TE Dsk BescheidBeschwerde 2014/9/5 DSB-D122.105/0015-DSB/2014

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Veröffentlicht am 05.09.2014
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Norm

DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §4 Z1
DSG 2000 §7 Abs1
DSG 2000 §7 Abs3
DSG 2000 §8 Abs1 Z1
DSG 2000 §8 Abs3 Z2
DSG 2000 §31 Abs2
DSG 2000 §31 Abs7
DSG 2000 §34 Abs1
MeldeG §20 Abs3
WStV §103 Abs1 Z28

Text

GZ: DSB-D122.105/0015-DSB/2014 vom 05. September 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

Spruch:

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde der T*** C*m A*** in Wien (Beschwerdeführerin), vertreten durch MMag. N*** F***, Rechtsanwalt in 0**0 V***, N***straße xx/oo, vom 18. Februar 2014 gegen die Bezirksvorsteherin des **. Wiener Gemeindebezirkes (Beschwerdegegnerin), vertreten durch Ä****, Rechtsanwälte GmbH, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

-              1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie das Datum „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ im Zusammenhang mit den Adressdaten der Beschwerdeführerin an den Magistrat der Stadt Wien (MA ++) übermittelt hat.

-              2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 1, 7 Abs. 1 und 3, 8 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 2, 31 Abs. 2 und 7 sowie 34 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, i.V.m. § 20 Abs. 3 des Meldegesetzes 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 idgF, i.V.m. § 103 Abs. 1 Z 28 Wiener Stadtverfassung (WStV), LGBl. Nr. 28/1968 idgF.

Begründung:

A. Vorbringen der Parteien

1.              In ihrer Beschwerde vom 18. Februar 2014 (ha. eingelangt am 20. Februar 2014), ergänzt durch das Schreiben vom 15. April 2014, brachte die zu diesem Zeitpunkt noch unvertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Beschwerdegegnerin habe ihr im August 2012 einen Infobrief an die Adresse Rxxxgasse yy/xx, 0000 V***, geschickt. Dieser Brief sei von der Post mit dem Vermerk „Abgabestelle unbenutzt“ an die Beschwerdegegnerin zurückgeschickt worden. Den retournierten Brief habe die Beschwerdegegnerin an die MA ++ übergeben, welche sodann ein Abmeldeverfahren gegen sie eingeleitet habe. Von diesem habe sie erst am 12. September 2013 erfahren, als ein Bediensteter der MA ++ an ihre Tür geklopft habe. Das Abmeldeverfahren sei am 13. September 2013 wieder eingestellt worden. Die Weitergabe der Retoursendung an die MA ++ verletze ihr Recht auf Geheimhaltung. Zwar lägen der MA ++ ihre persönlichen Daten vor, doch gebe die Bezirksvorsteherin mit der Weitergabe der Retouren auch den Umstand preis, dass ein Infobrief einmal zurückgekommen sei.

2.              Die Beschwerdegegnerin bezog mit Schreiben ihrer Rechtsvertretung vom 11. Juni 2014 Stellung. Dieser Stellungnahme war eine von der Beschwerdegegnerin selbst verfasste Sachverhaltsdarstellung vom 10. Juni 2014 angeschlossen.

