TE Dok 2016/10/18 W01-DK/11/16

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Veröffentlicht am 18.10.2016
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Norm

BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Verursachung eines Verkehrsunfalles mit dem Dienst-KFZ mit Todesfolge

Text

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Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen (Senat XI)

hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am 18. Oktober 2016 unter dem Vorsitze von Mag iur Rudolf Schwab und im Beisein von Mag iur Erich Schickengruber und Karl Primus als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates, sowie nach Anhörung des Disziplinaranwaltes Ing. Mag iur Georg Gsellmann in der Disziplinarsache des Beamten M. gemäß §§ 124 bis 128 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 zu Recht erkannt:

M., Beamter, in Verwendung bei der Telekom Austria AG/Telekom Austria Personalmanagement GmbH, Bereich „XY“, Organisationseinheit „Z“, Dienstort „B.‘“, ist schuldig,

am 3. Juli 2015 mit dem von ihm gelenkten Dienstfahrzeug

VW Caddy, pol. Kennz. W 123, auf der Bundesstraße 00

im Gemeindegebiet von N. durch Auffahren auf ein anderes

Fahrzeug einen schweren Verkehrsunfall, im Zuge dessen eine

Person sofort zu Tode kam, zwei weitere Personen leicht verletzt

wurden und eine weitere Person am übernächsten Tag ihren

schweren unfallbedingten Verletzungen erlag, verursacht zu haben.

Durch sein Verhalten hat M. nicht nur gegen strafgesetzliche Bestimmungen, sondern auch gegen die Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979), sowie gegen die Pflicht des Beamten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 leg. cit.), verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 leg. cit. schuldig gemacht.

Es wird deshalb über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 die Disziplinarstrafe des

V e r w e i s e s

verhängt.

Es sind keine Verfahrenskosten erwachsen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Aufgrund der Erhebungen, des vom Bezirksgericht N. übermittelten strafgerichtlichen Urteils, des Geständnisses des Bediensteten sowie der sonstigen Ergebnisse des mündlichen Beweisverfahrens hat der Disziplinarsenat den im Einleitungsbeschluss vom 2. März 2016 angeführten Sachverhalt als erwiesen angenommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt:

M. wurde mit 1. April 1991 zum Beamten der Republik Österreich ernannt und steht derzeit in der Telekom Austria AG/Telekom Austria Personalmanagement GmbH, Bereich „XY“, Organisationseinheit „Z“, auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 4 (Verwendung als „Sachbearbeiter“) mit Dienstort „B.“ dauernd in Verwendung.

Gegen den Beamten liegt bisher in disziplinärer Hinsicht nichts vor.

Am 3. Juli 2015 hatte Herr M. laut seinen Angaben (Niederschrift, aufgenommen im Personalamt Wien am 19. November 2015) aufgrund der Regelung „Direktfahrt“ um 07:48 Uhr Dienstbeginn und fuhr mit seinem Dienstauto VW Caddy, pol. Kennz. W 123, als erstes zum Lager in G., um dort Material für die zu erledigenden Aufträge zu holen. Danach fuhr der Beamte in Richtung des ersten Kunden und verursachte ca. um 08:15 Uhr auf der Bundesstraße 00 im Gemeindegebiet von N. einen schweren Verkehrsunfall, wobei er mit dem von ihm gelenkten VW Caddy auf den vor ihm fahrenden, jedoch aufgrund eines Linksabbiegevorganges zum Stillstand gekommenen PKW der Marke Chevrolet Aveo, gelenkt von Franz Sch., auffuhr und diesen Wagen dabei auf die Gegenfahrbahn stieß. Dadurch kam es zu einer Kollision mit einem aus der Gegenrichtung kommenden PKW der Marke Skoda (Skoda Fabia), gelenkt von Anita M., die außerdem ihren acht Monate alten Sohn in einem Kindersitz (Maxi Cosi) auf dem Beifahrersitz mitführte. Durch den Zusammenstoß wurde der von Franz Sch. gelenkte PKW Chevrolet Aveo in zwei Teile gerissen, und Herr Sch. und dessen Beifahrer Thomas S. wurden aus dem Fahrzeug geschleudert. Franz Sch. verstarb noch an der Unfallstelle, während Thomas S. am Tag darauf im Unfallkrankenhaus Meidling seinen schweren Verletzungen erlag. Der Beamte M., Anita M. und ihr kleiner Sohn wurden bei dem Unfall nur leicht verletzt. Aus den vorhandenen Unterlagen der Staatsanwaltschaft Eisenstadt geht hervor, dass weder M. noch Anita M. zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert waren.

