Norm
DSG 2000 §1 Abs1Text
GZ: DSB-D215.861/0010-DSB/2015 vom 29.10.2015
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Anträge des Erich A*** (Erstantragsteller), des Peter A*** (Zweitantragsteller) und des Johannes U*** (Drittantragsteller), alle aus **** S***, Zweit- und Drittantragsteller vertreten durch den Erstantragsteller, vom 6. September 2015 auf Erlassung eines Mandatsbescheids gemäß § 30 Abs. 6a gegen die Gesellschaft für **** (GF**) wegen a) Eingriffs in das Recht auf Geheimhaltung der Antragsteller und b) nicht erfolgter Löschung bzw. Richtigstellung, jeweils betreffend einen auf die Antragsteller bezogenen Userkommentar im „Anti-***Scientology-Blog“ , abrufbar unter der URL http://www.andreas****.org/blog/2015/13/****, wie folgt:
? Die Anträge werden abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und 2, § 27 Abs. 1 Z 2, § 30 Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 6a, § 32 Abs. 1 bis 3 und § 48 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Antragsteller, Verfahrensgang und entscheidungsrelevante Tatsachen
Die drei Einschreiter und nunmehrigen Antragsteller wandten sich am 5. August 2015 (Eingang bei der Datenschutzbehörde: 7. August 2015) mit einer Eingabe nach § 30 Abs. 1 DSG 2000 an die Datenschutzbehörde. Darin brachten sie vor, durch einen Userkommentar im von Andreas L***, dem Obmann des Vereins „Gesellschaft für **** “, verfassten „Anti-***Scientology-Blog“ als Anhänger der Scientology-Religion geoutet worden zu sein (hinsichtlich des weiteren Vorbringens, den Betreiber des als Suchmaschine bezeichneten Webdienstes ***search.at betreffend, wurden die Einschreiter wegen anzunehmender Niederlassung des Betreibers des Dienstes im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland an die dortige Datenschutz-Kontrollstelle verwiesen). Bei der Kommentatorin handelt es sich nach Angaben der Einschreiter um die Tante des Erstantragstellers. Der Kommentar sei auf Verlangen des Erstantragstellers von Herrn L*** „unzureichend anonymisiert“ worden, da der Name der Kommentatorin weiter lesbar sei, was Rückschlüsse auf die Einschreiter ermögliche.
Bereits in dieser ersten Eingabe verlangten die Einschreiter, den „Anti-***Scientology-Blog“ durch einen Mandatsbescheid gemäß § 30 Abs. 6a DSG 2000 zumindest teilweise zu untersagen, soweit dies notwendig sei, um ihre Rechte zu schützen. Es sei in ihr Recht auf Geheimhaltung und in ihr Recht auf Löschung eingegriffen worden (weitere, hier nicht zu beurteilende Vorwürfe betreffen verschiedene behauptete datenschutzrechtliche Pflichtenverletzungen der GF**). Es liege Gefahr im Verzug, da die auf diese Weise geschaffene Möglichkeit, sie und ihre Überzeugung zu identifizieren, Diskriminierungen (u.a. im beruflichen Umfeld) verursachen könnte.
Mit Schreiben („Mitteilung“) vom 7. August 2015, GZ: DSB-D215.861/0001-DSB/2015, hat die Datenschutzbehörde den Einschreitern formlos mitgeteilt, dass sie keinen Mandatsbescheid gemäß § 30 Abs. 6a DSG 2000 erlassen wird.
Die Einschreiter und Antragsteller haben daraufhin mit Schreiben vom 6. September 2015 beantragt, über ihr ausdrücklich behauptetes subjektives Recht auf Erlassung eines solchen Mandatsbescheids durch Bescheid abzusprechen. Sie stellten den Antrag auf die „teilweise Untersagung, konkret des Kommentars von Karoline A*** (oder notwendiger Teile hiervon) im Blog von Hrn. L***“.