In letzterer brachte die Beschwerdegegnerin vor, sie verschicke rund viermal im Jahr Aussendungen an ca. 13.500 Haushalte. Darüber hinaus gebe es Aussendungen zu verschiedenen Projekten in kleinerem Ausmaß, die sich ausschließlich an Haushalte bestimmter „Grätzl“ richteten. Die Meldedaten (Name, Titel, Adresse) würden vom Büro der Bezirksvorsteherin bei der MA yy (Exxx und Bxxx) angefordert. Diese überprüfe, ob die Voraussetzungen für die Übermittlung der Meldedaten vorlägen. Nach Freigabe durch die MA yy würden die Adressen durch die MA ++ übermittelt. Nachdem im Jahr 2011 viele Aussendungen als nicht zustellbar retourniert worden seien, habe Anfang 2012 ein Gespräch mit der MA ++ stattgefunden, in dem geklärt werden sollte, ob Probleme im Bereich des Zustellers vorlägen. Das einzige Anliegen der Beschwerdegegnerin sei gewesen, unnötige Kosten für nicht zustellbare Aussendungen zu verhindern. Die MA ++ habe zugesagt, sich dem Problem anzunehmen und habe ersucht, die Briefretouren an sie zu übermitteln. Diese Briefretouren seien entsprechend diesem Ersuchen unverändert an die MA ++ übergeben worden. Die Beschwerdegegnerin hatte keine Kenntnis von den Absichten der MA ++ noch die Intention, durch die Rücksendung der Briefretouren Verfahren bzw. Überprüfungen nach dem MeldeG zu veranlassen. Vielmehr sei das einzige Anliegen gewesen, zu prüfen, ob es beim Zusteller zu Problemen komme, die unnötige Kosten verursachten. Unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Zusammenhänge im September 2013 habe die Beschwerdegegnerin die Praxis, Briefretouren an die MA ++ zurückzusenden, eingestellt. Diese würden seit diesem Zeitpunkt vernichtet und entsorgt.

Aus der durch die Rechtsvertretung der Beschwerdegegnerin verfassten Stellungnahme ergibt sich, dass die konkrete Datenanwendung jedenfalls durch §§ 103 Abs. 1 Z 28 sowie 103g Abs. 1 Z 16 Wiener Stadtverfassung (WStV) gesetzlich gedeckt sei. Aus der mit dem Postvermerk erfolgten Retoursendung habe sich für die Beschwerdegegnerin ergeben, dass die ihr von der MA ++ zu Verfügung gestellten Daten der Beschwerdeführerin offenkundig falsch gewesen und jedenfalls nicht geeignet gewesen seien, den Zweck der konkreten Datenanwendung zu erfüllen. Im Hinweis der Post, dass die als Meldeadresse von der MA ++ angegebene Adresse der Beschwerdeführerin am 14. August 2013 (wohl gemeint: 14. August 2012) als Abgabestelle unbenutzt gewesen sei, handle es sich um ein falsches Datum, an dem per se kein Geheimhaltungsinteresse bestehen könne. Umso mehr sei die Versendung des Retourkuverts durch die Beschwerdegegnerin an die MA ++ geeignet gewesen, eine Richtigstellung falscher Daten herbeizuführen und sei daher im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 erfolgt. Ungeachtet der Tatsache, dass es der Beschwerdegegnerin nicht um die Einleitung eines Abmeldeverfahrens, sondern um die Klärung allfälliger Zustellprobleme gegangen sei, könne die Versendung des Retourkuverts mit dem Postvermerk an die MA ++ gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 3 Z 2 DSG 2000 dem Begriff der Amtshilfe zur Erreichung der Zwecke des Meldegesetzes unterstellt werden. Auch wenn dies nicht von der Beschwerdegegnerin intendiert gewesen sei, sei ihr Handeln dadurch jedenfalls gerechtfertigt.

3.              In ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 2014 präzisierte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, Beschwerdegegenstand seien die Fragen, ob die Beschwerdegegnerin

a) Vor- und Zuname sowie Adresse der Beschwerdegegnerin aus dem Zentralen Melderegister verwenden und

b) den von der Post retournierten Brief an die MA ++ weitergeben durfte.

Dazu brachte sie näher begründet vor, die konkrete Datenanwendung sei durch die von der Beschwerdeführerin angeführten Bestimmungen der WStV sowie durch § 47 DSG 2000 und § 20 Abs. 3 MeldeG nicht gedeckt. Insbesondere stelle § 103 Abs. 1 Z 28 WStV nur eine allgemeine Zuständigkeitszuweisung für die Verwaltung von Haushaltsmitteln, aber keine ausdrückliche Ermächtigung zur Verwendung von Daten dar. Aber selbst, wenn die Verwendung der Meldedaten der Beschwerdeführerin für die Einladung zum „BürgerInnen-Cafe“ gesetzlich gedeckt gewesen wäre, hätte die Beschwerdeführerin nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgehen dürfen, was bedeute, dass die Beschwerdegegnerin auch Aushänge machen, Artikel oder Anzeigen in der Bezirkszeitung schalten oder auch Postwurfsendungen „an alle Haushalte“ ohne Namen und Adressen in Auftrag geben hätte können.

