TE Dsk Empfehlung 2014/11/28 DSB-D215.548/0007-DSB/2014

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Veröffentlicht am 28.11.2014
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Norm

B-VG Art10
B-VG Art116
B-VG Art118
DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §30 Abs6
TGO §61
TGO §66
TGWO 1994 §7
TGWO 1994 §24
TGWO 1994 §27

Text

GZ: DSB-D215.548/0007-DSB/2014 vom 28. November 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

EMPFEHLUNG

Die Datenschutzbehörde spricht aus Anlass der Eingabe des Mag. iur. Markus N**** (Einschreiter) vom 30. Juli 2014 betreffend eine vom Bürgermeister der Gemeinde F**** am G**** selbst finanzierte Befragung der Gemeindebürger zum geplanten Flüchtlings- bzw. Asylantenheim in F**** am G**** und der damit verbundenen Verwendung von Wählerdaten aus dem Wählerverzeichnis folgende Empfehlung aus:

1)              Der Bürgermeister von F**** am G**** möge von der Verwendung von Daten aus dem Wählerverzeichnis Abstand nehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Volksbefragung nach § 61 TGO nicht vorliegen.

2)              Diese Empfehlung ist unverzüglich umzusetzen.

Rechtsgrundlagen: Art. 10, 116 und 118 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF; §§ 1, 30 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 162/1999 idgF; §§ 61 ff der Tiroler Gemeindeordnung 2001 – TGO, LGBl. Nr. 36 idgF; §§ 7, 24 und 27 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 – TGWO 1994, LGBl. Nr. 88 idgF.

Gründe für diese Empfehlung

A. Vorbringen der Beteiligten und Verfahrensgang

1. Der Einschreiter behauptet in seinen Eingaben vom 30. Juli und 29. September 2014, dass ihm am 21. Juli 2014 das der Eingabe beigelegte Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde F**** am G****, mit welchem der Bürgermeister die Gemeindebürger zu ihrer Meinung zum geplanten Flüchtlings- bzw. Asylantenheim F**** am G**** befragen wollte, zugegangen sei. In der Gemeinderatssitzung vom 29. Juli 2014 habe der Bürgermeister angegeben, die Kosten der Befragung selbst zu tragen, was angesichts der Tatsache, dass der Gemeinde in Asylangelegenheiten keine Kompetenz zukomme, rechtskonform sei. Außerdem habe der Bürgermeister mitgeteilt, dass er für die Aussendung das Wählerverzeichnis als Adressenliste verwendet habe. Dies könne durch die Tonbandaufzeichnung der Gemeinderatssitzung belegt werden. Wie dem Einschreiter einige Gemeindebürger mitgeteilt hätten, hätten diese das Schreiben in genauso vielen Ausfertigungen, wie Wahlberechtigte im Haushalt wohnten, erhalten. Die Verwendung von Daten des Wählerverzeichnisses sei vorliegend jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Volksbefragung nach § 61 TGO und der damit verbundenen Verwendung von Daten aus dem Wählerverzeichnis nicht gegeben gewesen seien.

2. Der anwaltlich vertretene Bürgermeister führt dazu in seinen Stellungnahmen vom 5. und vom 27. August 2014 aus, dass die für die Aussendung der Befragung verwendeten Daten aus dem amtlichen Telefonbuch stammten. Dem Bürgermeister seien im Mai 2014 276 Unterschriften von Gemeindebürgern übergeben worden, wonach eine Volksbefragung nach § 61 TGO zum Thema des geplanten Asylantenheimes abzuhalten sei. Zwar falle die Entscheidung über das Asylantenheim nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Jedoch entfalte aber ein Asylantenheim Auswirkungen auf die Gemeinde (Notwendigkeit der Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, Schulplätzen, Integration der Flüchtlinge in das Gesellschaftsleben der Gemeinde). Deshalb habe sich der Bürgermeister – wie wohl in Wahrnehmung amtlicher Aufgaben handelnd – zu einer selbst finanzierten Befragung entschlossen, gleichsam als „Seismograph“ zur Feststellung der allgemeinen Befindlichkeit der Gemeindebevölkerung. Selbst wenn somit Daten aus dem Wählerverzeichnis verwendet worden sein sollten, wäre die Verwendung im Zusammenhang mit der Durchführung von Volksbefragungen und sohin als ausdrücklich gesetzlich zulässige Anwendung vorgesehen.

3. Mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 23. Oktober 2014 wurde der Bürgermeister aufgefordert, die Tonbandaufzeichnung der Gemeinderatssitzung vom 29. Juli 2014 bzw. die Niederschrift dieser Sitzung der Datenschutzbehörde vorzulegen.

Dieser Aufforderung wurde innerhalb der gestellten Frist nicht entsprochen.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Vorbringen der Parteien und der vorgelegten Unterlagen wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Im Mai 2014 wurden dem Bürgermeister der Gemeinde F**** am G*** insgesamt 276 Unterschriften von F****er Gemeindebürgern zur Frage eines geplanten Asylantenheims im Gemeindegebiet übergeben.

Der Bürgermeister entschloss sich daraufhin zu einer selbstfinanzierten Volksbefragung und sendete ein Schreiben mit folgendem Inhalt u.a. an den Einschreiter aus:

Befragung zum Flüchtlings- bzw. Asylantenheim F**** am G****

F**** am G****, 0x.0x.xxxx

Sehr geehrter Herr N****!

Der Gemeinde F**** am G**** wurden am 27. Mai 2014 insgesamt 276 Unterschriften von F**** GemeindebürgerInnen übergeben wonach eine Volksbefragung gemäß § 61 TGO (Tiroler Gemeindeordnung), zum Thema ,geplantes Asylantenheim in F**** am G****‘ abzuhalten ist.

Laut TGO fällt die Entscheidung über das geplante Flüchtlings- bzw. Asylantenheim nicht in den Wirkungsbereich unserer Gemeinde. Somit ist nur eine ,Befragung‘ möglich. Das Ergebnis dieser Befragung hat nur informellen Charakter und keine Wirksamkeit gegenüber den Entscheidungen der zuständigen Landesrätin!

Und so nehmen Sie an der Befragung teil:

[…]

Das Ergebnis wird anschließend auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht.

Freundliche Grüße

Der Bürgermeister

[…]“

Beweiswürdigung: Dies ergibt sich aus der Eingabe des Einschreiters vom 30. Juli 2014 und dem dieser Eingabe beigelegten Schreiben des Bürgermeisters vom 0x.0x.xxxx sowie aus den insoweit unstrittigen Angaben der Verfahrensparteien.

Zum Zweck der Aussendung des Schreibens vom 0x.0x.xxxx verwendete der Bürgermeister Daten aus dem Wählerverzeichnis der Gemeinde.

Beweiswürdigung: Hier folgt die Datenschutzbehörde den Ausführungen des Einschreiters. Dieser gab an, dass ihm, u.a. von einem namentlich genannten Gemeindebürger, mitgeteilt wurde, dass das Schreiben vom 0x.0x.xxxx in genauso vielen Ausfertigungen an die Haushalte versendet wurde, wie Wahlberechtigte in diesen Haushalten wohnen. Das Vorbringen des Bürgermeisters, wonach die Daten aus dem amtlichen Telefonbuch stammten, hält die Datenschutzbehörde hingegen für nicht glaubwürdig, zumal damit nicht nachvollziehbar erklärt wird, weshalb die Anzahl der versendeten Schreiben offenbar mit der Anzahl der Wahlberechtigten in den Haushalten übereinstimmt. Darüber hinaus hat es der Bürgermeister, trotz Aufforderung durch die Datenschutzbehörde, unterlassen, das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 29. Juli 2014 bzw. die Tonbandaufzeichnung dieser Gemeinderatssitzung vorzulegen, was die Angaben des Bürgermeister gegebenenfalls hätte stützen können. Laut den unbestrittenen Angaben des Einschreiters wurden die Modalitäten der Befragung nämlich in dieser Gemeinderatssitzung behandelt.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Gemäß § 61 Abs. 1 TGO können Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, mit Ausnahme der Wahlen zu den Organen der Gemeinde, der Gemeindeabgaben und der Begründung oder Beendigung von Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen, einer Befragung der nach § 7 TGWO 1994 aktiv wahlberechtigten Gemeindebürger (Stimmberechtigten) unterzogen werden (Volksbefragung). Nach § 64 Abs. 1 TGO gelten für die Bildung von Abstimmungsbehörden sowie für die Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung die Bestimmungen der TGWO 1994 über die Bildung von Wahlbehörden sowie über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl sinngemäß.