Die „Gesellschaft für **** “ ist ein zu ZVR: *5*9*8*1* bei der Landespolizeidirektion Wien registrierter Verein. Andreas L*** ist nach außen vertretungsbefugter Obmann dieses Vereins. Die GF** war am 16. September 2015 (wie auch im Zeitpunkt der Eingabe der Einschreiter und der Antragstellung) laut „Impressum“ verantwortlich für den Inhalt des „Anti-***Scientology-Blog“ , dessen Autor der Vereinsobmann ist (URL: http://www.andreas****.org/blog/). Der „Anti-***Scientology-Blog“ ist ein nicht auf Gewinn oder anderen unternehmerische Ziele gerichteter Dienst der Informationsgesellschaft, der die Meinung der GF** und ihres Obmanns verbreitet und User- bzw. Leserkommentare ermöglicht. Inzwischen (27. Oktober 2015) scheint Andreas L*** als Alleinverantwortlicher auf.
In diesem Blog findet sich unter der URL http://www.andreas****.org/blog/2015/13/**** ein bereits am 30. Juli 2014 verfasster Userkommentar einer unter dem Namen „Karoline A***“ registrierten Userin, die familiäre Probleme mit ihren Neffen und deren Vater, die sie als Anhänger von Scientology bezeichnet, beschreibt. Am 16. September 2015 lautete der Text dieses Userkommentars folgendermaßen:
„Leider sind meine zwei Neffen Erich und Peter A [Nachname anonymisiert] seit vielen Jahren in der „Scientology“! Ihr leiblicher Vater Johannes U [Nachname anonymisiert] (ich glaube so schreibt man ihn und meine verstorbene Schwester (vor ungefähr 3 Jahren) sind schuld daran. Als Kinder wurde ihnen die Teilnahme am Religionsunterricht verboten!!! Der leibliche Vater ließ meine Schwester (die damals als Krankenschwester viel Geld verdiente) mit ihren beiden Zwillingen im Alter von 6 Jahren sitzen – hielt den Kontakt zwar aufrecht – und zog zur NEUEN Frau mit Geld!!!, da meine Schwester ihren Job schon längst gekündigt hatte – und sie ihm nichts mehr bieten konnte. Ich wollte meine Schwester aus der Scientology herausholen, jedoch es gelang nicht – da der Ex sie überredete. Im Endeffekt wurde ich von meiner Schwester hinausgeschmissen, als ich sie wieder einmal besuchte – seitdem war ich. die Karo. nur die „Böse“.
Ich durfte auch meine beiden Zwillingsneffen NICHT MEHR besuchen!!!
Jahre später bekam ich von ihnen ein Schreiben, dass meine Schwester verstorben sei ( ein Monat später).
Ich hatte mich mit ihnen sehr, sehr gut verstanden.
Mein Neffe, der Erich, sagte zu mir: „Karo jetzt können wir uns ja Wiedersehen!“ Ich freute mich riesig darüber! (Das war ungefähr vor 6 Jahren). Ich kaufte für die beiden zum 20. Geburtstag Geschenke und fuhr in den [Anmerkung Bearbeiter: Wohnort der Antragsteller].
Erich machte mir auf – ich wußte nicht, dass bereits wieder eine neue Stiefmutter im Kinderzimmer saß und sich versteckte – und alles hörte, was ich ihm erzählte. Sie blieb lange im Zimmer versteckt. Auch eine Scientologin (man siehe und staune wie FEIG!!!)
Ich erfuhr, dass mein anderer Neffe in P*** lebt und dort arbeitet. Dann kam sie aus dem Zimmer und sagte mit einlullender Stimme: „Schaut, wie schön die Tassen sind, die euch eure Tante zum Geburtstag geschenkt hat!“ Jetzt platzte mir der Kragen und ich sagte: „Das sind Häferln und keine Tassen. Tassen sind KLEINER!!! nur „dumme Menschen“ kennen den Unterschied nicht!“ Sie bekam einen roten Kopf, sah mich giftig an und ging ins andere Zimmer. Sie rief dann Erich zu sich, der etwas später wieder zurückkam und zu mir sagte.
