Norm
DSG 2000 §46 Abs3Text
GZ: DSB-D202.135/0002-DSB/2014 vom 27. Mai 2014
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BESCHEID
Spruch
Die Datenschutzbehörde entscheidet über den Antrag des Vereins K*** (Antragsteller) in **** Wien vom 9. Januar 2014 auf Erteilung einer Genehmigung gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 wie folgt:
1. Dem Antragsteller wird die Genehmigung erteilt, für die Zwecke einer „Naturalistic Driving“-Studie im Rahmen des EU-Projekts „UDRIVE“ Bild- und Tondaten von nicht als Testpersonen teilnehmenden Personen zu verarbeiten (zu speichern und auszuwerten) sowie an Studienpartner in Ländern, für die keine Genehmigung gemäß § 13 DSG 2000 erforderlich ist. zu übermitteln.
Die Genehmigung wird mit der Auflage erteilt, dass die Fahrzeuge mit einem Schild oder Aufkleber (Sticker) gekennzeichnet sein müssen, aus dem die DVR-Nummer und der Name des Antragstellers ersichtlich sein müssen.
2. Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), hat der Antragsteller eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten.
Rechtsgrundlagen: § 46 Abs. 2 Z 3 und Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, sowie § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV), BGBl. Nr. 24 idgF.
Begründung:
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014 begehrte der Antragssteller gegenständliche Genehmigung. Bereits mit Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. Oktober 2012, K202.113/0007-DSK/2012, sei dem Antragssteller – unter Einhaltung näher bestimmter Auflagen – die Genehmigung erteilt worden, für Zwecke einer „Naturalistic Driving“- Studie Bild- und Tondaten von nicht an der Studie als Testfahrer und sonstige Fahrzeuginsassen teilnehmenden Personen zu verarbeiten (zu speichern und auszuwerten). Diese Genehmigung habe sich antragsgemäß aber nicht auf die im Rahmen des von der EU geförderten Projektes „UDRIVE“ geplanten Übermittlungen von Daten an Projektpartner bezogen. Dies werde mit dem gegenständlichen Antrag nachgeholt.
Die Rechtmäßigkeit der Datenverwendung in Bezug auf die Testpersonen werde durch Einholung von Zustimmungserklärungen hergestellt, und beziehe sich vorliegender Antrag daher nur auf Personen, welche zufällig in den Aufnahmebereich der Kamera gelangen, und von denen aus diesem Grund keine Zustimmung eingeholt werden könne. Ein unscharfes Aufzeichnen sowie ein sofortiges unkenntlich machen, würde den Zielen des Projektes widersprechen, da eine detaillierte Analyse von Konflikt- und Schlüsselsituation inkl. genaue Beobachtung des Verhaltens beteiligter Personen notwendig sei. An der beantragten Verwendung bestehe ein öffentliches Interesse, weil Naturalistische Verhaltensbeobachtungen eine wichtige Datenquelle darstellen würden, um Unfallursachen umfangreicher erschließen und Präventionsmaßnahmen ableiten zu können.
Die zugrundeliegende Datenanwendung für das Projekt „UDRIVE“ wurde unter der DVR-Nummer 000**00 des Antragstellers registriert.
Der Antragsteller sei eine Forschungseinrichtung für alle Bereiche des Unfallgeschehens und eine Koordinierungsstelle für Maßnahmen, die der Sicherheit im Verkehr sowie in sonstigen Bereichen des täglichen Lebens diene, und seit mehr als 50 Jahren im Bereich der Unfallanalyse und Unfallursachenforschung tätig.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Mit Bescheid der Datenschutzkommission vom 17. Oktober 2012, K202.113/0007-DSK/2012, wurde dem Antragssteller – unter Einhaltung näher bestimmter Auflagen – die Genehmigung erteilt, für Zwecke einer „Naturalistic Driving“- Studie Bild- und Tondaten von nicht an der Studie als Testfahrer und sonstige Fahrzeuginsassen teilnehmenden Personen zu verarbeiten (zu speichern und auszuwerten). Diese Genehmigung bezog sich antragsgemäß nur auf das Verkehrsverhalten von Kraftfahrern.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem zitierten Bescheid der Datenschutzkommission.
Da die Durchführung dieser „Naturalistic Driving“ Studie gezeigt hat, dass es sich dabei um einen unverzichtbaren Beitrag zur Unfallverhütung darstellt, stellte der Antragssteller mit Schriftsatz vom 4. November 2013 den Antrag nach § 46 Abs. 3 DSG 2000 auf Genehmigung,
Die Daten werden ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet. Nach dem Ende des Untersuchungszeitraumes werden die gewonnen Daten anonymisiert, insbesondere für den Bericht des Projektes.
Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen ist folgendes vorgesehen:
1. Die Einsicht in die und die Auswertung der aufgezeichneten Bild- und Tondaten erfolgt nur durch bestimmte geschulte, über § 15 DSG 2000 aufgeklärte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Antragsstellers.
2. Die Daten werden an neunzehn Projektpartner in Ländern übermittelt, in denen gemäß § 12 Abs. 1 und 2 DSG 2000 ein angemessenes Datenschutzniveau besteht.
3. Die Projektpartner haben sich schriftlich zur Einhaltung der erforderlichen Datenschutzbestimmungen verpflichtet. Jeder Projektpartner holt die erforderlichen Genehmigungen seiner zuständigen Datenschutzbehörde ein.
4. Eine weitere Übermittlung der unausgewerteten Bild- und Tondaten ist nur im Fall behördlicher Anordnung vorgesehen.
5. Testfahrzeuge - geplant sind Motorräder - werden von außen sichtbar durch Schilder gekennzeichnet, welche auf die Durchführung und Bild- und Tonaufzeichnungen hinweisen.
Der Antragssteller ist eine amts- und allgemein bekannte Forschungseinrichtung mit Spezialisierung auf den Bereich Verkehrssicherheit und Unfallforschung.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Antrag.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Die Datenschutzkommission als Vorgängerbehörde der Datenschutzbehörde hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 sind (vgl. für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ: K121.425/0003-DSK/2009, RIS). Das DSG 2000 ist somit einschlägig.
Bilddaten sollen nun für wissenschaftliche Zwecke ermittelt und ausgewertet werden. Die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt der Sondervorschrift des § 46 DSG 2000 (und nicht etwa den §§ 50a ff DSG 2000, die Videoüberwachung zu anderen Zwecken regeln).
Gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 ist eine Genehmigung der Datenschutzbehörde für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und
3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.
Der vorliegende Antrag bezieht sich ausschließlich auf nicht an der Studie als Testpersonen teilnehmenden Personen. Die Einholung der Zustimmung von nicht an der Studie teilnehmenden Personen, die sich (zufällig) durch den Aufnahmebereich der Kameras (ein von vornherein unbestimmter Personenkreis), kann nicht vorgenommen werden, ohne einen sehr hohen Aufwand zu treiben und einen Verarbeitungsvorgang, nämlich die einen direkten Personenbezug herstellende Identifizierung, vorzunehmen, der für den Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung gar nicht erforderlich ist.
Dies führt zu dem Schluss, dass die Einholung der Zustimmung aller Betroffenen – die im Übrigen nur im Nachhinein erfolgen könnte – nicht nur einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, sondern zumindest teilweise dem Schutzzweck der §§ 1 Abs. 1 und 46 DSG 2000 zuwiderlaufen würde.
Das öffentliche Interesse an der beabsichtigen Datenverwendung ist gegeben. Durch Unfallforschung besteht die Möglichkeit, Vorschläge zur Prävention von Verkehrsunfällen zu erarbeiten und das Leben und die Gesundheit von Menschen zu schützen.
Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt, ist der Antragsteller eine allgemein anerkannte Forschungseinrichtung, die Gewähr dafür bietet, dass die Studie, samt damit verbundener Datenverwendung, von qualifiziertem Fachpersonal und zuverlässigen Hilfskräften durchgeführt wird.
Die Genehmigung war daher gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 und Abs. 3 DSG 2000 zu erteilen. Es wird nur die Auflage gestellt, dass die Fahrzeuge mit einem Schild oder Aufkleber (Sticker) gekennzeichnet sein müssen, aus dem die DVR-Nummer und der Name des Antragstellers ersichtlich sein müssen. Im Vorbringen war nur ein Schild auf den Fahrzeugen erwähnt, das auf die Videoaufzeichnung hinweist.
Die Vorschreibung von weiteren Auflagen – wie im bereits zitierten Bescheid vom 17. Oktober 2012 – war nicht erforderlich, weil der Antragssteller diesbezüglich – wie festgestellt – bereits selbst Vorkehrungen getroffen hat.
Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst. Eine Aufforderung zur Entrichtung von Eingabegebühren entfällt im Hinblick auf § 2 Z 3 Gebührengesetz 1957 und den verfolgten wissenschaftlichen Zweck der Sache.
Schlagworte
Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik, Forschungsprojekt, Unfallursachenforschung, Testfahrzeuge, Bilddaten, Tondaten, unbestimmter Betroffenenkreis, öffentliches Interesse, Übermittlung an ForschungspartnerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D202.135.0002.DSB.2014Zuletzt aktualisiert am
21.10.2014