Der 3. Abschnitt der TGWO 1994 regelt die Führung der Wählerverzeichnisse, in welche Wahlberechtigte nach § 7 TGWO einzutragen sind, sowie jenen Personenkreis, der zulässigerweise Einsicht in Wählerverzeichnisse nehmen darf bzw. an den Daten aus Wählerverzeichnissen zulässigerweise übermittelt werden dürfen.

Gemäß Art. 118 Abs. 1 B-VG ist der Wirkungsbereich einer Gemeinde ein eigener und ein vom Bund oder Land übertragener. Nach Abs. 2 letzter Satz dieser Bestimmung haben die Gesetze Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ausdrücklich als solche zu bezeichnen.

2. Obgleich die Kosten der Befragung zum Flüchtlings- bzw. Asylantenheim nicht von der Gemeinde F**** am G**** sondern von deren Bürgermeister persönlich getragen wurden, so trat dieser dennoch – sowohl objektiv gemessen am Schreiben vom 0x.0x.xxxx als auch nach seinen eigenen Angaben – in seiner amtlichen Funktion als Bürgermeister in Erscheinung.

Wie festgestellt, griff der Bürgermeister für Zwecke der Befragung auf das Wählerverzeichnis der Gemeinde zu.

Da der Bürgermeister aber als Organ einer Gebietskörperschaft (Gemeinde) tätig war, bedarf er für die Verwendung von personenbezogenen Daten, unabhängig ob automationsunterstützt oder nicht, gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 einer (formal)gesetzlichen Grundlage (siehe dazu auch den Bescheid der Datenschutzkommission vom 25. April 2012, GZ K121.760/0016-DSK/2012, RIS).

Angelegenheiten des Asylwesens sind gesetzlich nicht dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zugeordnet.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung einer Volksbefragung nach § 61 TGO, die einen Zugriff auf Daten des Wählerverzeichnisses ermöglicht hätten, lagen demnach – wie auch vom Bürgermeister selbst angegeben – nicht vor, weshalb sich die Verwendung personenbezogener Daten aus dem Wählerverzeichnis als unzulässig erweist.

3. Die Datenschutzbehörde verkennt dabei nicht, dass ein Asylantenheim nachhaltige Auswirkungen auf das Gemeindeleben hat und die Meinung der Gemeindebürger dazu zu hören ist. Dies ändert im Ergebnis jedoch nichts an der Tatsache, dass vorliegend die gesetzlichen Grundlagen für die Durchführung einer Volksbefragung nach § 61 TGO, und damit für den Zugriff auf die Wählerverzeichnisse, nicht gegeben waren.

Darüber hinaus bietet § 66 TGO mit dem Instrument der Gemeindeversammlung ein taugliches Mittel, um derartige Themen im Gemeinderahmen zu behandeln.

4. Es war folglich gemäß § 30 Abs. 6 DSG 2000 zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die obige Empfehlung zu erteilen.

Schlagworte

Empfehlung, Ortsgemeinde, Bürgermeister, nicht-amtliche Bürgerbefragung, Flüchtlingsheim, Daten des Wählerverzeichnisses, fehlende gesetzliche Grundlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D215.548.0007.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2015
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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