Der Postvermerk auf dem Retourkuvert gebe an, dass die Abgabestelle der Beschwerdeführerin am 14. August 2012 unbenutzt gewesen sei und mache damit Angaben über sie im Sinne des § 4 Z 1 DSG 2000. Auch falsche Daten seien Daten, an denen ein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Durch die Weitergabe des Retourkuverts an die MA ++ habe die Beschwerdegegnerin Daten an einen anderen Empfänger übermittelt. Die Übermittlung sei gemäß § 7 Abs. 2 DSG 2000 (jeweils näher begründet) unzulässig gewesen, weil die übermittelten Daten aus einer unzulässigen Datenanwendung gestammt hätten, die Beschwerdegegnerin die Daten ohne klar definierten Übermittlungszweck übermittelt habe und überdies durch die Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Beschwerdeführerin verletzt wurden, weil die Rechtfertigungsgründe des § 8 DSG 2000 nicht erfüllt gewesen wären. Darüber hinaus sei die Übermittlung auch unverhältnismäßig gewesen, weil sich die Beschwerdegegnerin direkt an die Post hätte wenden können, anstatt die Retouren der MA ++ abzuliefern.

4.              Mit Replik vom 10. Juli 2014 führte die Beschwerdegegnerin durch ihre Rechtsvertretung aus, die Adressen seien über das Intranet bei der MA yy beantragt und diese nach erfolgter Freigabe von der MA ++ per E-Mail mittels einer Excel-Tabelle übermittelt worden. Die Adressen würden nachfolgend gemeinsam mit der Briefvorlage der MA ff, dem Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, als Dienstleisterin für Druck und Versand zugesendet.

Die Verwendung der Meldedaten rechtfertigte die Beschwerdegegnerin mit den Bestimmungen der WStV i.V.m. §§ 1, 7, 8 sowie 47 DSG 2000 und verwies darüber hinaus auf § 3 WählerevidenzG sowie §§ 29 f Wiener Gemeindewahlordnung 1996. Die MA ++ sei als Meldebehörde der Stadt Wien jedenfalls berechtigt gewesen, die Adressdaten der Beschwerdeführerin zu erhalten, zumal diese zuvor von der MA ++ zu Verfügung gestellt worden seien. Eine Weiterleitung sei erfolgt, um abzuklären, ob die tatsächlich richtigen Adressen verwendet worden seien, (oder allenfalls ein Übermittlungsfehler oder ähnliches vorgelegen sei) und um so die Fehlerquelle einzuschränken. In Einhaltung der Grundsätze des § 6 DSG 2000 sei die Beschwerdegegnerin darum bemüht gewesen, die Richtigkeit der Adresse bzw. allfällige Probleme hinsichtlich der Zustellung auszuräumen. Dies sei eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der Aufgaben im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 DSG 2000.

5.              Über Aufforderung der Datenschutzbehörde führte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 28. Juli 2014 weiter aus, das verfahrensgegenständliche Schreiben sei in der Verantwortung der Bezirksvorsteherin versandt worden. Das der Beschwerdegegnerin untergeordnete Büro der Bezirksvorsteherin habe die Adressdaten bei der MA yy angefordert. Für das beschwerdegegenständliche Schreiben seien Name, Titel und Adresse von allen im **. Wiener Gemeindebezirk mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen (ausgenommen Gefängnis und Studierendenwohnheimadressen) angefordert und übermittelt worden. Durch die Zusendung des Schreibens sollte auf die erleichterte Kontaktaufnahme mit der Beschwerdegegnerin bzw. der Bezirksvertretung hingewiesen werden. Eine Erleichterung sei insbesondere gegeben, da kein Aufsuchen der Bezirksverwaltung zu den Sprechstunden notwendig gewesen sei, um direkt an der Gestaltung der Bezirkspolitik bzw. der Infrastruktur mitwirken zu können. Allfällige Aushänge schienen auf Grund der Tatsache, dass hier wiederum nur Personen erreicht werden können, die (während der Öffnungszeiten) Zeit finden, sich zur Bezirksverwaltung zu begeben, nicht im gleichen Maße zielführend.

