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BDG 1979 §43Schlagworte
DienstpflichtverletzungenText
BESCHEID
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch den Senatsvorsitzenden RidOLG Mag. Marc Koller und die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenats RidOLG Dr. Stefan Pfarrhofer und CI Christian Kircher in der Disziplinarsache gegen Obstlt. *** ***, Obst. *** *** und Obst. *** *** der Justizanstalt *** am 27. März 2017 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Gemäß §§ 118 Abs 1 Z 2 BDG 1979 wird das mit Bescheid vom *** eingeleitete Disziplinarverfahren gegen Obstlt. *** ***, Obst. *** *** und Obst. *** ***, wonach
Obstlt. *** ***, Obst. *** *** und Obst. *** *** im Verdacht stünden, sie hätten
die in den Disziplinaranzeigen (ON ***) jeweils im Einzelnen aufgelisteten, nachfolgend zusammengefasst umschriebenen Anträge des Strafgefangenen *** *** auf diverse Vollzugslockerungen entgegen den maßgeblichen Kriterien des StVG bewilligt, und zwar
Obstlt. *** *** in seiner Eigenschaft als *** der *** der Justizanstalt *** in der Zeit von *** bis *** die in der Disziplinaranzeige auf AS *** bis *** aufgelisteten Vollzugslockerungen gemäß §§ 99, 99a, 126 Abs 2 Z 4 und 147 StVG;
Obstlt. *** *** als *** des *** und *** des *** der Justizanstalt *** in den Zeiträumen von *** bis *** und vom *** bis *** die in der Disziplinaranzeige auf AS *** bis *** aufgelisteten Vollzugslockerungen gemäß §§ 99 und 147 StVG; Obst. *** *** als erster Stellvertreter des Anstaltsleiters und Leiter (unter anderem) der Außenstelle *** der Justizanstalt *** in der Zeit von *** bis *** und von *** bis *** die in der Disziplinaranzeige auf AS *** bis *** aufgelisteten Vollzugslockerungen gemäß §§ 99, 99a, 126 Abs 2 Z 3 und Z 4, 147 StVG,
und dadurch gegen ihre Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 BDG 1979, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie nach § 43 Abs 2 BDG 1979, in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und hiedurch schuldhaft Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen,
eingestellt.
BEGRÜNDUNG:
Obstlt. *** ***, geboren ***, ist *** der *** in der Justizanstalt ***. Obst. *** ***, geboren ***, ist *** des *** sowie *** des *** der Justizanstalt ***. Obst. *** ***, geboren ***, ist *** des *** der Justizanstalt *** sowie *** der Außenstellen ***, *** und ***.
Die Vollzugsdirektion erstattete am *** Disziplinaranzeigen gegen die drei Genannten. Danach sind Obst. *** ***, Obst. *** *** und Obstlt. *** *** verdächtig, in den Jahren *** bis *** dem Strafgefangenen *** *** in zahlreichen Fällen jeweils in einer nicht dem Strafvollzugsgesetz entsprechenden Weise Strafunterbrechungen gemäß § 99 StVG und Ausgänge gemäß §§ 99a, 126 und 147 StVG bewilligt zu haben, obwohl Dauer und Häufigkeit sowie die mehrfache Kumulierung von Vollzugslockerungen sachlich nicht zu rechtfertigen seien und überdies angesichts des Umstands, dass die Vollzugsgerichte sämtliche Anträge des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung abgelehnt hatten und der Insasse zudem aufgrund neuerlicher einschlägiger Vermögensdelinquenz während des Strafvollzugs mit Urteil des Landesgerichts *** vom ***, *** Hv ***/***, zu einer weiteren 21-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, die geschilderte Amtsführung unvertretbar erscheine. Außerdem seien zwar anlässlich der Gewährung von Lockerungen Bestätigungen eingefordert und Alkoholkontrollen angeordnet worden, jedoch keine dahingehenden Nachweise oder Belege im Akt des Insassen aufzufinden. Sachbearbeiter hätten mehrmals vermerkt, dass die Anzahl der gewährten Lockerungen den hauseigenen Richtlinien widerspräche, Stellungnahmen und Bestätigungen fehlen würden und die Vorgehensweise gegenüber Mitinsassen schwer vertretbar sei, weil *** *** trotz Ordnungswidrigkeiten weiterhin uneingeschränkt Vollzugslockerungen zugestanden worden seien. Dessen Ansuchen seien von den jeweils genehmigenden Organen "offensichtlich" nicht entsprechend geprüft worden. Das geschilderte Verhalten der Disziplinarbeschuldigten indiziere Verstöße gegen die Bestimmung des § 43 Abs 1 und Abs 2 BDG 1979 (ON ***).
