Norm
DSG 2000 §31 Abs2Text
GZ: DSB-D122.257/0003-DSB/2015 vom 27.04.2015
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BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Johannes Z*** (Beschwerdeführer) aus L***, vertreten durch Dr. Franz Q*** und Mag. Berta C***, Rechtsanwälte in ****, vom 30. Oktober 2014 gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Beschwerdegegnerin) als Sicherheitsbehörde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten in Folge telefonischer Bekanntgabe einer Ladung des Beschwerdeführers zur Einvernahme durch die Kriminalpolizei an den Arbeitgeber des Beschwerdeführers am 25. September 2014 wie folgt:
? Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen: § 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 18 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 Z 3, § 91 Abs. 1 und 2, § 106 Abs. 1 Z 2 und § 107 Abs. 1 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien
Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer behauptete in seiner vom 30. Oktober 2014 datierenden und am 4. November 2014 bei der Datenschutzbehörde eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass Beamte der Polizeiinspektion L*** (im Folgenden auch kurz: PI) am 24. September 2014 seinen Arbeitgeber angerufen und bekanntgegeben hätten, dass sein Erscheinen auf der PI und seine Zeugenaussage erforderlich seien. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer nach seinem Erscheinen auf der PI mit verschiedenen Beweismitteln (SMS-Protokollen) konfrontiert und als Beschuldigter einvernommen worden. Es sei keine gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung für dieses Vorgehen vorgelegen, daher sei dieses, unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des SPG oder der StPO, der Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde zuzurechnen und die Datenschutzbehörde zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Der Beschwerdeführer habe ein evidentes schutzwürdiges Interesse daran, dass seine Ladung als Zeuge in einer Strafsache (und damit seine mögliche Verwicklung in einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt) nicht seinem Arbeitgeber bekanntgegeben werde. Kein Gesetz, weder das SPG noch die StPO, sehe einen solchen Eingriff in sein Grundrecht auf Datenschutz vor. Dem Handeln der Polizeibeamten habe damit die gesetzliche Grundlage für einen Grundrechtseingriff im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 gefehlt. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, diese Rechtsverletzung festzustellen.
Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 9. Dezember 2014 zum Sachverhalt vor, die PI sei bei kriminalpolizeilichen Ermittlungen wegen Verbrechen wider das Suchtmittelgesetz gegen dreizehn Beschuldigte auf die Telefonnummer (Mobilfunkanschluss) des Beschwerdeführers gestoßen, der Adressat von Kurznachrichten (SMS) war, die im Zusammenhang mit Suchtgiftgeschäften stehen könnten. Es wurde daher die schnellstmögliche Einvernahme des Beschwerdeführers für geboten erachtet (mögliche Gefahr der Verabredung mit anderen Beteiligten). Aus diesem Grund versuchte Bezirksinspektor P*** den Beschwerdeführer am Morgen des 25. September 2014 telefonisch zu erreichen. Nachdem der Beschwerdeführer über seinen Mobilfunkanschluss nicht erreichbar war, wurde ein Anruf bei der Firma N***, dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers, getätigt. Dem zunächst antwortenden Vorgesetzten des Beschwerdeführers wurde auf dessen Frage lediglich mitgeteilt, der Beschwerdeführer solle als Zeuge befragt werden. Dem daraufhin ans Telefon geholten Beschwerdeführer habe Bezirksinspektor P*** jedoch nicht verheimlicht, dass ein Verdacht gegen ihn bestehe und seine Einvernahme als Beschuldigter vorgesehen sei. Die Androhung von Zwang sei nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen. Bald darauf sei der Beschwerdeführer in Begleitung seines Strafverteidigers auf der PI erschienen und als Beschuldigter förmlich einvernommen worden. Das Verschweigen