Norm
DSG 2000 §1 Abs1Text
GZ: DSB-D121.891/0002-DSB/2014 vom 24. September 2014
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BESCHEID
Spruch:
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Udo A***(Beschwerdeführer) aus Ü*** vom 20. Juli 2012 gegen die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung, Löschung und Richtigstellung von Daten in Folge Datenermittlung für Zwecke eines sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens, Zustellung des Bescheids vom 13. April 2012 an weitere Empfänger außer den Dienstnehmer und den Dienstgeber sowie Nichtbeantwortung bzw. Ablehnung seines Löschungs- und Richtigstellungsbegehrens vom 24. Mai 2012, nach Aufhebung der Spruchpunkte 1. und 3. des Bescheids der früheren Datenschutzkommission (im Folgenden kurz: DSK) vom 18. Jänner 2013, GZ: DSK-K121.891/0003-DSK/2013, durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (im Folgenden kurz: VwGH) vom 24. April 2014, Zl. 2013/01/0092-8, im offenen Umfang neuerlich wie folgt:
1. Die Beschwerde (Fassung der Anträge laut Stellungnahme vom 20. November 2012) wird hinsichtlich der Anträge „1) die personenbezogenen Daten zu löschen 2) jegliche Weitergabe der personenbezogenen Daten zu unterlassen“ zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1, 2 und Abs. 3 Z 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 4 Z 1 und 2 und § 27 Abs. 1, 3 und 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 112/2011, iVm § 41a, § 42 Abs. 4 und § 321 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 76/2012, und § 69 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 82/2008, sowie § 31 Abs. 2 und § 61 Abs. 9 DSG 2000 idgF.
Begründung:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptete, zunächst unvertreten, in seiner vom 20. Juli 2012 datierenden und am selben Tag per E-Mail bei der früheren DSK eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin den Feststellungsbescheid vom 13. April 2012, Zl. C/0*0*0*0 (Feststellung eines Vollversicherungsverhältnisses auf Grund von Tätigkeit als Dienstnehmer für Mag. Emil R***, Steuerberater, als Dienstgeber vom 4. Juni 2007 bis zum 30. September 2010) nicht nur an Dienstnehmer und Dienstgeber sondern auch an das Finanzamt M***, den Kreditschutzverband vom 1870 (KSV), das Bezirksgericht V*** sowie die Landesgeschäftsstelle Vorarlberg des Arbeitsmarktservice (AMS Vorarlberg) zugestellt habe. Der Bescheid sei nicht rechtskräftig, da er dagegen Berufung erhoben habe. Überdies habe er am 24. Mai 2012 von der Beschwerdegegnerin die Löschung bzw. Richtigstellung von Daten verlangt, die mit dem Bescheid vom 23. April 2012 beschafft, verarbeitet und weitergeleitet worden seien.
Die Beschwerdegegnerin brachte mit Stellungnahme vom 30. Juli 2012 zunächst vor, die Angaben zum fraglichen Bescheid seien richtig, ein Rechtsmittelverfahren sei anhängig. Die Beschwerdegegnerin sei gesetzlich zur Erlassung derartiger Bescheid und zur Führung des Ermittlungsverfahrens zuständig und damit berechtigt, die erforderlichen Daten zu verarbeiten. Die Pflicht zur Verständigung des Finanzamts (durch nachrichtliche Bescheidzustellung) stütze sich auf § 41a Abs. 4 ASVG, jene betreffend das AMS auf § 69 AlVG 1977. Das Bezirksgericht habe zu *3 S *62/07R ein Schuldenregulierungsverfahren betreffend den Beschwerdeführer geführt, an dem der KSV als öffentlich kundgemachter Treuhänder der Gläubiger des Beschwerdeführers (dieser habe bis 2010 den Familiennamen B*** geführt) beteiligt gewesen sei. Die Bescheidzustellung an diese stütze sich daher auf insolvenzrechtliche Vorschriften. Hinsichtlich des Löschungsbegehrens verweise man darauf, dass der Beschwerdeführer nicht ausgeführt habe, welche Daten zu löschen oder zu berichtigen seien.