Am *** übermittelte die Vollzugsdirektion eine Sachverhaltsdarstellung an die Oberstaatsanwaltschaft *** wegen Verdachts in Richtung § 302 Abs 1 StGB gegen die drei Disziplinarbeschuldigten. Die Strafsache wurde von der Oberstaatsanwaltschaft *** der Staatsanwaltschaft *** übertragen und von dieser Behörde zu *** St ***/*** (im Folgenden kurz „Strafverfahren“) geführt.
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 3, leitete mit Bescheid vom *** das Disziplinarverfahren gegen die Disziplinarbeschuldigten gemäß § 123 Abs 1 BDG 1979 ein.
Die Disziplinarbeschuldigten verantworteten sich im Strafverfahren zusammengefasst und sinngemäß damit, dass das Strafvollzugsgesetz als Vollzugszweck die Sozialisierung der Strafgefangenen im Sinne einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft anstrebe und es zur Erreichung dieses Zweckes wesentlich sei, den Strafgefangenen zu gegebener Zeit aus dem sozialen Gefüge der Anstalt heraus zu lösen und in intensiver Weise auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Auch solle das soziale Netz des Strafgefangenen außerhalb der Anstalt erhalten werden. Es bestehe die Tendenz, dass vorgesetzte Behörden (Bundesministerium für Justiz und [damals] Vollzugsdirektion) die dafür zuständigen Leiter von Justizanstalten zu forcierten Vollzugslockerungen drängen. So seien auch bei schwierigen Gewaltverbrechern Vollzugslockerungen gefordert worden. Bei den obligatorischen Controllinggesprächen seien 2012 und 2013 die Ziele zur „Kennzahl Vollzugslockerungen“ zunächst auf 3.900 und schließlich auf 4.400 angehoben und zuletzt als Zielwert sogar 5.000 genannt worden. Die vorgesetzten Vollzugsbehörden hätten im Rahmen der Dienst- und Fachaussicht die Möglichkeit, bei einem zu weit gehenden Lockerungsvorgehen korrigierend einzugreifen, was bislang nicht erfolgt sei. Erst ein – nicht den Tatsachen entsprechender und bar jeder journalistischer Sorgfalt recherchierter – Artikel in einer österreichischen Boulevardzeitung veranlasse die Vollzugsdirektion nun zu einem Vorgehen. Die Disziplinarbeschuldigten verwiesen auch jeweils darauf, dass den Strafgefangenen ein subjektiv öffentlich-rechtlicher Anspruch auf zum Haftende progressiv steigenden Lockerungsformen zustehe. Präzisierende Erlässe zur Auslegung der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes im Bezug auf das Spannungsfeld zwischen Vollzugslockerungen und Abschließungsgrundsatz bestünden nicht, was die Arbeit der zuständigen verantwortlichen Leiter überdies erschwere. Es bestehe ein hoher Arbeitsanfall für die Sachbearbeiter, die mit der Prüfung und Vorbereitung von Entscheidungen zur Vollzugslockerung befasst seien. Aufgrund des gewaltigen Umfangs und der gegebenen Überprüfungsinstrumente würden in einer Justizanstalt unter anderem auch Plausibilitätsüberprüfungen stattfinden. Für die außerhalb der Hauptanstalt gelegenen Außenstellen sei ein interdisziplinäres Fachteam eingerichtet worden. Wesentliche Aufgabe sei die gemeinsame Weiterentwicklung des Vollzugsplanes des jeweiligen Insassen mit der Ausrichtung auf eine bedingte Entlassung und die Förderung der Reintegration in die Gesellschaft. In den Außenstellen erfolge die Entlassungsvorbereitung im Rahmen eines sehr weitgehende Lockerungen vorsehenden Lokomotionsprozesses. Der Strafgefangene *** *** *** habe am *** die Freiheitsstrafe angetreten. Bereits vor Überstellung in die Justizanstalt *** am *** seien dem Strafgefangenen 70 Vollzugslockerungen gewährt worden (16 gemäß § 99 StVG, 6 gemäß § 99a StVG, 36 gemäß § 126 StVG und 12 gemäß § 147 StVG; Anmerkung: Der Strafgefangene hat sich von *** bis *** im gelockerten Vollzug, von *** bis *** [zusätzlich] im Erstvollzug und vom *** bis *** [noch einmal zusätzlich] im Entlassungsvollzug befunden). Der verantwortliche