Norm
DSG 2000 §1 Abs1;Text
GZ: DSB-D215.463/0006-DSB/2014 vom 22. August 2014
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BESCHEID
Spruch:
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Vorstellungen 1. der N*** Privatstiftung (Erstverfahrensgegnerin) und 2. der N*N*** Gesellschaft m.b.H. (Zweitverfahrensgegnerin), beide aus **** M***, beide vertreten durch die F***, K*** & Y*** Rechtsanwälte Ges.m.b.H., gegen den Mandatsbescheid der Datenschutzbehörde vom 22. Mai 2014, GZ: DSB-D215.463/0002-DSB/2014 (mitbeteiligte Partei: Louis A***, Einschreiter im Verfahren Zl. DSB-D215.463), wie folgt:
? Der Mandatsbescheid der Datenschutzbehörde vom 22. Mai 2014, GZ: DSB-D215.463/0002-DSB/2014, wird aufgehoben.
Rechtsgrundlagen: § 30 Abs. 6a und § 50a Abs. 1, 3 und 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.
Begründung:
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
Mit Eingabe vom 9. April 2014 wandte sich Louis A*** (Einschreiter) gemäß § 30 Abs. 1 DSG 2000 an die Datenschutzbehörde und brachte vor, durch die N*** Privatstiftung (als Eigentümerin der Liegenschaft) oder die N*N*** Gesellschaft m.b.H. (als Hausverwaltung) in seinem Recht auf Geheimhaltung dadurch verletzt zu sein, dass ein von den Verfahrensgegnern beauftragter Privatdetektiv eine Videoüberwachung seiner Wohnungstür (Top Nr. *7 im Haus V***gasse *8 in **** M***) installiert habe. Diese Videoüberwachung sei ihm erst durch die Aussage des Privatdetektivs in einer mündlichen Streitverhandlung vor Gericht am 2. April 2014 bekannt geworden.
Die Datenschutzbehörde hat sofort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und den Verfahrensgegnerinnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Darauf brachte die Zweitverfahrensgegnerin mit Schreiben vom 19. Mai 2014 vor, es sei zwischen der Erstverfahrensgegnerin und dem Einschreiter ein Kündigungsstreit um das Bestandverhältnis an der betreffenden Wohnung gerichtsanhängig. Die Erstverfahrensgegnerin habe dort vorgebracht, dass die Wohnung nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Einschreiters diene, der Einschreiter habe dies bestritten, da er die Wohnung regelmäßig benütze. Um das Vorbringen der Erstverfahrensgegnerin zu beweisen, habe die Zweitverfahrensgegnerin eine Detektei beauftragt, entsprechende Beweise zu beschaffen. Dazu habe die Detektei auch eine Videokamera gegenüber dem Eingang der Wohnung platziert, die durch einen Bewegungsmelder ausgelöst werde und digitale Bildaufnahmen anfertige. Die Bilddaten seien als Beweismittel für den anhängigen Rechtsstreit vorgesehen. Diesen Verarbeitungszweck betrachte sie als rechtmäßigen Grund, in das Geheimhaltungsrecht des Einschreiters einzugreifen, da das Recht, einen gesetzmäßigen Anspruch (auf Kündigung des Bestandverhältnisses) beweisen zu können, höher zu bewerten sei als das Recht des Einschreiters, im Eingangsbereich seiner Wohnung nicht gefilmt zu werden. Darüber hinaus berufe man sich darauf, sich in einem, „Notstand“ zu befinden, da eine Gefahr drohe, die nur durch Verletzung von Rechten Dritter abgewendet werden könne.
Die Datenschutzbehörde erließ nun am 22. Mai 2014 zu GZ: DSB-D215.463/0002-DSB/2014 einen Mandatsbescheid, in dem sie der Erst- und der Zweitverfahrensgegnerin mit sofortiger Wirkung untersagte, die Datenanwendung „Videoüberwachung des Eingangsbereichs der Wohnung Top Nr. *7 in **** M***, V***gasse *8“ weiterzuführen.
Gegen diesen Bescheid haben die Erst- und die Zweitverfahrensgegnerin, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, am 10. Juni 2014 Vorstellung erhoben. Darin bekräftigten sie die Ansicht der Zweitverfahrensgegnerin, auf Grund überwiegender berechtigter Interessen zu der fraglichen Videoüberwachung für Zwecke der „Beweissicherung“ berechtigt zu sein.
Weiters haben die Erst- und die Zweitverfahrensgegnerin am 30. Juni 2014 auf Aufforderung der Datenschutzbehörde auch zu weiteren Fragen des gegenständlichen Kontroll- und Ombudsmannverfahrens Stellung genommen. Die Erstverfahrensgegnerin brachte dabei vor, nicht die Entscheidung zur Videoüberwachung der Eingangstür der Wohnung getroffen zu haben. Die auftraggeberische Verantwortung treffe daher die Zweitverfahrensgegnerin, die im Rahmen einer Ermächtigung (zur Aufkündigung von Mietverhältnissen bei Vorliegen von Kündigungsgründen) als Hausverwaltung gehandelt habe. Zu weiteren Fragen zu Details der Videoüberwachung könne die Erstverfahrensgegnerin daher keine nähere Stellungnahme abgeben. Die Zweitverfahrensgegnerin bestätigte dies und brachte vor, die Videoüberwachung sei inzwischen beendet und die Kamera entfernt worden, damit sei auch keine Pflicht zur Meldung der Datenanwendung bei der Datenschutzbehörde zwecks Eintragung in das Datenverarbeitungsregister (DVR) mehr gegeben. Im Übrigen wiederholte die Zweitverfahrensgegnerin ihr Vorbringen betreffend das überwiegende berechtigte Interesse an der Videoüberwachung des Einschreiters.
