Norm
DSG 2000 §1 Abs1Text
GZ: DSB-D122.291/0013-DSB/2015 vom 17.7.2015
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des Herrn Gustav R*** (Beschwerdeführer) vom 22. Jänner 2015 (verbessert mit Eingabe vom 2. Februar 2015) gegen das Arbeitsmarktservice (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
1. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem er die Sozialversicherungsnummer als Geschäftszahl in einer Zeugenladung und Teile dieser auf einem Briefkuvert an die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers übermittelt hat.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 1 und 5, 8, 31 Abs. 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm. § 31 Abs. 4 Z 1, 460d des Allgemeines Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idgF, iVm. § 4 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Die am 22. Jänner 2015 bei der Datenschutzbehörde eingelangte Beschwerde ist nach einem Mangelbehebungsauftrag der Datenschutzbehörde (Schreiben der Datenschutzbehörde vom 23. Jänner 2015, GZ: GZ: DSB-D122.291/0001-DSB/2015), mit Schreiben vom 2. Februar 2015 ergänzt und verbessert worden. Der Beschwerdeführer behauptet darin eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner seine Sozialversicherungsnummer als Geschäftszahl verwende, diese an Dritte weitergebe und auch auf Kuverts außen angeführt werde. So sei die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers seiner Mitbewohnerin in einem Schriftstück, mit dem Hinweis übermittelt worden, diese auch in ihrem Antwortschreiben bekannt zu geben. Darüber hinaus sei seine Sozialversicherungsnummer auch am Kuvert der Übersendung angeführt gewesen.
2. Nach Aufforderung seitens der Datenschutzbehörde brachte der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 24. Februar 2015 vor, dass die Verwendung der Sozialversicherungsnummer als Ordnungskriterium dazu diene, im Kernbereich der Sozialversicherungsagenden des Beschwerdegegners, die Erfüllung der gesetzlich übertragenen Aufgaben zu ermöglichen. Für diese Zwecke sei die Verwendung der Sozialversicherungsnummer durch den Beschwerdegegner auch gesetzlich vorgesehen. Dementsprechend diene gemäß § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG die Sozialversicherungsnummer der Verwaltung personenbezogener Daten im Rahmen der der Sozialversicherung gesetzlich übertragenen Aufgaben. Überdies werde im § 460d ASVG festgehalten, dass die Versicherungsnummer nach § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG sowie die bei den Sozialversicherungsträgern (Hauptverband) verwendeten personenbezogenen Ordnungsbegriffe in der elektronischen Datenverarbeitung für Zwecke der Sozialversicherung und des Arbeitsmarktservices verwendet werden könnten. Gemäß § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG ist die Verwendung der Versicherungsnummer zur Verwaltung personenbezogener Daten im Rahmen der der Sozialversicherung gesetzlich übertragenen Aufgaben vorgesehen und wird von allen Trägern als Ordnungsbegriff genutzt. Auch im direkten Kundenverkehr sei die Verwendung der dem einzelnen Kunden bzw. der einzelnen Kundin zugehörigen Sozialversicherungsnummer datenschutzrechtlich unbedenklich, solange ausgeschlossen werden könne, dass Dritte von dieser Kenntnis erlangten. Der Aufdruck der Sozialversicherungsnummer auf derartigen Schreiben werde stets so angebracht, dass bei ordnungsgemäßem Falten des Schreibens diese weder bei Fensterkuverts noch sonst für Dritte einsehbar sein könne. Für einen solchen Schriftverkehr stünde den Mitarbeitern des Beschwerdegegners in der internen Applikation der „Vordruck“ „KSKUND“ zur Verfügung. Dabei handle es sich um ein konzeptiv erstelltes Kundenschreiben mit Absender, Anschrift und der Sozialversicherungsnummer des Kunden. Diese Vorlage könne für jegliche Mitteilung, Information und dergleichen verwendet werden, die direkt und ausschließlich an den Kunden gerichtet sei und durch andere Formulare nicht abgedeckt wäre. Der Mitarbeiter habe zusätzlich die Möglichkeit, die eingespielten Daten auch abzuändern oder zu löschen.
Im gegenständlichen Fall habe die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers zur Klärung eines Verdachts betreffend den Beschwerdeführer zur Einvernahme geladen werden sollen. Der Beschwerdegegner habe für diese Ladung irrtümlich das beschriebene Formular „KSUND“ anstelle des ebenfalls zur Verfügung stehenden Formulars „KSSON“ verwendet. Die in das Formular automatische eingespielte Versicherungsnummer des Beschwerdeführers sei übersehen und nicht gelöscht worden.
3. Der Beschwerdeführer replizierte darauf nach Parteiengehör mit Stellungnahme vom 6. März 2015 im Wesentlichen, dass der Beschwerdegegner auch sein Geburtsdatum auf Briefkuverts für jedermann sichtbar anführe, worauf er schon wiederholt aufmerksam gemacht hätte.