Leiter der Justizanstalt *** habe sohin eine sehr weitgehende, sogar vom Gericht eingeleitete Vorgangsweise der Vollzugslockerungen beim Strafgefangenen *** erkannt. Diese Praxis sei zur Pflege eines sinnvollen Resozialisierungsprozesses fortzusetzen gewesen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sich den Forderungen der obersten Vollzugsbehörden zur Forcierung der Vollzugslockerung zu widersetzen. Die Disziplinarbeschuldigten hätten dann im Einzelnen dargelegt, welche Vollzugsformen aufgrund welcher Entscheidungen beim Strafgefangenen *** *** *** angewendet worden seien. Zu den Anträgen selbst führten sie aus, dass der Strafgefangene *** *** *** seine Anträge auf Vollzugslockerung mit notwendigen Übungs- und Prüfungsflügen zum Erhalt von Flugberechtigungen und zum Studium des Theorieteils zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung begründet hätte. Diese Begründungen seien bereits im Jahr *** vom Landesgericht *** mehrmals überprüft und als berechtigt qualifiziert worden. Es habe in der Folge auch kein Grund bestanden, daran zu zweifeln. Darüber hinaus sei auch die Argumentation des Strafgefangenen nachvollziehbar gewesen, dass der Theorieteil nicht unterschätzt werden dürfe und eine ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung das Studium von Manuskripten und technischen Unterlagen erfordere, sowie diverse Routenprogramme, Flugvorbereitungsprogramme, Flightmanagement-Programme, Multiple-Choice-Übungen usw. auf Computern abgearbeitet hätten werden müssen, wofür ein in der Justizanstalt nicht zur Verfügung stehender Internetanschluss unabdingbar sei. Zur Erreichung des Ziels einer erfolgreichen Resozialisierung sei der Erhalt der Flugberechtigung jedenfalls erforderlich erschienen. Die Anzahl von Vollzugslockerungen gemäß
§§ 99 und 147 StVG sei gesetzlich nicht limitiert. Eine unzulässige Kumulierung von Vollzugslockerungen läge hier nicht vor. Es sei durch die Genehmigungen die Festlegung der maximalen Dauer einer Vollzugslockerung nicht umgangen worden, da Vollzugslockerungen demnach aufgrund verschiedener rechtlicher Bestimmungen genehmigt worden seien und § 126 StVG eine oder mehrere Lockerungen zulasse. Zwischen den gewährten Vollzugslockerungen sei auch immer ausreichend Zeit gewesen, den Insassen erzieherisch zu betreuen und Lockerungen nachzubesprechen. Auf den bekannt gewordenen Verdacht der Begehung einer weiteren strafbaren Handlung hin sei im *** die bewilligte Vollzugslockerung widerrufen und der Strafgefangene in die Hauptanstalt unter Aberkennung des Strafvollzuges in gelockerter Form verlegt worden. Es sei auch auf die rechtskräftige Verurteilung des Landesgerichtes *** reagiert worden, und zwar derart, dass dem Strafgefangenen die Vollzugsformen Erstvollzug und Entlassungsvollzug aberkannt worden und die Übernahme in den Normalvollzug erfolgt sei. Damit sei die sofortige Verlegung aus dem Wohngruppenvollzug in die Normalvollzugsabteilung sowie der Wegfall von Vollzugslockerungen gemäß § 147 StVG und § 126 Abs 2 Z 4 StVG verbunden gewesen. Es hätte sich dadurch sohin unverzüglich eine wesentliche und maßgebliche Schlechterstellung des Strafgefangenen ergeben. Es sei der Abschließungsgrundsatz nicht verletzt worden. Bestätigungen seien regelmäßig eingefordert und vom Strafgefangenen auch vorgelegt worden. Alkohol-Tests seien durchgeführt worden und ebenso wie Harnproben jeweils negativ ausgefallen. Hätte der Strafgefangene geforderte Bestätigungen nicht vorgelegt oder bei Alkohol-Tests und Harntests ein positives Ergebnis geliefert, wären ihm weitere Vollzugslockerungen nicht gewährt worden. Der Beklagte habe auch keine gewerblichen Flüge absolviert und wäre sohin nicht in seinem „Brot-Job“ wie dies im Artikel der Kronen Zeitung genannt worden wäre, tätig gewesen.
