Gbk 2016/1/27 GBK I/514/13

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Veröffentlicht am 27.01.2016
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

sexuelle Belästigung durch Dritten, Belästigung durch Dritten, mangelnde Abhilfe

Text

 

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 7/2011)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 27. Jänner 2016 über den am 3. Juli 2013 eingelangten Antrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte … (AK ...) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der Arbeitgebers/in gema?ß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 7/2011; alle weiteren Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung), im Falle einer Bela?stigung durch Dritte eine gemäß gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, durch die X GmbH (1. Antragsgegnerin), und über die am 26. November 2015 durch die Antragstellerin eingebrachte Ergänzung des Antrages betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG sowie von Amts wegen durch Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG, jeweils durch Herrn B (2. Antragsgegner), nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 102/2011), zu GZ GBK I/496/13, zu folgendem

Prüfungsergebnis

1.   Frau A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Herrn B gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG diskriminiert worden.

2.   Frau A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Herrn B gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG diskriminiert worden.

3.   Frau A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe zu schaffen, durch die X GmbH gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche und mündliche Vorbringen der Antragstellerin und der 1. Antragsgegnerin. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf das interne Memo der 1. Antragsgegnerin vom 8. März 2013 betreffend Dienstanweisung – Verhalten am Arbeitsplatz, das Interventionsschreiben der AK … an die 1. Antragsgegnerin vom 28. März 2013, die Stellungnahmen der 1. Antragsgegnerin an die AK … vom 8. April und 7. Juni 2013, Aufzeichnungen der Antragstellerin (Dokument „Arbeitsvorkommnisse“ und Schreiben an Frau Mag.a C), die schriftliche Stellungnahme von Frau D vom 18. Jänner 2016, die schriftliche Stellungnahme von Frau E vom 21. Jänner 2016 sowie die Konkretisierung des Antrages durch die Antragstellerin per email vom 27. Jänner 2016.

Vorbringen und Aussagen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei bei der 1. Antragsgegnerin vom 1. bis 7. März 2013 als Praktikantin im Rahmen einer Implacement-Stiftung beschäftigt gewesen. Das Praktikumsverhältnis sei am 7. März 2013 durch die Antragstellerin beendet und auch am 11. März 2013 die Stiftungsvereinbarung aufgelöst worden.

Die Antragstellerin sei während der gesamten Praktikumsdauer durch obszöne und sexistische Bemerkungen belästigt worden. Regelmäßig sei die Antragstellerin auch als „Schatzi“ bzw. „Mausi“ bezeichnet und täglich mehrmals mit geschlechtsbezogenen Anspielungen, wie etwa „der Apfelstrudel ist so warm wie der Genitalbereich“ bzw. mit Berichten über das Sexualleben von Kollegen konfrontiert worden.

Die Antragstellerin habe sich an die Geschäftsführerin, Frau D, gewandt mit dem Ersuchen, Abhilfe zu schaffen. Frau D habe lediglich erwidert, dass diese Umgangsformen in der Gastgewerbebranche üblich seien und sie sich an den Küchenchef F wenden solle.

Die Antragstellerin habe daraufhin Herrn F kontaktiert und diesem ihr Problem geschildert. Er habe gemeint, entweder komme sie mit solchen Themen klar oder sie könne gehen.

In der auf Ersuchen des Senats I der GBK von der 1. Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Antragstellerin sei vom 1. bis 7. März 2013 als Praktikantin im Rahmen der Implacement-Stiftung bei der 1. Antragsgegnerin in der Betriebsstätte Y beschäftigt gewesen. Herr Mag. G sei bei der 1. Antragsgegnerin als Geschäftsführer tätig und habe somit zum besagten Zeitpunkt die Verantwortung über die Betriebsstätte Y gehabt. Von den Problemen und der Auflösung des Praktikums der Antragstellerin habe Herr Mag. G von Frau D, Betriebsleiterin der Y, am 7. März 2013 erfahren. Er habe ihr gesagt, dass sie in ihren Betrieben solche Missstände nicht duldeten und Frau D umgehend eine entsprechende Dienstanweisung verfassen solle. Dies sei dann auch am 8. März geschehen.