6.              Die Beschwerdeführerin hat sich trotz gewährten Parteiengehörs zu den weiteren Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens (d.h zu den Stellungnahmen der Beschwerdegegnerin vom 10. und 28. Juli 2014) nicht geäußert.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des (durch ihren Rechtsvertreter präzisierten) Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Fragen sind, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie

1) Vor- und Zuname sowie Adresse der Beschwerdegegnerin aus dem Zentralen Melderegister für die Versendung der Einladung vom August 2012 zum „BürgerInnen-Cafe“ verwendet hat,

2) das Datum „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ im Zusammenhang mit den Adressdaten der Beschwerdeführerin an den Magistrat der Stadt Wien (MA ++) übermittelt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdegegnerin verschickt mehrmals im Jahr Aussendungen an ca. 13.500 Haushalte. Die Meldedaten (Name, Titel, Adresse) für diese Aussendungen werden durch die MA ++ zur Verfügung gestellt. Nachdem im Jahr 2011 viele Aussendungen als nicht zustellbar an die Beschwerdegegnerin retourniert wurden, fand Anfang 2012 ein Gespräch zwischen der Beschwerdegegnerin und der MA ++ statt, in dem geklärt werden sollte, ob Probleme im Bereich des Zustellers vorlägen. Die MA ++ sagte zu, sich dem Problem anzunehmen und ersuchte, die Briefretouren an sie zu übermitteln.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf der unbestrittenen Sachverhaltsdarstellung der Beschwerdegegnerin vom 10. Juni 2014 sowie ihrer insoweit ebenfalls unbestrittenen Stellungnahme vom 10. Juli 2014.

Zwecks Versendung von Einladungen im August 2012 zu an verschiedenen Terminen stattfindenden „BürgerInnen-Cafes“ forderte die Beschwerdegegnerin Name, Titel und Adresse von allen im **. Wiener Gemeindebezirk mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen (ausgenommen Gefängnis und Studierendenwohnheimadressen) und damit auch die genannten Meldedaten der Beschwerdeführerin über das Intranet bei der MA yy an. Nach erfolgter Freigabe wurden diese Daten von der MA ++ per E-Mail mittels einer Excel-Tabelle an die Beschwerdegegnerin übermittelt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den unbestrittenen Angaben der Beschwerdegegnerin in ihren Stellungnahmen vom 10. und 28. Juli 2014.

Die Einladung lautete:

„Liebe **in, lieber **er,

wie Sie aus diversen Bezirksmedien entnehmen konnten, tut sich viel in der **stadt. Uns ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass die **stadt so lebenswert bleibt wie wir sie kennen. Dazu können Sie beitragen, denn Ihre Meinung ist uns wichtig. Bereits in der ersten Jahreshälfte haben wir zum BürgerInnen-Cafe geladen, um das persönliche Gespräch mit Ihnen zu suchen.

Beim BürgerInnen-Cafe haben Sie die Möglichkeit mit der Bezirksvorsteherin sowie den VertreterInnen der Fraktionen in Dialog zu treten und Ihre Wünsche, Anliegen und Anregungen seien es Begrünungsmaßnahmen, der Mistkübel ums Eck, unsere Parkanlagen, die Ü** Gasse, die Y**gasse u.v.m. – zu deponieren. Daher laden wir auch in der zweiten Jahreshälfte zum BürgerInnen-Cafe.

Die einzelnen Termine:

…..“

Diese Einladung war persönlich an die Beschwerdeführerin (unter Angabe von Vor- und Zunamen sowie Adresse) adressiert und von der Beschwerdegegnerin sowie fünf Fraktionsvertretern unterschrieben. Der Kopf des Schreibens sowie auch das für das Einladungsschreiben verwendete Fensterkuvert nennen als Absenderin die Beschwerdegegnerin.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem von der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Einladungsbrief vom August 2012 sowie dem dazugehörigen, ebenfalls in Kopie vorgelegten Fensterkuvert.