„Karo du hast unsere Stiefmutter beleidigt. Verlasse meine Wohnung.“ Dann bin ich gegangen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört.
Heute stieß ich zufällig auf Ihre Seite mit der Aufklärung der Tarnorganisation CCHR.
Ich gab heute nur den Vor – und Zuname von meinen beiden Zwillingsneffen in die Googlezeile und klickte auf enter. LEIDER fand ich meinen Neffen den Peter bei der Tarnorganisation CCHR!!!! Ich weiß aber gar nicht ob er das weiß?
[…]
Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich für mich weiß, dass ich meine beiden Zwillingsneffen nie wieder sehen werde – die wurden bereits von ihrem Vater und der Stiefmutter komplett gegen mich aufgehetzt!
Als sie Kinder waren habe ich ihnen die Wohnung renoviert, da der Vater bereits bei der anderen Frau war. Meine Schwester hatte fast kein Geld mehr und die Wohnung war in einem katastrophalen Zustand. Ich hatte selber bei ihnen das Kinderzimmer, das Badezimmer, das Vorzimmer, WC und Abstellraum ausgemalt. Die Türstöcke gestrichen, im Vorzimmer die Bodenplatten verlegt. Ich war mit ihnen öfter im Bad und Kinderspielplatz – wenn meine Schwester arbeiten mußte – hatte ich auf sie aufgepaßt.
Ich kann Ihren Schmerz nachvollziehen, wenn man seine Kinder NIE MEHR WIEDER sehen darf. Bei mir sind es meine Zwillingsneffen und es hat genauso geschmerzt, wie wenn es eigene Kinder wären – denn ich hatte sie sehr liebgewonnen. Habe sie immer noch sehr lieb, aber jetzt sind sie ja auch schon längst erwachsen und leben ihr eigenes Leben und in 4 Jahren sind sie 30.
Wissen Sie, der Übeltäter ist im Grunde der VATER, der hat sie GEZWUNGEN Mitglieder von der Sci-entology zu werden – und hat sie, als sie Jugendliche waren mit Geld und Geschenken geködert. Der ist für mich das größte Brechmittel. Den würde ich am liebsten einsperren lassen – der hat es schon vor Jahren nur auf reiche Frauen abgesehen – das ist meine persönliche Meinung!!!
Für diesen Mann war ich eine Gefahr, weil ich vor Jahren meine Schwester aus der Sekte rausholen wollte und meinen Neffen des Öfteren gesagt habe, dass die Scientology nichts GUTES ist!!!
[…]
Bitte helfen Sie weiterhin die Menschen aufzuklären.
Alles, alles Gute und Gottes Segen für Sie – und schützen Sie sich!!!
Liebe Grüsse Karoline A***“
Die Datenschutzbehörde geht davon aus, dass es sich bei dem unter dem Namen „Karoline A***“ auftretenden User tatsächlich um die Tante des Erstantragstellers handelt. Ein Beweis dafür liegt jedoch nicht vor.
Am 21. Juli 2015 sind die ursprünglich ausgeschriebenen Familiennamen der drei Einschreiter und Antragssteller durch Initialen ersetzt worden.