Nach erstmaligem Parteiengehör brachte der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 5. September 2012 vor, er beantrage nun – in Ausweitung seines bisherigen, auf Feststellung von Rechtsverletzungen lautenden Antrags -, die DSK möge der Beschwerdegegnerin durch Bescheid auftragen, den Bescheid vom 23. April 2012 aufzuheben, da die dafür verwendeten Daten rechtswidrig verarbeitet und (an den KSV und das Bezirksgericht V***) weitergeleitet worden seien. Weiters brachte er vor (und legte zum Beweis den Kopie eines E-Mail-Wechsels zwischen einem Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin und einem Mitarbeiter des KSV vor), die Beschwerdegegnerin lasse die Amtsverschwiegenheit unbeachtet und gebe Daten weiter, die sie nur auf Grund der GPLA-Prüfung und guter „Connections“ zur Kripo erlangt habe. So seien für den Bescheid vom 23. April 2012 seine Aussagen in einer kriminalpolizeilichen Beschuldigtenvernehmung verwertet worden, die die Beschwerdegegnerin rechtswidrig erhalten habe (er habe die Aussage später widerrufen, da die Vernehmung unter psychischem Zwang erfolgt sei).
Die Beschwerdegegnerin lehnte mit Schreiben vom 14. September 2012 das Richtigstellungs- und Löschungsbegehren des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, sie sei gesetzlich auf Grund näher aufgezählter Rechtsvorschriften ermächtigt, eine derartigen Bescheid zu erlassen und für diesen Zweck Daten zu verarbeiten. Es liege kein Grund vor, die verwendeten Daten für unrichtig oder unrechtmäßig verwendet zu halten. Überdies sei ein Rechtsmittelverfahren anhängig, in dem der erlassene Bescheid samt Akteninhalt der Rechtsmittelbehörde vorzulegen sei, überdies stütze man sich auf Dokumentations- und Archivierungspflichten.
Nach nochmaligem Parteiengehör (betreffend das Löschungs- und Richtigstellungsrecht gemäß § 31 Abs. 8 DSG 2000) brachte der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, mit Stellungnahme vom 20. November 2012 vor, er konkretisiere seine Löschungs- bzw. Richtigstellungsbegehren nunmehr dahingehend, dass die Beschwerdegegnerin seine Aussage in der Beschuldigtenvernehmung beim Landeskriminalamt Vorarlberg am 12. Oktober 2010 unrechtmäßig verarbeitet habe. Diese Aussage habe Informationen preisgegeben, welche höchstpersönlicher und monetärer Natur und nur für die Kriminalpolizei bestimmt gewesen seien. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Zweckbindung der Datenverwendung gemäß § 6 DSG 2000. Insbesondere, da der Bescheid noch nicht rechtskräftig geworden sei, verstehe er die Weigerung, die Löschung vorzunehmen, nicht. Er sehe sich in seinen Rechten auf Richtigstellung und Löschung personenbezogener Daten, Schutz des Privat- und Familienlebens, Gleichheit und Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten als verletzt. Er stellte nunmehr den Antrag, die Datenschutzkommission möge der Beschwerdegegnerin auftragen, 1) die personenbezogenen Daten zu löschen 2) jegliche Weitergabe der personenbezogenen Daten zu unterlassen.
Mit Bescheid vom 18. Jänner 2013, GZ: DSK-K121.891/0003-DSK/2013, hat die frühere DSK der Beschwerde, soweit eine Übermittlung des Bescheids Zl. C/0*0*0*0 an das Bezirksgericht V*** und den Kreditschutzverband von 1870 erfolgt ist, Folge gegeben (Spruchpunkt 2. des Bescheids) und eine Verletzung im Rechts auf Geheimhaltung festgestellt, die Beschwerde jedoch hinsichtlich des Leistungsbegehrens zurück- (Spruchpunkt 1.) und hinsichtlich der übrigen Feststellungsbegehren summarisch abgewiesen (Spruchpunkt 3.).
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene VwGH-Beschwerde war erfolgreich. Mit Erkenntnis vom 24. April 2014, Zl. 2013/01/0092-8, hat der VwGH den Bescheid in den angefochtenen Spruchpunkten 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit in Folge Unzuständigkeit der früheren DSK gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufgehoben.