Seitens der Post wurde das Kuvert des an die Beschwerdeführerin gerichteten Einladungsbriefes mit dem Vermerk „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ versehen und an die Beschwerdegegnerin retourniert.

Beweiswürdigung: Diese Feststellung ergibt sich aus dem von der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Kuvert sowie aus dem diesbezüglich übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien.

Die Beschwerdegegnerin gab den an die Beschwerdeführerin adressierten und mit dem Vermerk „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ an sie retournierten Brief unverändert an die MA ++ weiter. Die Beschwerdegegnerin wollte mit der Weitergabe der Briefretour abklären, ob tatsächlich die richtige Adresse für die Versendung der Einladung verwendet wurde und hatte nicht die Intention, durch die Weitergabe der Briefretour Verfahren bzw. Überprüfungen nach dem MeldeG zu veranlassen.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den Stellungnahmen der Beschwerdegegnerin vom 10.  und 11. Juni 2014 sowie vom 10. Juli 2014.

Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin in ihrer Sachverhaltsdarstellung vom 10. Juni 2014, wonach die Übermittlung der Briefretour erfolgt sei, um zu klären, „ob es beim Zusteller zu Problemen kommt, die unnötige Kosten verursachen“, und die Angaben ihres Rechtsvertreters in der Stellungnahme vom 10. Juli 2014, wonach die Weiterleitung aus dem Grund erfolgt sei, um abzuklären, „ob tatsächlich die richtigen Adressen verwendet wurden (oder allenfalls ein Übermittlungsfehler oder ähnliches vorlag) und so die Fehlerquelle einzuschränken“, ergänzen einander dahingehend logisch, dass durch die vorgelagerte Abklärung der Richtigkeit der konkret verwendeten Adresse allfällige im Bereich des Zustellers gelegene Probleme aufgeklärt werden sollten.

Den Darstellungen der Beschwerdegegnerin, wonach sie mit der Übermittlung der Briefretour nicht die Einleitung von Verfahren nach dem MeldeG bezweckte, sondern allfällige Zustellprobleme aufklären wollte, tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen.

Die MA ++ leitete daraufhin ein Abmeldeverfahren gemäß § 15 MeldeG ein, von dem die Beschwerdeführerin am 12. September 2012 erfuhr, als sie ein Bediensteter der MA ++ an ihrer Meldeadresse aufsuchte. Mit Schreiben der MA ++ vom 13. September 2014 wurde die Beschwerdeführerin von der Einstellung des Abmeldeverfahrens informiert.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbestrittenen Beschwerdevorbringen sowie aus dem von der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Schreiben der MA ++ vom 13. September 2013.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Die Beschwerdeführerin hat nach ihren unbestrittenen Angaben von der nicht erfolgten Zustellung des Einladungsbriefes vom August 2012 zum „BürgerInnen-Cafe“ und der Übermittlung des an die Beschwerdegegnerin retournierten Briefes am 12. September 2013 erfahren, die Beschwerde wurde daher gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 rechtzeitig eingebracht.

2. Zur Verwendung der Meldedaten der Beschwerdeführerin für die Versendung der Einladung zum „BürgerInnen-Cafe“ (Spruchpunkt 2.):

Da die Beschwerdegegnerin gegenständlich als Organ einer Gebietskörperschaft (§ 8 Abs. 1 Z 9 WStV) tätig war, bedarf die erfolgte Verwendung personenbezogener Daten, unabhängig ob automationsunterstützt oder nicht, gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 einer gesetzlichen Grundlage.

Für die Versendung der Einladung vom August 2012 zum „BürgerInnen-Cafe“ hat die Beschwerdegegnerin Name, Titel und Adresse der im **. Wiener Gemeindebezirk hauptgemeldeten Personen (ausgenommen Gefängnis und Studierendenwohnheimadressen) aus dem Zentralen Melderegister, sohin auch Vor- und Zuname sowie Adresse der Beschwerdeführerin, verwendet.