Nach Einvernahme des Andreas L*** als Obmann der GF** (Niederschrift vom 17. September 2015, GZ: DSB-D215861/0007-DSB/2015) hat dieser bzw. hat die GF** weitere Änderung im Blog vorgenommen. So lautet die oben zitierte Passage, deren Autorin nunmehr als „Karoline M. (Name pseudonymisiert)“ aufscheint, seither:
„Leider sind meine zwei Neffen Erich und Peter M. [Nachname anonymisiert] seit vielen Jahren in der „Scientology“! Ihr leiblicher Vater Johannes S. [Nachname anonymisiert] (ich glaube so schreibt man ihn und meine verstorbene Schwester (vor ungefähr 3 Jahren) sind schuld daran. Als Kinder wurde ihnen die Teilnahme am Religionsunterricht verboten!!! Der leibliche Vater ließ meine Schwester (die damals als Krankenschwester viel Geld verdiente) mit ihren beiden Zwillingen im Alter von 6 Jahren sitzen – hielt den Kontakt zwar aufrecht – und zog zur NEUEN Frau mit Geld!!!, da meine Schwester ihren Job schon längst gekündigt hatte – und sie ihm nichts mehr bieten konnte. Ich wollte meine Schwester aus der Scientology herausholen, jedoch es gelang nicht – da der Ex sie überredete. Im Endeffekt wurde ich von meiner Schwester hinausgeschmissen, als ich sie wieder einmal besuchte – seitdem war ich. die Karo. nur die „Böse“.
Ich durfte auch meine beiden Zwillingsneffen NICHT MEHR besuchen!!!
Jahre später bekam ich von ihnen ein Schreiben, dass meine Schwester verstorben sei ( ein Monat später).
Ich hatte mich mit ihnen sehr, sehr gut verstanden.
Mein Neffe, der Erich, sagte zu mir: „Karo jetzt können wir uns ja Wiedersehen!“ Ich freute mich riesig darüber! (Das war ungefähr vor 6 Jahren). Ich kaufte für die beiden zum 20. Geburtstag Geschenke und fuhr in den [Anmerkung Bearbeiter: Wohnort der Antragsteller].
Erich machte mir auf – ich wußte nicht, dass bereits wieder eine neue Stiefmutter im Kinderzimmer saß und sich versteckte – und alles hörte, was ich ihm erzählte. Sie blieb lange im Zimmer versteckt. Auch eine Scientologin (man siehe und staune wie FEIG!!!)
Ich erfuhr, dass mein anderer Neffe in P*** lebt und dort arbeitet. Dann kam sie aus dem Zimmer und sagte mit einlullender Stimme: „Schaut, wie schön die Tassen sind, die euch eure Tante zum Geburtstag geschenkt hat!“ Jetzt platzte mir der Kragen und ich sagte: „Das sind Häferln und keine Tassen. Tassen sind KLEINER!!! nur „dumme Menschen“ kennen den Unterschied nicht!“ Sie bekam einen roten Kopf, sah mich giftig an und ging ins andere Zimmer. Sie rief dann Erich zu sich, der etwas später wieder zurückkam und zu mir sagte.
„Karo du hast unsere Stiefmutter beleidigt. verlasse meine Wohnung.“ Dann bin ich gegangen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört.
Heute stieß ich zufällig auf Ihre Seite mit der Aufklärung der Tarnorganisation CCHR.
Ich gab heute nur den Vor – und Zuname von meinen beiden Zwillingsneffen in die Googlezeile und klickte auf enter. LEIDER fand ich meinen Neffen den Peter bei der Tarnorganisation CCHR!!!! Ich weiß aber gar nicht ob er das weiß?
[…]
Vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich für mich weiß, dass ich meine beiden Zwillingsneffen nie wieder sehen werde – die wurden bereits von ihrem Vater und der Stiefmutter komplett gegen mich aufgehetzt!
Als sie Kinder waren habe ich ihnen die Wohnung renoviert, da der Vater bereits bei der anderen Frau war. Meine Schwester hatte fast kein Geld mehr und die Wohnung war in einem katastrophalen Zustand. Ich hatte selber bei ihnen das Kinderzimmer, das Badezimmer, das Vorzimmer, WC und Abstellraum ausgemalt. Die Türstöcke gestrichen, im Vorzimmer die Bodenplatten verlegt. Ich war mit ihnen öfter im Bad und Kinderspielplatz – wenn meine Schwester arbeiten mußte – hatte ich auf sie aufgepaßt.