Da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, und sich die bindenden Rechtswirkungen der Entscheidung des VwGH nur auf Fragen der Zuständigkeit der früheren DSK (gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verweist das Höchstgericht zur Begründung im Wesentlichen bloß auf sein Erkenntnis vom 24. April 2013, Zl. Zl. 2011/17/0156) erstrecken, war kein ergänzendes Ermittlungsverfahren erforderlich.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der bisherigen Verfahrensergebnisse ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand folgende wieder offenen Fragen sind: 1. Ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, für Zwecke der Erlassung eines Feststellungsbescheids über ein Sozialversicherungsverhältnis (die Vollversicherung begründendes Dienstverhältnis) Daten, die in einem kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren erhoben wurden, zu ermitteln und den ergangenen Bescheid an das Finanzamt M*** sowie das AMS Vorarlberg zu übermitteln. 2. Ob die Beschwerdegegnerin das Löschungs- und Richtigstellungsbegehren vom 24. Mai 2012 zu Recht abgelehnt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer steht unter dem Verdacht der mehrfachen Verletzung abgabenrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Pflichten. Er ist seit 2005 als arbeitssuchend gemeldet und bezog über das Arbeitsmarktservice Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Jedenfalls seit 4. Juni 2007 bis zum 16. Juni 2010 stand er als Buchhalter in einem Dienstverhältnis zum Steuerberater Mag. Emil R***, wurde aber nicht zur Sozialversicherung angemeldet sondern bezog Entgelt auf Basis vom Stundensätzen auf „Werkvertragsbasis“, wofür er Rechnungen unter Angabe einer (Nicht-Wohn-) Adresse in der Schweiz legte, und das auf ein Konto bei einer Bank in der Schweiz überwiesen wurde, während der Beschwerdeführer regelmäßig in der Kanzlei von Mag. R*** in I*** arbeitete.
Mit Beschluss vom 7. Mai 2007 wurde vom Bezirksgericht V*** zu AZ:*3 S *62/07R ein Schuldenregulierungsverfahren betreffend das Vermögen des Beschwerdeführers (unter seinem früheren Namen Udo B***) eröffnet. Am 3. August 2007 wurde ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet und der KSV als Treuhänder und Beteiligter bestimmt. Am 20. August 2007 wurde das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) in der Steuerberatungskanzlei Mag. R*** vom 17. Mai 2010 bis 13. Februar 2012 wurde vom Prüfer erhoben, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Entgelte auf Basis von Stundensätzen und Stundenlisten verrechnete. Es fielen weiters Zahlungen an den Beschwerdeführer ohne Belege auf. Dies wurde an die Beschwerdegegnerin übermittelt, die ein entsprechendes Ermittlungsverfahren betreffend Bestehen einer ASVG-Pflichtversicherung (und, daraus folgend, eventuell Vorschreibung nicht entrichteter Beiträge zur Sozialversicherung an die Beteiligten) einleitete. Bei einer angesetzten Vernehmung am 8. Juli 2011 verweigerte der Beschwerdeführer die Aussage, worauf die Beschwerdegegnerin sich Akteneinsicht in einem parallelen kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren verschaffte, insbesondere in die Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers vom 12. Oktober 2010, die, neben den Ergebnissen der GPLA, zur Sachverhaltsfeststellung in wesentlichen Punkten herangezogen wurde.
Am 13. April 2012 erließ die Beschwerdegegnerin den Bescheid mit der Zahl C/0*0*0*0, in dem, wie oben dargestellt, das Bestehen einer sozialversicherungsrechtlichen Pflichtversicherung (ASVG-Vollversicherung und Arbeitslosenversicherung) des Beschwerdeführers als Dienstnehmer bei Mag. Emil R*** für den Zeitraum 4. Juni 2007 bis zum 16. Juni 2010 festgestellt wurde.
Dieser Bescheid wurde nicht sofort rechtskräftig, da der Beschwerdeführer dagegen am 9. Mai 2012 das Rechtsmittel des Einspruchs ergriffen hat.
Dieser Bescheid wurde (nachweislich, RSb) an den Beschwerdeführer und Mag. R*** sowie „nachrichtlich“ an das Finanzamt M***, den KSV, das Bezirksgericht V*** (zu AZ: *3 S *62/07R) sowie das AMS Vorarlberg übermittelt.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 verlangte der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 13. April 2012, Zl. C0*0*0*0, für den sie sich seine „Daten beschafft, verarbeitet und weitergeleitet“ habe:
„In diesem Sinne stelle ich den Antrag, die betroffenen Daten zu löschen/berichtigen und mich nach erfolgter Löschung/Berichtigung davon zu verständigen.“
Nähere Angaben, was mit den „betroffenen Daten“ gemeint sei, enthält das Schreiben nicht.
Die Beschwerdegegnerin reagierte darauf innerhalb der Achtwochenfrist nicht. Erst im bereits anhängigen datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahren wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. September 2012 mitgeteilt, dass sein Begehren abgelehnt werde, da man auf dem Standpunkt stehe, alle Daten rechtmäßig ermittelt zu haben und eine Abänderung von Akteninhalten schon im Hinblick auf ein anhängiges Rechtsmittelverfahren aus Gründen der Dokumentationspflicht nicht zulässig sei.