des Beschuldigtenstatus vor dem Vorgesetzten und die Vorspiegelung, ihn als Zeugen zu benötigen, seien Maßnahmen zum Schutz der Interessen des Beschwerdeführers gewesen. Rechtlich führte die Beschwerdegegnerin aus, sie bestreite die Zulässigkeit der Datenschutzbeschwerde und die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde. Bezirksinspektor P*** habe zwar auf eigene Initiative ohne Auftrag des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft, dennoch aber als Organ der Kriminalpolizei im Sinne der StPO gehandelt. Gemäß Art 94 Abs. 2 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 sei im Bereich der Strafrechtspflege ein gesetzlich vorgesehener Instanzenzug gegen Handeln einer Verwaltungsbehörde („autonomes polizeiliches Handeln“) an die ordentlichen Gerichte zulässig. Durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 195/2013, sei daraufhin der Einspruch an das Gericht wegen Handlungen der Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren wieder ermöglicht worden. Daher gelte nun wieder, wie von der früheren Datenschutzkommission bereits einmal ausgesprochen (Bescheid vom 5.6.2009, K121.476/0008-DSK/2009), dass für eine datenschutzrechtliche Beschwerde gegen solche Handlungen keine Zuständigkeit nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 bestehe. Die Beschwerdegegnerin beantragte daher primär die Zurückweisung der Beschwerde. Darüber hinaus brachte die Beschwerdegegnerin vor, das Handeln des Bezirksinspektors P*** sei gesetzmäßig, gestützt auf § 153 StPO, der die Ladung zu einer Vernehmung regle, und nicht überschießend gewesen. Es sei zeitnahes und dringliches Handeln geboten gewesen. Auch bei der Zustellung einer schriftlichen Ladung sei es im Übrigen nicht auszuschließen, dass Dritte vom Gegenstand der amtlichen Tätigkeit Kenntnis erlangten. Jede andere Auslegung würde etwa bereits telefonische Fragen eines Polizeibeamten nach dem Aufenthaltsort einer Person datenschutzwidrig erscheinen lassen und „die Vollziehung der StPO völlig unmöglich machen“.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf nach Parteiengehör in seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 2014 folgendermaßen: Zum Zeitpunkt des in Beschwerde gezogenen Handelns sei keine Gefahr im Verzug gelegen, da der Beschwerdeführer anschließend lediglich wegen eines mehrere Jahre zurückliegenden Sachverhalts einvernommen worden sei. Es sei nicht richtig, dass der Beschwerdeführer am Telefon darauf hingewiesen worden sei, dass er als Beschuldigter aussagen müsse, man habe ihn vielmehr ausdrücklich als Zeugen zur Einvernahme bestellt. Er sei auch nicht in Begleitung eines Rechtsbeistandes zur Einvernahme erschienen sondern habe Dr. Q*** (Anmerkung: einer der nunmehrigen Beschwerdevertreter), dessen Kanzlei in der Nähe der PI gelegen sei, erst beigezogen, als ihm mitgeteilt worden sei, dass er als Beschuldigter einvernommen werde. Im Zeitpunkt dieser Einvernahme und auch danach sei kein gerichtliches oder staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet worden. Es liege daher sicherheitspolizeiliches Handeln vor, die Anrufe seien Verwaltungsakte im Sinne des Art 20 Abs. 1 B-VG gewesen. Gegenstand der Einvernahme seien Ergebnisse einer Telefonüberwachung im Jahr 2011 gewesen, die Angelegenheit sei daher nicht dringlich gewesen, auch eine nicht sofortige telefonische Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer, etwa ein nochmaliger Anruf, das Abwarten eines Rückrufs oder eine gesetzlich vorrangig vorgesehene schriftliche Ladung, hätte die Ermittlungstätigkeit der Polizei nicht unverhältnismäßig erschwert. Es werde ausdrücklich vorgebracht, dass die Polizei gegenüber dem Arbeitgeber bekanntgegeben habe, der Beschwerdeführer müsse „als Zeuge in einem Strafverfahren“ aussagen, was sich im Übrigen auch schon daraus ergebe, dass die Polizei nur bei einem strafrechtlich relevanten Sachverhalt einschreite. Das Handeln sei daher unverhältnismäßig gewesen und habe den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt.