Ich kann Ihren Schmerz nachvollziehen, wenn man seine Kinder NIE MEHR WIEDER sehen darf. Bei mir sind es meine Zwillingsneffen und es hat genauso geschmerzt, wie wenn es eigene Kinder wären – denn ich hatte sie sehr liebgewonnen. Habe sie immer noch sehr lieb, aber jetzt sind sie ja auch schon längst erwachsen und leben ihr eigenes Leben und in 4 Jahren sind sie 30.
Wissen Sie, der Übeltäter ist im Grunde der VATER, der hat sie GEZWUNGEN Mitglieder von der Scientology zu werden – und hat sie, als sie Jugendliche waren mit Geld und Geschenken geködert. der ist für mich das größte Brechmittel. Den würde ich am liebsten einsperren lassen – der hat es schon vor Jahren nur auf reiche Frauen abgesehen – das ist meine persönliche Meinung!!!
Für diesen Mann war ich eine Gefahr, weil ich vor Jahren meine Schwester aus der Sekte rausholen wollte und meinen Neffen des Öfteren gesagt habe, dass die Scientology nichts GUTES ist!!!
[…]
Bitte helfen Sie weiterhin die Menschen aufzuklären.
Alles, alles Gute und Gottes Segen für Sie – und schützen Sie sich!!!
Liebe Grüsse Karoline M. [Name pseudonymisiert]“
Die Antragsteller hielten, nach Gehör zu diesen Ergebnissen des Verfahrens und zur geänderten Sachlage, in einer Stellungnahme vom 23. Oktober 2015 ihre Eingaben und ihre Anträge auf einen Mandatsbescheid jedoch aufrecht und brachten vor, an Hand ihrer Vornamen und auf Grund des Zusammenhangs anderer angegebener Daten (Familienverhältnisse, Alter, Zwillinge, Beruf der Schwester der Kommentatorin, Wohnorte, u.ä.) weiter identifizierbar und über Suchmaschinen auffindbar zu sein. Die GF** und Andreas L*** missachteten die Datenschutzrechte von Scientologen wiederholt und offenbar vorsätzlich. Deshalb sei ein entsprechender Hinweis der Datenschutzbehörde an diese Auftraggeber geboten.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den vorliegenden Verfahrensakten der Datenschutzbehörde, insbesondere den Eingaben der Antragsteller, sowie Recherchen der Datenschutzbehörde im Internet (http://www.andreas****.org/blog/ oder anti-***scientology-blog.andreas****.org) und im öffentlichen Zentralen Vereinsregister (ZVR), die keine Widersprüche zum Vorbringen der Antragsteller ergeben haben. Die GF**, die sich zunächst nicht schriftlich geäußert hatte, wurde durch Vernehmung ihres Obmanns am 17. September 2015 angehört und hat anschließend die oben festgestellten Änderungen im Blog vorgenommen. Die Feststellungen zum veränderten Inhalt des Blogs gründen sich einerseits auf die Beilagen zur Eingabe vom 5. August 2015 und mehrmaligen Aufruf des Blogs (u.a. am 16. September 2015 zur Vorbereitung auf die Einvernahme des Andreas L***), andererseits auf die von der GF** und Andreas L*** am 17. September 2015 (nach der Einvernahme) angefertigten Screenshots des geänderten Inhalts und den nochmalige wiederholten Aufruf des Blogs durch die Datenschutzbehörde (u.a. am 27. Oktober 2015 im Zuge der Erstellung dieses Bescheidentwurfs).
B. rechtliche Beurteilung
B.1. Subjektives Recht eines Betroffenen auf eine Mandatsbescheid nach § 30 Abs. 6a DSG 2000
1. § 30 Abs. 6a ist, bis auf jene Anpassungen, die durch die Ersetzung der Datenschutzkommission durch die Datenschutzbehörde (DSG-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 83/2013) notwendig wurden, inhaltlich durch die DSG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 133/2009, in das DSG 2000 eingefügt worden.