Ebenfalls am 7. März 2013 habe Herr Mag. G einen Anruf von der Antragstellerin erhalten. Er sei auch von ihr über die besagten Missstände informiert worden. Er habe seine Anteilnahme gezeigt und ihr ebenfalls gesagt, dass er in den Betrieben der 1. Antragsgegnerin ein solches Klima nicht dulde, und er Frau D diesbezüglich entsprechend kontaktieren werde.

Die Dienstanweisung, die aufgrund dieses Vorfalls verfasst worden sei, sei von den Mitarbeitern der 1. Antragsgegnerin am 8. März mit ihrer Unterschrift bestätigt worden.

Die 1. Antragsgegnerin könne nur nochmals festhalten, dass sie keinerlei Diskriminierung dulde. Das Unternehmen bestehe seit Jahrzehnten, habe über 100 Mitarbeiter und bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Probleme mit irgendeiner Form von Diskriminierung gehabt.

Vom 2. Antragsgegner langte keine Stellungnahme beim Senat I der GBK ein.

In der mündlichen Befragung brachte die Antragstellerin ergänzend vor, dass Frau D und der Küchenchef, Herr F, zu Beginn ihrer Beschäftigung nicht anwesend gewesen seien. Frau D könne daher nicht über ihr Wohlbefinden Bescheid wissen, die Antragstellerin sei auch nicht dazu befragt worden.

Die Antragstellerin habe von Anfang an bemerkt, dass im Betrieb Obszönitäten auf der Tagesordnung stehen. Am ersten Tag habe sie es noch quasi „überhört“. Am zweiten Arbeitstag sei sie dann durchaus ein wenig aufgebracht gewesen, dass am Arbeitsplatz derartige Gesprächsthemen auf der Tagesordnung stehen. Am 5.März, ihrem dritten Arbeitstag, habe sie das Ganze Frau E, der Patissière, mitgeteilt und sie gefragt, ob sie das nicht störe. Frau E habe geantwortet, dass es sie an sich auch störe, sie es aber überhöre. Am 6. März habe sie es dem stellvertretenden Küchenchef, Herrn I, mitgeteilt. Sie habe ihm auch mitgeteilt, dass es einen solchen Umgangston am Arbeitsplatz nicht geben sollte. Sie habe es so empfunden, dass er das auch nicht als gut empfinde. Er habe aber dazu nicht reagiert.

Am 7. März sei dann die Ausschreitung gewesen. Sie habe mit dem 2. Antragsgegner den Salat zubereitet. Da habe er sie mit „Schatzi“ oder dergleichen angesprochen. Sie habe ihm darauf gesagt, dass ihr Name … (Anm.: Vorname der Antragstellerin) sei. Das habe er aber nicht akzeptiert. Er könnte sie nennen, wie er möchte. Er habe dann entsprechende Aussagen dazu getätigt. Der Küchenchef, Herr F, habe dazu gespottet. Sie sei nicht ernst genommen worden. Dementsprechend sei sie sehr aufgebracht und damals ziemlich aufgelöst gewesen. Sie habe Frau H von der Stiftung angerufen und ihr mitgeteilt, was dort passiert sei. Diese habe mit Frau D telefonisch Kontakt aufgenommen. Frau D sei darauf zu ihnen hinausgekommen und habe versucht, die Situation mit der Antragstellerin entsprechend zu lösen und sich damit gerechtfertigt, dass das auf engem Raum bei Männern ganz üblich wäre. Männer seien eben so. Es würde darüber auch Bücher geben. Sie selbst würde da nichts weiter tun, die Antragstellerin solle sich mit Herrn F kurzschließen, wie sie „da weiter tun“. Dieser habe darauf zur Antragstellerin sinngemäß gesagt, wenn sie damit nicht klar käme, könne sie ja gehen. Die Antragstellerin habe dazu gemeint, dass sie sich mit Frau H zusammensetzen könnten. Auch Frau H habe gemeint, dass man sich zusammensetzen und eine entsprechende Lösung finden könnte. Im Betrieb haben sie jedoch gemeint, das bräuchten sie nicht, das wäre nicht vonnöten.