Der Einschreiter hat sich nach Gehör zu den Ergebnissen des ergänzten Ermittlungsverfahrens nicht mehr geäußert.
B. Verfahrensgegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beteiligten ergibt sich, dass Verfahrensgegenstand die Frage ist, ob der Mandatsbescheid vom 22. Mai 2014 auch nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens in Kraft zu bleiben hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Verfahrensgegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Einschreiter war jedenfalls bei Einleitung des Verfahrens Hauptmieter der Wohnung Top Nr. *7 in **** M***, V***gasse *8. Die Erstverfahrensgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft und Bestandgeberin des Einschreiters, die Zweitverfahrensgegnerin ist mit Verwaltung der Liegenschaft beauftragt und ermächtigt, Bestandverhältnisse bei Vorliegen gesetzlicher Kündigungsgründe aufzukündigen.
Die Verfahrensgegnerinnen vermuteten das Vorliegen des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs. 2 Z 4 MRG (Fehlen eines dringenden Wohnbedürfnisses, mögliche Überlassung der Wohnung an nicht eintrittsberechtigte Dritte). Die Zweitverfahrensgegnerin beauftragte daher ein Berufsdetektivunternehmen für Beweiszwecke mit einer Videoüberwachung der gegenständlichen Wohnung, die dergestalt durchgeführt wurde, dass eine versteckt angebrachte und mit einem Bewegungsmelder verbundene Videokamera digitale Bildaufzeichnungen von Personen beim Betreten und Verlassen der Wohnung Top Nr. *7 in **** M***, V***gasse *8, anfertigte.
Die Überwachungsanlage wurde zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt zwischen dem 9. April 2014 (Eingang der verfahrenseinleitenden Eingabe) und dem 30. Juni 2014 (Stellungnahme der Zweitverfahrensgegnerin) entfernt.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem glaubwürdigen Vorbringen der Beteiligten, wobei die Tatsache, dass eine Videoüberwachung am festgestellten Ort durchgeführt worden ist, unbestritten ist. Da der Einschreiter, nach entsprechender Aufforderung der Datenschutzbehörde (Schreiben vom 30. Juli 2014, GZ: DSB-D215.463/0005-DSB/2014) dem Vorbringen der Zweitverfahrensgegnerin, dass die Videoüberwachung beendet und die Anlage entfernt wurde, nicht entgegengetreten ist, war dem Vorbringen der Zweitverfahrensgegnerin hier zu folgen.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich, dass die Zweitverfahrensgegnerin die Entscheidung getroffen hat, Bilddaten des Einschreiters (und weiterer, im Einzelnen nicht bekannter Betroffener) zu verwenden. Die Zweitverfahrensgegnerin ist im gegenständlichen Verfahren daher verantwortliche Auftraggeberin.
Die Installation einer Kamera (mit oder ohne Bewegungsmelder) vor dem Eingangsbereich einer Wohnung mit der Absicht, digitale Bilddaten der Personen zu speichern, die diese Wohnung betreten und verlassen, und diese Daten eventuell als Beweismittel in einem gerichtlichen Kündigungsstreit zu benützen (Aufkündigung des Bestandverhältnisses aus dem wichtigen Grund des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG), ist eine Videoüberwachung gemäß § 50a DSG 2000, da es sich um die systematische Feststellung von Ereignissen, die ein bestimmtes Objekt (die Wohnung) betreffen, durch ein technisches Bildaufnahmegerät handelt. Eine solche Videoüberwachung ist jedoch nicht zulässig, da die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit unter keinen der gesetzmäßigen Gründe für einen solchen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht der Betroffenen fällt, die in § 50a Abs. 3 und 4 DSG 2000 taxativ aufgezählt sind (arg „ausschließlich“ in § 50a Abs. 4 DSG 2000).
Für eine allgemeine Interessenabwägung bleibt in diesem Fall daher kein Platz. Vom Vorliegen eines zivilrechtlichen Notstands im Sinne des § 1306a ABGB, der eine „gefährliche Situation“ voraussetzt (vgl. OGH E 10. 5. 1979, 8 Ob 50/79, ZVR 1980/277 S 280, RS0027175), kann im Fall eines bloßen Beweisnotstands keine Rede sein.
Die durch Mandatsbescheid ausgesprochene Untersagung der Weiterführung der Datenanwendung konnte sich daher auf gesetzmäßige Gründe stützen.
Dennoch war der Mandatsbescheid über Vorstellung der Verfahrensgegnerinnen nunmehr aufzuheben, da das fortgesetzte Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass die unrechtmäßige Datenanwendung „Videoüberwachung“ inzwischen beendet worden ist. Damit liegt kein Grund für die gemäß § 30 Abs. 6a DSG 2000 geforderte Annahme einer unmittelbaren Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen des Einschreiters mehr vor.
Damit kann auch das gegenständliche Kontroll- und Ombudsmannverfahren gemäß § 30 Abs. 7 DSG 2000 beendet werden.
Schlagworte
Mandatsbescheid, Gefahr im Verzug, verdeckte Videoüberwachung, Mietwohnung, Eingangsbereich, Hausverwaltung, Kündigungsstreit, Beweisnotstand, PrivatdetektivEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D215.463.0006.DSB.2014Zuletzt aktualisiert am
01.10.2014