4. Hierzu führte der Beschwerdegegner in einer weiteren Stellungnahme vom 24. März 2015 aus, dem Beschwerdeführer sei bereits die Notwendigkeit und grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Verwendung der Sozialversicherungsnummer durch den Beschwerdegegner nähergebracht worden. Zu Anführung des Geburtsdatums auf Kuverts verwies der Beschwerdegegner auf ein vor der Datenschutzbehörde geführtes Verfahren mit der Zl. DSB-D215.*** [Anmerkung Bearbeiter: nicht im RIS dokumentiert] und ein Besprechungsprotokoll aus dem Jahr 2010, aus dem hervorginge, dass das Anführen des Geburtsdatums auf Kuverts seitens der Datenschutzbehörde als zulässig erachtet worden sei.
5. In einem Schreiben vom 10. April 2015 wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, als eine Sozialversicherungsnummer auf Kuverts der Beschwerdegegnerin angeführt worden sei.
6. Im Zuge des umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers, wurde dieser mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 16. April 2015 ersucht, bekanntzugeben, welche weitere Vorgehensweise (Fortführung des gegenständlichen Verfahrens, Zurückziehung der Beschwerde und damit Einstellung des Verfahrens) er wünsche. Mit Schreiben vom 22. und 28. April 2015 begehrte der Beschwerdeführer schließlich die Fortführung des Beschwerdeverfahrens.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers und der bisherigen Verfahrensergebnisse ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Fragen sind, ob der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem er:
1. die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers bzw. Teile dieser in dem den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren als Geschäftszahl verwendet hat,
2. Teile der Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers auf dem Briefkuvert des an ihn zugestellten Schreibens angeführt hat,
3. die als Geschäftszahl angeführte Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers bzw. Teile dieser an die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers übermittelt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Die Sozialversicherungsnummer des jeweiligen Versicherten wird vom Beschwerdegegner intern als Ordnungskriterium bzw. Geschäftszahl verwendet, genauso wie im direkten Verkehr mit dem Versicherten selbst.
Der Beschwerdegegner führte in einer an die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers gerichteten Zeugenladung vom 15. Jänner 2015 die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers als Geschäftszahl „“1*6*1 ****76“an. Die auf dem Briefkuvert dieses der Mitbewohnerin erfolgreich zugestellten Schreibens abgedruckte Geschäftszahl „„*82/2b/1*6*1/32a/****76/...““ enthielt ebenso Teile der Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers, nämlich zunächst die ersten vier und die letzten sechs Stellen (sein Geburtsdatum). Das erwähnte Schreiben samt Sozialversicherungsnummer ist der Mitbewohnerin des Beschwerdeführers zur Kenntnis gelangt.
Weiters ließ der Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer drei Schreiben (Stempel vom 3. November 2014, Poststempel vom 22. Dezember 2014 und Stempel vom 23. Februar 2015) zustellen, auf deren Briefkuverts die ersten vier und die letzten sechs Stellen der Sozialversicherungsnummer (einmal „*82/2b/1*6*1/32a/****76/2014“ und zweimal „ALV3/BE*82/****76…“) des Beschwerdeführers als Bestandteil der Geschäftszahl angeführt waren.
Die Zustellung sämtlicher Schreiben des Beschwerdegegners erfolgte durch Mitarbeiter der Österreichischen Post AG als Rückscheinbrief mit zulässiger Ersatzzustellung (RSb).
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenhalt mit den in Vorlage gebrachten erwähnten Briefkuverts samt an die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers gerichteter Zeugenladung und Schreiben der Mitbewohnerin an den Beschwerdegegner bezüglich der bekannt gegeben Sozialversicherungsnummer.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Zur Verarbeitung der Sozialversicherungsnummer als Ordnungszahl bzw. Geschäftszahl
1.1 Die Sozialversicherungsnummer ist ohne Zweifel ein personenbezogenes Datum im Sinne des § 4 Z 1 DSG 2000, an dem der Versicherte eine schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hat. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die gesamte (10-stellige) Sozialversicherungsnummer oder nur die ersten vier oder letzten sechs (Geburtsdatum des Versicherten) Stellen verwendet werden, weil schon eine einzelne Stelle ein personenbezogenes Datum im Sinne des § 4 Z 1 DSG 2000 ist (vgl. hierzu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 7. September 2006, GZ K210.523/0008-DSK/2006).
Da die in Rede stehenden Geschäftszahlen in der Zeugenladung und auf den RSb-Briefen einer Behörde zuzurechnen sind, wäre für die gewählte Vorgangsweise eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich.
§ 31 Abs. 4 ASVG gibt den Zweck der Sozialversicherungsnummer klar vor. Demnach darf diese nur zur Verwaltung personenbezogener Daten im Rahmen der der Sozialversicherung gesetzlich übertragenen Aufgaben verwendet werden. Auch § 460d ASVG hält fest, dass die Versicherungsnummer nach § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG in der elektronischen Datenverarbeitung für Zwecke der Sozialversicherung und des Arbeitsmarktservice verwendet werden kann. Diese Zweckfestlegung in § 31 Abs. 4 ASVG und § 460d ASVG gilt selbstverständlich auch für Teile der Nummer (vgl. hierzu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 7. September 2006).
