Norm
DSG 2000 §1 Abs1Text
GZ: DSB-D213.547/0005-DSB/2017 vom 1.6.2017
[Anmerkung Bearbeiter: Diese Entscheidung wurde nicht pseudonymisiert, da datenschutzrechtlich nur staatliche Behörden und Selbstverwaltungskörper betroffen sind. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
EMPFEHLUNG
Die Datenschutzbehörde spricht aus Anlass eines amtswegigen Prüfverfahrens betreffend Datenübermittlung durch 1) den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee, 2) die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land und 3) die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt an die Wirtschaftskammer Kärnten zum Zweck der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen folgende Empfehlung aus:
1. Die Datenübermittlung an die Wirtschaftskammer Kärnten zum Zweck der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen in Angelegenheiten der vermuteten unbefugten Gewerbeausübung möge unterbleiben.
2. Diese Empfehlung ist unverzüglich umzusetzen.
Rechtsgrundlagen: §§ 1, 6, 7 und 30 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 333, 336, 372 und 373 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. 194 idgF.
Gründe für diese Empfehlung
A. Verfahrensgang
1. Bei der Datenschutzbehörde ist zur GZ DSB-D213.535 ein Verfahren gegen die Wirtschaftskammer Kärnten betreffend Datenermittlung zur so genannten „Pfuscherbekämpfung“ anhängig.
Die Wirtschaftskammer Kärnten führte dazu in einer Stellungnahme aus, personenbezogene Daten in diesem Zusammenhang teilweise im behördlichen Auftrag zu ermitteln und legte entsprechende Ersuchen des Magistrats der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee und der Bezirkshauptmannschaften Villach-Land und Völkermarkt bei.
2. Mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 25. April 2017 wurden diese Bezirksverwaltungsbehörden aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.
3. Die Bezirkshauptmannschaften Villach-Land und Völkermarkt nahmen dazu mit Schreiben vom 26. April, 8. und 9. Mai 2017 Stellung und führten zusammengefasst aus, dass bei den angesprochenen Verdachtsfällen der illegalen Gewerbeausübung grundsätzlich die örtliche Polizeiinspektion mit Ermittlungen beauftragt worden sei. Zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens sei als weiteres Beweismittel im Sinne des § 45 AVG das Erhebungsreferat der Wirtschaftskammer Kärnten um Erhebung ersucht worden. Diese Erhebungen hätten insbesondere der genauen Beschreibung des Sachverhaltes zur Prüfung und Zuordnung einer der GewO 1994 unterliegenden Tätigkeit bzw. zur Prüfung, ob ein strafbarer Tatbestand gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1994 vorliege, gedient.
4. Der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee äußerte sich mit Stellungnahme vom 24. Mai 2017 und führte aus, das Erhebungsreferat der Wirtschaftskammer Kärnten lediglich deshalb um Ermittlungen ersucht zu haben, da der zuständige Sachbearbeiter urlaubsbedingt abwesend und die Angelegenheit dringend gewesen sei. Die Datenübermittlung sei gemäß § 46 AVG, §§ 336 Abs. 4 und 365e Abs. 2 GewO 1994 rechtmäßig.
B. Sachverhaltsfeststellungen
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee ersuchte das Erhebungsreferat der Wirtschaftskammer Kärnten mit Mail vom 16. Mai 2015 aufgrund einer Anrainerbeschwerde um Durchführung einer Erhebung in einem näher genannten Lokal „im Hinblick auf die gewerberechtliche Relevanz der erwähnten […] Tätigkeit sowie der Geld- und Geldtransfergeschäfte.“
Die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land ersuchte das Erhebungsreferat der Wirtschaftskammer Kärnten mit Schreiben vom 7. Juli 2015, 21. Juni 2016 und 5. Juli 2016 um Durchführung von Erhebungen an näher genannten Standorten und zu näher genannten Personen zum Zweck der Feststellung, ob durch die der Bezirkshauptmannschaft angezeigten Tätigkeiten eine unbefugte Gewerbeausübung vorliegt. Es wurde um Übermittlung eines Überprüfungsberichtes ersucht.
Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ersuchte das Erhebungsreferat der Wirtschaftskammer Kärnten mit Schreiben vom 22. August 2016 um ähnliche Ermittlungsmaßnahmen.
Beweiswürdigung: Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den zitierten Dokumenten, deren Richtigkeit unstrittig ist.
C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Vorliegend steht fest, dass die Wirtschaftskammer Kärnten von den hier betroffenen Bezirksverwaltungsbehörden um die Durchführung von Erhebungsmaßnahmen ersucht wurde.
Diese Übermittlungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen der §§ 1 und 7 DSG 2000 vorliegen.
2. Gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 bedarf jeder behördliche Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz einer geeigneten gesetzlichen Grundlage.
