TE Dok 2017/2/2 BMI-40006-DK/2016

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Veröffentlicht am 02.02.2017
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Norm

BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Verstoß gegen: OGO PI/FI, Kanzleiordnung, PAD Vorschriften, Dienstpflichten

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der am 02.02.2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I.)      Der Beamte ist schuldig, er hat

bei den im Zeitraum zwischen N.N. und N.N. protokollierten Akten zumindest bis N.N. als verantwortlicher Sachbearbeiter in Missachtung der Kanzleiordnung bzw. der Kanzleiordnung und der Protokollierungsvorschriften unterlassen, diese nachvollziehbar und unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen unverzüglich auf die zweckmäßigste und raschste Art zu erledigen sowie, der Staatsanwaltschaft einen Abschluss-Bericht zu übermitteln, bzw. dem Bezirksgericht und der Bezirksverwaltungsbehörde einen Bericht zu übermitteln, bzw. der zuständigen Behörde einen Bericht zu übermitteln, sodass Verjährung eingetreten ist,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 44 Abs.1 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. Punkt 3.1.0.3, 7.1.0.1 und 7.1.0.3 der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 samt Nichtbeachtung der Richtlinien für Berichte an die Strafjustiz und Verwaltungsstrafanzeigen 7.3.5 - Anhang A/1 und A/2 der KO i. V. m. Punkt 6 der ab 01.09.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß LPD – Befehl, GZ: 2700/58148/2012-OEA vom 22.08.2012 (Bezug: Erlass des BMI vom 8.8.2012, GZ: BMI-OA1000/0103-II/10/b/2012) i. V. m. der PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0011-II/1/a/2009 vom 11.02.2009 und PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0004-II/1/a/2010 vom 25.01.2010 betreffend ERV Versand mit PAD begangen,

über den Beamten wird gemäß § 92 Abs. 1, Z. 1 BDG 1979 i. d. g. F. die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.

Dem Beamten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 i. d. g. F. keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt.

II.)   Hingegen wird der Beamte, vom Vorwurf, er habe es bei 12 Akten unterlassen diese nachvollziehbar und unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen unverzüglich auf die zweckmäßigste und raschste Art zu erledigen, sowie der Staatsanwaltschaft einen Abschluss-Bericht zu übermitteln, bzw. den Bericht an das Bezirksgericht bzw. Bezirksverwaltungsbehörde zu übermitteln

er habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 44 Abs.1 BDG 1979 i. d. g. F. i. V. m. Punkt 3.1.0.3, 7.1.0.1 und 7.1.0.3 der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 samt Nichtbeachtung der Richtlinien für Berichte an die Strafjustiz und Verwaltungsstrafanzeigen 7.3.5 - Anhang A/1 und A/2 der KO i. V. m. Punkt 6 der ab 01.09.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß LPD – Befehl, GZ: 2700/58148/2012-OEA vom 22.08.2012 (Bezug: Erlass des BMI vom 8.8.2012, GZ: BMI-OA1000/0103-II/10/b/2012) i. V. m. der PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0011-II/1/a/2009 vom 11.02.2009 und PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0004-II/1/a/2010 vom 25.01.2010 betreffend ERV Versand mit PAD begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 i. d. g. F. freizusprechen.

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige, der Disziplinarnachtragsanzeige bzw. auf das Schreiben der Landespolizeidirektion N.N. Personalabteilung.

Die Dienstbehörde hat am N.N. mittels Schreiben des do Büros, dem die schriftliche Meldung des Bezirkspolizeikommandos N.N. betreffend Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Begehung von Dienstpflichtverletzungen angeschlossen war, Kenntnis vom Sachverhalt erlangt.

Inhalt der Disziplinaranzeige:

Danach steht der Beamte, eingeteilter Beamter auf der Polizeiinspektion N.N., im Verdacht, als verantwortlicher Sachbearbeiter insgesamt 135 Ermittlungsverfahren nach gerichtlich strafbaren Handlungen im Sinne der StPO (kurz Gerichtsakten) und 24 Verwaltungsakten nicht enderledigt und der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. Bezirksverwaltungsbehörde vorgelegt oder mangelhaft erledigt zu haben.