Dieses Ablehnungsschreiben wurde dem Beschwerdeführer zugestellt.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen weitgehend auf den Feststellungen der Beschwerdegegnerin als sachlich (in Fragen der Sozialversicherung) zuständiger Behörde erster Instanz sowie dem weiteren Inhalt des Bescheids vom 13. April 2012, Zl. C/0*0*0*0, vorgelegt vom Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerde vom 20. Juli 2012. Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers gründen sich auf die Abfrage der öffentlichen Ediktsdatei der Justiz durch die frühere DSK am 20. August 2012 (Ausdruck als Beilage bei GZ: DSK-K121.891/0004-DSK/2012). Die festgestellten Übermittlungen (Zustellungen) des Bescheids laut Zustellverfügung sind unbestritten erfolgt. Hinsichtlich des Löschungs- bzw. Richtigstellungsverfahrens gründen sich die Feststellungen auf die Beilagen zur Beschwerde vom 20. Juli 2012 (Kopie des Löschungs- bzw. Richtigstellungsbegehrens) sowie auf die Urkundenvorlage der Beschwerdegegnerin (vom 17. September 2012, GZ: DSK-K121.891/0007-DSK/2012), die vom Beschwerdeführer kurz darauf (E-Mail vom 18. September 2012 samt Beilage, GZ: DSK-K121.891/0008-DSK/2012) bestätigt worden ist.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. zur Zuständigkeit der Datenschutzbehörde:
Gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 ist die Datenschutzbehörde zuständig, über Beschwerden gegen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs wegen Verletzung der Rechte auf Geheimhaltung, Löschung und Richtigstellung von Daten zu entscheiden, soweit die Beschwerde sich nicht gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet. Die Beschwerdegegnerin ist ein Auftraggeber des öffentlichen Bereichs, der für Zwecke eines von ihm selbst zu führenden Verwaltungsverfahrens tätig geworden ist. Gemäß § 61 Abs. 9 5. Satz DSG 2000 idF BGBl. I Nr. 83/2013 ist die Datenschutzbehörde ausdrücklich dafür zuständig, ein Verfahren der früheren DSK nach Aufhebung des entsprechenden Bescheids durch den VwGH fortzusetzen. Die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde ist daher gegeben. Bereits seit der DSG-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 57/2013, sind auch die vom VwGH zur Begründung der Unzuständigkeit der früheren DSK ins Treffen geführten Gründe (mangelnden Unabhängigkeit der früheren DSK im Lichte von Artikel 28 der Richtlinie 95/46/EG) als behoben anzusehen.
2. in der Sache selbst:
Die Beschwerde hat sich in Bezug auf die Geheimhaltung von Daten im verbleibenden Umfang als unbegründet, dem Begehren nach auch als unzulässig erwiesen.
a) Unzulässigkeit eines Leistungsbescheids
Hinsichtlich des im Zuge des Verfahrens ausgeweiteten Begehrens, der Beschwerdegegnerin, einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs (Selbstverwaltung, durch Gesetz eingerichteter Sozialversicherungsträger) mittels Bescheids aufzutragen, Daten zu löschen oder richtigzustellen sowie die Datenübermittlung zu unterlassen, widerspricht die Beschwerde § 31 Abs. 7 DSG 2000. Diese Bestimmung stellt nämlich klar, dass Rechtsverletzungen durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs nur festgestellt werden können, da sich die Ermächtigung zur Erlassung von Leistungsbescheiden (Aufträgen) in § 31 Abs. 7 2. Satz DSG 2000 ausdrücklich nur auf „Auftraggeber des privaten Bereichs“ in Fällen der Geltendmachung des Rechts auf Auskunft erstreckt.
Das entsprechende Begehren war daher zurückzuweisen (Spruchpunkt 1.).
b) Recht auf Geheimhaltung
b) a) Ermittlung von Daten
In diesem Punkt ist auf die ständige Rechtsprechung der früheren DSK zu verweisen, die eine inhaltliche Überprüfung des Ermittlungsverfahrens einer sachlich zuständigen Behörde auf Fälle von Ermittlungsexzessen (überschießende, denkmöglich nicht erforderliche Datenermittlung) beschränkt hat.