Der Disziplinarbeschuldigte Obstlt. *** *** gab anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am *** sinngemäß an, dass er die Anzahl der Vollzugslockerungen bzw. Haftunterbrechungen, welche er dem Strafgefangenen *** *** *** genehmigt habe, nicht in Frage stellen würde. Die Ansuchen um Haftunterbrechung und Vollzugslockerung würden vom jeweiligen Insassen mittels eines eigenen Formulars gestellt. Nach Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen durch einen Sachbearbeiter würden dann die Ansuchen durch ihn genehmigt werden oder auch nicht. Eine tatsächliche Überprüfung der Angaben des jeweiligen Insassen über den Grund der Haftunterbrechung bzw. Vollzugslockerung werde durch ihn nicht durchgeführt. Auch sei vor seiner Entscheidung eine Stellungnahme des sozialen Dienstes der Justizanstalt einzuholen. Der Strafgefangene *** habe ihm Auszüge bzw. Kopien der Einträge in das Flugbuch als Bestätigung vorgelegt, welche er nicht überprüft habe. Die Adressen der Insassen während Haftunterbrechungen seien durch den sozialen Dienst der Justizanstalt überprüft worden. Auch verwies der Disziplinarbeschuldigte Obstlt. Robert *** darauf, dass manche Ansuchen des *** *** um Haftunterbrechung aufgrund von Ordnungswidrigkeiten negativ beschieden worden seien.
Der Disziplinarbeschuldigte Obst. *** *** verantwortete sich sinngemäß dahin, dass er die Ansuchen des Insassen *** *** teilweise persönlich überprüft habe, so habe er auch mit der Lebensgefährtin persönlich gesprochen. Er habe in den Jahren *** und *** Ansuchen um Haftunterbrechungen und Vollzugslockerungen abgelehnt, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt gewesen seien. Der Strafgefangene *** habe Unterlagen und Bestätigungen für seine Haftunterbrechung und Vollzugslockerungen vorgelegt. Ihm seien auch ein Schreiben der Austro-Control und Kopien aus dem Flugbuch erinnerlich, welche die Flugdauer und die Ausbildungen in den jeweiligen Haftunterbrechungen belegt hätten.
Der Disziplinarbeschuldigte Obst. *** *** gab sinngemäß bei seiner niederschriftlichen Vernehmung an, dass er die Überprüfung der Angaben für die Vollzugslockerungen und Haftunterbrechungen nicht selbst durchgeführt habe. Diese seien vom sozialen Dienst und den jeweiligen Sachbearbeitern erledigt worden. Nach Vorhalt, weshalb er Ansuchen auf Vollzugslockerungen trotz ablehnender Hinweise der Sachbearbeiter genehmigt habe, gab *** an, dass der Strafgefangene *** *** ein subjektiv öffentliches Recht auf Gewährung der Vollzugslockerung gehabt hätte. Der Disziplinarbeschuldigte hätte zu diesem Zeitpunkt keine andere Entscheidung treffen können.
Der im Strafverfahren ebenfalls als Beschuldigter einvernommene *** ***, geb. ***, ***straße ***, *** ***, gab an, dass er bis *** *** der Justizanstalt *** gewesen und nunmehr Pensionist sei. Er habe über Auftrag von Obst. *** die Vollzugslockerungen des *** *** *** während dessen Aufenthalt in der Justizanstalt *** genehmigt. *** *** hätte sich auch betreffend der vom Strafgefangenen *** für den Erhalt seiner Privatpilotenlizenz erforderlichen Flugstunden bei der Flugbehörde in *** telefonisch erkundigt. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass *** Flugstunden zu leisten und eine ärztliche Untersuchung durchzuführen habe. Über genauere Details habe er sich aber nicht erkundigt und habe auch über das Gespräch mit der Flugbehörde in *** keine Aufzeichnungen geführt.
Weiters im Straverfahren als Beschuldigter vernommen wurde *** ****, geb. ***, ***straße ***, *** ***. *** *** gab an, dass er seit Anfang *** *** der Justizanstalt *** sei. Seit seiner Bestellung zum *** seien Vollzugslockerungen für Strafgefangene nur mehr durch Obst. *** gewährt worden. Er habe sohin die Angaben des Strafgefangenen *** zu keiner Zeit überprüft.