Der Beamte steht daher im Verdacht, durch sein Verhalten als verantwortlicher Sachbearbeiter gegen die Bestimmungen des/der

a) § 43 Abs. 1 BDG 1979,

b) § 2 Abs. 3 und § 12 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 der Organisation- und Geschäftsordnung der Polizei-/Fachinspektionen (OGO PI/FI), Zl: BMI-OA1000/0251-II/1/2005 vom 25.10.2005; i. d. F. vom 03.03.2008, Zl: BMI-OA1000/0014-II/1/b/2008,

c) Punkte 3.1.0.3, 7.1.0.1 und 7.1.0.3 der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 samt Nichtbeachtung der Richtlinien für Berichte an die Strafjustiz und Verwaltungsstrafanzeigen 7.3.5 - Anhang A/1 und A/2 der KO,

d) Punkt 6 der ab 01.09.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß LPD – Befehl, GZ: 2700/58148/2012-OEA vom 22.08.2012 (Bezug: Erlass des BMI vom 8.8.2012, GZ: BMI-OA1000/0103-II/10/b/2012).

e.) PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0011-II/1/a/2009 vom 11.02.2009 und PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0004-II/1/a/2010 vom 25.01.2010, betreffend ERV Versand mit PAD und den Zentralen PAD Support,

verstoßen und dadurch schuldhaft Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.

Beweismittel

A.A. dienstführender Beamter der PI N.N. und Stellvertreter des Inspektionskommandanten, wurde mit Ablauf des N.N. in den Ruhestand versetzt.

B.B. wurde mit Wirksamkeit vom N.N. von der PI N.N. auf die Polizeiinspektion N.N. versetzt und als Stellvertreter des Inspektionskommandanten in Verwendung genommen.

Am N.N., um N.N. Uhr setzte B.B. zuerst telefonisch und anschließend schriftlich das Bezirkspolizeikommando N.N. darüber in Kenntnis, dass er bei einem seiner ersten Dienste auf der neuen Dienststelle in der Aktengebarung schwerste Mängel festgestellt hätte.

Bei einer intensiveren bis in das Jahr N.N. zurückreichenden Kontrolle im Aktenverwaltungsprogramm PAD, schienen beim Beamten zugewiesene, unerledigte Akten auf. Bei deren Durchsicht musste B.B. feststellen, dass der größte Teil der Akten nicht ordnungsgemäß erledigt war.

Das gleiche Bild bot sich bei den noch A.A. zugewiesenen Akten, der sich bereits im Ruhestand befand.

B.B. verständigte in den Vormittagsstunden des N.N. den Inspektionskommandanten und den Beamten von seinen Wahrnehmungen und Feststellungen. Außerdem informierte er sie darüber, dass von ihm bereits das Bezirkspolizeikommando N.N. in Kenntnis gesetzt wurde.

C.C. des BPK N.N. begab sich am N.N., um N.N. Uhr nach N.N., um sich vor Ort einen Überblick über den gemeldeten Sachverhalt zu verschaffen. Die erste durchgeführte stichprobenartige Durchsicht der zugewiesenen Akte von A.A. und dem Beamten ließ keine Zweifel darüber offen, dass die Aktenerledigung der Beamten, zurückreichend bis in das Jahr N.N., nur äußerst unzureichend erfolgte.

Für die Aktengenehmigung der Beamten der PI N.N. waren der Inspektionskommandant und ebenso sein Stellvertreter verantwortlich.

Am N.N. erteilte der Bezirkspolizeikommandant D.D. telefonisch die mündliche Weisung, dass B.B. umfangreiche Erhebungen betreffend den aufgezeigten Missständen zu führen hat und das Ergebnis in Excel-Dateien übersichtlich zu dokumentieren ist. Vereinbart wurde zudem, dass E.E., Sachbearbeiter der PI N.N., bei dieser äußerst umfangreichen Tätigkeit unterstützend auf der PI N.N. mitarbeiten soll. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Erhebungen ausschließlich von B.B. geführt worden.

E.E. und B.B. begannen ab N.N. mit der „Aktenfahndung“ im PAD, in den Aufzeichnungen und den abgelegten Akten (Papierform). Dabei stellten sie fest, dass beim Beamten 134 Akten als unerledigt aufschienen, wobei 30 offenkundig strafrechtlich verjährt waren! Die unerledigten kriminalpolizeilichen (110 Akte) und verwaltungspolizeilichen Geschäftsstücke (24 Akte) wurden in zwei Dateien aufgelistet.