„Grundsätzlich besteht ein – im Fall eines allgemeinen Verwaltungsverfahrens durch die §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG sowie besondere Zuständigkeitsbestimmungen zum Ausdruck kommendes – berechtigtes Interesse der zuständigen Behörde an der Verwendung personenbezogener Daten, insbesondere deren Ermittlung, für Zwecke eines Verwaltungsverfahrens, welches das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten überwiegt, sodass im Allgemeinen schon gemäß §§ 7 Abs 1 und 8 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 eine Verletzung von nach § 1 Abs. 1 leg. cit. bestehenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen nicht vorliegt. Als Maßstab für eine Beurteilung der Zulässigkeit der Datenermittlung in solchen Verfahren verbleibt für die Datenschutzkommission das Übermaßverbot als Ausdruck des in § 1 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 DSG 2000 normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Wenn es denkmöglich ist, dass die von einer in der Sache zuständigen Behörde ermittelten Daten nach Art und Inhalt für die Feststellung des relevanten Sachverhalts geeignet sind, ist die Zulässigkeit der Ermittlung aus datenschutzrechtlicher Sicht gegeben (vgl u.a. den Bescheid der Datenschutzkommission vom 29. November 2005, GZ: K121.046/0016-DSK/2005, RIS)“
Die Datenschutzbehörde sieht hier keinen Grund, von dieser Gesetzesauslegung abzugehen.
Im Beschwerdefall vermochte der Beschwerdeführer nichts aufzuzeigen, was eine überschießende, der Sache (Verfahrensgegenstand, Beweisthemen) nicht gerecht werdende Datenermittlung auch nur zu bescheinigen vermag. Wie die Beschwerdegegnerin zutreffend ausgeführt hat, war und ist sie insbesondere durch § 41a ASVG ermächtigt, für mehrfache gesetzmäßige Zwecke (Einhaltung von Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, Einhaltung der auf die Lohnsteuerverrechnung und –abfuhr bezogenen Bestimmungen des EStG 1988), das heißt auch für die Abgabenbehörden und für das AMS als für die Verwaltung der Arbeitslosenversicherung zuständiger Behörde, Prüfungen (als GPLA bezeichnet) von Dienstgebern durchzuführen. Die bei Mag. R*** durchgeführte GPLA brachte Ergebnisse, die auch in Bezug auf den Beschwerdeführer insofern relevant waren, als dieser, obwohl nach dem damaligen Verfahrensstand in einem eine Vollversicherung in der Sozialversicherung begründenden Dienstverhältnis stehend, jahrelang keine Dienstnehmeranteile an Sozialversicherungsbeiträgen bezahlt hatte. Ob er für die „brutto für netto“ erhaltenen Entgelte, die auf ein Konto in der Schweiz überwiesen wurden, im Inland Einkommensteuer bezahlt hatte, war nicht bekannt, Lohnsteuer wurde jedenfalls nicht verrechnet und einbehalten. Daneben war bekannt, dass der Beschwerdeführer, beim AMS als arbeitsuchend gemeldet, Leistungen der Arbeitslosenversicherung beansprucht hat.
Da laut Sachverhaltsfeststellungen der Beschwerdeführer keine niederschriftliche Aussage zu den Ergebnissen der GPLA machen wollte, war die Beschwerdegegnerin berechtigt, in Geltendmachung ihres Anspruchs auf Rechts- und Verwaltungshilfe (§ 360 Abs. 1 ASVG) Einsicht in die Akten des gegen den Beschwerdeführer bereits anhängigen kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens zu nehmen und dessen dortige Aussage als Beweismittel zu verwerten. Dies kann weder als überschießend gewertet werden, noch liegt damit eine Verletzung des Grundsatzes der Zweckbindung einer Datenverwendung gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 vor, da sich dieses Vorgehen der Beschwerdegegnerin auf gesetzliche Ermächtigungen stützen kann.
Der Beschwerdegegnerin fällt daher kein Ermittlungsexzess zu Last. Zu beurteilen, ob einzelne Beweisaufnahmen für Zwecke des erlassenen Bescheids zulässig waren, fällt in die Zuständigkeit der (Rechtsmittel-) Behörden im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren.
b) b) Übermittlung des Bescheids
Aus der Bestimmung des § 321 Abs. 1 ASVG (siehe auch § 360 Abs. 7 ASVG) ergibt sich eine besonders starke wechselseitige Hilfs- und Unterstützungspflicht zwischen Sozialversicherungsträgern und Abgabenbehörden. Aus besagter Bestimmung folgt, dass diese Behörden einander auch gegenseitig unaufgefordert Informationen zukommen lassen müssen, die für das Aufgabengebiet des jeweiligen Empfängers von Bedeutung sind. § 321 Abs. 1 3. Satz ASVG stellt ausdrücklich klar, dass diese Ermächtigung auch für Datenübermittlungen gilt.