2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der DSG-Novelle 2010 (472 BlgNR XXIV. GP, Seite 12) führen dazu aus:
„Für die Fälle der rechtswidrigen Unterlassung einer Meldung sieht § 22a Abs. 4 bereits die Untersagung einer Datenanwendung vor. Es gibt aber auch abseits von Verletzungen der Meldepflicht Fälle, in denen Datenanwendungen untersagt werden müssen, um eine Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen hintanzuhalten. Zu denken ist hier zunächst an gar nicht meldepflichtige Datenanwendungen aber auch an Fälle, in denen die Meldung zwar der Form nach korrekt ist, die Datenanwendung aber auf eine Art und Weise betrieben wird, die den Grundsätzen des § 6 Abs. 1 krass widerspricht (zB systematische Verarbeitung nicht aktueller oder im Hinblick auf den Verwendungszweck unrichtiger Daten). Da in diesen Fällen von Gefahr im Verzug auszugehen ist, erfolgt eine allfällige Untersagung mit Mandatsbescheid. Ein solcher kann, wenn die wesentliche Gefährdung vorliegt, auch während der Anhängigkeit eines Berichtigungsverfahrens nach § 22a Abs. 2 erlassen werden. Wird die Untersagung wegen Gefährdung rechtskräftig, scheint aber die Weiterführung des Berichtigungsverfahrens wenig sinnvoll.“
3. Mandatsbescheide dienen – neben dem Fall der Festsetzung einer tarifarisch feststehenden Geldleistung – typischerweise der sofortigen und amtswegigen Durchsetzung unaufschiebbarer Maßnahmen verwaltungspolizeilichen Charakters in einem Einparteienverfahren. Insoweit haben sie vorläufigen Charakter und passen somit nicht in ein Verfahren mit mehreren Beteiligten, in dem kein (End-)Bescheid ergehen kann, der die – zwischen den Beteiligten strittige Sache – nach Durchführung entsprechender Ermittlungen endgültig regeln würde. Es handelt sich insoweit also hier um einen atypischen Mandatsbescheid eigener Art. Allerdings ist aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes im Sinne des Vorbringens der Antragsteller doch abzuleiten, dass der Gesetzgeber dem Betroffenen hier ein subjektives Recht auf Rechtsschutz durch die Datenschutzbehörde einräumen wollte. Es muss also über den vorliegenden Antrag meritorisch entschieden werden.
B. 2. Prüfung des vorliegenden Einzelfalls
1. § 48 DSG 2000 (sogenanntes „datenschutzrechtliches Medienprivileg“) nimmt Medienunternehmen, Mediendienste sowie deren Mitarbeiter (Journalisten) betreffend deren Datenverwendung für publizistische Zwecke u.a. von der Anwendbarkeit der Rechtsschutzbestimmungen des DSG 2000 (§ 30 bis 32 DSG 2000) aus. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Datenschutzbehörde oder die gemäß § 32 DSG 2000 zuständigen Zivilgerichte von Betroffenen einer Datenverwendung in (elektronischen) Medien angerufen werden können. Für die Geltendmachung entsprechender Rechtsverletzungen steht also nur der gerichtliche Rechtsweg gemäß §§ 14 ff MedienG offen.
2. Hier ist diese Bestimmung jedoch nicht anwendbar. Zwar ist der „Anti-***Scientology-Blog“ eine Datenanwendung für publizistische Zwecke, weder die GF**, noch deren Obmann Andreas L*** ist jedoch ein Medienunternehmen, da beide mit dem Blog ideelle Zwecke verfolgen, nicht in Erwerbsabsicht handeln und jedenfalls überwiegend ihre eigene Meinung bzw. die des Obmanns verbreiten (vgl. etwa den Bescheid der früheren Datenschutzkommission vom 27.2.2014, K120.867/0001-DSK/2004, wonach ein Landespressedienst kein vom datenschutzrechtlichen Medienprivileg geschützter Mediendienst ist, da er – unselbständig – im Auftrag einer Landesregierung deren Ansichten verbreiten soll).
