TE Dsk Empfehlung 2017/3/2 DSB-D213.453/0003-DSB/2016

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Veröffentlicht am 02.03.2017
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Norm

DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §6 Abs1 Z1
DSG 2000 §7 Abs1
DSG 2000 §7 Abs2
DSG 2000 §30 Abs3
DSG 2000 §30 Abs6
DSG 2000 §50a Abs1
DSG 2000 §50a Abs2
DSG 2000 §50a Abs4 Z1
DSG 2000 §50d Abs1
ForstG §33 Abs1

Text

GZ: DSB-D213.453/0003-DSB/2016 vom 2.3.2017

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

EMPFEHLUNG

Die Datenschutzbehörde spricht aus Anlass der Eingabe der Pia Z*** aus 1**1 xxx, vertreten durch Mag. Dr. Johannes I***, Rechtswalt in 1*** V***, vom 24. März 2016 und der Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft V*** vom 30. März 2016 betreffend Videoüberwachung des Fahrwegs (Servitutswegs) über GSt.Nr.****/**, KG G***, folgende Empfehlung an Karl, Richard und Josefa J*** aus 1xx* yyy, vertreten durch Dr. Daniel R***, Rechtsanwalt in 1x** T***, aus:

?   Die ungekennzeichnete Videoüberwachung des der Ausübung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über das Grundstück Nr. ***/** (EZ ***, KG G***) dienenden Fahrwegs (im Folgenden kurz: Servitutsweg) ist weiterhin zu unterlassen.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 1, § 7 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 3 und 6, § 50a Abs. 1, 2 und Abs. 4 Z 1 und § 50d Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

Gründe für diese Empfehlung

A. Vorbringen der Beteiligten und Verfahrensgang

1.  Hintergrund dieses Verfahrens ist ein bereits länger andauernder Streit zwischen den Beteiligten (Pia Z*** und Familie J***) über die Nutzung der im Eigentum der Streitparteien stehenden benachbarten Waldgrundstücke, inneliegend in EZ *** (Eigentümerin: Pia Z***) und EZ *** (Eigentümer: Karl und Josefa J***) jeweils des Grundbuchs der KG ***** G***, insbesondere die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts.

2.  Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts V*** vom 30. Jänner 2014, GZ: ** C ***/**0-**, sind Karl und Josefa J*** verurteilt worden, Hindernisse auf dem der Pia Z*** zustehenden Servitutsweg zu beseitigen, weitere Störungen zu unterlassen, sowie (Spruchpunkt 3.) „in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über das Grundstück Nr. ***/** (EZ ***, KG G***) auf dem bestehenden zum Grundstück Nr. ****/** (EZ **, KG G***) führenden Weg zugunsten des letztgenannten Grundstücks einzuwilligen.“

3.  Mit Eingabe vom 24. März 2016 wandte sich Pia Z***, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johannes I*** aus V***, an die Bezirkshauptmannschaft V*** und ersuchte um „behördliche Überprüfung“. Karl und Josefa J*** sowie deren Sohn Richard J*** würden durch die Aufstellung einer „Wildkamera“ zur Überwachung des umstrittenen Servitutswegs in die „Persönlichkeitsrechte“ der Pia Z*** eingreifen. Die Eingreifer hätten entsprechende Bilddaten in einem weiteren Zivilrechtsstreit (anhängig zu AZ: ** C ***/**xy des Bezirksgerichts V***) als Beweismittel verwendet und mit Hilfe der aufgenommene Kfz-Kennzeichen durch Einholung von Auskünften die Daten von Zulassungsbesitzern ermittelt. Es sei unklar, ob die Eingreifer dazu berechtigt und die „notwendigen behördlichen Bewilligungen“ zur Durchführung der Überwachung eingeholt worden seien.

4.  Die Bezirkshauptmannschaft V*** hat diese Eingabe am 30. März 2016 zuständigkeitshalber an die Datenschutzbehörde weitergeleitet, wo sie am 4. April 2016 eingelangt ist.