Äußerungen seien von der ganzen Gruppe, nicht nur vom 2. Antragsgegner, auch von Herrn F, gekommen, ausgenommen Herrn I und Frau E.

Frau D, damalige Betriebsleiterin der Betriebsstätte Y, sagte aus, dass es einen Vorfall gegeben habe. Danach habe sich die Antragstellerin „verabschiedet“. Sie habe gesagt, dass sie am nächsten Tag kommen werde, sei allerdings nicht mehr zur Arbeit erschienen. Über die Stiftungsbetreuerin, Frau H, hätten sie erfahren, dass die Antragstellerin ihr Dienstverhältnis nicht fortsetze. Daher sei es aufgelöst worden.

Gefragt, ob ihr aufgefallen sei, dass in der Küche unter den Mitarbeitern über intime Dinge gesprochen worden sei, führte Frau D aus, dass es immer eine „männerlastige“ Küche gewesen sei. Es sei eine kleine Küche gewesen, im Eck habe es einen eigenen Raum gegeben. Dieser Nebenraum sei nicht durch eine Tür getrennt gewesen. Es sei allerdings nicht so, dass man dort alles hätte mithören können. Ihr sei schon klar gewesen, dass es während der Arbeit auch private Gespräche gebe. Sie habe allerdings nie darauf geachtet. Ihr sei es darum gegangen, dass sich das Team untereinander gut verstehe. Ihr sei nicht aufgefallen, dass Gespräche dort recht schlüpfrig werden. Es gebe durchaus Küchen, wo es bestimmte sexualisierte Bilder gebe. Solche Sachen habe es bei ihnen nie gegeben.

Zur Mittagszeit habe sie einen Anruf von Frau H bekommen. Frau H habe ihr erklärt, dass die Antragstellerin weinend draußen im Hinterhof sei und irgendwelche Schwierigkeiten habe. Sie sollte nach ihr schauen, weil Frau H am Telefon nicht ganz verstanden habe, was da vorgefallen sei. Daraufhin sei sie in die Küche gegangen und habe nach der Antragstellerin gefragt. Die Mitarbeiter hätten geglaubt, dass diese aufs Klo gegangen sei. Sie hätten nicht gewusst, dass sie draußen wäre und weinte. Frau D habe da noch nicht das Gefühl gehabt, dass etwas vorgefallen wäre. Sie sei dann selber nachschauen gegangen. Bei Lehrlingen sei es so, dass sie sich selbst darum kümmere, wie es ihnen gehe. Sie frage auch den Küchenchef, wie sich der Lehrling im Praktikum tue. Da habe es vom Küchenchef geheißen, dass sie still und brav arbeite. Sie sei ja erst vier Tage da gewesen, da könne man noch nicht so viel sagen. Sie habe dann die Antragstellerin sehr aufgelöst und weinend vorgefunden. Laut dieser wäre das ganze Team ganz furchtbar. Man würde über obszöne Dinge reden. Frau D habe darauf gemeint, dass sie sich beruhigen sollte. Sie könnten darüber reden. Sie habe die Antragstellerin gefragt, ob mit ihr irgendwelche Späße gemacht worden seien. Das habe diese verneint. Ihr persönlich wäre nichts gesagt worden, allerdings hätte sie dieser Umgang mit obszönen Ausdrucksweisen gestört. Sie könnte sich das nicht immer bei der Arbeit anhören. Es hätte ein allgemeiner intimer Ton in der Küche geherrscht. Sie habe sich allgemein über die Männer beschwert. Frau D habe darauf gemeint, dass sie mit den Betroffenen reden werde. Sie hätten dann im Team darüber gesprochen und eine Mitarbeiterinfo aufgesetzt. Diese Information habe jeder unterschreiben müssen. Mit Herrn Mag. G habe sie zuvor eine Besprechung über das Vorgefallene gehabt, dabei sei auch die schriftliche Mitteilung an die Mitarbeiter beschlossen worden. Aufgesetzt habe sie diese dann allein.

An ein Klärungsgespräch mit der Antragstellerin und Frau H zusammen habe man nicht gedacht, da ja die Kommunikation mit der Antragstellerin abgebrochen sei.