3. Auch als elektronisches Medium (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit b) MedienG) eines Nicht-Medienunternehmens ist der Blog der GF** bzw. ihres Obmanns jedoch vom Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung geschützt. Gemäß Art 10 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Es darf – im hier relevanten Bereich – gemäß Art 10 Abs. 2 EMRK u.a. gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, die in einer demokratischen Gesellschaft für den Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind.
4. Es liegt weiters auf der Hand, dass die Untersagung eines Blogs oder eines dort abrufbaren Textes einen unmittelbaren und massiven Eingriff der Datenschutzbehörde in das Grundrecht gemäß Art. 10 EMRK bilden würde.
5. Die drei Einschreiter und Antragssteller sehen sich allerdings hier durch einen Leser- bzw. Userkommentar im Grundrecht auf Geheimhaltung verletzt. Dies dadurch, dass die ursprüngliche Nennung des Namens der Kommentatorin in Verbindung mit dem gleichlautenden Anfangsbuchstabens (Initiale) des Familiennamens einen auf Wahrscheinlichkeiten beruhenden denkmöglichen Schluss zumindest auf die Namen des Erst- und des Zweitantragstellers ermöglichte (beim Drittantragsteller war dieser Schluss nicht möglich, da er einen anderen Familiennamen trägt). Diese Daten wurden jedoch im laufenden Verfahren von den Verfahrensgegnern so abgeändert, dass es nunmehr nur mehr mit genauem Hintergrundwissen möglich ist, die Betroffenen sicher zu identifizieren. Die Ergebnisse von Suchmaschinen bleiben hier außer Betracht, da sie zum einen erfahrungsgemäß ständigen Änderungen unterliegen und zum anderen diese Art der Datenverwendung (Ergebnisse von Suchmaschinen) von den in diesem Verfahren belangten datenschutzrechtlichen Auftraggebern nicht beeinflusst werden kann.
6. Es handelt sich hier auch um eine Frage der Haftung für das Speichern fremder Inhalte (hier: einer Meinungsäußerung des Users „Karoline A***“ bzw. „Karoline M.“). Da der Blog der GF** jedenfalls ein Dienst der Informationsgesellschaft gemäß § 3 Z 1 ECG ist (Dienst, der Informationen über ein elektronisches Netz übermittelt und die Informationen eines Nutzers speichert), und die GF** bzw. ihr Obmann damit als Diensteanbieter gemäß § 3 Z 2 ECG handeln, waren sie auch verpflichtet, die Verantwortung eines Diensteanbieters für die Speicherung fremder Inhalte gemäß § 16 Abs. 1 ECG wahrzunehmen.
7. Diese Verantwortung wurde auch wahrgenommen, und es wurden auf Aufforderung die Familiennamen der drei Einschreiter und Antragssteller zunächst durch deren richtige Initialen ersetzt (zu den medienrechtlichen, teilweise auch auf § 16 ECG rekurrierenden Sorgfaltspflichten eines Medienunternehmens, das elektronische Userkommentare ermöglicht, vgl. jüngst OGH 29.04.2015,15 Os 14/15w EvBl-LS 2015/128 = MR 2015, 184 = Jus-Extra OGH-St 4947) und diese später durch Änderungen der Initialen verstärkt pseudonymisiert.
8. Eine Abwägung des Grundrechts auf Datenschutz gegen das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung ergibt nach diesen Änderungen, dass hier hinsichtlich einer Untersagung der vollständigen Datenanwendung „Anti-***Scientology-Blog“ eindeutig das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung der GF**, des Andreas L*** und der Kommentatorin jenes auf Wahrung des Grundrechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten der drei Einschreiter und Antragssteller überwiegt. Die Gefahren, die hier von einer auf bloßer Wahrscheinlichkeit beruhenden Schlussfolgerung von Lesern mit besonderem Hintergrundwissen, die Einschreiter und Antragssteller seien Anhänger von Scientology, für das Grundrecht auf Datenschutz der Betroffenen ausgehen, wiegen hier deutlich geringer als die grundrechtlichen Folgen der vollständige Untersagung eines elektronischen Mediums oder von Medieninhalten, wobei letzteres einer Ausübung von (Nach-) Zensur durch die Datenschutzbehörde nahekäme.