5.  Die Datenschutzbehörde hat ein amtswegiges Verfahren gemäß § 30 Abs. 3 DSG 2000 eingeleitet. Am 12. April 2016 setzte die Datenschutzbehörde überdies die Bezirkshauptmannschaft V*** unter Hinweis auf deren Zuständigkeit gemäß § 52 Abs. 5 DSG 2000 zu GZ: DSB-D213.453/0001-DSB/2016 davon in Kenntnis, dass von Karl, Josefa oder Richard J*** keine Videoüberwachung bei der Datenschutzbehörde gemeldet wurde.

6.  Karl, Richard und Josefa J*** brachten, von der Datenschutzbehörde um Stellungnahme ersucht, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel R*** aus T*** am 21. April 2016 Folgendes vor: Die Familie J*** sehe sich seit dem Jahr 2014 durch die erhebliche Flurschäden an ihr gehörenden Bäumen im Nahbereich des Servitutswegs geschädigt. Es habe auch der Verdacht der vorsätzlichen, strafbaren Sachbeschädigung bestanden. Zur Ausforschung des Schädigers sei am 3. März 2014 eine per Bewegungsmelder ausgelöste Wildkamera an einem der den J***s gehörenden Bäume in ca. 2 bis 3 Metern Höhe angebracht worden. Diese Anlage diente dem Schutz vor weiteren Beschädigungen, der Ausforschung des Täters sowie der Beweissicherung. Auf Grund der Ergebnisse der Überwachung sei Pia Z*** als Verursacherin identifiziert und, da sich kein Verdacht einer vorsätzlichen Handlung ergeben habe, gegen sie am 14. Dezember 2015 eine zivilgerichtliche Klage auf Feststellung und Unterlassung eingebracht worden. In diesem Rechtsstreit sei, nach Bestreitung des Vorbringens durch die Beklagte, Bildmaterial der Videoüberwachung am 1. Februar 2016 als Beweismittel vorgelegt worden. Diese Bilddaten (sie zeigten Pia Z*** und einen von ihr beauftragten Dritten beim Befahren des eigenmächtig verbreiterten Servitutswegs mit zwei Traktoren) würden weiterhin gespeichert, ansonsten sei die Videoüberwachung beendet und die Wildkamera entfernt worden. Es werde nicht bestritten, dass eine digitale Bildaufzeichnung auf eigenem Grund und Boden der J***s stattgefunden habe, einer Kennzeichnung gemäß § 50d DSG 2000 wäre jedoch der Zweck der Beweissicherung entgegengestanden, weshalb diese unterblieben sei.

7.  Pia Z***, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johannes I***, brachte nach Gehör zum Vorbringen der Gegenseite in der Stellungnahme vom 3. Mai 2016 vor, sie bestreite deren Tatsachenvorbringen „überwiegend“ und betrachte sich weiterhin in ihren Rechten als verletzt, da sie und eine Vielzahl anderer Personen, die den Servitutsweg benützten, durch eine ungekennzeichnete und willkürlich installierte Wildkamera überwacht worden seien. Bei Verdacht einer drohenden oder begangenen strafbaren Handlung hätte die Gegenseite die Sicherheitsbehörden einschalten müssen. Aus den vorliegenden Bildern lasse sich keine strafbare Handlung ableiten. Sie stellte den „Antrag“, die gesetzten Maßnahmen „zu ahnden“ und insbesondere auszuführen, inwieweit eine solche Überwachung berechtigt gewesen sei.