Herr M. wurde am 21. Juli 2015 in der Polizeiinspektion G. niederschriftlich einvernommen. Er gab an, nicht mehr sagen zu können, ob und welches Fahrzeug vor ihm gefahren sei, auch wisse er nicht, ob das andere Fahrzeug dort schon länger zum Abbiegen gestanden sei. Er hätte das andere Fahrzeug nicht registriert. Es sei alles so schnell gegangen.

Niederschriftlich am 19. November 2015 im Personalamt Wien einvernommen, verwies der Beamte – was den Unfallhergang betraf – auf die von ihm beigebrachten umfangreichen Unterlagen der Staatsanwaltschaft Eisenstadt und gab an, dass seitens der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft nach wie vor erhoben werde und es noch keinen Strafantrag bzw. keine Anklageschrift gebe. Weiters gab Herr M. an, dass er nicht wisse, warum er den Abbieger übersehen habe. Er habe unmittelbar nach dem Unfall, also vom Unfallort aus, seine Führungskraft über den Unfall informiert.

Abschließend gab der Beamte an, dass er in laufender psychologischer Behandlung sei und sich derzeit nicht vorstellen könne, künftig mit dem vorherrschenden Arbeitsdruck als „BUS-Techniker“ wieder im „Bereich Z.“ zu arbeiten.

Laut einer von Herrn M. beigebrachten Bestätigung der Psychotherapeutin DSA K. B. vom 12. Oktober 2015 ist der Beamte M. seit 9. Juli 2015 in psychotherapeutischer Behandlung und leidet an einer akuten Belastungsreaktion aufgrund des schweren Verkehrsunfalls, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen.

Laut einem ebenfalls von Herrn M. beigebrachten Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. M. R. in N. (datiert mit 6. Juli 2015) besteht eine längerdauernde Anpassungsstörung mit Erschöpfung und Antriebsminderung sowie ein Zustand nach akuter Belastungsreaktion nach schwerem psychischem Trauma.

Nach einem von Seiten der Dienstbehörde eingeholten Gutachten, erstellt durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. F. am

22. Oktober 2015, besteht derzeit aufgrund einer vorliegenden Anpassungsstörung nach akuter Belastung und rezidivierenden depressiven Episoden mit saisonalen Schwankungen keine Arbeitsfähigkeit.

Am 6. April 2016 trat Herr M. wieder den Dienst an.

Herr M. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts N. vom 6. Juli 2016,

GZ 8 U 123, rechtskräftig (seit 12. Juli 2016) wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, 1. Fall, StGB und wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei das Gericht ausgesprochen hat, dass die Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:

Der Beschuldigte hat sich im Zuge der mündlichen Verhandlung schuldig bekannt, die ihm laut Einleitungsbeschluss vorgeworfenen Tathandlungen begangen zu haben.

Es steht somit fest, dass der Beschuldigte seine Dienstpflichten (wie im Einleitungsbeschluss angeführt) fahrlässig verletzt hat.

Bei der Festlegung des Strafausmaßes kommt dem Beschuldigten der Milderungsgrund des Geständnisses und der teilweisen Schadenswiedergutmachung zu Gute. Dies trifft auch auf den Milderungsgrund der bisherigen disziplinären Unbescholtenheit zu.

Erschwernisgründe liegen keine vor.

Der Beamte hat durch seine Handlungen somit schuldhaft gegen strafgesetzliche Bestimmungen und gegen die im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) verstoßen.

 

Gemäß § 92 Abs. 1 BDG sind Disziplinarstrafen 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges, 3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen und 4. die Entlassung.

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwernisgrund zu werten sind, wenn der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtver- letzungen gleichzeitig erkannt wird.

Der Disziplinarsenat kam in seiner eingehenden Beratung zu dem Schluss, dass im gegenständlichen Fall sowohl aus general- als auch spezialpräventiven Gründen mit der Verhängung der Disziplinarstrafe des Verweises das Auslangen gefunden werden kann. Die vom Disziplinaranwalt beantragte Verhängung einer geringfügigen Geldbuße hielt der Senat nicht für erforderlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 117 Abs. 2 BDG.

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2016
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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