9. Die drei Einschreiter und Antragssteller begehren über ihr Recht auf Geheimhaltung hinaus im Ergebnis nicht die Löschung ihrer eigenen Daten aus dem Blog sondern die Löschung bzw. Pseudonymisierung des (Familien-)Namens der Kommentatorin. Dass diese Pseudonymisierung dennoch vorgenommen worden ist, kann hier den Auftraggebern nur unpräjudiziell als datenschutzfreundliches Entgegenkommen angerechnet werden.
10. Dies – die Löschung oder Änderung der Daten Dritter – kann gestützt auf § 1 Abs. 3 Z 2 und § 27 Abs. 1 DSG 2000 jedoch nicht verlangt werden. Auch deswegen ist der Antrag unbegründet.
11. Zum Recht auf Löschung, das nicht durch einen Bescheid nach § 30 Abs. 6a DSG 2000 durchgesetzt werden kann, verweist die Datenschutzbehörde die drei Einschreiter und Antragsteller, da für eine vollständige Untersagung des Blogs als Datenanwendung (siehe oben, Punkt B.2. 8.) keine ausreichenden Gründe vorliegen, auf die Möglichkeit, den gerichtlichen Rechtsweg einer Löschungsklage (§ 32 Abs. 1 DSG 2000) zu beschreiten.
B.3. Schlussfolgerungen
1. Die drei Einschreiter und Antragsteller haben
a) keine wesentliche unmittelbare Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen darlegen können, die über die Gefahr einer Identifizierung durch Leser mit besonderem Hintergrundwissen hinausreicht,
b) überdies nicht überzeugend dargelegt, inwiefern die Untersagung des „Anti-***Scientology-Blog“ einem gegenüber dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung überwiegenden Interesse ihres Grundrechts auf Geheimhaltung dienen soll;
c) subsidiär bloß ihr Recht auf Löschung geltend gemacht, das nicht durch eine Mandatsbescheid gemäß § 30 Abs. 6a DSG 2000 durchgesetzt werden kann; sowie
d) bei ihrer Antragstellung übersehen, dass gestützt auf § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 bloß die Löschung oder Richtigstellung eigener Daten jedoch nicht die Löschung oder Änderung der Daten dritter Personen verlangt werden kann.
2. Aus diesen Erwägungen war der Antrag auf Erlassung eines Mandatsbescheids nach § 30 Abs. 6a DSG 2000 spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
3. Da im Zusammenhang mit dem Blog keine weitere Verletzung von Rechten oder Pflichten, die dem Schutz der Rechte der Einschreiter dienen, festgestellt werden konnte, sind keine Maßnahme gemäß § 30 Abs. 6 DSG 2000 erforderlich. Das Kontroll- und Ombudsmannverfahren wird daher unter einem beendet und dies den Beteiligten gemäß § 30 Abs. 7 DSG 2000 abschließend zur Kenntnis gebracht.
Entscheidung über DSB-Dokument (BVwG)
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bescheidbeschwerdeverfahren mit Beschluss vom 24. August 2016, GZ: W214 2120308-1/20E eingestellt. Der Bescheid ist damit rechtskräftig.Schlagworte
Untersagung einer Datenanwendung, Mandatsbescheid, Blog, Antrag unbegründet, Meinungsfreiheit, Interessenabwägung, Medienprivileg, Dienst der InformationsgesellschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2015:DSB.D215.861.0010.DSB.2015Zuletzt aktualisiert am
02.02.2017