Die Datenschutzbehörde holte daraufhin im Amtshilfeweg eine Stellungnahme der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Feldkirch ein. Diese teilte mit Schreiben vom 15. Jänner 2015, AZ: **1 BAZ *3*/15y, mit, dass vom Beschwerdeführer kein Einspruch gegen Ermittlungshandlungen gemäß § 106 StPO eingebracht worden sei, und übermittelte in Kopie den kriminalpolizeilichen Abschlussbericht der PI vom 7. Jänner 2015 im Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und Jean T***, Zl. B*/*5*0/2014
Nach abschließendem Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens brachten beide Streitteile Folgendes vor:
Die Beschwerdegegnerin führte in ihrer Stellungnahme vom 12. Februar 2015 aus, ein Ermittlungsverfahren im Sinne der StPO könne auch „polizeiautonom“, das heißt ohne vorherige Befassung einer Justizbehörde, durch die Kriminalpolizei eröffnet werden (Verweis auf § 1 Abs. 2 StPO). Es bedürfe dazu keiner deklaratorischen Entscheidung oder Kundgabe (wie einer Verständigung, eines Berichts oder der Bekanntgabe einer Aktenzahl), das auf Gewinnung von Informationen zur Aufklärung eines gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdachts nach § 27 Abs. 1 SMG gerichtete Handeln des Polizeibeamten P*** genüge. Das Unterlassen des gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzmittels des Einspruchs nach § 106 StPO könne keine Zuständigkeit einer unzuständigen Behörde eröffnen. Die Beschwerdegegnerin beantragte daher neuerlich die Zurückweisung der Beschwerde wegen Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde.
Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2015 aus, laut Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Feldkirch sei gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts eines 2011 begangenen Betrugs – der von der Kriminalpolizei selbst als „vermutlich verjährt“ bezeichnet wird – ermittelt worden. Das Verfahren sei auch von der Staatsanwaltschaft bereits unmittelbar nach dem Einlangen des Abschlussberichts eingestellt worden. Für den Beschwerdeführer stelle es sich so dar, dass der Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft überhaupt erst erstellt worden sei, um den Einwand der Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde erheben zu können. Der Tag der behaupteten datenschutzrechtlichen Rechtsverletzung werde vom Beschwerdeführer auf den 25. September 2014 korrigiert. Aus den vorliegenden Ermittlungsakten ergebe sich auch, dass bei Anruf und mündlicher Ladung keinerlei Dringlichkeit bestanden habe. Die Kontaktaufnahme mit dem Dienstgeber des Beschwerdeführers sei daher „unnötig und unverhältnismäßig“ gewesen. Da der Polizei die bereits eingetretene Verjährung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikts bekannt war, komme dem Handeln der Beschwerdegegnerin jedenfalls eine sicherheitspolizeiliche Komponente der Gefahrenabwehr zu, sodass die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde gegeben sei.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand vorab die Frage ist, ob die Datenschutzbehörde zur Entscheidung in dieser Beschwerdesache gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 zuständig ist. Erst im Falle der Bejahung dieser Frage wäre zu prüfen, ob durch das Handeln des Beamten der PI am 25. September 2014 (Telefonanruf beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers) das Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt worden ist.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Am 23. September 2014 wurde der Polizeiinspektion L*** im Zuge von Ermittlungen gegen Viktor M*** (Zl. B*/*6*12/2014, Verdacht des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG) durch Auswertung von dessen Handy bekannt, dass dieser Textnachrichten (SMS) an die Mobilfunknummer 06**/*1*6*0*5 gesendet hatte. Der Beschwerdeführer wurde als Inhaber des entsprechenden Mobilfunkanschlusses identifiziert.
Aus dem Inhalt von 11 SMS an die Mobilfunknummer 06**/*1*6*0*5 aus dem Jahr 2011 (5. Mai bis 12. August) ergab sich für die Kriminalpolizei der Verdacht, dass ein Bezug zu Suchtgiftgeschäften bestehen könnte. Aus den Angaben des Viktor M*** der am 23. und 24. September und am 3. Dezember 2014 als Beschuldiger einvernommen wurde, ergab sich in späterer Folge (Angaben gemacht am 3. Dezember 2014), dass dieser von Jean T*** bei einem vom Beschwerdeführer vermittelten Kauf von Cannabiskraut im Wert von 180 Euro durch Übergabe wertloser Blätter betrogen worden zu sein behauptete.
Am Morgen bzw. frühen Vormittag des 25. September 2014 versuchte der ermittelnde Beamte, Bezirksinspektor P***, den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen. Nachdem dieser über seine Mobilfunknummer nicht erreichbar war, rief P*** beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers, der Firma N*** Ges.m.b.H. in I***, an. Dabei gab er zunächst einem (namentlich nicht bekannten) Vorgesetzten des Beschwerdeführers seinen Namen und seine Funktion bekannt und teilte mit, er müsse mit dem Beschwerdeführer sprechen, da dieser in einer Strafsache auf der Polizeiinspektion L*** eine Aussage machen müsse. Anschließend wurde der Beschwerdeführer ans Telefon geholt. Diesem wurde von Bezirksinspektor P*** mitgeteilt, er müsse sofort wegen einer Aussage zur PI kommen.
