand der diversionellen Erledigung im Strafverfahren bildet) bleibt rechtlich anzumerken, dass der dazu im Einleitungsbeschluss (umfassend) erhobene Vorwurf „im ***/*** seine alte Playstation 2 den Insassen in der Justizanstalt als „Abteilungsplaystation“ zur Verfügung gestellt zu haben, auch den (lediglich eingeschränkten bzw näher konkretisierten) Vorwurf im Disziplinarerkenntnis, dies ohne ordnungsgemäße Inventarisierung gemacht zu haben, enthält.
Bei der Strafbemessung war mildernd das Geständnis des Disziplinarbeschuldigten sowie vor allem auch seine Selbstanzeige, ohne die es zu diesem Verfahren kaum gekommen wäre, zu berücksichtigen. Erschwerend war zu werten, dass bereits eine disziplinäre Vorverurteilung vorliegt und gegenständlich zwei Vergehen (wobei dem ersten Schuldspruchfaktum – bezogen auf den Schuld- und Unrechtsgehalt – eine lediglich untergeordnete Bedeutung zukommt) zusammentreffen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der beiden gewichtigen Milderungsgründe kann aus Sicht der Disziplinarkommission trotz einer bereits vorhandenen (nur eine Sorgfaltspflichtverletzung betreffende) disziplinären Vorverurteilung noch gemäß § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 mit einer Geldbuße in der Höhe eines halben Monatsbezuges vorgegangen werden und bedarf es nicht der Verhängung einer Geldstrafe.
Gemäß § 117 Abs 1 BDG 1979 waren die vom Disziplinarbeschuldigten zu ersetzenden Kosten des Disziplinarverfahrens auf Basis der zur Verurteilung gelangten Punkte mit (zumindest) EUR 50,00 (Fahrtkosten BI Zöhrer) festzusetzen.
In Ansehung des dritten Punktes des Einleitungsbeschlusses war der Disziplinarbeschuldigte freizusprechen, zumal eine vorwerfbare Verletzung der Dienstpflichten nicht gegeben ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis (Bescheid) ist (soweit nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde) gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1, Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG):
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs. 1 VwGVG).
Zuletzt aktualisiert am
20.09.2016