Nach § 20 Abs. 3 MeldeG sind die im Melderegister oder im Zentralen Melderegister enthaltenen Meldedaten Organen der Gebietskörperschaften auf Verlangen zu übermitteln, wobei das Verlangen im konkreten Fall nur gestellt werden darf, wenn es für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bildet. Dabei muss die Aufgabe, für deren Erfüllung die Meldedaten verwendet werden sollen, eine gesetzlich übertragene Aufgabe sein (vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 14. Dezember 2012, K121.879/0014-DSK/2012).

§ 103 WStV regelt den Wirkungsbereich der Bezirksvertretung, des Finanzausschusses der Bezirksvertretung und der Bezirksvorsteher im Zusammenhang mit der Verwaltung von Haushaltsmitteln. In diesen Angelegenheiten kommt den Bezirksorganen das volle Entscheidungsrecht inklusive Budgetzuständigkeit zu. § 103 Abs. 1 Z 28 WStV nennt als eine dieser Aufgaben die „Öffentlichkeitsarbeit im Interesse des Bezirkes“.

Diese Arbeit im Interesse des Bezirkes erfolgt beispielsweise über Printprodukte, Bürgerversammlungen und Informationsausstellungen, PR-Beiträge, Inserate sowie elektronische Medien. Veranstaltungen und Feste, bei denen ein kulturelles Programm und Informationen über Bezirksangelegenheiten geboten werden, können ebenfalls aus dem Informationsbudget der Bezirke gedeckt werden (vgl. https://www.wien.gv.at/bezirke/dezentralisierung/entscheidungsrecht/pressearbeit.html).

Das Abhalten eines „BürgerInnen-Cafe“ kann als Veranstaltung im Sinn der oben beschriebenen „Öffentlichkeitsarbeit im Interesse des Bezirkes“ verstanden werden; ist doch davon auszugehen, dass in dessen Rahmen Informationen über Bezirksangelegenheiten geboten werden und sei es auch nur in Folge von entsprechend geäußerten Wünschen, Anliegen und Anregungen der teilnehmenden Bezirksbürger. Es ist daher vom Vorliegen einer der Beschwerdegegnerin gesetzlich übertragenen Aufgabe auszugehen.

Zum Begriff der „wesentlichen Voraussetzung“ in § 20 Abs.3 MeldeG hat die Datenschutzkommission ausgesprochen, dass dadurch nicht gefordert wird, dass die Übermittlung von Daten für die Tätigkeit unabdingbar ist, sondern dass dieser Tatbestand dann erfüllt ist, wenn man davon ausgehen kann, dass die Tätigkeit durch die übermittelten Daten in entscheidender Weise erleichtert wird (vgl. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 11. Juli 2003, K120.++9/002-DSK/2003, in welchem die Judikatur zum ähnlich gelagerten § 7 Abs. 2 Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 565/1978, auf § 20 Abs. 3 MeldeG übertragen wird).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Zum einen steigert die persönliche Adressierung der verfahrensgegenständlichen Einladung zweifellos deren Beachtung. Zum anderen ist nicht zu erkennen, wie die Beschwerdegegnerin anders als durch Verwendung der Meldedaten effektiv an die Bezirksbürger herantreten hätte sollen. Postwurfsendungen „an einen Haushalt“ hätten die Zielgruppe der hauptgemeldeten Bezirksbürger nicht in ausreichendem Maß erreicht, zumal davon auszugehen ist, dass ein Teil dieser Personen der Zustellung nicht persönlich adressierter Schreiben widersprochen hat. Auch die Schaltung von Inseraten in der Bezirkszeitung oder der Aushang der Einladung zum „BürgerInnen-Cafe“ scheint, da dadurch nur die Leser der Bezirkszeitung bzw. die Personen, die Orte besuchen, an denen die Einladung ausgehängt ist, erreicht werden könnten, nicht sachgerecht.

Die Verwendung der Meldedaten (Vor- und Zuname sowie Adresse) der Beschwerdeführerin für die Versendung der Einladung vom August 2012 zum „BürgerInnen-Cafe“ ist daher durch § 20 Abs. 3 MeldeG gedeckt. Dass die Zielgruppe der hauptgemeldeten Bezirksbürger anders als durch die Verwendung ihrer Meldedaten nicht zuverlässig erreicht hätte werden können, ergibt sich bereits aus obigen Ausführungen, weshalb sich die konkrete Datenverwendung auch als verhältnismäßig gemäß § 1 Abs. 2 bzw. § 7 Abs. 3 DSG 2000 erweist.