Anmerkung: Der Eintritt der objektiven Verjährung eines Tatbestandes ist von der Staatsanwaltschaft festzustellen. Die nach Ansicht des Bezirkspolizeikommandos N.N. „verjährten“ kriminalpolizeilichen Geschäftsstücke wurden zur besseren Orientierung in der Beilage fett markiert.

B.B. stellte am N.N. bei den angeordneten und zeitlich ausgeweiteten „Aktenfahndungen“ fest, dass auf der PI N.N. weitere unerledigte bzw. sogar verjährte Akte vorlagen.

Bei F.F. schienen vier unerledigte Akten auf, wobei zwei davon offenkundig bereits strafrechtlich verjährt waren.

Bei A.A. schienen dreizehn unerledigte Geschäftsstücke auf, wobei drei davon offenkundig bereits strafrechtlich verjährt waren. Siehe Auflistung, Beilage 05;

Beim Beamten wurden darüber hinaus weitere 25 noch ältere unerledigte kriminalpolizeiliche Akten aufgefunden, wobei 19 offensichtlich strafrechtlich verjährt waren.

Das Bezirkspolizeikommando N.N. meldete am N.N., GZ: N.N., der LPD N.N., Büro A1 und Büro B1, schriftlich den Verdacht des Amtsmissbrauches und den Verdacht der Dienstpflichtverletzungen von F.F., A.A. und dem Beamten der PI N.N.. Der Meldung wurden die Aufstellungen über die unerledigten Akten der jeweiligen Bediensteten angeschlossen.

Am N.N. wurde von der Landespolizeidirektion N.N. das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention (BAK) von dem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Von der Abteilung 3 (Operativer Dienst) des BAK wurden die Ermittlungen übernommen. Das Bundesministerium für Inneres, BAK teilte am N.N. gemäß § 76 Abs. 5 StPO der Dienstbehörde mit, dass gegen den F.F., A.A. und dem Beamten wegen Verdachtes von strafbaren Handlung gemäß § 302 Abs. 1 StGB Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind.

Zu den Dienstpflichtverletzungen des Beamten

Die schuldhaften Dienstpflichtverletzungen des Beamten sind im PAD, dem elektronischen Protokollierungs- und Aktenverwaltungssystem, nachweislich dokumentiert. Die Fehlleistungen des Beamten sind daher mit den Auflistungen der unerledigten Geschäftsstücke bewiesen und nachvollziehbar aufgelistet.

Der Beamte hat als verantwortlicher Sachbearbeiter gegen folgende Bestimmungen verstoßen:

a.)    § 43 Abs. 1 BDG 1979, da er seine dienstlichen Aufgaben nicht unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung gewissenhaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem besorgt hat. § 9 StPO Beschleunigungsgebot normiert, dass das Verfahren stets zügig und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen ist und § 100 StPO Berichte verpflichtet die Kriminalpolizei in verschiedensten Sachverhaltskonstellationen mit den Mitteln PAD und ERV zur Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft.

b.)    § 2 Abs. 3 da er Aufgaben betreffend die primäre Zweckbestimmung des Wachkörpers Bundespolizei, wozu die in den Materiengesetzen (StPO, usw.) enthaltenen Mitwirkungsverpflichtungen zählen, nicht erfüllte, § 12 Abs. 1 und Abs. 5, wonach er seine ihm zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse als Mitarbeiter, eigeninitiativ zu handeln und selbständig zu entscheiden, nicht umfassend wahrnahm (Abs. 1) und sich nicht selbständig um die Erweiterung der Fachkenntnisse und Fähigkeiten im PAD bemühte, die erforderlich sind, um den dienstlichen Anforderungen zu genügen (Abs. 5), der Organisation und Geschäftsordnung der Polizei-/Fachinspektionen (OGO PI/FI), Zl.: BMI-OA1000/ 0251-II/1/2005 vom 25.10.2005; i. d. F. vom 3. März 2008, Zl BMI-OA1000/0014-II/1/b/2008,