Frau D habe der Antragstellerin sicherlich nicht gesagt, dass diese sich selbst an den Küchenchef zu wenden habe. Der Küchenchef sei der Chef über die Küche, und das Thema „Personal“ sei ihre Angelegenheit. Es könne aber durchaus sein, dass sie gesagt habe, dass sie sich noch einmal gemeinsam mit dem Küchenchef zusammenreden sollten. Sie könne sich nicht vorstellen, dass Herr F zur Antragstellerin gesagt habe, dass man mit einem derartigen Umgangston in der Küche zurechtkommen oder gehen müsse. Gefragt, ob Herr F zur Antragstellerin gesagt haben könnte, dass sie mit diesen Belästigungen selber fertig werden müsste, entgegnete die befragte Auskunftsperson, dass er sicherlich nicht so abweisend gewesen sei. Es könne sein, dass er erwähnt habe, dass es so in der Gastronomie zugehe. Im gegenständlichen Unternehmen werde darauf geschaut, dass unter den Mitarbeitern ein gewisser Umgang herrsche.

Sie habe mit dem Team bereits am 7. März gesprochen und am nächsten Tag, als sie ihnen das Memo übergeben habe, auch. Die Antragstellerin sei da nicht mehr dabei gewesen.

Sie habe der Antragstellerin sicherlich angekündigt, dass sie mit den betreffenden Mitarbeitern reden werde. Es sei nicht so gewesen, dass sie der Antragstellerin gesagt habe, dass sie mit dem Team reden werde, aber dann alles so bleiben würde, weil es so üblich wäre. Sie habe definitiv vermittelt, dass sie im Team darüber reden und etwas dagegen tun würden. Das Schreiben sei eigentlich für die Antragstellerin gedacht gewesen, damit sie sehe, dass man ihr Anliegen ernst nehme.

Sie habe der Antragstellerin natürlich mitgeteilt, dass es in der Gastronomie zu solchen Umgangsformen kommen könne. Vielleicht habe sie das falsch vermittelt, sodass die Antragstellerin verstanden habe, dass sie solche Umgangsformen in der Küche rechtfertige. Sie sei bezüglich dieser Beschwerde vor den Kopf gestoßen gewesen. Sie habe damit überhaupt nicht gerechnet. Vielleicht habe sie im Affekt etwas gesagt, was nicht passe. Sie habe sicherlich klarstellen wollen, dass dieser Umgangston nicht gewünscht sei.

Bemerkungen, wie der Apfelstrudel sei so warm wie der Genitalbereich, habe sie nicht mitbekommen. Sie könnte das auch keiner Person in der Küche zuordnen. Ebenso habe sie die Bezeichnung „Schatzi“ oder „Mausi“ gegenüber der Antragstellerin nie gehört.

Der Senat I stellte dem 2. Antragsgegner zwei Ladungen an seine Postanschrift zu. Der 2. Antragsgegner blieb beiden Befragungen unentschuldigt fern. Daher setzte der Senat I der GBK die Behandlung des Antrages gemäß § 12 Abs. 2 GBK-GO fort.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“2 zu verstehen.

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.3

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand iSd §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf § 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren iSd GBK/GAW-Gesetz durch.

Das Vorbringen der Antragstellerin, sie sei mit Äußerungen, wie „der Apfelstrudel sei so warm wie der Genitalbereich“, und Berichten über das Sexualleben der Arbeitskollegen konfrontiert worden, indizierte eine sexuelle Belästigung iSd § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG.

Die Antragstellerin hielt sowohl in ihrer mündlichen Befragung als auch in der nachfolgenden schriftlichen Konkretisierung fest, dass die Aussage hinsichtlich des Apfelstrudels bzw. ähnliche obszöne Äußerungen von allen in der Küche angestellten Personen – mit Ausnahme von Herrn I und Frau E – getroffen worden seien (vgl. Aussage der Antragstellerin vom 11. November 2015 und Schreiben vom 27. Jänner 2016).