Die Beschwerde war daher insoweit gemäß Spruchpunkt 2. als unbegründet abzuweisen.

3. Zur Übermittlung der Briefretour an die MA ++ (Spruchpunkt 1.):

Wie sich aus dem dargestellten Sachverhalt ergibt, übermittelte die Beschwerdegegnerin das an die Beschwerdeführerin adressierte und mit dem Vermerk „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ an sie retournierte Kuvert an die MA ++.

In diesem Zusammenhang ist zunächst klarzustellen, dass der durch den Zusteller auf dem an die Beschwerdeführerin adressierten Kuvert angebrachte Vermerk „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ in Zusammenschau mit den auf dem Kuvert befindlichen Adressdaten der Beschwerdeführerin eine Angabe über eine bestimmte Person und damit zweifelsfrei ein personenbezogenes Datum im Sinne der §§ 1 Abs.1 bzw.  4 Z 1 DSG 2000 darstellt. Dass dieses Datum letztlich falsch war, spielt keine Rolle. Weder § 1 Abs. 1 noch § 4 Z 1 DSG 2000 stellen auf die Richtigkeit einer Angabe für die Qualifikation als „personenbezogenes Datum“ ab.

Die Beschwerdegegnerin bringt vor, die Übermittlung des mit dem Datum „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ versehenen Kuverts an die MA ++ sei erfolgt, um abzuklären, ob tatsächlich die richtige Adresse für die Versendung der Einladung zum „BürgerInnen-Cafe“verwendet worden sei. Für diesen Zweck wäre es aber ausreichend gewesen, die aktuelle Meldeadresse der Beschwerdeführerin von der MA ++ zu verlangen. Die zusätzliche Übermittlung des Datums „Abgabestelle unbenutzt Rücksendedatum: 14.8.“ war für diesen Zweck nicht erforderlich und erweist sich daher als unverhältnismäßig gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000.

Soweit die Beschwerdegegnerin die Übermittlung des fraglichen Vermerks mit der Bestimmung des § 8 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 (Verwendung von Daten in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe) bzw. mit der Richtigstellung falscher Meldedaten rechtfertigt, ist ihr zu entgegnen, dass sie nach ihren eigenen expliziten Angaben das Retourkuvert gerade nicht zur Veranlassung von Überprüfungen nach dem MeldeG an die MA ++ übermittelt hat und auch die Leistung von Amtshilfe nicht von ihr intendiert war. Die genannte Rechtfertigung widerspricht daher dem von der Beschwerdegegnerin selbst ausdrücklich dargetanen Übermittlungszweck; darüber hinaus setzt § 8 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 das Vorliegen eines Amtshilfeersuchens gemäß Art. 22 B-VG voraus, das so bestimmt sein muss, dass die aufgeforderte Behörde erkennen kann, was gemeint ist, und auch im Stande ist, zu erkennen, auf welchem Rechtsgrund das Ersuchen basiert und welchem Zweck es dient, damit sie als Verantwortliche für die Vertraulichkeit der weiterzugebenden Informationen die Rechtmäßigkeit einer solchen Weitergabe beurteilen kann (vgl. Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG (16. Erg-Lfg. 2014) § 8 Anm 13 und die dort angegebene Judikatur). Ein derartiges präzisiertes Ersuchen der MA ++ liegt im vorliegenden Fall nicht vor und kann ein solches insbesondere auch nicht dem Anfang 2012 mit der MA ++ stattgefundenen Gespräch entnommen werden.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde daher teilweise 1. stattzugeben.

Schlagworte

Geheimhaltung, Übermittlung, Gemeinde, Organ, Kommunalpolitik, Wien, Meldedaten, Aussendung, Öffentlichkeitsarbeit, Bürgerinformation, gesetzlich übertragene Aufgabe, Zustellanstand, Abmeldeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D122.105.0015.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2014
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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