TE Dok 2017/2/10 3 Ds 4/16

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Veröffentlicht am 10.02.2017
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Norm

BDG 1979 §43
BDG 1979 §91

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

DISZIPLINARERKENNTNIS

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch den Senatsvorsitzenden RidOLG Mag. Marc KOLLER als Vorsitzenden und die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates OStA Mag. Rüdiger ZENTNER und KI Christian KIRCHER in der Disziplinarsache gegen RI *** ***, Justizwachebeamter der Justizanstalt ***, nach der in Anwesenheit des Disziplinaranwaltes OStA Mag. Harald WINKLER, des Disziplinarbeschuldigten RI *** ***, seines Verteidigers Dr. Bertram GRASS und der Schriftführerin VB Marlene SCHEUCHENPFLUG durchgeführten mündlichen Verhandlung am am 30.1.2017 zu Recht erkannt:

RI *** *** ist schuldig, er hat am ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** jeweils ein Dienstkraftfahrzeug der Justizanstalt *** gelenkt, obwohl ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom ***, BHFK-***, mit Wirkung ***, die Lenkerberechtigung der Klassen AM, A (Code *** und ***) und B laut Führerschein der Bezirkshauptmannschaft *** vom ***, Nr. *** entzogen worden ist.

RI *** *** hat hiedurch gegen seine Dienstpflichten

nach § 43 Abs 1 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen, sowie

nach § 43 Abs 2 BDG 1979 mit seinem gesamten Verhalten darauf Verdacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt,

verstoßen und somit schuldhaft Dienstpflichtverletzungen iSd § 91BDG begangen.

Gemäß § 126 Abs 2 BDG iVm § 92 Abs 1 Z 3 BDG 1979 wird über RI *** *** unter Anwendung des § 93 Abs 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der

Geldstrafe in Höhe von EUR 2.500,00

(in Worten: zweitausendfünfhundert Euro)

verhängt.

Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat der Disziplinarbeschuldigte auch einen Teil der Verfahrenskosten in Höhe von EUR 50,00 zu ersetzen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Aufgrund der Disziplinaranzeige des Bundesministeriums für Justiz, Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen vom ***, der Ergänzung zu dieser Disziplinaranzeige vom *** durch die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen jeweils samt Beilagen, des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft *** vom *** ***, der Note der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen vom *** (ON ***), der aktuellen Bezugsauskunft (ON ***) und der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung vom *** steht folgender Sachverhalt fest:

Der am *** geborene RI *** *** bezieht ein monatliches Bruttogehalt (Grundbezug samt Zuschüssen, ohne Journaldienstzulagen und Überstundenzulagen) in Höhe von annähernd EUR *** (ON ***). Er ist sorgepflichtig für zwei Kinder, besitzt ein Einfamilienhaus sowie ein Auto an Vermögen, dem stehen Schulden in Höhe von ca. EUR *** gegenüber.

Mit Bescheid vom *** wurde dem Disziplinarbeschuldigten von der Bezirkshauptmannschaft zu BHFK-*** – mit Wirkung vom *** – die Lenkerberechtigung der Klassen AM, A (Code *** und ***) und B laut Führerschein der Bezirkshauptmann *** vom ***, Nr. *** für die Dauer von *** Monaten entzogen. Weiters wurde mit diesem Bescheid angeordnet, ein amtsärztlich erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung und eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen sowie eine Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker durchzuführen (AS *** in ON ***).

In der Begründung diese Bescheides wurde zusammengefasst angeführt, dass RI *** *** am *** in *** in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (der Alkoholgehalt der Atemluft betrug 0,93 mg/l) das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen *** gelenkt hat.

Mit Schreiben vom *** teilte die Bezirkshauptmannschaft *** der Justizanstalt *** mit, dass sich RI *** *** am *** zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen habe lassen. Da die weiteren obigen (Bescheid-) Auflagen jedoch nicht erfüllt worden seien, sei zwischenzeitlich die Lenkerberechtigung des Disziplinarbeschuldigten erloschen (AS *** in ON ***).

Der Beschuldigte hat sich nach dem Entzug seiner Lenkerberechtigung dazu entschlossen, dies der Leitung der Justizanstalt *** nicht bekannt zu geben und weiters den Vorsatz gefasst, auch in Hinkunft bei entsprechender Diensteinteilung wiederholt ein Kraftfahrzeug der Justizanstalt *** im öffentlichen Straßenverkehr zu lenken.