Frau E hielt in der an den Senat übermittelten schriftlichen Stellungnahme zusammengefasst fest, dass sie durch die räumliche Trennung der Patisserie vom Rest der Küche nur einen begrenzten Einblick in die Umgangsformen der Kollegen gegenüber der Antragstellerin gehabt habe. Obszönitäten seien ihr keine zu Ohren gekommen, wenngleich es ihr während ihrer Anstellung im Y durchaus aufgefallen sei, dass die Kollegen und der Küchenchef des Öfteren über intime Themen gesprochen haben (vgl. Schreiben von Frau E vom 21. Jänner 2016).

Eine definitive Zuordnung der gegenständlichen Äußerungen zum 2. Antragsgegner konnte somit nicht festgestellt werden.

Das weitere Vorbringen, die Antragstellerin sei vom 2. Antragsgegner als „Schatzi“ und „Mausi“ bezeichnet worden, fällt für sich genommen noch nicht unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung.

Es konnte somit keine sexuelle Bela?stigung durch den 2. Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG festgestellt werden.

Das Vorbringen der Antragstellerin, dass sie vom 2. Antragsgegner als „Schatzi“ und „Mausi“ bezeichnet worden sei, wurde von Amts wegen unter dem Aspekt der geschlechtsbezogenen Belästigung überprüft.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d.h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen auf Grund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nicht mit sexuellem Verhalten zu tun haben.

Spricht ein Arbeitskollege eine Arbeitnehmerin mit „Schatzi“ und „Mausi“ an, stellt dies eine stereotype Rollenzuweisung und verpönte Geschlechtsherabwürdigung dar, die unter den Tatbestand der Belästigung gemäß § 7 Abs. 1. Z 3 GlBG zu subsumieren ist.

Nach den schriftlichen Unterlagen schien die vorgebrachte Belästigung der Antragstellerin für den erkennenden Senat glaubhaft. Bei der ergänzenden Befragung machte die Antragstellerin einen sehr glaubwürdigen Eindruck. Sie beschrieb die im Antrag geschilderten Äußerungen des 2. Antragsgegners ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag. Die Schilderung ihrer Betroffenheit erschien dem erkennenden Senat authentisch.

Da der 2. Antragsgegner trotz Ladung nicht an einer Befragung durch den erkennenden Senat teilnahm, konnte von ihm kein persönlicher Eindruck gewonnen werden. Es wurde seitens des 2. Antragsgegners auch keine Stellungnahme abgegeben.

Die geladenen Auskunftspersonen Herr Mag. G, Frau H und Frau E erschienen entschuldigt nicht zu ihrem Befragungstermin. Mangels persönlicher Wahrnehmung der geschilderten Vorfälle durch die genannten Auskunftspersonen verzichtete der Senat I der GBK auf eine nochmalige Ladung.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er das belästigende Verhalten nicht getätigt hat. Der alleinige Umstand, dass es keine unmittelbare Wahrnehmung der Belästigung durch andere Personen gegeben hat, kann das glaubhafte Vorbringen der Antragstellerin nicht entkräften.

Es liegt somit eine Belästigung durch den 2. Antragsgegner iSd § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG liegt eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, dass er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen.

§ 7 Abs. 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht.4 Danach haben Arbeitgeber/innen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer/innen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird.5

Arbeitgeber/innen sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn Belästigungen hervorkommen, zum einen um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben.6 „Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem/der Arbeitgeber/in das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die Arbeitgeber/in haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste und daher aus ihrer/seiner Sicht für allfällige Abhilfemaßnahmen keine Veranlassung bestand. Liegt zumindest Erkennbarkeit vor, kommt es auf eine besondere „Bekanntgabe“ durch die betroffene Person nicht mehr an, um die Abhilfeverpflichtung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin auszulösen.7

Unternimmt eine Arbeitgeberin trotz Kenntnis des geschlechtsbezogen belästigenden Verhaltens eines Dritten und dem Ersuchen der betroffenen Arbeitnehmerin, dagegen vorzugehen, nichts, stellt dies eine Diskriminierung durch schuldhaftes Unterlassen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin, im Falle einer Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG zu schaffen, dar. Erweckt die Arbeitgeberin gegenüber der Arbeitnehmerin, die sie gerade von einer Belästigung in Kenntnis gesetzt hat, den Anschein, sie werde nichts dagegen unternehmen, indiziert dies eine derartige Diskriminierung.