c.)    Punkt 3.1.0.3 wonach Ordnung, Genauigkeit, Klarheit und rasche Erledigung oberstes Gebot der Kanzleiführung und des Schriftverkehrs sind und die Kanzleigeschäfte so zu führen sind, dass sich darin alle in Betracht kommenden Bediensteten jederzeit zurechtfinden und sich über schriftliche Vorgänge informieren können, was offensichtlich nicht der Fall war, Punkt 7.1.0.1 da Geschäftsstücke nicht nachvollziehbar erledigt wurden, Punkt 7.1.0.3 wonach die Erledigungen nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen unverzüglich auf die zweckmäßigste und rascheste Art erfolgt sind, der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 samt Nichtbeachtung der Richtlinien für Berichte an die Strafjustiz und Verwaltungsstrafanzeigen Punkt 7.3.5. - Anhang A/1 und A/2 der KO, mit der Anordnung, dass ein Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft zu übermitteln ist, wenn Sachverhalt und Tatverdacht soweit geklärt scheinen, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann,

d.)    Punkt 6 da Geschäftsstücke vom Beamten im Rahmen seines Aufgaben- und Entscheidungsbereiches nicht nachvollziehbar abschließend auf die zweckmäßigste und rascheste Art erledigt wurden, der ab 01.09.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß LPD – Befehl, GZ: 2700/58148/2012-OEA vom 22.08.2012 (Bezug: Erlass des BMI vom 8.8.2012, GZ: BMI-OA1000/0103-II/10/b/2012).

Hinsichtlich der nicht enderledigten oder mangelhaft erledigten Akten besteht zudem der dringende Verdacht, dass es nicht einfach zufällig irgendwelche Akten waren, die betroffen waren, sondern ausschließlich Akten, die in der Folge von keiner Stelle mehr nachgefragt wurden bzw. eine Nachfrage nicht zu erwarten war. Andere Akten, wo ein fehlerhafter Versand zu Urgenzen bzw. Nachreichungen geführt hätte, waren offenbar nicht betroffen. Damit drängt sich die Vermutung auf, dass der Beamte,F.F. und A.A. ganz gezielt bestimmte Akten verjähren ließen, denn die angebliche Zufälligkeit bei insgesamt 176 Geschäftsstücken erscheint äußerst unwahrscheinlich.

e.)    Punkt F Applikationsbetreuung bzw. Support mit der Anordnung, dass inhaltliche Fragen an den Zentralen PAD Support zu richten sind (Durchführungserlass vom 13. Mai 2008, GZ: BMI-OA1000/ 0141-II/1/d/2008), PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0011-II/1/a/2009 vom 11.02.2009 und PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0004-II/1/a/2010 vom 25.01.2010, betreffend ERV Versand mit PAD und den Zentralen PAD Support.

Bei den Vernehmungen durch das BAK rechtfertigte sich der Beamte damit, dass Akten standardmäßig nur während der letzten „200 Tage“ angezeigt werden. Dazu wird angemerkt, dass die Zeitraumeinstellung eine Filterfunktion darstellt, um Suchvorgänge leichter bewerkstelligen zu können. Diese Einstellung ist im Vergleich zu anderen PAD Funktionen leicht zu bedienen/ändern, da man nur entweder direkt die Zahl 100 (= Grundeinstellung) verändert oder auf einen der zwei Button – Dreiecke für auf oder ab neben der Zahl – klicken muss, um die Zahl der angezeigten Tage zu steigern oder zu senken. Diese Möglichkeiten wurden bei den PAD Schulungen vorgetragen und sind im PAD Handbuch nachzulesen. Bei Beachtung der oben angeführten Protokollierungsvorschriften PAD Behörde, wonach inhaltliche Fragen an den zentralen PAD Support zu richten sind, hätte es nur eines Anrufes bedurft, um diese Unkenntnis auszuräumen. Ungeachtet dessen, besteht im PAD unter der Suchfunktion „Akt suchen …“ jederzeit die Möglichkeit, über die Aktenzahl direkt in den Akt einzusteigen, was von den angeführten Beamten ebenfalls unterlassen wurde. Der Beamte hat es offensichtlich nicht für nötig erachtet, sich ausreichend mit den einschlägigen Vorschriften für seinen Bereich auseinanderzusetzen. PAD ist kein Nischenprogramm für Computerspezialisten, wie es die beschuldigten Beamten sinngemäß darzustellen versuchen. Es wird im gesamten Exekutivbereich eingesetzt und ist ein absolut unverzichtbarer Bestandteil im täglichen Dienstbetrieb.

Angaben des Verdächtigen

Der Beamte gibt die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen zu. Bezüglich seiner Angaben bzw. Rechtfertigungen wird sowohl auf seine Aussagen vor Bediensteten des BAK bei der Beschuldigtenvernehmung als auch auf die Angaben bei der mit dem Beamten auf dem BPK N.N. aufgenommenen Niederschrift verwiesen.

Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung wurde mit Schreiben vom N.N. von der Landespolizeidirektion N.N. vom Verdacht des Amtsmissbrauches durch die, in den Disziplinaranzeigen angeführten, Beamten verständigt. Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung teilte mit E-Mail vom N.N. der Landespolizeidirektion N.N. mit, dass der Akt zur Bearbeitung übernommen wird.

Gegen den Beamten wurde mit Abschluss-Bericht des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung vom N.N., GZ N.N., Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen Verdacht nach § 302 StGB erstattet. Die Staatsanwaltschaft teilte mit Schreiben vom N.N., Zl N.N. mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Beamten wegen § 302 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht, zumal Wissentlichkeit nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisbar ist.

Mit E-Mail vom N.N. übermittelte die Dienstbehörde die Disziplinarnachtragsanzeige.

Inhalt der Nachtragsanzeige

Der Beamte, eingeteilter Beamter auf der Polizeiinspektion N.N., steht im Verdacht, als verantwortlicher Sachbearbeiter im Zeitraum von N.N. bis N.N. insgesamt 135 Ermittlungsverfahren nach gerichtlich strafbaren Handlungen im Sinne der StPO (kurz Gerichtsakten) und 24 Verwaltungsakten nicht ordnungsgemäß bearbeitet und der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. Bezirksverwaltungsbehörde vorgelegt zu haben.

Anm: Die näheren Details sind in der Beilage 03 und 06 der Disziplinaranzeige enthalten.

Der Beamte steht daher im Verdacht, durch sein Verhalten als verantwortlicher Sachbearbeiter gegen die Bestimmungen des/der

a) § 43 Abs. 1 BDG 1979,

b) § 2 Abs. 3 und § 12 Abs. 1, Abs. 3 und Abs 5 der Organisation- und Geschäftsordnung der Polizei-/Fachinspektionen (OGO PI/FI), Zl: BMI-OA1000/0251-II/1/2005 vom 25.10.2005; i. d. F. vom 03.03.2008, Zl: BMI-OA1000/0014-II/1/b/2008,

c) Punkte 3.1.0.3, 7.1.0.1 und 7.1.0.3 der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 samt Nichtbeachtung der Richtlinien für Berichte an die Strafjustiz und Verwaltungsstrafanzeigen 7.3.5 - Anhang A/1 und A/2 der KO,

d) Punkt 6 der ab 01.09.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß LPD – Befehl, GZ: 2700/58148/2012-OEA vom 22.08.2012 (Bezug: Erlass des BMI vom 8.8.2012, GZ: BMI-OA1000/0103-II/10/b/2012).

e) PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0011-II/1/a/2009 vom 11.02.2009 und PAD Protokollierungsvorschrift, GZ: BMI-OA1100/0004-II/1/a/2010 vom 25.01.2010, betreffend ERV Versand mit PAD und den Zentralen PAD Support,

verstoßen und dadurch schuldhaft Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.

Beweismittel

Gegen den Beamten, eingeteilter Beamter der PI N.N., wurde vom Bezirkspolizeikommando N.N. am N.N., eine Disziplinaranzeige erstattet.

Mit Dienstanweisung der LPD N.N. wurde das Bezirkspolizeikommando N.N.mit Nachtragserhebungen zur Konkretisierung der Tatzeit und der Tathandlung in der Darstellung der schuldhaften Dienstpflichtverletzungen des Beamten angewiesen.

Die konkrete Darstellung der schuldhaften Dienstpflichtverletzungen wird daher als Nachtragsanzeige vorgelegt.

Mit Bescheid vom N.N., GZ N.N. wurde aufgrund der im Spruch bezeichneten Vorwürfe gegen den Beamte ein Disziplinarverfahren eingeleitet, hinsichtlich der sonstigen Vorwürfe kein Disziplinarverfahren eingeleitet.

In weiterer Folge wurde eine Verhandlung anberaumt und in Anwesenheit des Beamten durchgeführt.

Der Senat hat dazu erwogen:

Ad Schuldspruch

Mit Schreiben vom N.N., Zl N.N. teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen § 302 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht, zumal Wissentlichkeit nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisbar ist.