Der Beschwerdeführer fuhr darauf nach L*** und wurde am 25. September 2014 als Beschuldigter unter dem Betreff „Suchtmittelgesetz § 28a/1“ zu GZ: B*/3*1*8*0/2014-P*** von 10:49 bis 11:03 Uhr in Anwesenheit des vom Beschwerdeführer nach Vorbesprechung kurzfristig verständigten Rechtsanwalts Dr. Franz Q*** niederschriftlich einvernommen.
Am 8. Jänner 2015 wurde das kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und Jean T*** durch die Übermittlung des Abschlussberichts der Polizeiinspektion L*** an die Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 7. Jänner 2015, GZ: B*/*5*0/2014-P***, abgeschlossen.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen in der Hauptsache auf der Kopie der von der Staatsanwaltschaft Feldkirch als Beilage zur Stellungnahme vom 15. Jänner 2015, AZ: **1 BAZ *3*/15y, vorgelegten Abschlussberichts über die kriminalpolizeilichen Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer und Jean T***, Zl. B*/*5*0/2014 samt Beilagen. Dabei insbesondere auf die angeschlossene Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers vom 25. September 2014, GZ: B*/3*1*8*0/2014-P***, und die Einvernahmen des Viktor M*** vom 23. und 24. September und 3. Dezember 2014, GZ: B*/*6*12/2014-P***. Die Feststellungen zu den an die Mobilfunknummer 06**/*1*6*0*5 gesendeten SMS stützen sich auf die entsprechende Auswertung/Auflistung (Seite 53 des Abschlussberichts). Der genaue Wortlaut der Mitteilung von Bezirksinspektor P*** an den Vorgesetzten des Beschwerdeführers bei der Firma N*** ist, ebenso wie die Fragen, ob dem Beschwerdeführer seine Verhaftung im Fall der Nichtbefolgung der telefonischen Ladung angekündigt wurde, und ob er bereits telefonisch als Beschuldigter angesprochen wurde, für die Frage der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde nicht entscheidend und musste daher nicht festgestellt werden.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Die Datenschutzbehörde ist zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde nicht zuständig.
1. Zur Zuständigkeitsfrage
1.1. Gemäß § 74 Abs. 1 und 2 StPO findet das DSG 2000, vorbehaltlich von Spezialbestimmungen, im Strafverfahren Anwendung, und sind Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht verpflichtet, schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung der Daten Vorrang einzuräumen.
1.2. Gemäß § 91 Abs. 2 StPO (unter der Überschrift „Zweck des Ermittlungsverfahrens“) ist Ermittlung jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Gemäß § 1 Abs. 2 StPO beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln oder Zwang gegen eine verdächtige Person ausüben.
1.3. Bei den von Bezirksinspektor P*** am 25. September 2014 gesetzten Schritten handelte es sich um Erkundigungen und die Ladung und Vernehmung des Beschwerdeführers, somit um Maßnahmen gemäß §§ 152 f StPO. Es handelte sich um Maßnahmen, die gemäß § 91 Abs. 2 StPO der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dienten. Unabhängig von den hier nicht zu prüfenden Fragen, ob tatsächlich eine strafbare Handlung vorlag, und ob bei Ermittlungen alle Vorschriften der StPO beachtet wurden, ist dabei, anders als vom Beschwerdeführer vorgebracht, keine „sicherheitspolizeiliche Komponente“ des Verwaltungshandelns feststellbar.
1.4. Daraus folgt, dass am 25. September 2014 ein Strafverfahren in Gestalt eines von der Kriminalpolizei geführten Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer anhängig war. Spätestens durch seine Einvernahme als Beschuldigter an diesem Tag, zu der auch ein Rechtswalt beigezogen wurde, ist dies dem Beschwerdeführer auch zur Kenntnis gelangt. Eine förmliche Anordnung des Strafverfahrens durch eine Justizbehörde oder auch nur eine Verständigung der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 1 Abs. 2 StPO nicht Voraussetzung, um Handlungen einer Sicherheitsbehörde als kriminalpolizeiliche Ermittlungen qualifizieren zu können.