Den glaubhaften Aussagen von Frau D folgend ergab das Ermittlungsverfahren, dass die Betriebsleiterin nach dem Gespräch mit der Antragstellerin, in dem sie erstmals von den Vorwürfen der Antragstellerin erfuhr, noch am selben Tag begann, diesen Vorwürfen nachzugehen, vorerst durch eine Teambesprechung. Zudem leitete sie ebenfalls am selben Tag die Informationen an den Geschäftsführer der 1. Antragsgegnerin, Herrn Mag. G, weiter und besprach mit ihm die weitere Vorgehensweise. Mit dem vorliegenden internen Memo konnte die 1. Antragsgegnerin zudem belegen, dass am 8. März 2013 weitere Abhilfemaßnahmen gesetzt wurden.

Zur gebotenen Abhilfe gehört neben den Maßnahmen, die der Verhinderung weiterer Belästigungen dienen, jedoch auch das Gespräch mit der belästigten Person selbst, in welchem den negativen Folgen der Belästigung – ua durch Ankündigung der bevorstehenden unverzüglichen Abhilfe – möglichst entgegenzuwirken ist.

Zum Gespräch zwischen Frau D und der Antragstellerin am 7. März 2013 ist festzuhalten, dass es in einer emotional aufgebrachten Situation durchaus zu Missverständnissen kommen kann, weshalb derartige Gespräche auch mit einem besonderen Maß an Sensibilität zu führen sind, um den Eindruck der Verharmlosung von Diskriminierungen zu verhindern. Es erscheint dem Senat glaubwürdig, dass Frau D mit ihren beschwichtigenden Aussagen hinsichtlich des „Umgangstons in der Gastronomie“ deeskalierend und kalmierend wirken wollte. Vor allem erachtet der Senat ihre Aussage, sie habe der Antragstellerin in Aussicht gestellt, auch selbst mit den betroffenen männlichen Kollegen zu sprechen, überzeugend, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, sie habe den Eindruck vermittelt, die 1. Antragsgegnerin werde in der Sache nichts weiter unternehmen. Das Verhalten von Frau D erweckte jedoch augenscheinlich in seiner Gesamtheit bei der Antragstellerin dennoch den Eindruck, dass die erhobenen Vorwürfe nicht ernst genug genommen würden, sodass sich die Situation am Arbeitsplatz womöglich nicht tatsächlich ändern werde, weshalb sie in weiterer Folge nicht mehr am Praktikumsplatz erschien und das Ausbildungsverhältnis am 11. März 2013 von der Implacement-Stiftung offiziell aufgelöst wurde. Der erkennende Senat erachtet das Vorgehen der 1. Antragsgegnerin im Rahmen des im Ergebnis als Abhilfemaßnahme missglückten Gesprächs daher hinsichtlich Unverzüglichkeit und Angemessenheit der Maßnahmen als einen Grenzfall. Da Frau D am Ende dieses Gesprächs jedoch subjektiv den Eindruck hatte, die Antragstellerin sei wieder einigermaßen beruhigt (vgl. Schreiben vom 8. April 2013 an die AK … und Aussage vom 27. Jänner 2016), konnte sie nach Ansicht des Senats nicht vorhersehen, dass die Antragstellerin schon am nächsten Tag dem Betrieb fernbleiben werde und die weiteren geplanten Abhilfemaßnahmen daher für diese zu spät kommen würden. Das für eine mangelnde Abhilfe geforderte Verschulden wurde nach Ansicht des Senates daher nicht erreicht.

Es liegt somit kein schuldhaftes Unterlassen der 1. Antragsgegnerin, im Falle einer Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe zu schaffen, iSd § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und sie/ihn aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird seitens des erkennenden Senates gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz der 2. Antragsgegner, Herr B, aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 27. Jänner 2016

Ass.-Prof.in Dr.in Barbara Beclin

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Posch in Rebhahn, GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

3  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 12.

4  Siehe dazu § 1157 ABGB, § 18 Abs. 4 AngG etc.

5  OGH 26.8.2004, 8 ObA 3/04f.

6  OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 13.

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2017
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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