Daraus folgt zunächst, dass eine Zustellung des Bescheids vom 13. April 2012 an das Finanzamt M*** zulässig, ja sogar ausdrücklich gesetzlich geboten war. Dieses Finanzamt hat insbesondere zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer seinen Pflichten gemäß EStG 1988 entsprochen hat.
Eine gleichwertige Ermächtigung enthält § 69 Abs. 1 AlVG betreffend Datenübermittlung an das AMS.
Durch die Datenübermittlung an das Finanzamt M*** und das AMS ist der Beschwerdeführer daher nicht im Recht auf Geheimhaltung verletzt worden.
Die Frage der Rechtmäßigkeit einer Daten- bzw. Bescheidübermittlung an das Bezirksgericht und an den KSV wurde durch den weiter in Rechtskraft stehenden Spruchpunkt 2. des Bescheids der früheren DSK vom 18. Jänner 2013 entschieden.
c) Recht auf Löschung und Richtigstellung
Ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde und das diesem zu Grund liegende gesetzliche Ermittlungsverfahren (hier: II. und III. Teil des AVG) ist keine „Datenanwendung“ (§ 4 Z 7 DSG 2000) im Sinne des Datenschutzrechts. Eine Abänderung von Bescheiden anderer Verwaltungsbehörden durch die Datenschutzbehörde bzw. ein Auftrag der Datenschutzbehörde an eine andere Verwaltungsbehörde, einen Bescheid abzuändern, ist rechtlich nicht möglich. Weder der Spruch eines Bescheids noch die Sachverhaltsfeststellungen oder andere Teile einer Bescheidbegründung unterliegen einer Löschung oder Richtigstellung gemäß § 27 DSG 2000, auch wenn der entsprechende Text, wovon auszugehen ist, mit Hilfe automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden ist.
Dies ergibt sich nicht nur aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen (Art. 83 Abs. 2 B-VG, Recht auf den gesetzlichen Richter, das heißt auf Entscheidung einer einzigen, durch Gesetz festgelegten, zuständigen Behörde) sondern auch einfachgesetzlich aus dem in § 27 Abs. 3 DSG 2000 vorgesehenen Dokumentationszweck bestimmter Datenanwendungen (z.B. solchen zur Verfahrensführung, elektronischen Aktenführung und Dokumentation, Kanzleitätigkeit etc.).
Als „richtig“ gelten Daten, die für diesen Zweck verwendet werden, wenn sie das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die Entscheidung der Behörde formell richtig wiedergeben. Auf die rechtliche Richtigkeit der Entscheidung sowie auf die inhaltliche Aussagekraft oder den Wert von Beweismitteln (z.B. den Inhalt einer Niederschrift oder eines Sachverständigengutachtens) kommt es in diesem Zusammenhang hingegen nicht an. All dies kann und darf nicht im Rahmen eines datenschutzrechtlichen Verfahrens überprüft werden.
Überdies erfordert ein Löschungsbegehren gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 ein höheres Maß an Präzisierung, als es der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 24. Mai 2012 (sinngemäß lautete dieses einfach darauf, alle für den Zweck der Erstellung des Bescheids vom 13. April 2012 verarbeiteten Daten zu löschen bzw. richtigzustellen) zum Ausdruck gebracht hat. Im Fall eines Richtigstellungsbegehrens hat der Betroffene insbesondere genau auszuführen, bei welchen Datenarten Inhalte durch andere, vom Betroffenen anzugebende Inhalte zu ersetzen wären.
Aus diesen Gründen hat die Beschwerdegegnerin das Löschungs- und Richtigstellungsbegehren des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 14. September 2012 zwar verspätet, aber doch zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerde war daher, soweit sie nicht zurückzuweisen war, gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Geheimhaltung, Löschung, Ermittlungsverfahren, Sozialversicherung, GPLA, Kriminalpolizei, Abgabenbehörden, Verdacht des Sozialbetrugs, Verdacht der Abgabenverkürzung, Verdacht von Insolvenzvergehen, Dokumentationszweck, kein Recht auf Leistungsbescheid, keine Löschung von Verfahrensergebnissen und BescheidinhaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D121.891.0002.DSB.2014Zuletzt aktualisiert am
06.11.2014