Zwar begründete der, der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebrachte, Sachverhalt mangels Nachweisbarkeit der dafür notwendigen Vorsatzform Wissentlichkeit keinen nach dem Strafgesetz strafbaren Tatbestand, jedoch steht zugleich der Verdacht der Begehung von disziplinarrechtlich relevanten Verstöße gegen die Vorschriften der Kanzleiordnung bzw. die PAD Vorschriften im Raum, weshalb das Vorgehen des Beamten einer disziplinarrechtlichen Überprüfung zu unterziehen war.

§ 44 Abs. 1 BDG zufolge ist der Beamte verpflichtet, seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.

Punkt 7.1.0.1 der von 01.01.2008 bis 31.08.2012 gültigen Kanzleiordnung gemäß Erlass des BM.I vom 17.12.2007, Zl: BMI-OA1300/0162-II/1/2/b/2007 besagt, dass Geschäftsstücke nachvollziehbar zu erledigen sind und die Erledigung Bestandteil des Aktes ist.

Punkt 7.1.0.3 des bezeichneten Erlasses normiert, dass die Erledigungen unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen unverzüglich auf die zweckmäßigste und rascheste Art zu erfolgen haben.

Gemäß Punkt 7.3.5 des angeführten Erlasses ergibt sich der Aufbau für die Berichte an die Staatsanwaltschaften und ihre inhaltliche Gestaltung aus der näheren Erläuterung im Anhang A/1 zu dem Erlass.

Dem Anhang A/1 „Berichte an die Strafjustiz und Vernehmungsprotokolle“ zufolge sind grundsätzlich vier Berichtsformen an die Staatsanwaltschaft vorgesehen, nämlich Anfallsbericht, Anlassbericht, Zwischenbericht und Abschlussbericht, wobei letzterer dem Anhang A/1 zufolge dann von der Kriminalpolizei an die Staatsanwaltschaft zu ergehen hat, wenn und sobald der Sachverhalt und der Tatverdacht soweit geklärt erscheint, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann.

Der Dienstbefehl des Landespolizeikommandos N.N. vom N.N., sieht vor, dass Akte mit strafrechtlich relevantem Sachverhalt in vollem Umfang der Staatsanwaltschaft mit dem ERV (elektronischer Rechtsverkehr) zu übermitteln sind.

Mit Befehl des Landespolizeikommandos N.N. vom N.N., wird im Sinne einer bundesweit einheitlichen Vorgangsweise die Verwendung der Applikation PAD zur Protokollierung, Verwaltung, Übernahme, Bearbeitung, für den Versand und Ablage aller administrativen und exekutiven Akten vorgeschrieben.

Weisungen“ sind- abhängig vom Adressatenkreis- individuelle oder generelle Normen. Sie können mündlich oder schriftlich ergehen (VwGH 21.06.2000, Zl. 97/09/0326).

Ein Erlass als eine „Verwaltungsanordnung“ ist nach der gängigen Judikatur des VwGH als generelle Weisung zu qualifizieren (VwGH vom 22.04.1991, 90/12/0329). Ebenso ist ein Dienstbefehl als generelle Weisung zu qualifizieren.

Dass die Akte nicht zeitgerecht erledigt worden sind, wird vom Beamten nicht bestritten. Er sei nicht in der Lage gewesen, richtig Prioritäten zu setzen und habe er irgendwann den Überblick verloren.

Seinen Vorgesetzten habe er nicht um Hilfe ersucht, zumal er das Ausmaß der unbearbeitet liegen gebliebenen Akte unterschätzt habe.

Die Schuld- und Straffrage war aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erwiesen anzunehmen. Ein rechtmäßiges Alternativverhalten wäre zumutbar gewesen.

Nach Ansicht des Senates vermag –wie der Beamte selbst zugesteht- die Erklärung, dass er überfordert gewesen ist, nicht exkulpierend zu wirken, ebenso wenig die Tatsache, dass er seitens seiner Vorgesetzten nie auf den Rückstand bei seinen Akten angesprochen worden ist.

Einerseits liegt es am Beamten selbst, seinen Vorgesetzten zu informieren wenn er bemerkt, dass das Arbeitspensum nicht mehr bewältigt werden kann, womit dieser dann auch in der Lage ist, bei allfälligen ungleichen Belastungen oder auch Überlastungen seiner Mitarbeiter geeignete Schritte in die Wege leiten zu können, um dem wirksam zu begegnen.

