Norm
BDG 1979 §43Schlagworte
DienstpflichtverletzungText
DISZIPLINARERKENNTNIS
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Innsbruck Dr. Ingrid Brandstätter als Vorsitzende und die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates StA Dr. Erika Wander und CI Martin-Johann Schöpf in der Disziplinarsache gegen BI *** *** nach der am 15.5.2017 in Anwesenheit des Disziplinaranwaltes StA Dr. Andreas Leo, der Disziplinarbeschuldigten BI *** *** sowie der Schriftführerin RiAA Dr. Elisa Fuchs durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
BI *** *** ist
s c h u l d i g,
sie hat in *** zumindest seit *** als Beamtin der Justizanstalt *** entgegen ihrer Verpflichtung gemäß Punkt 1.4 Abs 4 VZO Versuche von Insassen, sie für Bestrebungen zu gewinnen, die Aufgaben und Ziele des Vollzuges entgegenwirken oder die geeignet sind, den Bediensteten in eine Abhängigkeit zu bringen, zurückzuweisen und stets die hiefür erforderliche Distanz zu den Insassen zu wahren, nicht zuletzt gegenüber Insassen des jeweils anderen Geschlechts, und entgegen der ihr am *** erteilten Belehrung/Weisung, jeglichen außerdienstlichen bzw privaten Kontakt zum Strafgefangenen *** *** zu unterlassen, näheren privaten Kontakt zu diesem unterhalten
und hiedurch gegen ihre Dienstpflichten, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs 1 BDG 1979),
in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs 2 BDG 1979), und
ihre Vorgesetzten zu unterstützten sowie ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs 1 BDG 1979),
verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Gemäß § 126 Abs 2 iVm § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 wird über sie eine Disziplinarstrafe in Form einer Geldbuße in Höhe von EUR 400,-- verhängt.
Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat die Disziplinarbeschuldigte die Verfahrenskosten, die mit EUR 100,-- bestimmt werden, zu ersetzen.
BEGRÜNDUNG:
Aufgrund der Disziplinaranzeige des BMJ, Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen, BMJ-***, samt Aktenvermerken des AI *** *** vom ***, des Oberstleutnant *** *** vom ***, des BI *** ***, der Niederschrift vom ***, aufgenommen mit BI *** ***, eines IVV-Auszuges, der Niederschrift vom ***, aufgenommen mit *** ***, des Bescheides vom ***, GZ BMJ-***, über die vorläufige Suspendierung sowie der Gehaltsauskunft steht folgender Sachverhalt fest:
Die am *** geborene BI *** *** ist am *** in den Justizwachdienst eingetreten und hat die Dienstprüfung für dienstführende Justizwachebeamten im Jahr *** mit drei Auszeichnungen bestanden. Sie wurde mit *** mit der Funktion „Stellvertreterin Abteilungskommandant - Abteilung 04UHM“ betraut. Derzeit absolviert sie ihren Dienst in der JA ***, wobei ihre Auslastung auf *** Wochenstunden reduziert ist. Ihr monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf ca EUR ***, dies 14-mal jährlich. Sie ist sorgepflichtig für zwei Kinder, für welche sie monatlich insgesamt EUR *** an Unterhaltszahlungen erhält. BI *** *** hat Schulden in Höhe von ca EUR *** für einen für den Umbau ihres Wohnhauses aufgenommenen Kredit und ca EUR *** an Rechtsanwaltskosten aus einem Obsorgeverfahren.
Am *** wurde gegen BI *** *** durch den Anstaltsleiter der Justizanstalt ***, Brigadier *** ***, eine schriftliche Ermahnung gemäß § 109 Abs 2 BDG 1979 ausgesprochen, da sie trotz entsprechender Weisung Insassen von einem Arbeitseinsatz in ihrem Haus in ***, ***straße ***, nicht zeitgerecht in die Justizanstalt *** verbracht hat, während des Arbeitseinsatzes Alkohol an Insassen verabreicht oder diesen zumindest zugänglich machte und andere Personen des Haushaltes nicht über den Umgang mit Strafgefangenen während des Arbeitseinsatzes aufgeklärt hat. Unter den genannten Insassen der Justizanstalt *** befand sich auch *** ***, welcher seit *** in der Justizanstalt *** eine Freiheitsstrafe verbüßt.
Am *** hielt sich die Disziplinarbeschuldigte, ohne sich im Dienst zu befinden, beim Insassen ***, welcher sich gerade im Zuge einer Operation am rechten Oberschenkel in stationärer Pflege im Klinikum *** ohne Bewachung befand, im Beisein dessen Mutter im dortigen Raucherpavillon auf und trank anschließend mit ihm Kaffee.
Am *** wurde BI *** *** aufgrund dieses Vorfalles durch Oberstleutnant *** *** mündlich dahingehend belehrt, jeglichen außerdienstlichen bzw privaten Kontakt mit dem Insassen *** zu unterlassen. Sie nahm diese Belehrung zur Kenntnis und versprach, diese einzuhalten.