B. Sachverhaltsfeststellungen

8.  Im Zuge eines andauernden zivilrechtlichen Streits seiner Familie mit Pia Z*** um die Ausübung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über das Grundstück Nr. ****/** (EZ ***, KG G***), letzteres im Eigentum von Karl und Josefa J*** stehend, brachte Karl J***, der Sohn der Eigentümer, in Absprache mit Karl und Josefa J*** am 3. März 2014 eine per Bewegungsmelder ausgelöste Wildkamera an einem der neben dem Servitutsweg stehenden Bäume in ca. 2 bis 3 Metern Höhe an. Die Kamera war nicht versteckt angebracht, der Bereich der Videoüberwachung aber auch nicht gekennzeichnet, da insbesondere der Zweck verfolgt wurde, Beweise für Sachbeschädigungen (Flurschäden) durch Benutzer des Servitutswegs zu gewinnen. Auf Grund der Ergebnisse der Überwachung wurde Pia Z*** als Verursacherin von behaupteten Flurschäden identifiziert, und es wurde gegen sie am 14. Dezember 2015 durch Karl und Josefa J*** eine zivilgerichtliche Klage auf Feststellung und Unterlassung beim Bezirksgericht V*** (dg. AZ: ** C ***/**xy) eingebracht. Bildmaterial der Videoüberwachung wurde am 1. Februar 2016 dem Gericht als Beweismittel vorgelegt. Diese Bilddaten (sie zeigen Pia Z*** und einen von ihr beauftragten Dritten beim Befahren des Servitutswegs mit zwei Traktoren) werden durch Karl, Richard und Josefa J*** weiterhin gespeichert. Ansonsten wurde die Videoüberwachung nach dem 1. Februar 2016 beendet und die Wildkamera entfernt.

9.  Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich insbesondere auf das Vorbringen von Karl, Richard und Josefa J*** in der Stellungnahme vom 21. April 2016. Weiters wurde auch Beweismaterial, das von Seiten der Pia Z*** stammt, herangezogen (insbesondere zur Feststellung, dass es sich um einen länger dauernden Rechtsstreit handelt, das von Pia Z*** der Eingabe an die Bezirkshauptmannschaft V*** vom 24. März 2016 in Kopie beigelegte Urteil des BG V*** vom 30. Jänner 2014, GZ: ** C ***/**0-**).

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

10. Das Verfahren der Datenschutzbehörde nach § 30 DSG 2000 ist grundsätzlich auf die Herstellung des rechts- und pflichtenkonformen Zustands beschränkt. Im Allgemeinen ist es mit einer Mitteilung an die Beteiligten gemäß § 30 Abs. 7 DSG 2000 zu beenden, wenn etwa der durch eine Videoüberwachung bewirkte Eingriff in das Geheimhaltungsrecht unbestritten beendet wurde.

11. Hier liegt aber insoweit ein Sonderfall vor, als Karl, Richard und Josefa J*** zwar die Videoüberwachung schon vor oder zur Zeit der Einleitung des Verfahrens der Datenschutzbehörde beendet, jedoch die Rechtmäßigkeit ihres Handelns behauptet haben, insbesondere das Nichtbestehen einer Pflicht zur Kennzeichnung der durchgeführten Videoüberwachung. Diese Behauptung indiziert aus Sicht der Datenschutzbehörde die Gefahr einer Wiederholung, sodass zumindest eine rechtliche Beurteilung und Klärung des Sachverhalts in Form der gegenständlichen Empfehlung geboten erscheint.

12. Die hier gegenständliche Bilddatenaufzeichnung durch eine per Bewegungsmelder ausgelöste, fest angebrachte sogenannte „Wildkamera“ war eine Videoüberwachung des Schutzobjekts Wald gemäß § 50a Abs. 1 DSG 2000 durch die datenschutzrechtlich verantwortlichen Auftraggeber Karl, Richard und Josefa J***.