Andererseits kann vom Beamten aber auch durchaus verlangt werden, dass er vor Dienstschluss nochmals überprüft, was an Arbeit noch nicht erledigt werden konnte, um auf diese Weise sicherzustellen, dass nichts übersehen wird.

Der Beamte bestätigte auch, dass ihm die angelasteten übertretenen Vorschriften bekannt gewesen sind.

Wenn die Disziplinaranwaltschaft die mangelhaften Dienstaufsicht und Kontrolle durch den vorgesetzten Polizeiinspektionskommandanten und des übergeordneten Bezirkspolizeikommandanten moniert und diesen Umstand für den Beamten als exkulpierend erachtet, vertritt dem gegenüber der Senat die Ansicht, dass es zwar zutreffend ist, dass die Dienstaufsicht vorliegenden Falls versagt hat, jedoch vermag die dem Vorgesetzten diesbezüglich treffende Verpflichtung, die Mitarbeiter zu kontrollieren und aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen nicht die Verpflichtung des anderen, schriftliche erteilte Weisungen zu befolgen, aufzuheben.

§ 93 Abs. 1 BDG zufolge ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönliche Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Dem Antrag sowohl der Disziplinaranwaltschaft als auch der Verteidigung auf Verhängung eines Freispruches konnte keine Folge gegeben werden, zumal der Beamte nachweislich die ihm zugewiesenen Akte nicht ordnungsgemäß erledigt hat. Überdies wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofes die Missachtung von Weisungen als eine so gravierende Dienstpflichtverletzung erachtet, dass ein Freispruch im Sinne des § 118 Abs. 1, Z. 4 BDG nicht in Betracht kommt.

Die vom Beamten begangenen Dienstpflichtverletzungen sind grundsätzlich auch schwere, sodass eine Bestrafung im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG, welche Bestimmung das Maß der Strafe von der Schwere der Dienstpflichtverletzung abhängig macht, sehr wohl für angezeigt erscheint, insbesondere aus generalpräventiven Gründen.

An Milderungsgründen waren die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis und das Wohlverhalten seit der Begehung der Dienstpflichtverletzungen zu werten.

Erschwerend wurde der lange Deliktszeitraum und die Vielzahl der Dienstpflichtverletzungen gewertet, wobei im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG jene Dienstpflichtverletzungen als die schwersten gewertet wurden, wo Verjährung eingetreten ist. Danach wurde die Strafe bemessen.

Trotz der Vielzahl der Verfehlungen erachtete der Senat in Hinblick darauf, dass die Milderungsgründe die Anzahl der Erschwerungsgründe übersteigen und selbst die Dienstbehörde von einer positiven Zukunftsprognose ausgeht –der Disziplinaranzeige zufolge erachtet der Verfasser derselben den Beamten für besserungswillig-, ausnahmsweise die Disziplinarstrafe des Verweises für tat- und schuldangemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Ad Freispruch

Die Disziplinaranwaltschaft merkte in ihrem Plädoyer an, dass sie es für überzogen erachtet, dem Beamten vorzuwerfen, Akte, die im Jahr N.N. protokolliert worden sind, bis zum Mai desselben Jahres nicht zeit- und ordnungsgemäß erledigt zu haben.

Der Senat vermochte sich dieser Ansicht nicht zu verschließen.

Jedoch erachtet dieser diese Meinung nur in Bezug auf jene Akte für zutreffend, die ab März protokolliert worden sind, sieht doch das Protokollierungssystem selbst erst eine Erinnerung nach drei Monaten ab Protokollierung vor.

Was hingegen jene Akte betrifft, die im Jänner und Februar protokolliert worden sind, konnte vom Beamten sehr wohl verlangt werden, diese bis Mai zu erledigen, zumal es sich bei den bezeichneten Akten großteils um Einbruchsdiebstähle mit unbekannten Tätern handelt, für welche Akte - im Verhältnis zu Akte mit bekannten Tätern - ein geringerer Arbeitsaufwand zur Erledigung erforderlich ist.

Bei den ab März protokollierten Akten ist die dem Beamten für die ordnungsgemäße und rasche Erledigung zugestandene Frist bis Mai doch sehr knapp bemessen. Sein Verhalten diesbezüglich erreicht daher noch nicht die Schwelle disziplinärer Erheblichkeit, weshalb in analoger Anwendung des § 118 Abs. 1, Z. 2. 2. Halbsatz BDG mit Freispruch vorzugehen war.

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2017
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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