Nach § 7 Abs. 1 DSG 2000 dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
§ 7 Abs. 2 DSG 2000 normiert, dass Daten nur übermittelt werden dürfen, wenn sie aus einer zulässigen Datenanwendung stammen und der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis – soweit diese nicht außer Zweifel steht – im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.
3. Gemäß § 333 GewO 1994 ist die Bezirksverwaltungsbehörde, soweit nichts anderes bestimmt ist, die zuständige Behörde erster Instanz.
§ 366 Abs. 1 GewO 1994 stellt unter anderem die unbefugte Gewerbeausübung unter Strafe.
Die Bezirksverwaltungsbehörde ist somit, unbeschadet besonderer gesetzlicher Anordnungen, unzweifelhaft die (einzig) zuständige Behörde, soweit es um Fragen gewerberechtlicher Administrativverfahren und um die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen der GewO 1994 geht. Die Mitwirkung einer Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist der GewO 1994 in diesem Kontext nicht zu entnehmen.
Die Bezirksverwaltungsbehörde ist somit befugt und verpflichtet, personenbezogene Daten zu diesen Zwecken zu verarbeiten (§ 7 Abs. 1 DSG 2000).
§ 7 Abs. 2 DSG 2000 knüpft die Zulässigkeit einer Datenübermittlung an drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen.
Während im vorliegenden Fall die erste Voraussetzung – nämlich das Vorliegen von Daten aus einer zulässigen Datenanwendung – gegeben ist, scheitert die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung an die Wirtschaftskammer Kärnten an der – aus Sicht der Datenschutzbehörde – nicht vorhandenen Befugnis zum Empfang der Daten (§ 7Abs. 2 Z 2 DSG 2000).
Weder der GewO 1994 noch dem Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG ist eine ausreichend determinierte Rechtsgrundlage für die Verwendung von Daten durch die Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft bzw. deren Fachgruppen zum Zweck der Bekämpfung der unbefugten Gewerbeausübung zu entnehmen (vgl. dazu die Empfehlung vom 9. Mai 2016, GZ DSB-D213.438/0002-DSB/2016, mwN).
Abgesehen davon sieht – wie oben ausgeführt – weder die GewO 1994 noch das WKG in diesem Kontext eine Mitwirkung einer Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft bzw. deren Fachgruppen an Administrativverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren nach der GewO 1994 vor, sodass eine Datenübermittlung schon aus diesem Grund nicht rechtmäßig erscheint.
Zwar normiert § 373 GewO 1994, dass die Bezirksverwaltungsbehörden den Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft Mitteilungen darüber zu machen haben, welche Verfügungen über die von den Landeskammern oder deren Gliederungen erstatteten Anzeigen getroffen wurden. Auch fließen nach § 372 GewO 1994 die auf Grund der GewO 1994 verhängten Geldstrafen sowie der Erlös der auf Grund des § 369 leg. cit. für verfallen erklärten Gegenstände der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft zu, in deren Bereich die Behörde liegt, die die Verwaltungsübertretung geahndet hat.
Daraus kann jedoch keine Ermächtigung oder Verpflichtung der Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft abgeleitet werden, an gewerberechtlichen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren mitzuwirken bzw. im behördlichen Auftrag Daten zu ermitteln. Die Pflicht und Befugnis zur diesbezüglichen Datenermittlung trifft alleine die zuständige Behörde, die sich dafür gegebenenfalls der ihr zugeteilten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder anderer ihr zur Verfügung stehenden Organe zu bedienen hat (§ 336 GewO 1994). Die derzeit in parlamentarischer Beratung befindliche Novelle zum WKG 1998 (2142/A) ändert daran nichts.
Insofern kann § 365e Abs. 2 GewO 1994 folglich auch keine geeignete Rechtsgrundlage für Datenübermittlungen darstellen.
Auch § 336 Abs. 4 GewO 1994 stellt keine geeignete Rechtsgrundlage für die gegenständliche Datenübermittlung dar, weil die Organe der Wirtschaftskammer Kärnten der Bezirksverwaltungsbehörde nicht „zur Verfügung stehen“ (vgl. zur Wortfolge „zur Verfügung stehen“ nach § 52 Abs. 1 AVG die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, etwa das Erkenntnis vom 22. Juni 2016, Zl. Ra 2016/03/0027).
Es war folglich gemäß § 30 Abs. 6 DSG 2000 zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die obige Empfehlung zu erteilen.
Schlagworte
Empfehlung, staatliche Behörde, Selbstverwaltungskörper, Wirtschaftskammer, Amtshilfe durch Wirtschaftskammer, Pfuscherbekämpfung, Zulässigkeit der Übermittlung, gesetzliche ErmächtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2017:DSB.D213.547.0005.DSB.2017Zuletzt aktualisiert am
19.07.2017