Auch nach der Rechtsprechung der Datenschutzbehörde darf die Sozialversicherungsnummer nicht als „genereller Identifikator“ verwendet werden, d.h. in Zusammenhängen, die mit sozialversicherungsrechtlichen Sachverhalten nichts zu tun haben; eine solche Verwendung wurde von der Datenschutzbehörde und der ehemaligen Datenschutzkommission bereits wiederholt als unzulässig bezeichnet. Es wurde hingegen als nicht überschießende Datenverwendung gewertet, die Sozialversicherungsnummer dort zu verwenden, wo die eindeutige und unverwechselbare Bezeichnung des Betroffenen notwendig ist (vgl. dazu etwa die Empfehlungen der ehemaligen Datenschutzkommission vom 19. Juli 2013, GZ K210.714/0016-DSK/2013, und der Datenschutzbehörde vom 23. Mai 2014, GZ DSB-D213.131/0002-DSB/2014).
Dass ein sozialversicherungsrechtlicher Sachverhalt (Arbeitslosenversicherung) vorliegt, wird nicht bestritten. Auch nicht, dass der Beschwerdegegner zur Verwaltung in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung berufen ist.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verwendung der Sozialversicherungsnummer bzw. von Teilen dieser als Ordnungskriterium bzw. Geschäftszahl in dem den jeweiligen Versicherten betreffenden Verfahren nach Ansicht der Datenschutzbehörde als von den in § 31 Abs. 4 Z 1 ASVG und § 460d ASVG angeführten Zwecken als mitumfasst, weil damit auch die eindeutige Zuordnung von beim Beschwerdegegner ein- und ausgehenden Schriftstücken zum jeweiligen Versicherten bzw. dessen Verfahren sichergestellt wird.
Die zitierten Bestimmungen des ASVG vermögen das in das Grundrecht auf Datenschutz eingreifende Verhalten der Behörde zu tragen, weshalb die Beschwerde daher insoweit gemäß Spruchpunkt 2. als unbegründet abzuweisen war.
2. Zur Übermittlung der Sozialversicherungsnummer bzw. von Teilen dieser
2.1. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Recht auf Geheimhaltung dadurch verletzt, dass seine Sozialversicherungsnummer bzw. Teile dieser (etwa sein Geburtsdatum) auf dem Briefkuvert dreier an ihn zugestellten Schreiben (Stempel vom 3. November 2014, Poststempel vom 22. Dezember 2014 und Stempel vom 23. Februar 2015) für jedermann, insbesondere für Postmitarbeiter, sichtbar angeführt gewesen seien.
Diesem Vorwurf ist zunächst zu entgegnen, dass bei Zustellungen von behördlichen Poststücken ein Zusteller (konkret: die Österreichische Post AG) gemäß § 4 ZustG als ein Behördenorgan auftritt, weshalb die Kenntnisnahme dieser personenbezogenen Daten durch einen Mitarbeiter der Post auch keine Übermittlung personenbezogener Daten im Sinne des DSG 2000 darstellt. Ein Bruch der Geheimhaltungspflichten (Amtsgeheimnis, Datengeheimnis bzw. Postgeheimnis) durch diesen Personenkreis wurde nicht behauptet.
Die Zustellungen an den Beschwerdeführer durch Mitarbeiter der Österreichischen Post AG erfolgten als Rückscheinbrief mit zulässiger Ersatzzustellung und somit nach einer grundsätzlich geheimhaltungsfreundlichen Zustellmethode. Dass im Rahmen dieses Zustellvorgangs neben dem Beschwerdeführer auch eine dritte Person von der am Briefkuvert angegebenen Geschäftszahl und somit von Teilen seiner Sozialversicherungsnummer Kenntnis erlangt hat, wurde vom Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt behauptet noch durch Unterlagen belegt.
Da sohin eine Übermittlung personenbezogener Daten nicht stattgefunden hat, liegt eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten insoweit auch nicht vor.
Die Beschwerde war daher insoweit ebenfalls gemäß Spruchpunkt 2. als unbegründet abzuweisen.
2.2. Hingegen ergibt sich aus dem dargestellten Sachverhalt, dass der Mitbewohnerin nicht nur in der an sie gerichteten Zeugenladung die Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers übermittelt wurde, sondern auch Teile dieser auf dem Briefkuvert des Schriftstücks.
Gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 bedarf die gegenständlich erfolgte Übermittlung der Sozialversicherungsnummer des Beschwerdeführers bzw. von Teilen dieser an die Mitbewohnerin des Beschwerdeführers einer gesetzlichen Grundlage.
Eine solche ist aber weder im ASVG noch im Rechtfertigungstatbestand des § 8 DSG 2000 zu erkennen und wird vom Beschwerdegegner auch nicht behauptet.
Der Beschwerde war daher teilweise (Spruchpunkt 1.) stattzugeben.
Schlagworte
Geheimhaltung, Sozialversicherungsnummer, Personenkennzeichen, Sozialversicherungsnummer in Geschäftszahl, gesetzliche Ermächtigung, Zweckbeschränkung, Datenverarbeitung für Zwecke der Sozialversicherung und des AMSEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2015:DSB.D122.291.0013.DSB.2015Zuletzt aktualisiert am
08.07.2016