1.5. Aus § 106 Abs.1 Z 2 StPO in der am 25. September 2014 anzuwendenden Fassung gemäß BGBl I Nr. 195/2013 ergibt sich, dass ein Einspruch an das Gericht jeder Person zusteht, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde. Kriminalpolizeiliches Handeln, das, wie im vorliegenden Fall, nicht von einer Justizbehörde (Gericht oder Staatsanwaltschaft) angeordnet worden ist, stellt zwar Verwaltungshandeln dar, erfolgt jedoch im Dienste der Gerichtsbarkeit, da die Staatsanwaltschaft gemäß § 20 Abs. 1 StPO das Ermittlungsverfahren leitet (vgl. auch § 18 Abs. 1 StPO, wo Kriminalpolizei als „Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege“ definiert ist). Unter „Gerichtsbarkeit“ im Sinne des § 31 DSG 2000 ist Gesetzesvollziehung durch jede Justizbehörde, demnach auch durch Staatsanwälte als „Organe der Gerichtsbarkeit“ gemäß Art 90a B-VG, zu verstehen.
1.6. Unter einem „subjektiven Recht“ im Sinne des § 106 StPO ist auch das Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten zu verstehen (vgl. § 74 Abs. 2 StPO, siehe oben Punkt 1.1.).
1.7. Durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 195/2013, wurde ab 1. Jänner 2014 die Möglichkeit des Einspruchs bei Gericht gegen Ermittlungsmaßnahmen der Kriminalpolizei wieder eröffnet (zuvor aufgehoben durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 16.12.2010, VfSlg 19281/2010), nachdem zuvor durch Art 94 Abs. 2 B-VG (idF BGBl. I Nr. 114/2013) eine entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen worden war.
1.8. Am 25. September 2014 und daher auch im Beschwerdezeitpunkt am 30. Oktober 2014 wäre es daher möglich gewesen, gegen die Vorgehensweise von Bezirksinspektor P*** als Organ der gesetzlich gemäß § 18 Abs. 2 StPO mit den Aufgaben der Kriminalpolizei betrauten Sicherheitsbehörde wegen eines Eingriffs in das subjektive Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten bei Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme Einspruch an das Landesgericht Feldkirch zu erheben.
1.9. Es besteht daher kein Grund, § 31 Abs. 2 DSG 2000 entgegen dem Wortlaut („sofern der Anspruch nicht...sich gegen ein Organ im Dienste der...Gerichtsbarkeit richtet“) so auszulegen, dass eine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde besteht. Anders als in der Zeit des Ausschlusses der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 106 StPO (vgl. dazu den Bescheid der früheren Datenschutzkommission vom 7. November 2012, K121.862/0012-DSK/2012, RIS) besteht keine Rechtsschutzlücke mehr, und es würde dadurch das Gesetz verfassungswidrig so ausgelegt, als hätte der Gesetzgeber durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013 ab 1. Jänner 2014 einen zweiten Rechtsschutzweg und eine konkurrierende Zuständigkeit der Datenschutzbehörde nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 und des örtlich zuständigen Landesgerichts nach § 31 Abs. 1 Z 3 und §§ 106 f StPO schaffen wollen.
1.10. Die Einwendungen der Beschwerdegegnerin gegen die Zulässigkeit der Beschwerde und die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde sind daher berechtigt. Die Datenschutzbehörde erachtet auch den Hinweis auf den (vor dem Erkenntnis VfSlg 19281/2010 ergangenen) Bescheid der früheren Datenschutzkommission vom 5. Juni 2009, K121.476/0008-DSK/2009, RIS, für zutreffend.
2. Schlussfolgerung
2.1. Die vorliegende Beschwerde war daher wegen Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde zurückzuweisen. Ein weiteres Eingehen auf das inhaltliche Vorbringen des Beschwerdeführers erübrigt sich damit.
Schlagworte
Geheimhaltung, Zurückweisung, Unzuständigkeit, Kriminalpolizei, Ermittlungsverfahren, telefonische Mitteilung, telefonische Ladung, Abgrenzung Sicherheitspolizei - Kriminalpolizei, gerichtlicher RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2015:DSB.D122.257.0003.DSB.2015Zuletzt aktualisiert am
15.06.2015