Die Staatsanwaltschaft *** stellte das Ermittlungsverfahren gegen die Disziplinarbeschuldigten und andere jeweils wegen § 302 Abs 1 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO am *** ein. Seitens des Rechtschutzbeauftragten wurde kein Fortführungsantrag eingebracht. Die Staatsanwaltschaft *** begründete die Einstellung über Antrag der Disziplinarbeschuldigten zusammengefasst dahin, dass die nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht mit Verurteilungswahrscheinlichkeit begründender Sicherheit zu widerlegende Verantwortung der beschuldigten Justizwachebeamten im Ergebnis keine tragfähige Grundlage für die Annahme eines wissentlichen Befugnismissbrauchs biete. Insbesondere seien gewährte Vollzugslockerung fallbezogen auch eingeschränkt worden, sodass zumindest in subjektiver Hinsicht im Zweifel davon auszugehen sei, dass die Beschuldigten bestrebt gewesen wären, im Einklang mit den Zwecken des Strafvollzuges (§ 20 StVG) und den Vollzugslockerungen im Einzelnen normierten gesetzlichen Vorgaben vorzugehen (ON *** in Akt *** St ***/***, StA ***).
Von der Disziplinarkommission wurde im Hinblick auf die jeweils durchgeführten ausführlichen Einvernahmen der Disziplinarbeschuldigten im Strafverfahren und der dort von diesen abgegebenen Stellungnahmen von der weiteren Einholung einer Stellungnahme abgesehen. Weitere Erhebungen sind aufgrund der umfangreichen Ermittlungen im Strafverfahren nicht erforderlich und auch nicht zielführend. Dem Disziplinaranwalt wurde Einsicht in den Disziplinarakt sowie den angeschlossenen Ermittlungsakt *** St ***/*** StA *** gewährt sowie die Möglichkeit eingeräumt, zu einem mit Blick auf die Ergebnisse des Strafverfahrens zu erwägenden Vorgehen nach § 118 Abs 1 BDG 1979 Stellung zu nehmen sowie allfällige Beweisanträge zu stellen, wovon er nicht Gebrauch machte (ON ***).
Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zu *** St ***/***, insbesondere den darin enthaltenen Einvernahmen der (Disziplinar)beschuldigten und den die Vollzugslockerungen dokumentierenden Unterlagen können die gegen die Disziplinarbeschuldigten im Spruch dieses Bescheides angeführten und konkretisierten Vorwürfe nicht verifiziert und keine entsprechenden Feststellungen getroffen werden.
Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen.
Gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Der Begriff der „Sachlichkeit“ der Vollziehung erschöpft sich jedoch nicht in deren „Rechtmäßigkeit“: Durch den Hinweis auf die „sachliche Amtsführung“ erscheint ganz allgemein ein Verhalten verboten, das das Einfließenlassen anderer als dienstlicher Interessen auf die Vollziehung vermuten lässt (insb. Parteilichkeit und Eigennützigkeit) (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 163).
Für den Tatbestand des § 43 Abs 2 BDG 1979 kommt es nur darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Es kommt weder auf die öffentliche Begehung der Tat, noch darauf an, ob das Verhalten des Beamten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (VwGH 20. November 2003, 2002/09/0088).
Schuldhaft verletzt ein Beamter seine Pflichten nur dann, wenn er ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig zuwider handelt. Zur Feststellung einer Dienstpflichtverletzung gehört der Nachweis, der Beamte habe im Bewusstsein (Wissen) pflichtwidrig zu Handeln oder unter Außerachtlassung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt gegen seine ihm auferlegten Pflichten verstoßen. Dazu kommt, dass die Feststellung der Schuldform (Grad des Verschuldens) vor allem für die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit für die Bemessung der Strafe entscheidend ist (VwGH 8. August 2008, 2005/09/0023).
Gemäß § 118 Abs 1 Z 2 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt.
Nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen ist eine vorsätzlich oder fahrlässige Missachtung der Vollzugslockerungen vorsehenden gesetzlichen Bestimmungen, damit auch ein Verstoß gegen § 43 Abs 1 und/oder 2 BDG 1979 nicht anzunehmen, insbesondere hat sich der von der Dienstbehörde geäußerte Verdacht der Kumulierung von Vollzugslockerungen zur Umgehung deren zeitlichen Befristungen nicht erhärtet. Die Beurteilung des Sachverhaltes durch eine Tageszeitung vermag daran freilich nichts zu ändern.
Spruchgemäß war sohin das Disziplinarverfahren gegen die Disziplinarbeschuldigten gemäß § 118 Abs 1 Z 2 BDG 1979 einzustellen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diesen Bescheid ist das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen ab Zustellung bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat zu enthalten
- die Bezeichnung des angefochtenen Bescheids,
- die Bezeichnung der belangten Behörde (jene Behörde, die den Bescheid erlassen hat),
- die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt oder die Erklärung über den Umfang der Anfechtung,
- das Begehren und
- jene Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde
rechtzeitig eingebracht ist.
Zuletzt aktualisiert am
31.05.2017