Trotz dieser von einem Vorgesetzten erfolgten Belehrung, bei welcher es sich inhaltlich um eine mündliche Weisung handelte, besuchte BI *** *** den Insassen *** am *** neuerlich im Krankenhaus, wobei sie im Eingangsbereich der Geburtenstation des Klinikums *** mit ihm heftig „schmuste“.
Diese Feststellungen gründen sich auf die eingangs wiedergegebenen Beweismittel. Die Disziplinarbeschuldigte hat sich sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht geständig gezeigt und ihr Fehlverhalten mit einer privaten Stresssituation, bedingt durch einen jahrelangen belastenden Obsorgestreit mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten, die Pflege ihrer Mutter, den Umbau ihres Wohnhauses und Schulden aufgrund des Obsorgestreites und des Umbaues begründet.
Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs 2 leg cit hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Laut Erkenntnis des VwGH vom 30.1.2006 zu GZ 2004/09/0212 machen die in § 43 Abs 2 BDG 1979 verwendeten Worte „in seinem gesamten Verhalten“ deutlich, dass sich diese Vorschrift nicht nur auf das Verhalten im Dienst bezieht, sondern auch auf außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen können. Das in § 43 Abs 2 BDG 1979 normierte Gebot betrifft somit „in besonders krassen Fällen“ auch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten (unter anderem VwGH 26.1.2012, 2011/09/0181).
Darüber hinaus hat ein Justizwachebeamter nach Punkt 1.4 Abs 4 VZO („Behandlung von Insassen“) Versuche eines Insassen, ihn für Bestrebungen zu gewinnen, die Aufgaben und Ziele des Vollzuges entgegenwirken oder die geeignet sind, den Bediensteten in eine Abhängigkeit zu bringen, entschieden zurückzuweisen. Der Strafvollzugsbedienstete hat stets die hiefür erforderliche Distanz zu den Insassen zu wahren, nicht zuletzt gegenüber Insassen des jeweils anderen Geschlechts.
Gemäß § 44 Abs 1 BDG 1979 hat ein Beamter seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen. Eine Weisung in einer Verwaltungsorganisation muss nicht in Form eines Befehls ergehen, um verbindlich zu sein. Ein „Ersuchen“ oder ein „Gebetenwerden“ durch einen Vorgesetzten bzw eine vorgesetzte Stelle genügt jedenfalls dann, wenn aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, an wen es sich richtet und dass sein Inhalt (ungeachtet der gewählten Formulierung) bei verständiger Würdigung nur als Festlegung einer Pflicht verstanden werden kann (VwGH vom 20.11.2003, 2002/09/0088). Eine Weisung ist auch an keine bestimmte Form gebunden und kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Inhaltlich handelt es sich bei der am 14.12.2016 erfolgten und mittels Aktenvermerk schriftlich festgehaltenen Belehrung durch Oberstleutnant *** somit nicht etwa um einen „freundschaftlichen Ratschlag“, sondern um eine von ihm als Vorgesetzten erteilte Weisung, jeglichen außerdienstlichen bzw privaten Kontakt zum Insassen *** *** zu unterlassen.
Das Verhalten der Disziplinarbeschuldigten, welche außerdienstlichen bzw näheren privaten Kontakt unter Außerachtlassung der notwendigen Distanz zu einem Insassen pflegte, dies teils auch nach erfolgter Belehrung, solches in Hinkunft zu unterlassen, verstößt nicht nur gegen die sie gemäß §§ 43 Abs 1 und 44 Abs 1 BDG 1979 iVm Punkt 1.4 Abs 4 VZO treffenden Dienstpflichten, sondern stellt zudem ein Sicherheitsrisiko dar und ist zweifellos auch geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu erschüttern.
Bei der Strafbemessung wertete der Senat das umfassende und reumütige Geständnis der Disziplinarbeschuldigten sowie ihre schwierige persönliche Lage, in welcher sie sich zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen befunden hat, als mildernd, erschwerend hingegen die Tatwiederholung. Aufgrund der am *** erteilten Ermahnung gemäß § 109 Abs 2 BDG 1979 kommt ihr der Milderungsgrund der disziplinären Unbescholtenheit nicht zugute. Im Hinblick darauf, dass es sich nicht um geringfügige Disziplinarverfehlungen handelt, konnte mit der Disziplinarstrafe des Verweises nicht mehr das Auslangen gefunden werden. Ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzungen und unter Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungsgründe sowie der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Disziplinarbeschuldigten ist eine Geldbuße von EUR 400,-- schuld- und tatangemessen und ausreichend, aber auch notwendig, um ihr das Unrecht ihrer Taten so vor Augen zu führen, dass sie von einer Wiederholung in Zukunft Abstand nimmt.
Im Hinblick auf den Verfahrensaufwand, die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Disziplinarbeschuldigten waren die Verfahrenskosten mit EUR 100,-- zu bestimmen (§ 117 Abs 2 BDG 1979).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann binnen vier Wochen nach Zustellung durch den Disziplinaranwalt, nicht jedoch durch die Disziplinarbeschuldigte, die bereits ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet hat, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Die Beschwerde ist schriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Beschwerdeantrag zu enthalten.
Zuletzt aktualisiert am
13.07.2017