In weiterer Folge lenkte er zu den im Spruch angeführten Zeiten auch tatsächlich ein Kraftfahrzeug der Justizanstalt *** im öffentlichen Straßenverkehr, wobei sich bei den Fahrten nicht nur ein weiterer Mitarbeiter der Justizanstalt ***, sondern regelmäßig auch Insassen der Justizanstalt im Fahrzeug befanden.

Am *** verursachte er dabei als Lenker des Dienstkraftfahrzeuges *** im Wirtschaftshof der Justizanstalt *** im Zuge einer Ausführung einen Verkehrsunfall, bei dem ein Schaden am Einsatzfahrzeug in Höhe von EUR *** entstand.

Erst am *** setzte der Disziplinarbeschuldigte die Leiterin der Justizanstalt *** erstmals vom Entzug seiner Lenkerberechtigung in Kenntnis (AS *** in ON ***).

Nicht festgestellt werden kann hingegen, dass der Disziplinarbeschuldigte auch am ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** ein Fahrzeug der Justizanstalt *** gelenkt hat.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft *** vom ***, *** wurde der Disziplinarbeschuldigte schuldig erkannt, am *** ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, war, da ihm diese mit Bescheid entzogen wurde. Aus diesem Grund wurde über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 37 Abs 1 und Abs 4 Z 1 FSG eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von EUR *** verhängt (*** in ON ***).

Mit einem weiteren Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft *** vom ***, *** wurde der Disziplinarbeschuldigte schuldig erkannt, auch am ***, ***, *** und *** jeweils ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, war, da ihm diese mit Bescheid entzogen wurde. Aus diesem Grund wurde über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 37 Abs 1 FSG iVm § 37 Abs 4 Z 1 FSG eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von EUR *** verhängt (AS *** in ON ***).

Das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des Verdachts, dass RI *** *** weiters am ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** ein Kraftfahrzeug, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung gewesen zu sein, gelenkt habe, wurde von der Bezirkshauptmannschaft *** eingestellt, zumal der Disziplinarbeschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren glaubhaft machen konnte, dass diese Fahrten von einer anderen Person durchgeführt wurden (vgl. AS *** und *** in Beilage *** zu ON ***).

Mit am *** bei der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen eingelangtem Schreiben der Anstaltsleitung der Justizanstalt *** erlangte diese erstmals Kenntnis vom Sachverhalt.

Der Disziplinarbeschuldigte verantwortete sich im Zuge der Disziplinarverhandlung hinsichtlich der vom nunmehrigen Schuldspruch erfassten Fahrten vollinhaltlich geständig und gab an, dass er aus Scham und Sorge um seinen Arbeitsplatz den Entzug der Lenkerberechtigung nicht gemeldet habe. Die Feststellungen zu diesen Fahrten konnten sich daher auf diese unbedenkliche Verantwortung stützen.

Weiters vermochte der Disziplinarbeschuldigte aber auch glaubhaft darzulegen, dass die Eintragungen in dem von der Justizanstalt *** vorgelegten Fahrtenbuch (AS *** in ON ***) nicht immer korrekt seien, zumal dieses oftmals auch vom Beifahrer ausgefüllt und dieser öfter als Lenker ausgewiesen werde. Er selbst habe sich obwohl Beifahrer wiederholt als Lenker erfasst, um unter Verweis auf seine vermeintlich häufigen Fahrten sein tatsächliches Fahrpensum möglichst gering zu halten und so das Risiko zu minimieren, ohne Führerschein beim Lenken eines Kraftfahrzeuges angetroffen zu werden.

Diese Verantwortung ist insofern nachvollziehbar, als auch die im Verwaltungsstrafverfahren der BH *** - mag diese (teilweise) Verfahrenseinstellung mangels Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes auch keine Bindungswirkung iSd § 95 Abs 2 BDG 1979 begründen – als Zeugen befragten Personen zu den von der Einstellung umfassten Fakten bestätigt haben, entgegen den (den Disziplinarbeschuldigten als Lenker ausweisenden) Fahrtenbuchaufzeichnungen die jeweils tatsächlichen Lenker des Dienstkraftfahrzeuges gewesen zu sein (vgl. AS *** in Beilage B in ON ***).

Die übrigen Konstatierungen, insbesondere zur Höhe des Bezuges des Disziplinarbeschuldigten sowie zu den Verwaltungsverfahren, gründen sich auf die jeweils angeführten - unbedenklichen - Fundstellen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 95 Abs 1 BDG 1979 ist von der disziplinären Verfolgung eines Beamten abzusehen, wenn dieser wegen einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist und sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), so ist nach § 93 BDG 1979 vorzugehen.

Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 hat der Beamte seinen dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Dies bedeutet, dass der Beamte bei Erfüllung seiner Pflichten insbesondere auch Verwaltungsübertretungen zu unterlassen hat (vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, S 135), weshalb das Lenken eines Kraftfahrzeuges bei der Erfüllung der Dienstpflicht ohne im Besitz der entsprechenden Berechtigung zu sein, diesen Tatbestand erfüllt.

Gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten auch darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachlichen Wahrnehmungen seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Dienstpflicht schützt das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, Schutzobjekt dieser Bestimmung im weitesten Sinn ist auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und die Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt (VwGH 24.11.1979, 95/09/0348), weshalb § 43 Abs 2 BDG 1979 einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt enthält.

Fraglos ist das inkriminierte Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten geeignet, das allgemeine Vertrauen in die rechtskonforme Bewältigung seiner dienstlichen Aufgaben im Strafvollzug zu erschüttern, zumal der Disziplinarbeschuldigte wiederholt über längeren Zeitraum die Dienstfahrzeuge im öffentlichen Verkehr lenkte, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung gewesen zu sein und sich dabei auch weitere Personen im Fahrzeug befunden haben.

Mit Blick darauf, dass fallkonkret von den in angesprochenen Verwaltungsstrafverfahren angenommenen Tatbeständen des Verwaltungsstrafrechtes weder der dargestellte spezifische dienstrechtliche Aspekt des § 43 Abs 2 BDG 1979 wahrgenommen noch der beschriebene Unrechtsgehalt des § 43 Abs 1 BDG 1979 (zur Gänze) erschöpft wird, ist im Umfang verwaltungsstrafbehördlicher Befassung des Disziplinarbeschuldigten von einem disziplinären Überhang iSd § 95 Abs 1 BDG 1979 auszugehen (vgl Kucsko-Stadlmayer aaO S 60).

Mit Blick auf die mit *** anzunehmende erstmalige Kenntnisnahme der Dienstbehörde von den inkriminierten Vorwürfen ist eine Verfolgungsverjährung nach § 94 Abs 1 Z 1 BDG 1979 – bei einer Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Bescheid vom *** - nicht begründet anzunehmen.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt liegen daher schuldhafte Dienstpflichtverletzungen iSd §§ 43 Abs 1 und 2 iVm, 91 BDG 1979 vor.

Bei der Strafbemessung waren das zur Wahrheitsfindung beitragende umfassende Geständnis, die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit sowie die aus den verwaltungsstrafbehördlichen Anfassungen resultierenden finanziellen Nachteile als mildernd, die Tatwiederholung über einen langen Tatzeitraum und das Zusammentreffen zweier disziplinarrechtlicher Tatbestände hingegen als erschwerend zu erwägen.

Ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzungen sowie unter Berücksichtigung der erwähnten Strafzumessungsgründe, ist mit Bedacht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Disziplinarbeschuldigten die Verhängung der Disziplinarstrafe der an der Untergrenze orientierten Geldstrafe von EUR 2.500,00 nach § 92 Abs 1 Z 3 BDG 1979 tat- und schuldangemessen. Diese Sanktion ist mit Blick auf den Unrechtsgehalt der disziplinären Verfehlungen und die zuvor erwähnten Strafzumessungsgründe ausreichend aber auch notwendig, um RI *** *** das Unrecht seines Verhaltens nachdrücklich vor Augen zu führen und ihn in Hinkunft von der Begehung derartiger Verfehlungen abzuhalten.

Im Hinblick auf den Verfahrensaufwand war RI *** *** entsprechend seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 der Ersatz eines Teils der Verfahrenskosten in Höhe von EUR 50,00 – dies deckt einen Teil der Reisegebühren des Disziplinarsenates ab – aufzuerlegen.

Von einem formalen Freispruch hinsichtlich jener Fakten, wo der Disziplinarbeschuldigte nicht als Lenker des Dienstfahrzeuges fungierte, war im Hinblick auf die von einem Gesamtvorsatz getragene Delinquenz des Disziplinarbeschuldigten abzusehen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diesen Bescheid ist das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen ab Zustellung bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat zu enthalten

- die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides

- die Bezeichnung der belangten Behörde (jene Behörde, die den Bescheid erlassen hat),

- die Gründe, auf die sich die Behauptungen der Rechtswidrigkeit stützt oder die Erklärung über den Umfang der Anfechtung,

- das Begehren und

- jene Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde

rechtzeitig eingebracht worden ist.

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2017
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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