13. Anders als von Karl, Richard und Josefa J*** behauptet, ist eine ungekennzeichnete Videoüberwachung mit dem Zweck, bekannte oder unbekannte Personen bei einer Straftat oder einer zivilrechtlich haftbar machenden Handlung, etwa einer Sachbeschädigung, zu betreten und entsprechende Beweismittel zu gewinnen (private Videofalle), nicht vom gesetzmäßigen Zweck einer Videoüberwachung gemäß § 50a Abs. 2 DSG 2000 gedeckt. Eine gesetzmäßige Videoüberwachung hätte im gegebenen Zusammenhang dem Schutz des überwachten Objekts (Wald im Eigentum von Karl und Josefa J***) vor gefährlichen Angriffen, insbesondere strafbaren Handlungen dienen müssen. Dazu hätte es aber gemäß § 50d Abs. 1 DSG 2000 bei privater Videoüberwachung der gesetzmäßig zwingend gebotenen Kennzeichnung des überwachten Bereichs (vgl. § 50d Abs. 1 3. Satz DSG 2000) bedurft. Durch die Kennzeichnung soll nämlich, so überhaupt räumlich denkbar, nicht nur die Möglichkeit zur Vermeidung (Umgehung) des überwachten Bereichs geschaffen werden, sondern auch die Schutzwirkung der Videoüberwachung durch Abschreckung deutlich verstärkt werden. Eine private Videofalle im öffentlich zugänglichen Wald (vgl. § 33 Abs. 1 ForstG), wie oben beschrieben, mit dem Zweck nicht der Abschreckung sondern der Gewinnung von Beweismitteln, einschließlich von Beweisen für bloße Eingriffe in zivilrechtlich geschützte Rechtsgüter (wie z.B. einer fahrlässigen Sachbeschädigung), war hier nicht zulässig. Solche Überwachung ist unter gesetzlichen Beschränkungen den Sicherheitsbehörden vorbehalten (§ 54 Abs. 4 und 4a SPG). Nur bei einer gesetzmäßigen Videoüberwachung dürfen Bilder eines durch einen gefährlichen Angriff erfolgten Eingriffs in den Schutzzweck gemäß § 50a Abs. 2 DSG 2000 als Beweismittel gesichert und verwendet (etwa an Verwaltungsbehörden und Gerichte übermittelt) werden. Über die Zulässigkeit eines Beweismittels hat jedoch stets die Behörde (Verwaltungsbehörde oder Gericht) zu entscheiden, der es vorgelegt wird.

14. Die von Karl, Richard und Josefa J*** durchgeführte Videoüberwachung erfolgte daher rechtswidrig und unter Verletzung der Kennzeichnungspflicht und darf in dieser Form nicht neuerlich durchgeführt werden.

15. Überdies wurde bei der Videoüberwachung gegen die Meldepflicht gemäß §§ 17 und 50c DSG 2000 verstoßen, was näher auszuführen jedoch insoweit müßig ist, als die Videoüberwachung beendet wurde und eine mit gesetzwidrigem Zweck gemeldete Videoüberwachung von der Datenschutzbehörde gemäß § 19 Abs. 4 und § 20 Abs. 5 DSG 2000 nicht registriert hätte werden können. Eine über die gesetzlich gebotene Registrierung im Datenverarbeitungsregister hinausgehende behördliche Bewilligung durch Bescheid wird für eine Videoüberwachung jedoch nicht benötigt.

16. Es war folglich gemäß § 30 Abs. 6 DSG 2000 zur Herstellung und Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes die obige Empfehlung zu erteilen. Ein weitere „Ahndung“ von Rechtsverletzungen durch die Datenschutzbehörde sieht das Gesetz nicht vor. Auf die Zuständigkeiten der Zivilgerichte (§ 32 DSG 2000) und der Verwaltungsstrafbehörde (§ 52 Abs. 5 DSG 2000) wird hingewiesen.

17. Das Verfahren der Datenschutzbehörde ist damit beendet.

Schlagworte

Empfehlung, Privatpersonen, Videoüberwachung, Kennzeichnung, Nachbarschaftsstreit, Wald, Servitutsweg, Nutzungsrecht, Sachbeschädigung, private Videofalle, Beweismittel für Zivilprozess, Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2017:DSB.D213.453.0003.DSB.2016

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2017
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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